Tag 24 – 26: Ljusselsstugan – Kiruna

Tag 24: Ljusselsstugan – Jokkmokk

Habe mich gestern Abend noch mit 4 spanischen Campern unterhalten, dass sind bisher wohl die am weitesten Gereisten.

Der Tag beginnt sonnig, und so komme ich pünktlich um 9 Uhr los. Der Start hat es aber auch gleich richtig in sich. Die ersten 40 Kilometer des Tages bestehen aus steilen Anstiegen, steilen Abfahrten und gefühlt keinem einzigen Stück Flachland. 

Heute fühlen sich die Beine besonders schwach an, was nun wirklich keine traumhafte Kombi ist. Aber ich beiße mich durch, auch dank einem guten Hörbuch. Musik und Hörbücher sind generell meine Geheimwaffe auf dieser Reise. Merke ich, dass ich in 500m Schritten auf den Tacho schaue, und das Gefühl habe, es geht gar nicht voran, dann kommen die Kopfhörer ins Spiel. Mit einem guten Hörbuch schaue ich meist nur dann auf den Tacho, wenn ich merke “Hui, schon wieder 18km mehr zurückgelegt.” 
Sollte es jemand von euch interessieren, hier die bisherige Liste:

  • Warlock Holmes – Ziemlich schlecht, keine Ahnung warum ich mich damit so lang aufgehalten habe
  • Heilige Kuh von David Duchovny – noch schlechter, moralisierend, zum Glück aber nur drei Stunden lang. 
  • 2001 – A Space Odyssey: Ein Klassiker, den ich schon seit Ewigkeiten anschauen wollte. Hat mir als Hörbuch gut gefallen, muss nach der Rückkehr mal den Film anschauen. 
  • Ben Aaronovitch – Rivers of London Serie. Bisher bin ich mitten in Teil 2, von 6 insgesamt verfügbaren Büchern. Absolut genial, sehr detailreich aufgebaut und hilft wirklich beim Abschweifen und “Hügel-vergessen”. Freu mich, dass ich noch 3 Teile der Reihe mit dabei habe. Nur dass der Protagonist dauernd vom Essen schwafeln muss, geht mir gehörig auf den Geist. Da kommt das Magenknurren von ganz alleine. Danke für die Empfehlung Markus! 

Das sind die bisher angehörten, habe noch einiges dabei, zur Not auch mehrere 45-stündige Fantasy-Kracher, da kann ich ne ganze Woche durch-hören. Nur meine ideologiekritischen, politischen Vorträge (vom genialen YouTube Kanal Nocturnal Times runtergeladen) verstauben bisher auf der SD Karte, da kann ich mich nicht zu durchringen. Aber ich habe ja noch Zeit. 

Was die Tierdichte heute angeht, war es ein erfolgloser Tag. Ein einsames Rentier leistete mir kurz Gesellschaft, ansonsten blieben die Straßen aber leer. 

Habe ich euch eigentlich schon mein Maskottchen “Kroki” gezeigt? Meine Warmshower Host Janka hat mir in Göteborg ein Überraschungsei geschenkt, anlässlich dem “Kindertag” in Polen. Erst mit Kabelbinder, nun mit Gaffa-Tape fährt der Inhalt dieses Überraschungseis nun auf meinem vorderen Schutzblech mit! 

Mittagspause habe ich zum Glück so getimed, dass ich gerade wieder losfahre, als es anfängt zu tröpfeln. Bald darauf gießt es aus Kübeln und für die letzten 50km des Tages fahre ich in meiner Regenkluft. Dabei ist heute aber deutlich wärmer als die vergangenen Regentage, dass ist vollständig eingepackt schon richtig unangenehm. 

Kurz vor der Ankunft am Zielort dann das heutige Tageshighlight. 

Ich habe den nördlichen Polarkreis auf 66, 5° nördlicher Breite erreicht. Ab diesem Punkt kann man dann in den kommenden Wochen die nie untergehenden Mitternachtssonne beobachten. 

 Informationen dazu

Ich für meinen Teil freue mich einfach tierisch, hätte nicht gedacht, dass ich es so weit schaffe. Unterhalte mich vor Ort noch mit ein paar netten Leuten. Die meinen, sie hätten heute 5-6 Radfahrer_innen überholt, die in die selbe Richtung unterwegs sind wie ich, es gibt also Nachschub. Sie meinten allerdings auch, dass sie heute früh in Vilhelmina gestartet wären, da war ich vor 4 Tagen. Ist schon verrückt, wenn man sich an das Rad Tempo gewöhnt und plötzlich merkt, wie viel Strecke Autos an einem Tag zurücklegen. Nichtsdestotrotz hoffe ich, vielleicht in Kiruna auf ein paar Mitradler_innen zu stoßen, mit denen ich zusammen nach Norwegen fahren könnte. Vielleicht holt ja wer auf. 

Ein paar Kilometer später dann auch noch die theoretische “Mitte” meiner Tour:

Bisher weiß ich allerdings nicht, ob ich mich freuen soll, dass die Hälfte geschafft ist, oder schockiert sein soll, dass noch genauso viel vor mir liegt. Egal, einfach strampeln, dann wird das schon. 

Kurz darauf komme ich in Jokkmokk an, ein Ort der wohl am bekanntesten für sein Eis-Hotel ist. Dieses besteht wohl gerade eher aus einem Teich in einem Feld, deswegen komme ich Abends im Vandrarhem, also der schwedischen Jugendherberge, unter, da dies nun auch nicht viel teurer war, als die örtlichen Campingplätze. Zudem soll es heute Nacht weiter regnen und die Campingplätze sind dann auch noch deutlich weiter von der Route entfernt, ich müsste morgen also Extrakilometer machen, um dorthin zurückzukommen. 

So habe ich ein Sechsbettzimmer für mich alleine, kann mich schön ausbreiten und nach 3 Nächten Wildcamping auch endlich wieder unter die Dusche begeben (In einen See springen ist nunmal nicht das Gleiche!) 

 Blick in den Garten um Mitternacht. Dunkler wird es nicht mehr… 

Das waren heute echt anstrengende 101km! Dafür sind es morgen knapp unter 100km bis Gällivare, und dann übermorgen knackige 120km bis Kiruna. Kiruna fungiert derzeit als Sehnsuchtsort, da ich bereits zwei Mal vor Ort war und mich auskenne. Zudem freue ich mich bereits jetzt auf ein bestimmtes Burger-Restaurant. Hinzu kommt, dass ich da einen längst überfälligen Pausentag, vielleicht sogar zwei, einschieben werde, und mit der Ankunft in Kiruna auch die etwa zweiwöchige “Wald, Wald, nichts als Wald”-Phase endlich ein Ende findet.  

Tag 25: Jokkmokk – Muorjevaara

Das Schönste am drinnen übernachten? In der Früh muss kein Zelt verpackt werden. Die gesparte Zeit vertrödel ich allerdings bei einem ausgiebigen Frühstück. 

Kurz nach 9 geht es los, schnell bin ich wieder aus Jokkmokk draußen. Und bin völlig fasziniert, die ersten 20km sind nahezu durchgängig flach und ich komm richtig flott voran. 

Schleusenanlage, bemalt vom schwedischen Künstler Lindstrom. 

Plötzlich hält ein Camper mit Hamburger Kennzeichen in einer Parkbucht und ein älteres Ehepaar fängt mich am Straßenrand ab. Sie sind an meiner bisherigen Tour interessiert und so kommen wir schnell ins Gespräch. Und plötzlich kriege ich zwei Frucht-Mus Packungen überreicht, inklusive einer Visitenkarte zur Website der Zeugen Jehovas.

Ich stelle mich also auf ein nerviges Missionierungsgespräch ein, doch dies tritt überhaupt nicht ein. Stattdessen wird über Skandinavien gefachsimpelt und die derzeitige Route besprochen. Insgesamt sehr kurzweilige 10 Minuten stehen wir am Straßenrand. Ich bin derzeit dauernd so hungrig, wahrscheinlich würde ich für eine Tafel Schokolade selbst der übelsten Sekte beitreten 😉 

Anschließend wechselt die Szenerie ein wenig, es geht entlang mehreren Vattenfall-Staudämmen samt Kraftwerken langsam höher.

 Jede Staustufe bringt mich 50m höher und plötzlich setzt auch der fieseste Gegenwind ein. Ich zuckel so mit knappen 12km/h, frierend und fluchend, die Hänge hoch. Dabei überholen mich zwei Rennradfahrer, die in sehr gebrochenen Englisch erzählen, sie kämen aus Polen, dazu aber später mehr. 

Nach 35km gegen den Wind und bergauf dann endlich die Erlösung: Der Weg biegt im 90° Winkel nach Osten ab, und plötzlich kommt der Wind nicht mehr von schräg vorne, sondern schräg hinten. Und ich fliege nur so davon. Auf der Geraden fahre ich gemütlich mit 28km/h dahin, selbst Hügel segel ich mit 16km/h hoch. Irre was Wind für einen Unterschied macht. 

Ich komme an dem Abzweig nach Kvikkjokk vorbei, hier werde ich mich am Ende meiner Radtour mit dem Bus hinbringen lassen, um zwei Wochen auf dem “Padjelantaleden” wandern zu gehen. In der Ferne sieht man das Bergmassiv des Sareks, eine naturbelassene Wildnis, wie es sie in Europa sonst nicht mehr gibt.  Der Padjelantaleden führt einmal um das Sarek Massiv. Im Sarek liegt anscheinend noch jede Menge Schnee, hoffentlich ist das alles weggetaut bis ich da in ca. einem Monat wieder aufschlage, ansonsten wird es schwierig mit einigen Bergaufstiegen, zudem müssen einige Flüsse ohne Brücke gequert werden, das geht natürlich nur bei entsprechenden Wasserstand. 

Pausenplatz

Eine kalte Mittagspause am Wegesrand lädt nicht wirklich zum verweilen ein. Danach fahre ich auf den Dundret zu, den über 800m hohen Hausberg von Gällivare. 

Dieses Ziel bleibt einige Zeit in Sicht, auch da ich den Berg zur Hälfte umrunden muss. Dann endlich fahre ich in Gällivare (Gesprochen: “Jällivare”) ein. Der letzte größere Ort vor Kiruna (meinem morgigen Tagesziel). 

Dieser Ort hat vielleicht 30.000 Einwohner. Und einer von vier Supermärkten hat Öffnungszeiten, wo selbst wir Berliner nur von träumen können. 

Nach dem Einkauf überlege ich mein weiteres Vorgehen. Entgegen dem Wetterbericht hat es heute nur kurz getröpfelt, dabei war Dauerregen angesagt. Ich habe jetzt 95km hinter mir, bis Kiruna sind es noch 120km. So entschließe ich mich, wegen dem guten Wetter doch weiter zu fahren, wild zu campen und so morgen weniger Strecke nach Kiruna vor mir zu haben. Zudem war es erst 16 Uhr, das war nun wirklich zu früh zum Anhalten 😉 

Und so treffe ich kurz vor dem Ortsausgang die beiden Rennradler vom Vormittag wieder. Stellt sich raus, sie haben ein Begleitfahrzeug dabei, dessen Fahrer deutlich jünger ist und ordentlich Englisch spricht. 

So kommen wir in ein Gespräch über deren Tour. Sie sind 11 Tage vor mir in LISSABON!!! gestartet, fahren auch zum Nordkapp und von da über Finnland und das Baltikum zurück nach Gdansk in Polen. Was eine irre Tour, was ein irres Tempo. Sie legen etwa 200km täglich zurück, also grob das doppelte zu meinem täglichen Schnitt. Allerdings sind sie zu zweit, fahren Windschatten und ihre Räder wiegen ganze 11kg, weil alles im Begleit-Van verstaut ist. Ich bin super neidisch auf ihr Radgewicht, schleppe ich doch die fünffache Menge mit mir rum. 

Das muss so viel einfacher sein am Berg. 



Abends schlafen sie im Van, dann geht es weiter. Laut Aussage des Fahrers wird jeden Tag etwa 4-5h geschlafen, und er meinte, er merkt deutlich, wie die beiden Radler abbauen. Generell scheint da vieles im Argen zu sein, denn ursprünglich war es wohl so gedacht, dass die drei sich abwechseln, nun fahren aber die beiden älteren Herren durchgängig und der jüngere Mann “darf” dauerhaft den Versorgungswagen fahren. 

Die Tour steht aber unter einem katholisch-christlichen Licht, und der Autofahrer ist auf alle Fälle überzeugter Christ. Er sieht es laut eigener Aussage als eine “Mission von Gott”, nun für die anderen beiden zu sorgen und sie sicher Fahrrad fahren zu lassen. Heute scheint also wirklich der Tag der Religionen zu seien, nachdem ich in letzter Zeit damit nichts zu tun hatte. Ich bewundere den Autofahrer, ich hätte den beiden Rennradlern ja den Mittelfinger gezeigt und wäre wieder nach Polen gebraust. Die ganze Tour steht im Sinne der 100jährigen Marien-Erscheinung in Fátime. (Siehe dazu auch hier
Nach einer guten Dreiviertelstunde Unterhaltung, auch mit einem deutschen Autofahrer, der sich der Gruppe temporär angeschlossen hat, fahre ich noch aus der Stadt raus. 

 Endlich ist Kiruna angeschrieben. 

Vorbei am “Lapland Airport”, und dann wieder im 90° Knick voll in den Gegenwind. Prompt kommt auch ein 3km länger, 6%iger Aufstieg, der zum Tagesende richtig Kräfte frisst. 

Nach 118km finde ich am Wegrand eine Möglichkeit mein Zelt aufzubauen und im nahen Fluss kann ich mich noch ein wenig auffrischen. Leider ist der einzige Zugang zum Fluss direkt an der Hauptstraße, so haben mich wohl heute einige Leute in Kraftfahrzeugen sehr nackig gesehen 😀

Been there, done that, got the Coca-Cola 

So habe ich morgen “nur” noch 100km nach Kiruna und werde dort Abends ein Hostel suchen, wo ich auch mein Ruhetag verbringen werde. Ich freue mich bereits riesig. 

Tag 26: Muorjevaara – Kiruna

Mein tägliches Frühstück, nachdem ich Müsli nicht mehr sehen kann… 

Bin wieder klassisch um 9 Uhr unterwegs. Der Weg beginnt steil, aber sonnig. Nach 1,5 Stunden, und erst 25 gemachten Kilometern halte ich in einem Ort, und gönne mir ein Frühstücks-Eis (Ja, das “S” am Ende stimmt so) im Supermarkt. Kaum bin ich draußen, regnet es ziemlich heftig, das sitze ich unter dem Vordach aus. Aber von da an ist der Tag wie verhext. Wie in einem schlechten Comic schaue ich auf blauen Himmel, Sonnenschein und ein paar fluffige weiße Wolken, aber über mir scheint sich konstant eine graue, bitterböse und prall gefüllte Regenwolken zu befinden. Ein paar Mal spiele ich den “Regenhosen-Tango” (anziehen, ausziehen, anziehen usw.), bevor ich aufgebe und den restlichen Tag in Regenklamotten bleibe. Es fängt etwa 10 mal an zu regnen, mal sanfter, mal heftig, einmal werde ich sogar von Hagelkörnern maltretiert. 

Dazu geht es weiterhin bergauf und als wäre das nicht genug, bläst mir schon den ganzen Tag ein fieser Gegenwind ins Gesicht. 

Das wäre schön, mal wieder einen Elch zu sehen. 

Was ich die letzten 10 km gestern gemerkt habe, setzt sich auch heute fort: Ich bin nicht mehr nur auf der E45 unterwegs, sondern diese ist mit der E10, die zuvor die schwedische Ostküste entlangführt, verbunden. Eine direkte Konsequenz daraus ist ein unglaublich dichtes Verkehrsaufkommen, wurde ich vor einer Woche noch etwa von 15-20 Autos die Stunde überholt, spielt sich dies nun alle 5 Minuten ab. Fehlt dann auch noch über knappe 20km der Seitenstreifen, wird es wirklich ungemütlich und man muss sich gehörig konzentrieren, während die LKWs an mir vorbei ziehen. 

Enge, viel befahrene Straße

Nach knappen 1100km auf der E45 (und das meine ich wörtlich, wenn es hoch kommt, dann habe ich 40km auf Nebenstraßen oder in Städten zurückgelegt, der Rest war komplett auf der E45), biegt diese nun nach Nordosten ab, und führt nach Finnland. 

Somit fahre ich nun auf der E10 weiter nach Westen nach Kiruna. War eine lange Zeit auf der E45, knappe 12 Tage bin ich darauf gefahren. Aber bei meiner Rückkehr vom Nordkapp werde ich den Teil von der finnischen Grenze bis Kiruna noch darauf zurücklegen, ich komme also wieder liebe E45! 

Die verbliebenen 50km auf der E10 ziehen sich unglaublich. Viel Bergauf, viel Regen. Nach 70km ringe ich mich zu einer Mittagspause durch, weil der Hunger wirklich überhand nimmt. Kaum sind die Brötchen aus der Tasche, fängt der Regen allerdings wieder an. So wird es das ungemütlichste Essen bisher auf Tour. 12 Minuten Zeit für Brote streichen und belegen, Essen und die Kochutensilien wieder verstauen. Das mag zwar ein Zeit-Rekord sein, war aber null erholsam. Im Gegenteil, durch das schnelle Runterwürgen fahre ich mit einem ordentlichen Knoten im Magen weiter. 

Unwürdige Mittagspause

Versuche mich abzureagieren, indem ich Minutenlang den Asphalt, das Wetter und die Umgebung anschreie. Der Wind lässt jedoch nicht nach dadurch und irgendwann merke ich, dass ich die Puste zum Treten brauche. 

Langsam kommt Kiruna in greifbare Nähe:

Diesen Flughafen werde ich in 1,5 Monaten für den Rückflug ansteuern, heute geht es erstmal dran vorbei in Richtung Stadt. 

Dann endlich bin ich in Kiruna

Schon von Weitem sieht man den Geröllberg am Fuße Kirunas, der das abgetragene Material aus der dort ansässigen Eisenmine von den Dimensionen her greifbar macht. 


Kiruna existiert vermutlich nur wegen dem gigantischen Eisenflöz unter der Stadt, der von der staatlichen Minengesellschaft LKAB abgebaut wird. 

Oberhalb 

und unterhalb von Kiruna

Dabei sind die Minenschächte inzwischen in 1,5km Tiefe vorgedrungen, und da der Flöz unter der Stadt verläuft, findet hier ein gigantisches Umzugsprojekt statt: Die ganze Stadt soll auf Kosten der LKAB um einige Kilometer versetzt werden, um so die Gebäude in Sicherheit zu bringen, da inzwischen schon Absackungen feststellbar sind. Teilweise sollen ganze Gebäude, wie die ansässige Kirche demontiert und am neuen Standort wieder errichtet werden. Wird sicherlich spannend sein, zu beobachten wie sich das entwickelt, auch jetzt erkenne ich Unterschiede zu meinem Besuch vor zwei Jahren. 

 Das neue Stadt Zentrum wird gebaut. 

In Kiruna geht bei mir nur noch Stop-and-Go, so kaputt bin ich nach den 96km gegen das widrige Wetter. Alle 500m anhalten, etwas fotografieren, dann sich weiter quälen. Anschließend fahre ich in Kiruna 3 Hostels an, wovon eins voll und eins geschlossen ist, bevor ich endlich eine günstige, wenn auch sehr rustikale Unterkunft finde. Doch das ist jetzt auch egal, nach 100km will ich wirklich nur noch meine Taschen ausladen und freue mich, für zwei Nächte ein Vierbettzimmer zu beziehen. 

Nach einer Dusche kommen die Lebensgeister zurück, so mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Mein Burger Geheimtipp, den ich vor 3 Jahren entdeckt habe, hat leider zu, so geht es aber ins Bishops Arms, wo ich vor 2 Jahren mit Markus schon die Henkersmahlzeit eingenommen habe, bevor es zum Wandern auf den Kungsleden ging. 

Falls ihr euch schon mal gefragt habt, wie ein 17,50€ Burger in Skandinavien aussieht. Voila! 

Jetzt freue ich mich auf den Ruhetag morgen, habe zwar ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, aber weit weniger als beispielsweise an dem stressigen Tag in Mora. So kann ich endlich mal ein wenig entspannen und die Beine relaxen lassen. 

Von Kiruna aus hat man einen tollen Blick in die höheren Berge Richtung Norwegen. Wahnsinn wie viel Schnee da noch liegt. 

Erstens muss ich da in ein paar Tagen durch, wenn es Richtung Narvik geht, zweitens will ich in dem Gebiet in knapp einem Monat wandern. Da muss noch viel abtauen, damit ich nicht dauerhaft über Schneefelder stapfen muss, und damit die Flüsse noch zu queren sind. 

Tag 22 – 23: Storuman – Ljusselsstugan 

Tag 22: Storuman – Fiskträsk 

In der Früh knallt zwar wieder die Sonne, aber erst ab 7. Zudem wird so wenigstens die Wäsche vor dem Zelt trocken. 

Morgendlicher Nachbar in Nähe des Zeltes 

Ich packe zusammen und mache mich in gleichem Sonnen-Outfit wie gestern auf den Weg. 

Bananenpause an einem wilden, reißenden Fluss. 

Heute barg drei Highlights, die ich chronologisch abarbeiten will:

1) Nach 60km, knapp vor meiner Mittagspause erreichte ich endlich Meilenstein Nr. 2.

Fühlt sich gut an, auch weil die Distanz bis zum nordschwedischen Kiruna immer weiter schmilzt und ich weiß, dass ich in einer Woche etwa in Norwegen sein werde, und ein landschaftlicher Wechsel eintreten wird. 

Abendessen kaufe ich dann beim Besuch im Ort Sorsele, da ich aber erst 70km hinter mir habe, geht es zügig weiter. 

Land unter.. 

 Ab heute bin ich auch endlich in der Provinz Norrbotten angekommen. So groß wie Baden-Württemberg und Bayern zusammen, 23% des schwedischen Staatsgebiets, aber nur 2,8% der Einwohner. (Laut Wikipedia)   

2) Kaum 10 Kilometer später steht plötzlich ein Riese vor mir: Auf der Straße steht eine voll ausgewachsene Elchkuh! Gestern bereits das erste Rentier, heute gleich den ersten Elch gesehen, ich bin überrascht und absolut begeistert. Alles passt: Es kommt gerade kein Auto um den Elch zu verschrecken, und nach 2 schnellen Fotos verschwindet das Tier wieder neben der Straße im Unterholz. Bis ich die 50m geradelt bin, kann ich den Elch nicht mehr sehen, was eine geniale Tarnung. Ich bin so glücklich diese Begegnung erlebt zu haben und hoffe auf viele weitere in den nächsten Tagen! 

Ein paar Minuten später treffe ich auf ein schwedisches Pärchen, welches per Rad in die Gegenrichtung unterwegs ist. Wir halten an zum quatschen, und ich erfahre, dass ein weiterer Radler in die gleiche Richtung unterwegs ist, allerdings hat dieser 6 Stunden Vorsprung. Und das bedeutet: Wenn er nicht irgendwo Pause macht, werde ich ihn wohl nicht zu Gesicht bekommen, was leicht frustrierend ist. Als ich den Schweden von meiner Elchsichtung erzähle, meinen sie noch, in ein paar Kilometern kämen Rentiere. 

3) Und wider erwarten sind diese auch noch da, als ich vorbeikomme. Diesmal kein einzelnes Tier sondern eine kleine Herde mit 4-5 Individuen. Zwei davon in wunderschönem Weiß, selbst die Hörner sind weiß. Lang stehe ich am Straßenrand und fotografiere und beobachte die Tiere, bis sie sich in den Wald zurückziehen. 

Kurz überlege ich, ob ich in Slagnäs auf dem Campingplatz einchecken soll, entschließen mich aber, dort nur Wasser aufzufüllen und das gute Wetter noch in den Abend hinein zu nutzen. 

Hinter Slagnäs wird es unangenehm steil:

Mein Navi hat mir eine Umfahrung vorgeschlagen, diese wäre allerdings 15km länger und wäre unter Umständen wieder auf schlechten Schotterstraßen. So entschließe ich mich, so weit heute durch die Berge zu kurbeln, bis ich keine Lust mehr habe. Dann ist wenigstens morgen früh weniger zu machen. Die 6% Steigung geht tatsächlich, im zweiten Gang, manchmal im ersten, Kurbel ich mich langsam aber sicher die Anhänge hoch. Man darf halt nicht hetzen und langsam habe ich die Ruhe um nicht frustriert zu werden, wenn es Ewigkeiten mit 5km/h voran geht. Dafür ist der Blick auf das tiefer liegende Umland spektakulär.

Hügel machen mich fertig! 

Nach 111km entscheide ich mich, dass es mir reicht, der Rest muss bis morgen warten. Dafür finde ich eine tolle Stelle zum Campen: Nah an der Straße, ohne Einsehbar zu sein. Flach und trocken. Schnell steht das Zelt und auf einer bereits genutzten Grillstelle schaffe ich es sogar beim ersten Anlauf ein Feuer zu entzünden, nachdem ich bisher nur den Kocher genutzt habe. Zum Abendessen gibt es Kartoffeln, danach ziehe ich mich wegen der Mückenschwärme ins Zelt zurück. 

Ich bin wirklich dankbar, heute drei so tolle Highlights erlebt zu haben. Dies wertet den Weg durch den ewigen Wald auf alle Fälle auf, und an die ersten Tierbegegnungen werde ich sicherlich noch lange zurückdenken. Mal sehen was mir die Tage noch begegnet.  

Tag 23: Fiskträsk – Ljusselsstugan 

Der Tag beginnt mit einer ordentlichen Kletterpartie, allerdings hatte ich scheinbar gestern das Schlimmste bereits hinter mich gebracht und so komme ich nach einigen Steigungen endlich im Flachen an. 

Ich begegne heute einer Vielzahl Rentiere, wusste doch, dass die sich alle noch blicken lassen würden. Teilweise sind es einzelne Tiere, mal begleitet mich ein Paar die Straße herunter, die traben 200m mit mir mit. Und ein anderes Mal ist es gleich eine kleine Herde, die ganz entspannt am Wegesrand rumsteht. Tiere kommen hier also wirklich nicht zu kurz. 

Trifft zu! 

Tierische Brückensperrung


Nach 40km komme ich in Arvidsjaur an, die Stadt, die seit der Fahrt aus Östersund raus immer oben auf den Distanzschildern stand. Schön da auch endlich angekommen zu sein. 

Echte wären mir lieber… 

Auch verrückt, wenn man merkt, dass hier im Winter Ski gefahren wird. 

Ich decke mich im örtlichen Supermarkt ordentlich ein, denn der nächste Supermarkt liegt in Jokkmokk, 160km weiter die Straße entlang! So habe ich nun für 2 Tage Essen dabei, bis auf die Tatsache, dass die Tasche sehr voll ist, geht das eigentlich ganz gut. 

Endlich neue Ziele, die Distanzen sind aber wieder verrückt! 



Ebenso finde ich in Arvidsjaur noch Zeit für Pommes und entdecke in einem Schuhgeschäft endlich ein Schuh-Deo (fragt nicht, ich sage nur: Dauernutzung und Nässe… Keine gute Kombi) 

Dann geht es weiter, noch hält  der Sonnenschein, auch wenn es teilweise bedeckt ist. Mein Mittagessen genieße ich am See. 

Mittag am See

Dieses Gras habe ich nun mehrmals entdeckt, füllt manchmal ganze Felder. Sieht aus als ob da kleine Köpfe raus schauen. 

Der letzte Campingplatz gefällt mir nicht, deswegen lasse ich mich 10km später erneut zum Wildcampen nieder. 

Diesmal aber an einem gigantischen, reißenden Fluss, der dezidiert Campstellen am Ufer hat. Als das Zelt steht, habe ich endlich wieder die Gelegenheit zum “duschen”, besonders nach dem Lagerfeuer-Rauch-Geruch von gestern ist das wirklich notwendig. So richtig rein in den Fluss kann man nicht, dafür ist die Strömung zu stark, aber am Rand sitzen und sich nassspritzen funktioniert ganz gut. 

Wegen einem aufkommenden Regenschauer wird die Pasta im Vorzelt fertig gekocht, den Rest des Abends verbringe ich mit Flussrauschen als konstantes Hintergrundgeräusch. 

Morgen soll das Wetter vormittags noch halten, am Nachmittag wieder Regen einsetzen, ich will also versuchen, zeitig loszukommen. 

Tag 19 – 21 : Östersund – Storuman

Tag 19: Östersund – Strömsund

Das letzte Bild wurde um Mitternacht bei meinem Host aufgenommen. Dunkel wird es also nicht mehr. 

Der Tag beginnt grau, aber trocken. Nach dem Frühstück begleitet mich mein Host Luca vom Haus auf der Insel Frösön ins Zentrum von Östersund. Das ist sehr praktisch, so muss ich im Straßengewirr nicht auf den Weg achten, sondern fahre ihm hinterher. 

Am Stadtrand verabschieden wir uns, und ich packe mich wetterfest ein, da es gerade angefangen hat, stark zu regnen. So verpackt kämpfe ich mich die ersten paar Kilometer aus der Stadt raus, da diese direkt am See liegt, geht es steil bergauf. 

Das ist doch irre, da steht eine Stadt angeschrieben, die ich erst 5 Tage später erreichen werde. 



Dies ändert sich auch leider die nächsten 60km nicht mehr. Heute fühlt sich alles an, als ginge es dauerhaft nur bergan. So schwitze ich wie verrückt in meiner Regen-Vollverkleidung und Mühe mich sämtliche Hügel hoch. Teilweise handelt es sich dabei um Abschnitte, die zwar nicht super steil sind, dafür aber Kilometerlang mit 5% Steigung in die Höhe klettern. Und mein Rad bei über 50kg wirkt dabei wie ein Bremsanker, der gerne wieder ins Tal möchte. 

Auch die Abfahrten sind nicht wirklich befriedigend, zumeist führen diese nach der steilen Abfahrt, ohne jegliches flaches Stück dazwischen, direkt in den steilen Aufstieg über. 

Die spannendste Bekanntschaft heute: Dieser Rentner ist mit dem Mofa-Gespann aus Baden-Baden, unterwegs ans Nordkapp. Auf gerader Strecke klappt das sogar mit den 45km/h verrät er mir, und ich werde leicht neidisch ob des Geschwindigkeitrausches. Er ist auch 11 Tage vor mir gestartet, ich fühle mich also ziemlich erfolgreich, was die zurückgelegte Strecke angeht. 

Mittagspause gibt es in einer überdachten Pausenhütte, allerdings nur so schnell wie möglich, es ist schweinekalt wenn man stehen bleibt, und die verschwitzten Klamotten beschleunigen das Auskühlen. 

Nach 70km erreiche ich Hammerdal und ich bin sehr verlockt, im örtlichen Campingplatz abzusteigen. Allerdings kann ich irgendwie die Motivation aufbringen, mich doch noch weiter zu quälen und werde sogar mit ein paar Kilometern ebener Strecke belohnt. 

Auch wenn ich es befürchtet habe, der Regen nimmt an Intensität noch einmal zu. Und so fahr ich relativ missmutig die Straße entlang, in den Fahrrinnen sammelt sich das Wasser, jeder entgegenkommenden LKW hüllt mich in der Gischt ein und die Fernsicht auf irgendwelche schönen Landschaften ist komplett durch den Regenschleier verdeckt. 

So erreiche ich nach 107km Strömsund und nehme mir am Campingplatz eine Hütte, da ich wirklich kein Bedürfnis habe, im Regen mein Zelt aufzubauen. Bei der Hüttenmiete wäre es tatsächlich von Vorteil mit mehreren Personen zu reisen, so allerdings zahle ich 40 Euro für die Hütte alleine, aber es zählt endlich trocken zu sein. 

Nach knappen 8 Stunden im Dauerregen kann ich mich endlich aus den nassen Klamotten schälen und quäle die E-Heizung auf der höchsten Einstellung. 

So verbringe ich den Abend mit dem konstanten Soundtrack des Regens, der auf das Dach plätschert. Morgen allerdings soll es trocken und schön werden, auch die weiteren Tage versprechen Besserung. Ist für Schweden nun relativ schwer, verlässliche Wetterdaten über die nächsten 2h hinaus zu erhalten, sollte dieses Wetter aber korrekt zutreffen, würde ich mich sehr freuen! 

Tag 20: Strömsund – Meselefors

Beim Aufwachen scheint schon die Sonne durchs Fenster, heute wird also auf alle Fälle besseres Wetter als gestern vorherrschen. 

Hütte samt angrenzenden See im Sonnenschein. 



Nach dem allmorgendlichen Ritual bin ich um Viertel nach 9 unterwegs. Die Sonne wärmt bereits ein wenig, und so fahre ich seit langem mal wieder nur in T-shirt und ohne lange Radhose los. 

Profil ist ähnlich wie gestern, es geht viel hoch und runter, allerdings kommt heute noch ein fieser Gegenwind dazu, der nicht so stark ist wie in der Vergangenheit, aber trotzdem dazu neigt, mich ordentlich auszubremsen. 

Ich bin seit Östersund übrigens in einem Bereich, wo meine mitgenommene Straßenkarte nicht mehr den Maßstab 1:250.000, sondern nur noch 1:400.000 hat. Damit zeigt jede Seite einen Ausschnitt von 120x84km! Das tägliche Umblättern ist also auf ein Minimum reduziert worden. 

Kurz vor der größeren Ortschaft Dorotea mache ich eine traumhafte Mittagspause am See, bei so einer Landschaft und so einem Wetter ist dies richtig angenehm. Mit Gruseln denke ich an die kalte Mittagspause gestern, wo ich fast durchgängig von einem Bein aufs Andere hüpfen musste, um nicht fest zu frieren. 

So liege ich eine Stunde im Gras, genieße meine Brötchen, lese und höre Musik. Nur der Sonnenbrand bleibt als Gefahr, so hole ich nach langer Zeit mal wieder die Sonnencreme aus der Tasche. 

Kurz hinter Dorotea erreiche ich diesen Meilenstein:

Auch wenn ich noch einen weiten Weg vor mir habe, und die täglich zurückgelegten 100km nicht wirklich das Gefühl geben, ich würde Strecke machen, kommt bei diesem Schild ein gewisser Stolz auf: Verdammt, ich habe es mit meinen eigenen Beinen geschafft, von Berlin bis nach Lappland zu fahren. 

Gibt zwar noch viel zu tun, aber einen Großteil Schwedens habe ich gemeistert. 

Die letzten Kilometer ziehen sich ziemlich, aber eher wegen der Temperatur und weil ich keine weitere Pause einlegen will. Nach 105km komme ich beim kleinen, niedlichen Campingplatz in Meselefors an. Auch wenn die Einrichtungen seit dem zweiten Weltkrieg wohl keine Erneuerung gesehen haben, die Wiese ist schön und der dahinter fließende Fluss ist auch verlockend. So springe ich nach dem Zeltaufbau noch mal schnell in den Fluss. Mehr als 10m rausschwimmen und 10m zurück zum Ufer wird es nicht, dafür ist es viel, viel zu kalt, aber so erfrischt und mit der bald darauffolgenden heißen Dusche klingt der Abend bei leckeren Pasta aus. 

Eiskalte Badestelle 



Tag 21: Meselefors – Storuman

In der Früh habe ich noch ein nettes Gespräch mit dem Zeltnachbar, der in der Früh bereits einen stattlichen Hecht gefangen hat, den er mir zeigt. 

Danach geht es im Sonnenschein weiter auf die Reise. Schnell bin ich in Vilhelmina, wo das Mittagessen eingekauft wird und dann fahre ich steil aus der Stadt raus. Hier kommen wirklich einige Höhenmeter zusammen, und ich bei der Hitze gut ins Schwitzen. An sich ist das Wetter aber ein Traum, in kurzer Radhose und T-Shirt wirklich angenehm zu fahren. 

 Ortsschilder nun in schwedisch und in Sami. 
Die Landschaft ist nicht besonders abwechselnd, wie die vorhergehenden Tage wechselt sich nur dichter Wald mit Sumpflandschaften ab. Ich finde allerdings ein paar Flächen, die an das Kahlfjäll erinnern, große Wiesen mit nur wenig Baumbestand. 

Aus diesem Grund lege ich auch einen großen Fokus auf den Verkehr, den ich bereits seit Tage analysiere:

Die Aufteilung ist etwa 40% PKWs, 30% Camper und 30% LKWs. 

Bei den PKWs zeigt sich, dass die Schwed_innen höchst patriotisch  einkaufen, geschätzt jeder zweite Wagen ist ein Volvo und auch Saabs sieht man in Hülle und Fülle. 

Die Camper sind mehrheitlich schwedisch, allerdings sind neben einigen Franzosen, Dänen und Holländern die Mehrzahl der ausländischen Camper fest in deutscher Hand. 

Je weiter ich nach Norden komme, desto fröhlicher wird aus den Wagen heraus gewunken, auch mal gehupt oder der Daumen aus dem Fenster gereckt. Auch wenn es blöd klingt, solche kleinen Aufmunterungen motivieren ungemein. 

Vor dem Mittagessen dann das Highlight des Tages. Ich sehe schon von weitem mehrere Autos anhalten und prompt erspähe ich den Grund dafür. Auf der Straße steht ein Rentier. ENDLICH! Gestern das Erfolgserlebnis “ich bin endlich in Lappland”, heute gleich das erste Rentier dazu. 

Bis ich an der Stelle ankomme sind die Autos verschwunden, ich bin mit dem Tier also alleine. Mr. Rentier ist vom Rad sehr verwirrt, stürmt erst auf mich zu, dann wieder weg, dann mit gesenktem Kopf auf mich zu. Kurz überlege ich, was ich mache, sollte das Rentier plötzlich auf mich zustürmen, dann dreht es aber 15m vor mir ab, geht in den Straßengraben und lässt sich willentlich fotografieren. 

Wird sicher nicht das letzte Rentier gewesen sein, trotzdem freue ich mich sehr über diese Begegnung. 

Mittagessen mache ich heute mitten im Wald, so kommt auch erstmalig das Mückenspray zum Einsatz, da ich es ohne nicht aushalte.

Wenn ihr das nächste Mal denkt, es sei Anglerlatein… Nein, der Fisch war wirklich so groß. 

Nach knappen 90km erreiche ich Storuman und verschwinde im örtlichen Supermarkt zwecks Abendessen. Nach 7 weiteren Kilometern finde ich den idealen Spot zum Wildcampen. Direkt am See, von er Straße geschützt und schön in der Sonne. 

Kalte Badestelle
Ich traue mir tatsächlich eine Katzenwäsche im See zu, bevor es zum zweiten Mal in Folge Pasta gibt und ich nach dem endlosen Kampf gegen die Mücken (19 erschlagen bis das Pasta Wasser kocht) doch kapituliere und den Rückzug ins Zelt antrete. Habe bereits heute früh gemerkt, dass man sich bei gutem Wetter wirklich Gedanken um den Zeltort machen muss. Da war ich nämlich um Viertel nach fünf wach, weil die Sonne wieder so aufs Zelt knallte, dass ich den Daunenschlafsack in die Ecke pfeffern konnte. Mal sehen wie das Morgen wird. 

Ab morgen, dem 15.6 fällt endlich die Roaming Gebühr im EU Ausland. Dieser Blogeintrag ist somit der erste, der aus der Wildnis ohne Supermarkt oder Campingplatz – WiFi verschickt wurde! 

Tag 16 – 18 : Mora – Östersund

Tag 16: Mora – Fågelsjö

Der Tag beginnt mit Regen, der auf meine Hütte prasselt, so drehe ich ich entspannt noch einmal um. Nach dem Packen, Duschen und Frühstücken, belade ich das Rad und bin vorsichtig optimistisch gestimmt, da das Hinterrad noch genauso prall ist wie gestern. 

Schnell verlasse ich Mora, dann geht es ein Stück auf dem Siljansleden nach Orsa, bevor ich auf die E45 zurück schwenke und dieser für den Rest des Tages folge. 

Der See erstreckt sich von Mora über 15km bis nach Orsa. 

Das Wetter heute ist wohl nur als unbeständig zu beschreiben: Bewölkt, ab und zu mal hauchfeiner Nieselregen und schweinekalt. Kalt in dem Sinne, dass ich nach jedem steileren Anstieg meine Windjacke und das darunterliegende T-Shirt nassgeschwitzt habe, nur um dann auf den geraden Stücken erbärmlich zu frieren. Zum ersten Mal auf dieser Tour kann ich meinen Atem sehen, während ich mich die Anstiege hinaufquäle. 

Das sind die nächsten zwei relevanten Orte auf der Route. Langsam dehnt sich alles ein wenig aus. 



So geht es hinter Orsa relativ schnell bergauf, ich verbringe über eine Stunde damit, im 3. Gang bei 7-8km/h vor mich hin zu kurbeln wie ein Verrückter. 

Bald treffe ich auf einen entgegenkommenden Radfahrer, und beim Gespräch stellt sich heraus, dass er in Finnland gestartet ist und nun dermaßen die Schnauze voll hat vom schlechten Wetter in Mittelschweden. Er will in Mora einen Bus an die Küste nehmen, um von dort nach Deutschland zurückzufahren. Auch berichtet er, dass die Schweden alle am Fluchen sein, ob des schlechten Wetters und es dieses Jahr wohl besonders schlimm sei. In diesem Sinne: Ich wäre dann bereit für einen richtigen Sommer in Schweden, bisher hat es eher so April-Feeling. 

Mittagspause mache ich in einem winzigen Tankstellenrestaurant im witzig klingenden Örtchen Noppikoski (ganz nah bei Pilkalampinoppi… Nur damit ihr das wisst!), endlich mal drinnen sitzen, auf nem Stuhl und warme Pommes in mich reinstopfen, dass war die Pause auf alle Fälle wert. 

Danach wird es dann zwei Mal noch richtig steil, anschließend habe ich aber das schlimmste überstanden, es geht relativ flach weiter voran. 

Nach knappen 90km passiere ich einen vernagelten und abgesperrt Campingplatz, damit ist klar, dass heute Nacht wild gezeltet wird und ich kann mir selber überlegen, wann ich anhalte.
Jetzt habe ich tagelang keine Radreisende getroffen und begegne nun an einem Tag gleich zwei: Abends kommt mir eine Schwedin entgegen, die aus Nordfinnland an die schwedische Südspitze fährt. Wir sind etwa zur gleichen Zeit gestartet und tauschen ein paar schnelle Anekdoten aus. Ich muss sie leider wegen dem Campingplatz enttäuschen, dabei hatte sie bereits 130km hinter sich. 

Nach 106km entdecke ich selber eine perfekte Stelle für meine Übernachtung: Schön am Fluss gelegen, und nah an der Straße, somit kein Umweg, baue ich mein Zelt auf dem einzig vorhandenen Stück Wiese auf und genieße in Ruhe den Abend. 

Mein Reifen ist immer noch so prall wie gestern, mein Lader lädt fleißig vor sich hin, das Knie hat sich schmerzmäßig zurückgehalten und ich hab endlich mal wieder über 100km geschafft. Mit diesem Wissen verbringe ich den Abend im Zelt lesend, Musik hörend und natürlich gibt es ein reichhaltiges Abendessen (Dosen-Ananas als neuer Geheimtipp!) 

Morgen soll es wohl durchgängig regnen, allerdings nicht sonderlich stark. Ich bin gespannt. 

Tag 17: Fågelsjö – Rätan 

Der Tag beginnt relativ früh, aber dafür trocken. So packe ich schnell alles zusammen, bevor sich der Himmel es noch anders überlegt.

Die ersten 20km flutschen einfach, ich fahre zügig, relativ flach dahin. Nach knappen 30km, kurz vor der Ortschaft Sveg, setzt der angekündigte Regen dann auch ein, und ich schmeiß mich in volle Regenkluft. Dabei schaffe ich es irgendwie, mein Handy in der Lenkertasche anzulassen, und prompt werden auf den holprigen Straße auf den nächsten vier Kilometern zahlreiche Leute aus meiner Kontaktliste angerufen, oder erhalten eine SMS. Sorry noch mal deswegen. 
Wie ich so im Regen auf einer Waldstraße stehe, kommt plötzlich eine Maus angeeilt, die den Platz neben meinem Fuß für betrachtungswürdig erachtet. Ist vielleicht nicht sonderlich intelligent, aber da sie sich bereitwillig fotografieren lässt, finde ich es sehr, sehr niedlich. 

Die nächsten Kilometer vergehen in einem Schleier aus Nebel, Regen, Kälte und zusammengebissenen Zähnen. Bei dem Wetter habe ich natürlich kein Bedürfnis anzuhalten und eine Mittagspause einzulegen, einfach weil es nirgends trocken ist. So kehre ich erst nach 73km zu einer Mittagspause in einer Dorfpizzeria ein. Der dort gereicht Burger ist zwar höchstens Mittelmäßig, dafür aber günstig, ich habe einen Platz neben der Heizung und darf so lange bleiben wie ich will. Dieses Angebot nehme ich an, verlasse erst nach 2 Stunden ausgeruht und getrocknet das Restaurant. Der Vorteil einer so späten Mittagspause: Den Großteil der Strecke hat man bereits erledigt. 

So fahre ich im wiedereinsetzenden Regen weiter. Heute ist relativ flach, auch wenn ich trotzdem ordentlich Höhenmeter sammel, aber diese sind eher in Wellen, nicht an einem Stück. Liegt auch daran, dass ich vorhin mal meine Route auf dem Navi angeschaut habe, und mich wunderte, ob ich wirklich der Abzweigung folgen sollte, wie vom Navi vorgeschlagen. Sah ganz gut aus, bis ich plötzlich die Stelle entdeckte: Auf knapp 3km Wegstrecke sollte ich plötzlich 500 Höhenmeter, kurz danach noch mal 300 Höhenmeter zurücklegen. Mein Navi zeigt schön bunt die Skilifte als Icons an, die sich da in der Nähe befinden. 

Ne danke, dann lieber Hauptstraße. War auf alle Fälle die goldrichtige Entscheidung, das blieb relativ flach. Keine Ahnung was sich mein Navi dabei gedacht hatte beim Routen planen. 

Schon seit Tourbeginn spiele ich das Spiel “Was finde ich alles im Straßengraben”. Das ist seit Schweden, besonders seit der Wald eingesetzt hat, deutlich spannender geworden. Ein kurzer Ausschnitt meiner bisherigen Favoriten, ich bin sicher da wird noch mehr kommen:

  • Eine Neil Diamond CD (Sorry Mama, kein Platz in der Tasche) 
  • Genug Radabdeckungen, um eine Vollverkleidung für mein Fahrrad daraus zu basteln. 
  • Tausende Snus-Packungen (der schwedische Tabak, den man sich unter den Gaumen legt) 
  • Leider eine Mahnstelle/Grabstelle für ein Kind, samt Lieblingsfußballtrikot und Stoff-Teddy. 
  • Und dann vorhin das Highlight: Bei einem kleinen Pausenplatz, der wohl häufig als Klo genutzt wird (siehe: 100te Taschentücher überall), liegen plötzlich dazwischen 3 tote Fische auf der Wiese verstreut. WTF? 

Nach 117km (neuer Rekord, wohoo!) biege ich auf einem Naturcampingplatz ab. Das bedeutet: Keine Rezeption, keine Duschen, aber dafür weit günstiger. Und für 5 Euro stell ich mich direkt an den See. Der Rätanjön war früher wohl nur 10m breit, nun hat man den aber aufgestaut zur Energiegewinnung und er ist mindestens 500m breit, beeindruckend anzuschauen. 

Nach dem Zeltaufbau muss ich mich nun doch überwinden, nachdem ich gestern einfach im Zelt verschwunden war: Waschtag steht an. Handtuch und Seife steht bereit, und mit einem tiefen Unbehagen quäle ich mich ins Wasser. Dies ist laut Zeltnachbarn mollige 12° warm, da muss alles schnell gehen. Beim Untertauchen bleibt einem kurz die Luft weg und nach dem Einseifen kostet es einen Berg an Überwindung, den Tauchgang zu wiederholen. 

Da fahr ich den ganzen Tag im strömenden Regen und friere mir einen ab, und Abends bin ich blöd genug, in nen kalten See zu springen. Sachen gibt’s. 

Wenigstens ist die Befriedigung danach umso höher, als ich zum Zelt zurück eile und mich in meinen Schlafsack mümmel, bis ich meine Extremitäten wieder fühlen kann. 

Später kommt tatsächlich die Sonne raus und beleuchtet den See in den wunderbarsten Farben. 

Nach dem Essen ziehe ich mich ins Zelt zurück, zufrieden mit der heutigen Leistung und morgen habe ich nur noch 90km bis Östersund, wo ich abends eine Warmshower-Einladung habe. 

Tag 18: Rätan – Östersund (Frösön) 

Heute kann ich mich nicht dazu zwingen aufzustehen, so wird sich einige Male umgedreht. Über Nacht blieb es trocken, so kann ich das Zelt trocken einpacken und mein Frühstück am See genießen. 

Schnell abgebogen auf die E45 und schon geht es weiter auf dem Asphalt. Zu Beginn ist der Weg schön flach, so schaffe ich über 20km in der ersten Stunde. Habe heute übrigens mitgezählt, 14 Autos überholen mich in der Zeit, ist also wirklich entspannt und kaum eine Beeinträchtigung. Und diese Anzahl wird sicher noch abnehmen, je weiter ich nach Norden komme. 

Die Landschaft ähnelt der, der letzten Tage, viel Wald, dazwischen Brücken über massive Flüsse und häufig schlängelt sich der Weg entlang einem der großen Seen. 

Die 60km sind schnell zurückgelegt, so mache ich um 12 Uhr pünktlich Mittag. Ich genieße es, mehr als die Hälfte vor dem Mittagessen geschafft zu haben, dann hat man das Gefühl, dass es nach der Pause nicht mehr weit ist. 

Nach dem Mittagessen wird es deutlich hügeliger, das hat den Vorteil, dass man die Bergkette in Richtung Norwegen sieht. Und da liegt tatsächlich noch Schnee, ich bin beeindruckt. 

Kurz nach diesem Ort:

Da hätte ich auch gerne eine Postadresse 😉 

Biege ich von der E45 ab, um eine “Abkürung” zu nehmen. Ich will nämlich nicht nach Östersund rein, sondern habe eine Warmshower-Übernachtung auf der vorgelagerten Insel, Frösön, organisiert. Diese “Abkürzung” ist knappe 18km lang, besteht aus festen Sand mit viel Schotter drauf und würde durch die Vielzahl drüberfahrender Autos zu einem astreinen Waschbrettprofil umgeformt. Es. Rüttelt. Also. Ganz. Schön. Nämlich so viel, dass die Arme und Hände taub werden und gesund kann es nicht sein, wo doch das Hirn dauernd hin und her schwappt. Bloß gut, dass der Weg dann auch ein kontinuierliches Auf- und Ab ist, wo kämen wir denn hin, wenn ich nicht die ganze Zeit im zweiten Gang keuchen müsste? 

Blick auf Östersund, Frösön

Ihr seht also, “Abkürzung” war mal wieder ein Griff ins Klo, trotzdem komme ich nach über einer Stunde an der Brücke rüber nach Frösön an. 

Blick auf Östersund

Dort sind es dann noch 6 steile Kilometer, und dann bin ich nach 93km schon am frühen Nachmittag am Haus meines Host. Und was ein tolles Haus das ist. Mit der herauskommenden Sonne sitzen wir bei einem Glas Wasser vor dem Haus und genießen diesen Blick:

Rechts die Berge, noch mit Schnee drauf, dahinter Norwegen und vor uns der gigantische See Storsjön, der über 450 Quadratkilometer einnimmt!

Eichhörnchen und Vögel jagen sich durch den Garten und mein Host ist ein absoluter Outdoorfreak, von mehrwöchigen Schneeschuhwanderungen bei – 30°, bis hin zu mehreren extrem langen Radtouren ist alles dabei, und er berichtet mir davon detailliert. Schön dass dieses Treffen geklappt hat. Denn den Kontakt hatte ich eigentlich mit seiner Freundin, diese weilt aber gerade in Stockholm, trotzdem haben beide mir erlaubt, hier die Nacht zu verbringen. Nebst richtig leckerer Pasta komme ich so nach 3 Tagen erstmalig unter eine Dusche, und kann meine Wäsche endlich waschen. 

Morgen geht es dann weiter in die Wildnis, laut derzeitigem Wetterbericht bei katastrophal viel, dauerhaft anhaltenden Regen! Soll aber nur ein Tag sein, mal sehen wie sich das ergibt. Zudem habe ich heute festgestellt, dass ich in Laufe des Tages die Hälfte der Strecke in Schweden überschritten habe. Wahnsinn was das Land für eine Ausdehnung hat, aber gut zu wissen, dass über 50%bereits geschafft ist .

Tag 15: Mora (Ruhetag) 

Stehe früh auf, hab in dieser Hütte hervorragend geschlafen, merke aber, ich muss hier alle Fenster aufreißen, sonst kann ich wegen der Wärme nicht schlafen… Outdoormodus 😉 

Fahre dann zum Postamt, da seit einer Woche ein Paket nach Mora für mich unterwegs ist. Und höre dann am Schalter “Ne, dass ist noch nicht da, dürfte aber zwischen 16-17 Uhr heute kommen”. Toll, die Post macht auch um 17 Uhr zu. 

Also weiter zum Supermarkt, dann fahre ich ans andere Ende der Stadt zu einem Autohändler, und frage ob die einen Lötkolben haben, den ich nachher nutzen darf, wenn meine Postsendung angekommen ist. Die Erlaubnis habe ich dann auch prompt erhalten. 




Dann zurück zum Campingplatz, es ist 11 Uhr, und ich überbrücke in der Küche die Zeit bis ich wieder zum Postamt kann. Als ich mal raus zum draußen stehenden Fahrrad gehe, merke ich, dass ich Opfer ganz fieser Diebe geworden bin: Ein bisschen Essen hatte ich in einer Tüte hinten auf die Radtaschen geschnallt. Da klafft ein riesen Loch drin und die drin verpackten Tortellini sind aufgegessen. Auch einen geriebenen Käse haben die Übeltäter entführt und zerpflückt. Werden wohl die Elstern gewesen sein, die da rum schwirrten. 


Schlimmer ist aber die nächste Erkenntnis: Das Hinterrad ist wieder platt. Ich bin einfach komplett frustriert, das flicken geht ja in einer Stadt wie ich es jetzt bin. Aber jetzt sind mehr als 300km bis zur nächsten großen Stadt, und so bleibt das in Zukunft auch, da muss ich mich auf mein Rad verlassen können. 

Die Idee nicht nur den Schlauch zu wechseln, sondern auch den Mantel hatte ich auch schon, leider führt das Radgeschäft nur billige China-Mäntel, die dann auch noch dünner sind als meine bisherigen Reifen. Und nach 2000km hätte ich mit den Dingern sicherlich wieder Stress. 

Völlig niedergeschlagen und mit wieder anschwellenden Regen sitze ich in der Küche und google schon mal provisorisch Rückflüge und schaue wo Busse hier in der Gegend hinfahren. Schließlich fahre ich doch noch mal zum Radgeschäft. 

Diesmal kümmert sich der Chef nicht im Hinterzimmer um den Reifen, sondern repariert vor mir im Kundenraum. Und als wir den Schlauch checken merke ich: Ey, das Loch ist exakt an der selben Stelle, als beim Schlauch den ich heute Morgen geflickt habe. Da MUSS was im Mantel sein. Also gehen wir diesmal ganz, ganz detailliert auf Fehlersuche und schließlich zeigt sich der Bösewicht:


Wie etwas so kleines mich so um den Verstand bringen kann, verrückt! Mit dem Splitter entfernt bleibt zu hoffen, dass jetzt so schnell nicht wieder eine Panne entsteht *daumendrück*

Dem Radhändler war es vermutlich auch peinlich, gestern den Splitter nicht gefunden zu haben, denn der Wechsel und der neue Schlauch bleibt für mich kostenlos, was ich eine nette Geste finde. 

Anschließend geht es zum Postamt und die haben mein Paket! Begeistert flitze ich zur Autowerkstatt, und verbringe die nächste halbe Stunde auf dem Boden sitzend mit einem Lötkolben in der Hand. Total nett von denen, die kommen immer mal wieder vorbei, bieten Hilfe an, bringen Werkzeug und unterstützen. Ich wette in Deutschland hätte man mir den Aufenthalt in der Werkstatt “aus Versicherungstechnischen Gründen” o. Ä. Versagt. 

So bin ich nun endlich wieder in Besitz eines funktionierenden Ladegeräts für mein Telefon. Hatte zwar eins dabei, dass hat aber am ersten Tourtag bereits den Geist aufgegeben. In Rostock habe ich in meinem Rad-Forum jemanden gefunden, der seinen Lader gebraucht hergeben würde und nach ein paar Tagen haben wir es sogar geschafft den Versand postlagernd nach Schweden zu organisieren. Dieser Lader hängt nun am Nabendynamo und kann dann via USB-Buchse Handy, Kindle, Kamera, etc. Aufladen. Damit bin ich also endlich wieder autark, auch wenn ich ein paar Tage nicht am Campingplatz verweile. Das beruhigt ungemein, zudem find ich es einen coolen Gedanken, durch mein Gestrampel wenigstens noch mein Telefon voll zu kriegen. 

 cooler Lader 😉 
Abschließend fahre ich erneut zum Supermarkt um mein geklautes Abendessen zu ersetzen. Dafür weiß ich jetzt, dass ich die Nacht erneut in der Hütte am Campingplatz verbringen werde, da es inzwischen 18 Uhr ist. So kann ich auch Sachen einkaufen, die auf dem Camping Kocher nicht gelingen, denn heute Abend habe ich ja eine voll funktionsfähige Küche. 

Nach Wiedereinzug in meine kleine 4-Personen Hütte, gibt es dieses Mega Menü zum Abendessen: Köttbullar und frisches Gemüse, yummy! 


Und die Nachspeise wird eine entspannte Rum-Cola in meiner Hütte, sowie eine Blaubeerschnecke. Life is good! 

Jetzt habe ich wieder extrem Bock morgen weiter zu fahren. Dieser “Ruhetag” hat seinen Namen wirklich nicht verdient, es war stattdessen ein Wechselbad der Gefühle und ich hab mir heute ernsthafte Sorgen über den weiteren Verlauf meiner Tour gemacht. Auch ist Mora unglaublich weitläufig, so bin ich an meinem Ruhetag nichtsdestotrotz über 25km mit dem Rad gefahren. 

Morgen soll allerdings kein Regen vorherrschen, so hoffe ich ein bisschen Strecke wieder wett zu machen, den Lader auszuprobieren und hoffentlich ohne Panne einen angenehmen Tag auf dem Rad zu verbringen. Hatte ja bereits geschrieben, dass ich jetzt vollständig im Wald bin, das bleibt jetzt auch zwei Wochen so, ab morgen fängt aber die Strecke an, wo für 100km auch mal keine Örtchen kommt. Mal sehen wie es mir damit ergeht. 

Tag 13 – 14 : Ransäter – Mora

Tag 13: Ransäter – Värsjön

Der Tag beginnt nass. Beim ersten Aufwachen höre ich Regen aufs Zeltdach trommeln. Schließlich packe ich im Zelt zusammen, nutze dann eine Regenpause um das Zelt zu zerlegen und frühstücke dann gemütlich vor dem Haupthaus des Campingplatzes. 

Kaum habe ich mich um Viertel vor 10 auf den Weg gemacht, fängt es wieder zu nieseln an. Ey Wetterbericht, so war das nicht ausgemacht, ich wollte heute Wäsche trocknen. 

Die ersten 25km geht es durch den Nieselregen auf der Klarälvsbanan weiter Richtung Norden. Als ich überlege, ob die Hose nun nicht genug durchweicht ist, ebenso der Pulli, und ob ich nicht vielleicht doch Regen Klamotten anziehen sollte, hört der Regen endlich auf. 

Damit kann ich zur Mission des Tages kommen: Wäsche trocknen. 
Mama fragte mich die Tage entgeistert, wie ich das denn mit dem Trocknen am Rad mache, deswegen hier ein paar Fotos von meinem mobilen Wäscheständer. 

Die Klarälvsbanan hört in Hagfors auf, geht aber fast nahtlos in den Klarälvsleden (Leden=Weg) über. Dieser ist nun allerdings kein dezidierter Weg mehr für nicht-motorisierte Fortbewegung, sondern ist auf regulären, wenn auch Verkehrsarmen Straßen angelegt. 

60. Breitengrad, eine Höhe mit St. Petersburg, Südspitze Grönland

So geht es immer am Klarälven entlang, bis ich mich nach 60km zu einer Mittagspause entschließ. Inzwischen bollert die Sonne volle Kanne, also wird auch die Mittagspause zum Trocknen genutzt.  

 Nein, meine Taschen sind nicht explodiert, dass soll so… 

Klingt jetzt erstmal nicht so verlockend. 

Kurz nach dem Mittagessen begehe ich einen Fehler in der weiteren Routenplanung: Plötzlich kommt ein Wegweiser nach rechts, auf dem “Malung 53km” draufsteht. Nach Malung will ich morgen, könnte also den Weg nehmen. Ich entschließen mich allerdings wie zuvor geplant weiter dem Klarälvsleden zu folgen, da dieser mir so gut gefällt. 

Nach 2km führt der Weg über eine Brücke über den Klarälven. Statt auf der bisherigen Uferseite einer Landstraße zu folgen, haben die Planer entschlossen, es wäre sinnvoller, auf der anderen Seite entlang eine Sandpiste zu fahren. Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen hat diese aber Stellenweise richtige Geröllbrocken, etwa 4x4x4cm groß, als Bodenbelag. Wie scheiße es sich darauf fährt und wie anstrengend die Fortbewegung ist, muss ich wohl kaum darlegen. Über 18km kämpfe ich mich diese Straße lang, manchmal wirklich nur noch in Schrittgeschwindigkeit und verbrate dabei mehr Energie als auf der doppelten Strecke auf Asphalt. 

Wenn das nun wegen dem Verkehr auf der Landstraße gewesen wäre, könnte ich es nachvollziehen. Aber gelegentliche Panoramablicke zur Landstraße zeigen, dass da höchstens alle paar Minuten ein Auto vorbeifahren. Absolut unverständlich diese Routenführung! 

Schweden ist Wetter technisch wirklich hinterher, hier steht noch kaum ein Pflänzchen, in Deutschland waren da schon Getreidefelder. 



Nach diesen Kraftraubenden 18km kehre ich in eine Tankstelle ein, die mir dankenswerterweise die Flaschen auffällt. Bisher hat jeder, egal ob Privatperson, Restaurant oder Tanke mir ohne großen Aufhebens die Flaschen aufgefüllt, ich bin begeistert. 

Nach der Tanke ist es ein langes Stück bergauf, zwar nicht sonderlich steil, aber über mehrere Kilometer im niedrigen Gang kurbeln geht an die Substanz. 

auf dem Inlandsvägen bleibe ich nun fast ausschließlich für die restliche Strecke durch Schweden.

Siehe das Höhenprofil zum Ende der Strecke. Das nenne ich einen Aufstieg. 

Nach 10km erreiche ich einen kleinen Feldweg, der an einem größeren See entlangführt. Diesen Platz hatte ich als Übernachtungsstelle rausgesucht, auch in der Hoffnung, vor dem Schlafen noch kurz in den See springen zu können und die Hitze & Sonnencreme des Tages abwaschen zu können. Nach einem Kilometer auf diesem kaum vorhanden Pfad zeigt sich jedoch, dass dieser Wunsch Illusion bleiben wird. Der Weg kommt einfach nicht nah genug ans Wasser, immer bleiben dazwischen 300m Luftlinie  Sumpf, Wald, Steinbrocken. 

So kehre ich wieder um und schlage ich kurz bevor der Weg wieder auf die Hauptstraße trifft in die Büsche. Der Platz ist schön, ein Bad wäre halt netter gewesen. 

So habe ich heute insgesamt 103 km zurückgelegt und habe morgen *trommelwirbel* noch über 40km nach Malung… Ich hätte diese Abkürzung fahren sollen, echt jetzt! 

Heute war nach der Regenkapriole am Anfang ein hervorragend sonniger Tag. Das wird sich allerdings Morgen ändern, ab 11 Uhr sind da heftige Schauer angesagt. Zudem werde ich mich laut Wetterauskunft morgen durch 24km/h Gegenwind kämpfen dürfen. Auch dass der Regen zwar schwächer, dafür aber 5 Tage am Stück vorhanden sein wird, motiviert nicht wirklich. Allerdings habe ich mir ja Skandinavien ausgesucht, den Schuh muss ich mir nun auch anziehen. 

Manche haben mich gefragt, ob ich beim Fahren den Kopf so richtig frei kriege. Bisher muss ich das verneinen. Derzeit bin ich noch viel zu beschäftigt im Kopf weiter über die Route nachzudenken, verschiedene Kilometerzahlen zu verschiedenen Referenzpunkten durch Kopfrechnen zu vergleichen, über Pausenplätze und vorhandenes Essen zu grübeln. Ich bin leider also noch weitab einer meditativen Ruhe, wo ich mir Gedanken über Zukunft, Gegenwart oder andere interessante Gedankensplitter machen könnte. Ich hoffe allerdings, dass dies demnächst eintritt, auch weil ich morgen den ganzen Tag auf einer Straße, ohne ein Mal abbiegen, verbringe. 

Den Abend am Wildcamp Spot genieße ich sehr, die Sonne scheint noch mal, ich kann diesen Blog weiterschreiben und mein aktuelles Buch zu Ende lesen, von dem völlig ungenießbaren Couscous abgesehen also sehr gelungen. 

Mein Plan ist morgen früh aufzustehen und so das Zusammenpacken wie auch die ersten Kilometer hinter mich zubringen, bevor der Regen einsetzt. Dann kann ich hoffentlich auch irgendwo im Trockenen eine Mittagspause absolvieren. 

Tag 14: Värsjön – Mora

Der Tag beginnt dann tatsächlich früh, mein Plan geht auf und so stehe ich um kurz vor 8 abfahrbereit vor dem Rad… Und merke dass die Steinpiste von gestern mir noch ein Geschenk dagelassen hat: Der Hinterreifen ist platt. Also noch mal die Ersatzteile rauskramen und mit dem Schlauchwechsel beginnen. So komme ich knappe 45min später als erhofft los. 

Der Weg bis zur nächsten Stadt Malung zieht sich extremst, auch dank des starken Gegenwinds, der mich mal wieder mit 8km/h die Berge hochkriechen lässt. 

Nach 40km in Malung gibt es eine längere Pause beim Supermarkt, dann versuche ich noch eine Tankstelle zu finden um den Reifen voll aufzupumpen, da ich mit meiner kleinen Reisepumpe zwar den Schlauch voll kriege, aber nicht den Druck den ich brauche. So lande ich schließlich in einer Autowerkstatt, der Mechaniker hilft mir beim Aufpusten, füllt meine Flaschen auch noch gleich mit Wasser und sagt dann einen Satz, der mir heute durchgehend in den Ohren klingelt: Angesprochen auf meine Tour meint er nur “you crazy human, don’t you know we have developed airplanes and cars for that occasion?” 

So geht es weiter gegen den Wind, nach 65km mache ich eine Mittagspause weil am Horizont es dunkler und dunkler wird. Kaum ist das Brötchen in den Mund geschoben, beginnt es gleich zu tröpfeln, ich beeile mich also die Taschen zu verstauen und mich selbst Regendicht einzupacken. Der einsetzende Regen ist gar nicht so stark, aber kontinuierlich und verbunden mit dem Wind auch wirklich nervig. Ich kühle total aus, trotz dem anstrengenden Fahren. 

Und dann, nach 75km denke ich mir plötzlich “huch, irgendwie fühlt sich das Rad anders an”, Steige ab und sehe, dass erneut das HINTERRAD platt ist. Ich schreie den Wind an, der wechselt mir allerdings auch keinen Reifen. Erst versuche ich jedoch, den bestehenden Schlauch noch mal aufzufüllen. Und merke dabei, dass meine Pumpe kaputt gegangen ist. ARGH!! Den Tränen nahe stehe ich nun mitten in der Pampa und kann das Rad nicht reparieren. 

So bleibt mir bei Regen und Kälte nichts übrig, als zu versuchen, ein Auto anzuhalten. Dieses Unterfangen trägt zu Beginn keine Früchte, endlos fahren Autos an mir vorbei und halten nicht an. Und als dann eins anhält, ist dies ein Kombi, der im Kofferraum fast voll beladen ist. Ohne Hoffnung auf Mitnahme schildere ich dem Fahrer meine Nöte, worauf der plötzlich meint: “Das kriegen wir schon hin” und holt einen faltbaren Fahrradträger aus dem Kofferraum. Schicksal, Kismet, Karma, Zufall? Keine Ahnung, aber ich bin heilfroh. Selbst einen Sitz-Überzieher haben sie, damit ich mit nassen Klamotten ins Auto kann. So nimmt mich dieses Pärchen mit nach Mora. 

Ich bitte Sie, mich zum Radhändler zu fahren, da meint der Fahrer “das ist ein Kumpel von uns, ich ruf den mal an”. Und so werde ich beim Händler in Empfang genommen und innerhalb von 10 Minuten ist ein neuer Schlauch eingebaut und die Arbeitszeit wird mir geschenkt. 

Auf der einen Seite ist mein Glaube an die Unverwüstlichkeit meines Rades verloren gegangen. Ich mach mir ordentlich Sorgen, dass dies die kommenden Tage zur Regel werden könnte, dass ich mehrmals Flicken werden darf. Und was mache ich wenn zwischen den Orten plötzlich 120km liegen? Heute, genau an dem Tag an dem ich zwei Wochen unterwegs bin, hatte ich den mit Abstand schlechtesten Tag auf der Tour bisher. Ich habe es verflucht und bin mir sicher, wenn noch 2-3 solcher Tage kommen, dann Steige ich in den nächsten Flixbus nach Berlin und verabschiede mich von dem Scheiß. 

Auf der anderen Seite habe ich heute so viel Hilfe durch das Paar erfahren, die mich mitgenommen haben, als für mich alles aussichtslos aussah. Und auch der Radhändler sowie der Automechaniker haben mir den Tag verschönert. Bleibt zu hoffen, dass heute eine große Negativ-Katastrophe war und die nächsten Tage glimpflich ablaufen. 

Nach den 78 selbst gefahrenen Kilometern und den 32km Mitnahme im Auto habe ich mich nach dem Besuch beim Fahrradhändler im örtlichen Campingplatz einquartiert. Und weil es immer noch so dolle regnete und es nicht sonderlich viel teurer war, auch in einer schicken 4-Mann Hütte und nicht im Zelt. 

So kann ich die Heizung voll aufdrehen und noch ein wenig Wäsche trocknen, bevor es morgen weitergeht. 

Tag 10 – 12: Göteborg – Ransäter  

Tag 10: Göteborg – Sikhall

(Zum vergrößern der Route Bitte das Bild anklicken) 

Das Knie ist ausgeruht, die Lust auf das Radfahren zieht mich förmlich nach draußen. Nach einem tollen Frühstück verabschiede ich mich von Janka und Michal, die absolut tolle, geduldige und interessante Hosts waren. Wir schießen noch ein Abschiedsfoto vor der Tür, dann mach ich mich auf den Weg. 

Ziemlich schnell bin ich aus Göteborg draußen, auf schicken Radwegen entlang der E45. Diese Straße werde ich bis weit in den Norden folgen, teilweise auf der Straße direkt, teilweise auf Parallelstraßen. Aber ein eigenartiges Gefühl, zu merken, dass diese Straße für knappe 2000km nun mein ständiger Begleiter sein wird. 

Es geht dann direkt am Fluss, der nach Trollhättan und zum Vänernsee, meinen heutigen  Zielen führt, entlang. Auf einer schönen Nebenstraße kommt plötzlich ein Schwede aus dem Haus gelaufen und hält mich an. Er erklärt mir, dass in 2km Entfernung die Straße komplett aufgerissen ist, gibt mir aber eine Alternativroute, die nur leider einen steilen Anstieg auf einer nassen Sandpiste hat. Hier schalte ich erstmalig auf der Tour in den ersten Gang, leider hilft dies auch nichts, der Weg ist einfach zu steil und lang, mein Rad jedoch zu schwer. So schiebe ich mühevoll das Rad den Berg hoch, so kommt man wenigstens auf Touren. 

Kurz zuvor habe ich ein Pärchen auf Radreise getroffen, die ebenfalls aus Berlin kommen (die Welt ist klein!), sie fahren jedoch nach Stockholm weiter. So halten wir einen netten Plausch am Wegesrand. 

Danach geht es endlos Kilometer auf einer Landstraße voran, die hügelig ist wie sonst noch was. Scheint wohl die Einstimmung auf den Norden zu sein, kaum geht es mal ein paar Meter runter, kommt gleich der nächste Hügel in Sicht. 

Dafür sind die Ausblicke sensationell schön, viel Weideland, aber auch mehr und mehr Wald. 

Spätestens nach Trollhättan und Vänersborg, nach der Ankunft am Vänernsee wird es spektakulär. Der Vänernsee ist gigantisch. Mit über 5500 Quadratkilometern ist es der größte See der EU und der drittgrößte See Europas, wobei die anderen beiden in Russland liegen. Die Länge des Sees liegt bei 150km, und im der Breite sind es auch über 80km. Kein Wunder also, dass man nur dort die andere Seite sieht, wenn man in einer großen Bucht ist oder auf eine der 22.000 Inseln blickt. Wie bereits geschrieben, gigantisch!

 Andere Seite in der Ferne

Dazu scheint dies gerade die Übergangsphase zwischen Süden und Norden ein. Ich fahre jetzt deutlich öfter durch wunderschöne Wälder, mit dem markanten grauen Steinbouldern dazwischen, die moosbewachsen im dichten Wald thronen. Am Waldboden sind Blaubeeren zu entdecken, auch wenn diese lange noch nicht reif sind. Aber zwischendrin lichtet sich der Wald zu großen Freiflächen, die noch landwirtschaftlich genutzt werden und auf denen die klischeehaften roten Schwedenhäuser mit schicken Gärten stehen. 

Der Sverigeleden begleitet mich nun Stückweise mehrere Tage. Dieses Radnetz läuft durch ganz Schweden und umfasst über 9900km Wegstrecke. Leider liegen nur kleine Teile günstig für meine Tour. 

Nach dem Ruhetag gestern fühle ich mich heute super, das Knie hat mehrheitlich aufgehört wehzutun und so knacke ich die 100km auf dem Weg zum Campingplatz. Diesen erreiche ich nach 110km insgesamt am Ufer des Sees, mit tollem Panoramablick über Teile des Sees. Damit ist ganz knapp der Rekord des bisher längsten Tages auf Tour überboten. 

Abends treffe ich am Platz noch zwei Camper aus Karlsruhe, die mir netterweise ein Radler vorbeibringen und spannende Geschichten über ihren gerade gekauften 1970er-Mercedes Camper zu erzählen haben. 

 Der Brüller 
Besonders die letzten 30km des Tages haben es mir angetan, abwechslungsreiche Ausblicke, eine gut geteerte Straße und wenig Verkehr. Das angenehmste heute: eigentlich ging es nur geradeaus, der Blick huschte nur selten aufs Navi. So kann die Seele ein wenig baumeln und ich kann die Landschaft in mich aufsaugen. 

Dazu kam das gute Wetter, teilweise zwar bedeckt, aber nie richtig kalt, später mit genug Sonne um ordentlich ins schwitzen zu kommen bei den Anstiegen. 

Morgen hingegen erwartet mich wohl viel Regen, aber nach dem Motivations Schub, den ich durch den heutige Tag erlangt habe, werde ich das wohl auch durchstehen. 

Tag 11: Sikhall – Mitten im Nirgendwo nahe Kila

Obwohl es beim aufwachen um 5 Uhr noch ein wenig regnet, hat sich das zum Glück bis zum Aufstehen gelegt. 

Inzwischen läuft das Packen in der Früh relativ reibungslos, wenn auch langwierig. Mit Frühstück und Duschen brauche ich immer 2 Stunden. 

Schnell bin ich wieder auf der Route von gestern und fahre auf verkehrsarmen Landstraßen nach Mellerud. Die ersten 15km werde ich nicht von einem Auto überholt. In Mellerud zapfe ich das WLAN des Örtlichen Kiosk an (höchst empfehlenswert) und mach mich dann weiter auf den Weg. 

Dabei gibt es abwechslungsreiche Bodenbeläge heute. So lege ich mehrere Kilometer auf Sand/Erdpisten zurück. Unter diesen ist nun aber keine Zentimeterdicke Sandschicht zu verstehen, vielmehr sind das relativ fest gepresste Naturwege, auf denen sich hervorragend fahren lässt und die auch bei Regen nicht aufweichen. Danach geht es aber auch über mehrere Stunden auf der E45 voran, was zum Glück weniger gruselig ist, als erwartet. Noch ist der Seitenstreifen breit genug, dass ich mit Sicherheitsabstand zu den Autos fahren kann. Habe allerdings gehört, dass an manchen Stellen dies nicht mehr der Fall ist und man dann recht Gedrängt auf der Fahrbahn fährt. 

Mehr Fakten zur E45, diese ist mit 1680km Schwedens längste Straße und heißt häufig auch Inlandsvägen. Die A7 in Deutschland bringt es dagegen nicht mal auf 1000km. Beeindruckend der jetzt so lang zu folgen. 
Mittagspause findet heute in einer Bushaltestelle statt, Wind geschützt, warm, gemütlich. 

In Åmål gibt es dann eine weitere Pause, zudem erhalte ich in einer Pizzeria ohne viel aufhebens frisches Wasser nachgefüllt. 

Nun zur Kür des Tages, noch einmal über eine einigermaßen leere Landstraße. Heute ist kein Campingplatz in Reichweite, so war auch klar, dass ich Wildcampen werde. Da aber noch Energie vorhanden ist, fahr ich einige Kilometer den Weg lang, immer Ausschau haltend nach einem guten Spot. Da die Wolken hinter mir grauer und dunkler werden, beschließe ich es gut sein zu lassen und finde auf einem Waldweg einen akzeptablen Ort für die Nacht: Nicht von der Straße einsehbar aber nicht zu weit ab vom Schuss, ebenerdig und ohne spitze Gegenstände, die meiner Luftmatratze zuleibe rücken könnten. Schnell stelle ich das Zelt auf, parke das Rad im Wald und bin mit all meinen Taschen zur genau richtigen Zeit im Zelt, es fängt dann nämlich ordentlich an zu regnen. 

So bin ich den ganzen Tag trocken gefahren, obwohl Regen angesagt war, und kann diesen nun im Zelt aussitzen. Beim Wildcampen hat man auch deutlich mehr Zeit, der Check-in entfällt, ich muss nicht zur Küche und zu den Sanitäranlagen laufen. Nur dürfte bei zukünftigen Wildcamp Nächten ein See in der Nähe liegen, man merkt schon, dass es im Zelt doch ein wenig riecht. Nur gut dass ich hier allein bin und nur meiner eigenen Nase Rechenschaft schuldig bin. 😉 

Wegen dem starken Regen koche ich im Vorzelt, muss also nicht noch einmal vor die Tür. Das ist zwar ein Balanceakt mit all dem Zeug, dass im Zelt verstreut ist, aber das Risotto schmeckt vorzüglich, ich hab es mir nach knapp 99 km auch wirklich verdient. 

Mit einem guten Buch, Big Bang Theory und Simpsons auf dem Handy, sowie Schokolade zum Nachtisch klingt dieser Tag gemütlich aus. 

Morgen absolvieren ich die letzten Kilometer entlang des Vänernsee, dann geht es weiter gen Norden. Unter anderem auf der Klarälvbanan, etwas worauf ich mich seit Wochen freue. Was das ist? Das werdet ihr morgen erfahren. 

Tag 12: Kila – Ransäter 

(Zum Vergrößern der Route bitte das Bild anklicken) 

In der Nacht hat der Regen aufgehört, so kann ich in der Früh ein einigermaßen trockenes Zelt einpacken. Empfindlich kalt ist es trotzdem, so erledige ich Frühstück und zusammenpacken drinnen, als letzter Schritt wird dann abgebaut und schon bin ich unterwegs. 

Bedeckt ist es, ansonsten aber ganz schön und so fahre ich ziemlich schnell nach Grums (was ein lautmalerischer Ort!) 

Auf dem Weg dorthin erreiche ich einen langersehnten Meilenstein:

Stolzer Tachobesitzer samt Belohnung für die bisherigen Mühen

Damit ist dies offiziell meine längste Radtour, bisher waren dies die knapp 700km in 8 Tagen nach Kopenhagen letztes Jahr. 

Und hey, nur noch 3,5x die selbe Distanz, schon ist die Tour zu Ende. Wie schwer kann das schon werden? 😉 (Berühmte letzte Worte?) 

Es wird nördlicher von der Optik her. 
In Grums gibt es erstmal Zimtschnecken als zweites Frühstück, dann fahr ich weiter nach Kils, mache dort Mittagspause und bin dann bald auf der gestern erwähnten Klarälvsbanan. Zur Auflösung: Hierbei handelt es sich um eine alte Bahnstrecke entlang des Flusses Klarälven, die 2007 in eine asphaltierte Strecke für Radfahrer_innen, Passant_innen und für sonstige Freizeitaktivitäten umgewandelt wurde. 

Das bedeutet: Perfekter Asphalt, kaum Steigungen (da alte Bahnstrecke), malerische Ausblicke auf den Klarälven und manche Abschnitte die so kerzengrade sind, dass man teilweise das Gefühl hat, man kommt nicht vom Fleck. Dies insgesamt auf 90km Länge, wobei er danach in den Klarälvsleden übergeht, den ich auch noch ein paar Km befahren werde. 

 Der Weg hat eigene Entfernungsschilder und eine Brücke sogar Blumenkästen! 
So Rolle ich in der inzwischen rausgekommenen Sonne mit einem Affenzahn dahin und genieße es nur noch. Nicht mehr auf Verkehr achten, nur die Landschaft genießen. 

Unterwegs finde ich diesen perfekten Pausenplatz, den ich für eine Lesepause nutze. Geht so lange gut, bis ich in der Sonne einschlafe und eine Stunde vor mich hin penne. 

Abends komme ich an einen Campingplatz und kümmere mich schnell darum, endlich meine Wäsche zu waschen, das hatte ich vor Tagen schon vor. Mein Zelt ist noch nicht fertig aufgebaut, und es ist nicht mit Heringen verankert. Groß ist also mein Schreck, als ich aus der Waschküche komme und das Zelt (welches 5kg Ballast drin hat) gerade von einer Böe erfasst sehe, und wie es auf den 10m entfernten Fluss zugetrieben wird. Ich renne so schnell ich kann und kann es gerade noch am Schilf abfangen. Grade noch einmal gut gegangen, wobei Gut relativ ist: Die Wiese ist wohl ein Aufenthaltsort für Enten, so ist mein Zelt durch mehrere Entenhaufen gerollt, die wunderschöne Flecken auf dem Innenzelt hinterlassen haben. Na dankeschön! 

Zum Abendessen gibt es dann eine ganz besondere Leckerei: Baked Beans und dazu geriebenen Käse. Und weil ich nach 70gr. Käse mir dachte “ach scheiß drauf, der Käse wird morgen eh schlecht”, wurden es halt 250gr. Käse. Kann man machen, muss man aber nicht. Geschmeckt hat es bei dem Sportlerhunger trotzdem. 

Insgesamt habe ich heute wieder mein Pensum erreicht. Der Track oben behauptet zwar was anderes, dass aber nur, weil ich nach einer Pause vergessen habe das Tracking wieder zu aktivieren. Insgesamt waren es laut Tacho heute 102km.

Morgen geht es bei angeblich besten Wetter auf der Klarälvenbanen weiter, ich bin gespannt.

Mora als Ziel der nächsten Tage.  

Tag 9: Göteborg (Ruhetag) 

Da Janka und Michal nichts dagegen haben, dass ich zwei Nächte bei Ihnen bleibe, kann ich ganz entspannt einen Ruhetag in Göteborg einlegen. 

Janka ist die perfekte Touri-Guide und zeigt mir auf der Karte allerlei Sehenswürdigkeiten. 



Nicht mal im Urlaub lässt mich die Arbeit in Ruhe… 
Die Woche ist Pride Week und wo in Deutschland um jede Regenbogen-Fahne am Rathaus gestritten wird ist die hier an allen öffentlichen Plätzen aufgezogen, sowie vor den Geschäften… Geht doch! 

So lasse ich endlich mal das Rad stehen und fahr mit dem Bus in die Stadt. Dort angekommen wandere ich durch einen Stadtpark bis zur Haga Nygata, einer der besten Café Straßen in Göteborg. Als ich dann im Schaufenster diese Kanelbullar entdecke, ist es um mich geschehen. 




Räder von 1909 und 1917, noch mit Carbid Lampen

Nach einer ausgiebigen Pause geht es dann mit der Tram raus zum botanischen Garten. Dieser ist absolut wundervoll. Riesengroß, voll verschiedener Themengebiete und dazu noch kostenlos. So wandere ich durch deren Gewächshäuser mit allerlei Orchideen und anderen exotischen Pflanzen:




Entdecke den Steingarten und das Japantal:

Und klettere auf den Aussichtshügel, der einen schönen Ausblick auf Göteborg liefert. 



Dann auch noch den Kindle rausholen und so verbringe ich viele fröhliche Stunden in dem Park. Absolute Empfehlung, solltet ihr je nach Göteborg kommen. 
Scheiß Hippie 
Danach geht es zum Supermarkt, mein letzter Einkauf war in Rostock und diese Vorräte gehen nun langsam zu neige. Und da nicht nur Pfingsten, sondern am Dienstag auch noch schwedischer Nationalfeiertag ist, kaufe ich lieber mal auf Vorrat. So stehe ich verzückt im Supermarkt und betrachte die schwedischen Spezialitäten. Mir kommen zwar einige Ideen was man zubereiten könnte, zum Glück kann ich mich besser zurückhalten als in Rostock. Habe ja noch viele Wochen im Land, da werde ich es schon schaffen mich durchs Sortiment zu futtern, so habe ich aber  endlich mal einen Einkauf getätigt, der tatsächlich in die Ortlieb Tasche passt, welche für das Essen gedacht ist. Nicht wie in Rostock wo der Beutel nicht mehr zu ging und die Hälfte oben mitfahren musste. 

Zurück bei meinen Hosts koche ich mit Janka das Abendessen. Ihr Freund ist gerade auf einem “Trainingslauf”, da er für einen “Mountain Marathon” trainiert. Als er 2h später eintrifft, hat er mal eben 40km zurückgelegt. Mich könnte man nach der Distanz im Laufschritt wohl beerdigen, da bleibe ich lieber beim Radfahrer. 

Ein sehr entspannter Tag, der meinem Knie echt gut getan hat. Spannend ist jedoch zu sehen, dass ich wieder richtig heiß darauf bin, mich morgen aufs Rad zu schwingen, ein gutes Zeichen. 

Tag 6 – 8 : Holte – Göteborg

Tag 6: Holte – Mellnbystrand



(klick auf die Route vergrößert diese)
 

In der Früh gibt es sogar noch Frühstück mit Lars, dann mache ich mich auf die Socken. 

Zuerst kreuze ich rüber zu Dänemarks Ost-Küste, um daran entlang nach Norden nach Helsingor zu fahren. An sich sind das nur 30km, wären auch schnell erledigt, wenn nicht plötzlich der Himmel die Schleusen öffnen würde und ein massiver Platzregen einsetzen würde. Darauf war ich nicht ausreichend vorbereitet, die Fleece Jacke liegt noch auf dem Gepäckträger, ich bin mit T-shirt und Radhose bekleidet. Stelle mich dann in einer Bushaltestelle unter und kann dort wenigstens die Regenklamotten anziehen. 

Erster Blick auf Schweden

Völlig eingepackt von Kopf bis Fuß geht es weiter und es zeigt sich dabei schon, dass zukünftige Tage in kompletter Regenmontur eher weniger witzig sein werden. Man bekommt zwar keinen Regen ab, aber fängt unter den Dingern so weit an zu schwitzen, dass man ebenfalls nass wird davon. Wenigstens kühlt man davon nicht aus, aber unangenehm ist es trotzdem. 

Die 30km nach Helsingor ziehen sich wie Kaugummi, auch weil es ein ewiges Auf und Ab ist. Endlich angekommen fahre ich gleich durch zum Hafen. Hatte gestern schon von Lars erfahren, dass die Fähre zwischen Helsingor (DK) und Helsingborg (SWE) alle 15min kommt, über 140x am Tag. So fahre ich gleich au die nächste Fähre, diesmal bin ich der einzige Radfahrer und darf wieder als erstes be- und entladen. 

Die Fährüberfahrt ist so kurz, dass ich kaum sitze, als es wiederzuerkennen zum Fahrzeugdeck geht. Somit bin ich endlich in Schweden!!! Und nach 3 Tagen Deutschland und 2 Tagen Dänemark werde ich nun etwas unter einem Monat in Schweden verbringen. Meine derzeitig Route sieht über 2200km auf schwedischen Straßen aller Couleur vor. 

Von Helsingborg aus schlage ich mich auf Landstraßen weiter in Richtung Norden. Zwar läuft von Helsingborg nach Göteborg der “Kattegattleden”, ein dezidierter Rad-Weg. Dieser braucht aber über 350km nach Göteborg, da wirklich jede Landzunge an der Küste mitgenommen wird. Meine eigene Strecke hingegen ist 250km lang und unterliegt konstanter Änderung: Finde ich noch eine bessere Landstraße, wird halt die genommen.

Aber wunderbar beschildert

Am Nachmittag komme ich an eine Stelle, wo eine Landmuräne von West nach Ost läuft, diese muss ich also auf alle Fälle überqueren. Das bedeutet quälend langsame 7km, die ich mich den Hügel emporschraube. Aber oben angekommen gibt es sowohl “echt schwedischen” Wald:

Noch halte ich das für Fotowürdig, bald werde ich Wochen am Stück nichts anderes mehr zu sehen bekommen. 

Und zweitens gibt es am Ende eine 3km lange Abfahrt. Und diese hat es wirklich in sich, kaum Kurven, perfekter Asphalt und so kann ich es richtig laufen lassen ohne treten zu müssen. So stelle ich, mit dem Kinn auf die Lenkertasche gepresst auch einen neuen Geschwindigkeitsrekord dieser Reise auf, wo ich mir nicht sicher bin, ob dieser noch zu brechen ist. Laut Navi 67,0, laut Tacho sogar 67,89 km/h (Sorry Mama!!!). Auch das Rad fühlt sich dabei gut an, kein Flattern oder aufschaukeln, selbst die Bremsung am Ende wird souverän gemeistert. 


Die Wege sind hier erste Sahne

Zum Ende geht es recht flach an endlosen Feriensiedlungen vorbei. 

Da der Abend erneut nach Regen aussieht und ich eh gerade daran vorbeikomme, entscheide ich ich für einen Campingplatz im Örtchen Mellenbystrand. Hier erhalte ich an der Rezeption eine Einweisung per Excellence:

Auf einem gedruckten Flyer wird mir gezeigt welchen Stellplatz in welcher Reihe ich nehmen darf, anhand von Diagrammen und Erläuterungen auch, das mein Zelt genau innerhalb vier roter Steine aufgebaut werden muss. 

Mit dieser Warnung im Ohr breche ich vor lachen zusammen, als ich schließlich den Campingplatz so vorfinde:

Da sind 20 Reihen á 30 Stellplätze und ich bin das einzige Zelt auf dem ganzen Platz. Da war die Strenge ja wirklich angebracht, Gott behüte ich klaue dem Nachbarn 10cm Platz durch einen Zelt-Hering. 

Warme Dusche nach 98km und dann ab ins Bettchen!  

Tag 7: Mellenbystrand Strand – Olofsbo

(Ein Klick auf die Route vergrößert diese) 

Heute hat nur ein Motto: Wind!

Schon in der Früh beim packen ist es höllisch windig. Noch lege ich meine Hoffnungen darin, dass der Wind von der Seite kommen wird und nicht von Vorne. 

Nach dem Losfahren merke ich aber schnell, dass mir dieser Wunsch nicht vergönnt ist. Dadurch wird es mit Abstand der bisher anstrengendste Tag der Tour und ein Tag, der sich hoffentlich nicht so schnell wiederholt. 

Der Wind bläst konstant mit 50km/h ins Gesicht, die Böen sind teilweise noch stärker. 

Ich verbringe die meiste Zeit des Tages im 4-5. Gang und kurbel wie bekloppt um mit Mühe und Not 10km/h zu halten. Die Tage davor war es eher Gang 10-11 und 18km/h, nur um mal das Verhältnis aufzuzeigen. 

Kommt der Wind mal doch von der Seite, muss ich mich 10 Grad in den Wind lehnen um nicht von der Straße gefegt zu werden. Jedes Auto und jeder LKW der mich heute überholt sorgt für eine kurze Unterbrechung des Windes und damit auch prompt dafür, dass ich wild schlingernd weiter auf die Fahrbahn gerate. Macht also wirklich überhaupt keinen Spaß. 

Dazu kommt am Vormittag noch feiner, fieser Nieselregen und ich kühle unglaublich schnell aus. Außer einer Aufwärmpause in einem Burgerrestaurant und drei Stopps in überdachten Buswartehäuschen verkneifen ich mir selbst das Mittagessen heute. Dafür ist es einfach zu windig, kalt und unangenehm. Deswegen auch die wenigen Fotos heute, ich war vollends damit beschäftigt gegen den Wind zu kämpfen und wollte selten für ein Foto anhalten. 


Gegen 16 Uhr ging einfach gar nichts mehr. Ich war auf einer Landstraße mit dünnem Seitenstreifen, viel LKW Verkehr und der Wind wehte auch noch die Erde der nahen Felder auf, so dass es im Mund knirschte und in den Augen brannte. 

Nach 78km in 6 Stunden reiner Fahrzeit (mit mein normalen Tempo hätte ich da über 100km geschafft), habe ich für heute aufgegeben und mich auf einen Campingplatz eingenistet. Die haben zum Glück ein kleines, windgeschütztes Areal, welches von Hecken umschlossen ist und trotzdem wird mein Zelt wild hin und her geworfen. 

So habe ich zwar morgen über 110km zu fahren, bis ich bei einem neuen Warmshower-Host in Göteborg ankomme, aber morgen soll der Wind nicht mal mehr halb so stark sein. Und bevor ich mich heute komplett ruiniere  und auspowere, versuche ich lieber morgen mehr Strecke zu machen. 

Dafür gibt’s heute Abend mitgebrachten Kaiserschmarrn (wenn auch als Fertig-Mischung), ich bin mal gespannt ob das was wird. Fazit: Lecker, fehlt aber noch Marmelade

Müde, windgegerbte Grüße an alle, die diesen Blog lesen 😉 

Tag 8: Olofsbo – Göteborg

(Zum vergrößern der Route bitte auf das Bild klicken) 

In der Nacht ist der Wind zum Glück ein wenig abgeflacht. Weg ist er zwar nicht, mit 24km/h auch relativ stark, aber im Vergleich zu gestern nur noch halb so schlimm. Die richtung hat er aber leider beibehalten: Von Schräg vorne. 

Ich komme gut los und bin ab halb 10 wieder auf dem Rad. Bei ziemlich kühlen Temperaturen geht es los, das bessert sich zum Glück im Laufe des Tages. 

Mehrheitlich geht es über Landstraßen, immer die Küste lang. In Varberg, nach knappen 30 Kilometern gibt es die erste Pause, hier scheint schon die Sonne und macht für eine lässige Pause. 

Vor dem Mittagessen noch der seltsamste Moment meiner bisherigen Tour: auf einer wenig befahrenen Landstraße kommt mir ein alter Volvo entgegen mit zwei jungen Frauen darin. 200m vor meiner Position bremsen sie ab und fahren dann langsam an mir vorbei, dabei zeigen sie einen Hitlergruß und machen mit der anderen Hand ein Bärtchen unter der Nase. Ich habe wirklich absolut keine Ahnung was da die Idee dahinter ist und bin zu perplex um mir überhaupt ihr Kennzeichen zu merken. 

Die bisher schönste Mittagspause dieser Tour mache ich direkt am Meer, auf einer kleinen Grasscholle sitzend. Da schmeckt das angetrocknete Brot gleich doppelt so gut. 

Das letzte Drittel der Strecke verbringe ich auf einem Rad-Highway, der direkt nach Göteborg reinführt. Wahnsinn was hier an Infrastruktur für Radfahrende bereitgestellt wird. So geht es direkt an der Haupt-Einfallsstraße nach Göteborg rein, während auf der der Straße sich Kilometerlang die Blechkarossen stauen. Auch in der Innenstadt ist die Verkehrsführung so angelegt, dass Passant_innen und Radfahrer_innen möglichst einfach durch die Stadt kommen und selten an der Ampel stehen. 

Ziemlich fertig und während des Fahrens, trotzdem fehlte eindeutig mal wieder ein Selfie 😉 

Bis in die Innenstadt habe ich allerdings über 100km zurückgelegt und merke, dass jedes Anfahren nun richtig Kraft kostet. 

Für Göteborg habe ich über Warmshowers wieder Hosts gefunden, bei denen ich bleiben darf: Janka und ihr Freund Michal haben mir dankenswerterweise Weise einen Platz auf ihrer Couch versprochen. 

Janka arbeitet im Zentrum und holt mich an einem zentralen Platz mit dem Rad ab. Zusammen fahren wir also die letzten 6km zu ihrer Wohnung. Sie warnte gleich, dass der Weg zurück ein wenig steil ist an Stellen, wie steil sollte ich noch rausfinden. Es ging durch einen Park direkt in der Stadt, der eher an einen Naturbelassenen Wald erinnerte und auf dem plötzlich Waldwege steil empor führten. Beim ersten Hang musste ich nach der Hälfte aufgeben und schieben, aber beim zweiten, steileren Anhang war mein Ehrgeiz geweckt. Im zweiten Gang ging es im Stehen und mit letzter Kraft den Anhang hoch. Das Hinterrad drehte trotz dem Gewicht der Packtaschen durch und das Vorderrad kam dauernd hoch. Stolz war ich dennoch, als Janka meinte ich wäre der erste Radfahr-Gast, der diese Anhöhe gemeistert hätte. Victory! 

Mit Janka und Michal zusammen gab es selbstgemachte Pizza und dann danach noch einen Heimkino Abend mit Star Wars. 

108km heute mit ziemlich viel Wind und 76km den Tag zuvor mit dem Horrorwind haben mir echt zugesetzt, vorallem mein linkes Knie schmerzt extrem. So habe ich beschlossen, ein Ruhetag in Göteborg einzulegen. Dankenswerterweise lassen mich Janka und Michal auch zwei Nächte bei ihnen schlafen, so kann ich morgen entspannt Göteborg entdecken und mein Knie schonen. 

Fazit: Tour durch Dänemark

Dänemark hat mir wunderbar gefallen. Die Landschaft ist hübsch, wenn auch nicht spektakulär. Viel Landwirtschaft, relativ flach (ein Segen auf dem Rad!) und mit perfekten Straßen für Radfahrende. 

Der Wind kam entweder von Hinten oder der Seite, war zum Glück auch nicht sonderlich stark. 

Die beiden Übernachtungen waren auf seh gegensätzliche Art toll: Das Wildcampen im um gedrehten Boot war selbst beim zweiten Besuch noch ein Erlebnis. Und meine erste Warmshower-Erfahrung hätte besser gar nicht sein können. 

Statistik 

  • Tage im Land: 2,5
  • Zurückgelegte Kilometer: 203
  • Wildcamping Nächte: 1
  • Warmshower Nächte: 1
  • Tagesdurchschnitt Kosten: