[Tag 24] Rückreise: Osch – Moskau – Berlin

[Tag 24] Rückreise: Osch – Moskau – Berlin

31. Juli 2019:

Zwei lange Flüge, anschließend 14 Kilometer mit dem Rad vom Flughafen Tegel nach Hause.

Kommen wir nun zum letzten Teil der Reise, der Abreise:Der Flughafen liegt außerhalb der Stadt und ich hatte keine Lust um Mitternacht mich mit dem Rad durch Osch kämpfen zu müssen. Ursprünglich hatte ich vor mir ein Taxi zu buchen, dies kostet wohl tagsüber wohl 450 Som zum Flughafen (= 5,50€). Nachts und allein reisend wird es leider ein bisschen teuer, auch weil das Auto groß genug sein muss um auch mein Rad mitnehmen zu können. Dies hätte mich 800 Som gekostet. Als ich mittags aber am Schalter im Hostel stand, bot der eine Mitarbeiter gleich an, dass er mich für 800 Som auch fahren würde.

So kam kurz vor Mitternacht der Mitarbeiter mit seinem Auto am Hostel an. War zwar ein ziemlich kleiner Hyundai, trotzdem haben wir es geschafft alles einzuladen. Nebst Rad und allen Taschen habe ich auch ein paar einzelne, große Stücke Pappe dabei. Denn sollten Felix und Yangs Fahrradkartons nicht mehr am Flughafen liegen, bin ich aufgeschmissen. So hoffe ich, dass ich dann wenigstens aus den paar Teilen Pappe etwas basteln können.

So flitzen wir durch die Stadt, was echt aufregend ist, teilweise kommen uns Autos ohne Licht entgegen. Insgesamt dauert die Fahrt etwa 20 Minuten, teilweise über stockfinstere Landstraßen ohne Seitenstreifen. Ich bin heilfroh die Strecke per Taxi und nicht auf dem Rad hinter mich zu bringen. Auch am Flughafen hilft mir der Hostelmitarbeiter sehr, er macht sich auf die Suche nach einem Gepäckwagen, während ich noch am Ausladen bin. Felix hat erzählt, dass sie die Kartons neben dem Arrival-Gebäude auf einen Haufen hinter einem Fastfood-Restaurant geschmissen haben. Zum Glück begleitet mich der Mitarbeiter noch, wir machen uns auf den Weg. Ich bin nervlich angespannt, ich hoffe ja so sehr, dass die Kartons noch da sind, das würde jetzt alles einfacher machen.

IMG_20190731_014747

IMG_20190731_014724
Taaaadaaaa!

IMG_20190731_001729

Und tatsächlich: Hätten solche Kartons in der dunklen Ecke entweder für eine Vollsperrung samt Bombenentschärfung auf einem deutschen Flughafen gesorgt, oder wären schnellstmöglich entfernt worden, liegen hier die zwei Kartons unangetastet in einer Ecke. Ich bin sehr, sehr erleichtert! Ich verabschiede mich vom Fahrer, dann mache ich es mir direkt neben dem Arrival-Gebäude gemütlich und beginne mein Fahrrad zu zerlegen und zu verpacken.

IMG_20190731_001729IMG_20190731_002432IMG_20190731_011343

Und obwohl es inzwischen ein Uhr nachts ist, am Flughafen pulsiert das Leben. Hunderte Menschen scheinen entweder auf Bekannte zu warten oder warten auf ihren Flug, dazwischen laufen 12-jährige Kinder rum und verkaufen laut schreiend “Choy, coffee” und Süßwaren. Ein geschäftiges Kommen und Gehen überall.

IMG_20190731_013005

Ich werde, nach einer kurzen Erklärung meinerseits, von den Sicherheitskräften in Ruhe gelassen. Und so klappt es im Schein eines Flutlichtstrahlers auch gut mein Rad zu zerlegen, schnell ist alles im Karton und dieser reichhaltig mit Tape verklebt. Auf alle Seiten male ich jetzt noch “This Way Up”-Symbole und schreibe meinen Flugverlauf dazu.

IMG_20190731_013345

Beim Zerlegen finde ich noch heraus, dass eine Speiche am Hinterrad gebrochen ist, dies muss am letzten Tag nach Osch passiert sein, denn im Pamir habe ich die Reifen immer kontrolliert. Schon verrückt, da fahre ich 3 Wochen über schlimmste Schotterpisten und die einzigen Defekte sind der abgebrochene Fahrradständer und EINE Speiche (und mein Plastikkrokodil, schnüff!), nicht mal einen Platten hatte ich in der Zeit.

Ich habe heute auf dem Markt eine große Gewebetasche gekauft (nachdem ich die vom Hinflug noch in Kulob verschenkt habe), da kommen nun alle Ortlieb Fahrradtaschen rein. Auch wenn es nicht sonderlich ökologisch ist, diese Tasche umwickle ich noch mit 50m Frischhaltefolie. So kann ich sicher sein, dass alle Taschen es nach Hause schaffen, ohne dass eine auf dem Rollfeld zurückbleibt. Ich entdecke im Flughafengebäude später, dass wirklich ALLE Personen ihre Rollkoffer in Plastikfolien einpacken, da macht es bei mir wirklich deutlich mehr Sinn.

IMG_20190731_020300

Anschließend fehlt mir wieder ein Trolley, da meiner in der Zwischenzeit geklaut wurde. Nach Erklärung bei der Flughafensicherheit, lässt man mich sogar in den abgesperrten Arrivals-Bereich, bei solchem Vorgehen wird in Deutschland das ganze Terminal geräumt, hier mache ich es in Absprache mit der Security. Zentralasien ist in manchen Dingen doch deutlich entspannter.

Anschließend kaufe ich mir vor dem Check-In Gebäude noch eine Cola und mach mich dann auf den Weg durch die Sicherheitsschleuse. Das ist noch mal aufregend, mich mit diesem gigantischen Karton durch die Menschenmassen zu drängen und dann muss auch noch alles durch den Scanner geschoben werden.

IMG_20190731_022057IMG_20190731_022626IMG_20190731_031557

Es gibt spannende Szenen zu beobachten, Langeweile kommt nicht auf.

Ich war um 0:30 Uhr am Flughafen angekommen, inzwischen ist es 2:30 Uhr. Mein Flug geht erst um 7 Uhr, ich habe aber viel Puffer eingeplant für das Verpacken, und um möglichen Unwägbarkeiten aus dem Weg gehen zu können. Da bis 5 Uhr am Check-In nichts passieren wird, suche ich mir ein einigermaßen ruhiges Eckchen in der Abflughalle und versuche mich mit Filmen und Musik soweit wach zu halten, dass ich nicht meinen Flug verpasse.

Als um kurz vor 5 der Check-In öffnet, bin ich (absolut untypisch für mich) wieder einer der Ersten in der Schlange. Wie beim Hinflug schon konnte ich mein Fahrrad nicht im Vorhinein hinzubuchen, dies passiert erst am Flughafen. Ich will also um jeden Preis sicherstellen, dass keine 10-köpfige Gruppe Radfahrender vor mir auftaucht. Auch bin ich nach dem Check-In in Frankfurt ein gebranntes Kind. Die haben damals ja reagiert, als wäre ich die erste Person auf diesem Planeten, die ein Fahrrad in ein Flugzeug mitnehmen will. Ich will also auch hier genug Zeit haben, falls die anfangen mit mir zu diskutieren. Witzigerweise bin ich dann nicht nur die einzige Person mit Sperrgepäck, ich bin laut erstem Anschein auch der einzige Tourist an Bord später. Da ich diesmal nicht direkt, sondern via Moskau fliege, scheint der Großteil der Fluggäste Arbeitsmigrant*innen zu sein, die in Russland arbeiten. Laut einem Artikel im Katapult Magazin bestand 43% des tadschikischen Bruttoinlandsprodukts aus Überweisungen tadschikischer Gastarbeiter in Russland. (Julius Gabele und Matthias Schmidt: Postsozialismus in Zentralasien. Warum die alten Sowjetstaaten nicht demokratisch werden, in: Katapult-Magazin. Nr. 12, Jan-März 2019, S. 44) Dies sind wirklich unfassbare Werte, die Wirtschaft ist zum größten Teil von Arbeitsmigration abhängig. Dies wird für Kirgistan zwar ein geringerer Wert sein, aber auch hier verdingen sich extrem viele Personen in der Ferne, um der Familie daheim ein besseres Leben ermöglichen zu können.

Am Schalter angekommen wird diesmal weit entspannter beim Anblick des Fahrradkartons reagiert. Ich hatte im Vorhinein verschiedene Infos erhalten, teilweise wurde davon berichtet dass die Fluggesellschaft S7 Fahrräder gratis transportiert, teilweise hieß es koste 50€ pro Flug, dann wiederrum 50€ insgesamt. Ich nahm vor mich einfach überraschen zu lassen. Es folgt viel Getuschel am Schalter, schließlich wird mir jedoch eröffnet, die Radmitnahme würde mich 80$ kosten. Nun, über den Betrag will ich mich nicht streiten und willige schnell ein. Leider ist Kartenzahlung keine Option, ich muss also noch mal durchs Gebäude hasten zu einem VISA-Automaten. Während ich davor stehe schießt mir noch der Gedanke “was wenn jetzt der Automat die Karte verweigert? Dann bist du richtig geliefert…” durch den Kopf. Doch dann halte ich schon die 80$ in kirgisischen Som in Händen. Bei dem Umrechnungskurs in Kirgistan fühlt man sich noch viel reicher als es in Tadschikistan bereits der Fall war. Knappe 5500 Som halte ich nun nämlich in einem dicken Bündel in Händen. Damit eile ich nun zum Check-In Schalter zurück. Da der Betrag dort entgegengenommen wird, ohne zweite Betrachtung oder gar Zählung unter einem Klemmbrett verschwindet und plötzlich das englische Wort für Rechnung/Quittung gänzlich unbekannt ist, nehme ich an, ich habe den beiden Mitarbeitenden dort einen schönen Zusatzverdienst ermöglicht, doch bei 80$ will ich mich nicht streiten und bin einfach froh, dass mein Gepäck und Fahrrad eingecheckt sind. Und die sind sogar bis Berlin-Tegel durchgecheckt, ich habe also keinen Stress in Moskau damit, mein Gepäck vom Band holen zu müssen und einen erneuten Check-In zu durchlaufen. Nach nur 5 Minuten Check-In Procedere ging es nun in den Sicherheitsbereich. Dort gibt es nicht viel mehr zu tun als den Sonnenaufgang zu beobachten und erneut bemüht nicht einzuschlafen. Inzwischen war ich fast 24 Stunden wach.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

IMG_20190731_070829IMG_20190731_071408

Als wir dann zum Flugzeug laufen (ja, so klein ist der Flughafen), sehe ich meine Fahrradkiste noch auf einem Gepäckwagen. Prompt kriege ich fast einen Herzinfarkt, als dieser Gepäckwagen wenige Sekunden später davon fährt. Doch gerade als ich mich darauf vorbereite zur Crew zu rennen, sehe ich dass der Wagen am vorderen Cargo-Eingang des Flugzeugs hält, und dort weiter einlädt.

IMG_20190731_071413
HILFE!

In dem Wissen, dass mein Fahrrad es zumindest bis Moskau schafft, steige ich in den Flieger, kriege dort einen angenehmen Sitzplatz am Notausgang und habe so ordentlich Platz die müden Beine auszustrecken. Schon beim durchrutschen zum Fensterplatz fragten mich die beiden Männer neben mir, wo ich denn herkäme. Das Lachen, dass meine Antwort “Germany” empfing, konnte ich nicht wirklich deuten, bis sich mein direkter Nachbar Vasily erklärte: Er selber hat über ein Jahrzehnt in Deutschland gelebt, hatte eine deutsche Ehefrau und hat einen deutschen Sohn. Auch wenn das ein paar Jahre her ist, Vasily spricht bestes Deutsch und so fragt er viel zu meiner Radreise, erzählt aber auch aus seinem Leben. Er ist nun Agrarwissenschaftler und eigentlich im Kaukasus ansässig, war nun aber mit seinem Team in Kirgistan, um hier beratend zum Anbau von Ölhaltigen Pflanzen tätig zu sein. Traurigerweise wurden seine Abschlüsse damals in Deutschland nicht anerkannt, dort arbeitete er also in einer Fabrik, heute kann er seinen Doktortitel in Agrarwissenschaft voll ausleben. Vasily übersetzt zudem für seine Kollegen auf den Nebensitzen, manchmal geht es in einem Deutsch-Russisch-Englisch Mischmasch hin und her. Der eine Kollege ist Doktor der Philosophie und spricht auch ein wenig Deutsch, das kommt wohl davon wenn man Kant und Nietzsche im Original liest. Spannender Kontakt auf alle Fälle.

IMG_20190731_113802

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück auf Osch und den Suleiman-Too

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

IMG_20190731_083958

Den Rest des Flugs hat es mich komatös ausgeknockt, der Schlafmangel nahm überhand. Nach viereinhalb Stunden Flug landen wir pünktlich in Moskau, dank der Zeitverschiebung ist es auch erst knappe 9.30 Uhr in der Früh. Ich verabschiede mich noch von Vasily und den anderen, dann habe ich über 3 Stunden bis mein Flieger nach Berlin abhebt. Diese Zeit hatte ich damals bewusst eingeplant bei der Flugbuchung, da ich genug Horrorstories vom Umsteigen in Moskau gehört hatte. Doch bis auf eine ziemlich pedantische und leicht feindselige Grenzbeamtin, die mich bis zum gehtnichtmehr über meine Reise ausfragt, komme ich schnell durch.

IMG_20190731_091628
Ich vermute fast, hierbei handelt es sich nicht um das originale SWAT-Team 😀

Der Transitbereich in Moskau ist wie ein Katapultflug vom frühen 20. Jahrhundert in die Jetztzeit. Normale Spülklos entlocken mir Begeisterungsjubel (das Flughafenklo heute Früh in Osch war tatsächlich noch ein Hockklo), zudem stehen überall Getränkeautomaten und modernste Duty-Free-Geschäfte. Swarovski, schicke Bars, was eine andere Welt.

Ich beschließe dass ich mir jetzt ein Mittagessen an der Burger-Bar verdient habe. In der Schlange zerbreche ich mir das Hirn, ob die jetzt wohl Euros nehmen, oder was ich mache wenn das nicht klappt, bis mir auf einmal einfällt “ha, jeder Laden bietet hier Kartenzahlung an”. Von Khorogh bis Gulcha war meine VISA-Karte auf Radreise nichts mehr als ein nutzloses Stück Plastik, langsam muss ich mich wieder an die technischen Möglichkeiten hier gewöhnen.

IMG_20190731_104927

Ich sehe beim Einstieg in den Flieger nicht, ob mein Rad eingeladen wurde, jetzt heißt es Daumen drücken, dass ich es in Berlin in Empfang nehmen kann. Im Flieger komme ich mit zwei Deutschen ins Gespräch, die wohl extra für ein Rammsteinkonzert in Moskau den weiten Weg auf sich genommen haben.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Tschüss Moskau

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hallo Berlin!

Nach schönen Ausblicken übers Baltikum stehe ich schon bald im mir bekannten Flughafen Tegel. Meine folierte Tasche mit all den Ortlieb-Radtaschen drin ist dann auch tatsächlich das erste Gepäckstück, das vom Band läuft.

IMG_20190731_151004
Erster!

Anschließend darf ich jedoch warten bis jeder sein Gepäck hat, bevor mein Fahrrad aus dem Sperrgepäcksbereich geschoben wird. Ich hatte schon beim Ausladen in Moskau gesehen, dass meine “This-Way-Up” Beschriftung und Symbole freizügigst ignoriert worden waren, dasselbe passiert dann auch in Tegel. Das ganze Rad steht Kopf. Dadurch, dass der Karton Kopf steht, waren auch die Haltegriffe nicht mehr erreichbar, alle Flughafenmitarbeitenden haben also am Deckel gezogen, dieser ist schließlich aufgegangen. Hoffentlich ist nichts kaputt oder rausgefallen.

IMG_20190731_152356IMG_20190731_151622

Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen draußen vor dem Flughafengebäude und beginne mit dem Auspacken und Zusammenbau. Zum Glück ist wirklich nichts am Fahrrad kaputt. Damals beim Rückflug aus Schweden haben sie nur eine kleine Plastikverkleidung am Bremsgriff zerstört, diesmal ist das Rad komplett heile. Ich bin sehr erleichtert, besonders nach den Erzählungen vom Fahrradtransport am Flughafen Moskau. Das war ja überhaupt der Grund weshalb ich den viel teureren und weit umständlicheren Direktflug von Frankfurt nach Duschanbe gebucht hatte. Ich wollte sichergehen dass mein Rad auf alle Fälle rechtzeitig und fahrbereit in Duschanbe ankommt und ich nicht eine Woche auf die Nachsendung des Rads aus Moskau, oder auf Ersatzteile aus Deutschland warten müsste, bevor der Urlaub überhaupt beginnt. Somit hat sich das Fahrrad wunderbar geschlagen auf dieser Tour. Ich suche dann noch eine Möglichkeit meinen Karton in Tegel zu entsorgen, wie bereits heute früh erwähnt, ich habe keine Lust auf den Bombenräum-Roboter 😉

IMG_20190731_162048

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Abfahrtbereit in Tegel

In Berlin setzt leichter Nieselregen ein, dafür hat es unglaublich angenehme 20°C, eine Wohltat nach der Hitze in Osch. So schwinge ich mich für das letzte Stück aufs Rad und fahr nach Hause. Vier Veränderungen fallen mir auf der Rückfahrt auf:

1) Obwohl mich hunderte Autos überholen, sterbe ich nicht in den Abgasen. Lange lebe Partikelfilter und Katalysator.

2) Gefühlt alle 30 Meter stehe ich an einer Ampel. Von Khorogh bis Gulcha hatte ich auf hunderten Kilometern keine einzige Ampel gesehen.

3) Es gibt Fahrbahnmarkierungen, diese habe ich außerhalb Duschanbe, Khorogh und Osch auch überhaupt nicht gesehen.

4) Niemand interessiert sich für mich. Das klingt jetzt wehleidig, ist aber nur eine Feststellung. Wenn ich vollbepackt an der Ampel warte stehen neben mir dutzende Familien auf dem Gehsteig und warten auf die Grünphase. Man würdigt mich keines Blickes. Was ein Unterschied zu den kleineren Orten am Pamir, wo die Kinder angeflitzt kamen, nur um mir die Hand zu schütteln und “HellohellohellohelloHEEEEELLLO” zu rufen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Daheim!

Nach insgesamt 1050 Kilometern (laut GPS, mein Tacho spricht gar von 1083km) und 17700 Höhenmeter auf dem Fahrrad stehe ich dann wohlbehalten, wenn auch sehr, sehr müde und abgekämpft vor meiner Wohnungstür. Und weil ich oft gefragt wurde, was das Beste an der Rückkehr war: Nicht mein Bett, nicht meine Dusche, nicht meine Küche oder mein eigenes Klo, dass kein Loch im Boden ist. Für mich ist es die Möglichkeit, frisches Trinkwasser aus der Leitung zu bekommen. 3 Wochen lang habe ich zum Zähneputzen Flaschenwasser genutzt, 3 Wochen lang habe ich beim Duschen aufgepasst kein Wasser zu schlucken, alles aus der Angst vor einer Erkrankung heraus. Jetzt einen tiefen Schluck direkt vom Wasserhahn zu nehmen erscheint mir wie ein unglaublicher Luxus.

So kommen wir nun zum Ende der eigentlichen Reise. Ich werde in einem weiteren Eintrag noch ein Fazit zur Reise geben und einige Statistiken hinzufügen, aber ansonsten ist hier Ende. Wenn ihr es bis hierhin durchgehalten habt, dankeschön! Dieser Reiseblog war mit Abstand der aufwändigste bis jetzt. Die Texte haben zum Ende hin die 100 Seiten Umfang in Word geknackt, auch bin ich ursprünglich mit über 2500 Fotos gestartet und musste mühsam aussortieren, bearbeiten und zuschneiden. Einen Reisebericht mit einem solchen Detailgrad wird es von mir nicht nochmal geben, das war mir eindeutig zu aufwendig, geschätzte 100 Stunden sind dafür drauf gegangen, länger als ich im Sattel saß. Nun hoffe ich ihr freut euch auf den Abschlusseintrag und danke euch jetzt schon einmal fürs Lesen und die vielen Rückmeldungen, freut mich wenn es euch gefallen hat.

[Tag 23] Osch

30. Juli 2019:

TES Guesthouse – Impressionen

Der Tag beginnt wieder mit einem entspannten Frühstück. Heute sitze ich mit den zwei deutschen Motorradfahrern zusammen, die ich vorgestern bei meiner Abfahrt nach Osch auf der Straße getroffen habe. Sie hatten an einem Motorrad eine defekte Benzinpumpe, sind also nach Osch zurückgekehrt und haben den letzten Tag in einer Werkstatt verbracht. Nun sitzen sie hier im Hostel und warten bis DHL Express eine Lieferung von Bayern nach Kirgistan bringt, damit sie das Ersatzteil einbauen können. Sie erzählen mir mehr von ihrer Reise und ihren Plänen. Sie haben ihre Motorräder per Spedition in die Mongolei bringen lassen, sind also bisher die ersten motorbetriebenen Reisenden, mit denen ich spreche, die nicht an der eigenen Haustür gestartet sind. Nach dem Pamir wollen sie nach Turkmenistan und dann in den Iran. Für Turkmenistan kriegt man wohl nur ein Transitvisum, muss also schnell durchreisen. Dann wird man an der turkmenischen Grenze ausgestempelt und steht an der iranischen Grenze und wartet auf Einlass. Und hier kommt ein Problem ins Spiel, von dem mir bereits viele Motorradreisende erzählt haben: In Iran ist offiziell die Einreise mit dem Motorrad nur bis 250 Kubik Motorgröße erlaubt. Lange wurde das wohl ziemlich lasch gehandhabt, nun hat man aber die Daumenschrauben angezogen. Die iranische Grenzkontrolle hat wohl verstanden, dass die Reisenden ihnen vollkommen ausgeliefert sind, dank ausgestempelten turkmenischen Visums kommen die Reisenden nicht wieder zurück. Vermutlich wird also eine Menge Schmiergeld an der iranischen Grenze fällig. Und wenn das nicht klappt und man wirklich zurückgeschickt wird, dann hat man wohl einen ganzen Haufen Probleme an der turkmenischen Grenze, um wieder ein Visum beantragen zu können. Ist ja jetzt auch nicht das freiheitlich-demokratischste Land auf diesem Planeten (Siehe dazu diesen genialen Beitrag von Last Week Tonight zum autokratischen Herrscher in Turkmenistan). Auf jeden Fall bleibt der Rückweg nach Europa also spannend für diese beiden Biker, ich drücke die Daumen dass es schnell klappt mit der Benzinpumpe.

IMG_20190730_093949
Erste Aufbrüche am Morgen, es geht gen Pamir!

IMG_20190730_094258

Ebenfalls treffe ich beim Frühstück die beiden Mountainbike-Fahrer*innen, die ich an der Abbiegung M41/Wakhan getroffen habe, die mit einem Begleitfahrzeug unterwegs waren und mich damals zu ihrem luxuriösen Mittagessen eingeladen haben. Das ist jetzt bereits über 10 Tage her, sie waren in der Zwischenzeit mit dem Auto am Pik Lenin Basecamp, dort wandern und haben jetzt auch ihre Radtour hier beendet. Sie erzählen mir, dass am Pik Lenin gerade die Vorbereitungen für einen Marathon laufen. Zwar läuft man keine 42 Kilometer, laut Website (www.lenin-race.com/marathon#) aber in Rekordzeit auf den Gipfel. Rennen bei über 7000m Höhe, was für irre Menschen!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Don’t Dead, open inside? 😉

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der deutsche TÜV bekäme vermutlich einen Herzinfarkt!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Flaniermeile

Mit meiner Bekanntschaft Wolfgang (war vorgestern mit ihm Abendessen) geht es anschließend auf den Markt. Dieser ist über einen Kilometer lang, dabei sind die Bilder an den winzigen Containermarkt in Murghab noch frisch im Gedächtnis. Zuerst kommen endlose Stände mit Klamotten, alles billigste China-Ware.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Gruselig…

Doch anschließend kommen wir zu einem Bereich, wo das örtliche Metallhandwerk ansässig ist. Diese nutzen mehrheitlich Betonstahl-Stäbe, um daraus sowohl Hufeisen, aber auch Messer und sogar landwirtschaftliche Utensilien (Sensen etc.) herzustellen. Beeindruckend, mit welcher Präzision und Geschwindigkeit sie dies anfertigen. Beneiden tu ich sie nicht um den Job, in ihren winzigen Läden bollert die Esse, und das bei über 35°C Außentemperatur.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Alles wird aus Betonstahl gefertigt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Was mich danach fasziniert sind 20 Stände, die sich mit Fahrrädern beschäftigen. Diese haben sowohl fertige, neue Räder (zumeist günstige Stadträder aus chinesischer Herstellung), aber auch gebrauchte Mountainbikes älteren Jahrgangs. Und an jedem Stand finden sich kistenweise, tausendfach verschiedene Fahrradgegenstände. Hunderte Fahrradklingeln, Lichter, Speichen, Fahrradreifen usw. Alles billigste China-Qualität, trotzdem beeindruckend, da ich in ganz Tadschikistan kein Fahrrad-Zubehör gesehen habe.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Mir wird auf solchen Märkten immer ein wenig schummrig. Klar, in Deutschland existiert ein gigantisches Warenangebot, es ist aber aufgeteilt auf hunderte, tausende Supermärkte und Läden. Wenn man hier plötzlich auf 20 Quadratmeter mehrere tausend Fahrradklingeln sieht, wird mir erst bewusst, wie viele dieser Güter weltweit im Umlauf sein müssen, wie viele Ressourcen dafür verwendet werden diese herzustellen und in die Welt zu verschiffen. Klar, an sich weiß ich das auch, aber bei solchen Gelegenheit trifft mich die Erkenntnis besonders.

Doch die Radfahrenden die ich nun im Hostel kennengelernt habe wollen, wie gestern erwähnt, lieber mein Rad in Einzelteilen kaufen, als das sie hier auf dem Markt China-Gegenstände kaufen, die in 1000 Kilometer wieder zerbröseln. Würde ich mit einem Overlander-Wohnwagen herfahren, ich glaube ich würde in Europa eine Kiste mit Fahrradersatzteilen einladen. Damit könnte man vermutlich den Sprit bis nach China finanzieren 😉

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ich hätte diese Flagge kaufen sollen…

Ich suche bereits auf dem ganzen Markt nach einer kleinen kirgisischen Flagge, die ich daheim an die Wand hängen will. Doch bisher gibt es nur welche mit mehr als einem Meter Größe. Ich entdecke schließlich in einem kleinen Laden in einer Seitengasse einen kleinen Ständer auf dem Schreibtisch, der zwei kirgisische Flaggen hält. Der Angestellte versteht wenig bis kein Englisch, durch viel deuten versteht er aber wohl schnell was ich will. Er überreicht mir dann gleich den ganzen Fahnenständer. Da kann ich abwinken und schaffe es, eine einzelne Flagge davon zu entfernen. Doch als ich dann den Geldbeutel aus der Tasche hole, besteht er energisch darauf, dass er kein Geld will. Ich versuche es mehrmals, er ist nahezu empört das ich dafür zahlen will. Ich fühle mich unglaublich schlecht. Da bin ich in seinen Laden gekommen, habe seine Tischdeko zerpflückt und nun nimmt er kein Geld an. Ich würde ihm ja gerne etwas anderes abkaufen, leider verkauft dieses Geschäft nur Fensterrollos, die kriege ich wohl kaum im Flieger transportiert. Rückblickend ärgere ich mich, dass ich nicht in einen nahen Kiosk gegangen bin und zumindest ein paar Flaschen Cola und Schokolade gekauft habe als fairer Tausch, die Idee fiel mir allerdings erst später ein. So schlecht ich mich dabei fühle, ich spürte eine gewisse Form des Stolzes beim Ladenbesitzer. Das jetzt ausgerechnet ein Tourist eine kirgisische Flagge will, das scheint ihn zu freuen. Nun habe ich es nicht so mit Nationalstolz und Patriotismus, kann es in seinem Fall aber nachvollziehen. Glücklich, verdattert und leicht beschämt dass ich einen Ladenbesitzer so “bestohlen” habe, ziehe ich weiter.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Auf dem Markt gibt es noch einen größeren Abschnitt mit Lebensmittelständen. Ich kaufe noch guten Honig für daheim (die Biene soll mich nicht umsonst gestochen haben), dies wird standesgemäß in alten Coca Cola Flaschen verkauft. Die Lebensmittelbereiche sind auf alle Fälle gewöhnungsbedürftig, an aufgehängten Fleischstücken ohne Kühltheke werde ich mich vermutlich nie gewöhnen können. Angenehm an diesem ganzen Markt ist, dass ich in Ruhe gelassen werde. Anders als ich es aus Nordafrika oder Israel kenne, versucht dich nicht jede_r an seinen_ihren Stand zu zerren, sondern man kann in Ruhe bummeln und auch mal was anschauen, ohne das gleich die große Verkaufsschiene einsetzt.

Anschließend geht es erneut zum Café Brio, für mich gibt’s erneut einen Burger, danach schlagen wir uns zum Hostel zurück, es ist einfach zu heiß. Wir sind mittags wieder am Hostel, alle Traveller dort liegen im Schatten oder unter der Klimaanlage. Ich tue es ihnen gleich, denn bis 17 Uhr ist an ein Verweilen in der Sonne nicht mal zu denken.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Rumliegen im kühlen Zimmer

Als es wieder ein bisschen abgekühlt ist, geht es zum Wahrzeichen Oschs, den ich bereits in einzelnen Fotos der vergangenen Tage gezeigt habe: Dem Suleiman-Too – Berg in der Stadtmitte.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Der 1100m hohe Berg ist das erste kirgisische Weltkulturerbe und hat allerlei Kultstätten in verschiedenen Höhlen am Berg. Man hat Petroglyphen (Felsritzungen) gefunden, die wohl bis zur mittleren Bronzezeit sich zurückverfolgen lassen. Von den 17 Kultstätten sind noch einige heute im Gebrauch bei der Bevölkerung, Besuche helfen gegen Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Unfruchtbarkeit.
Es vermischen sich hier am Berg verschiedene Glaubenssysteme. So soll in vorislamischer Zeit ein Herrscher der indischen Moguldynastie erst hier Zeit verbracht haben, bevor er aufbrach um Indien zu erobern.
Der muslimische Narrativ ist, dass hier Salomo, laut Bibel der König der Juden, laut Koran ein Prophet am Fuße des Berges begraben liegt.
Allerlei spannende Geschichte, verbunden mit einem wunderschönen Ausblick.
(Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Suleiman-Too )

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Unten noch ein Friedhof

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Kommen oben die spannenden Felshöhlen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nun, diese “Petroglyphen” scheinen alle moderner zu sein… 😉

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Ausblick ist aber schick

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Der Anstieg ist schweißtreibend bei den Temperaturen, doch die Befriedigung als ich oben ankomme dafür umso größer. Auch wenn der Berg nur hundert Meter über die Stadt herausragt, der Ausblick ist phänomenal. Ich kann die Stadt zu 360° überblicken und merke erst, wie viel davon ich noch nicht gesehen habe. Meine Erkundungsspaziergänge der letzten beiden Tage haben mir vielleicht 2% der Stadt im Umkreis meines Hostels gezeigt, die Stadt erstreckt sich jedoch fast bis zum Horizont.

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

So fotografiere ich dort oben viele verschiedene Ausblicke und sitze mit dem Kindle am Gipfel und warte bis die Sonne sich auf ihren Untergang vorbereitet.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Leider habe ich die Zeit unterschätzt, die ich zum Fuße des Berges brauchen würde. Es warten hunderte Stufen auf mich, zudem ist der Berg gut besucht, ich darf mich also an zahlreichen Familien vorbeischlängeln. Auf dem Weg nach unten komme ich noch an einer Moschee auf dem Suleiman-Too vorbei.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ab zur Moschee

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Abstieg enthält ein gutes Workout!

Als ich es endlich vom Berg runtergeschafft habe, eile ich wieder zum Borsok-Restaurant, diesmal eine andere Filiale. Der Grund für die ganze Eile? Ich bin heute Abend verabredet. Über die Facebookgruppe “Cycling Pamir Highway” bin ich mit einem Pärchen aus der Schweiz und China in Kontakt gekommen, die heute erst aus der Schweiz eingeflogen sind und hier die Tour in Richtung Pamir starten wollen. Wir hatten Kontakt, da ich ihren Fahrradkarton für meine Rückreise verwenden will. Den haben sie direkt am Flughafen gelassen, ich muss also darauf hoffen, dass ich ihn dort noch vorfinde, denn sie sind heute früh bereits um 5 Uhr am Flughafen angekommen. Wir nutzen das Essen so für einen zwanglosen Austausch und ich kann ihnen ein paar Erfahrungen über meine Reise mit auf den Weg geben. So quatschen Felix, Yang und ich noch ziemlich lange.

67625622_2476960229248924_7661344451943464960_n
68573357_2337619122959329_8279939653759401984_n
“Und dann geht es da hoch und hier runter und dann nach links…”

Aanschließend mache ich mich auf den Rückweg zum Hostel, um dort noch meine letzten Sachen zusammenzuklauben und noch ein wenig mit Moritz, Flo und Wolfgang zu quatschen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Langsam bin ich abmarschbereit…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

 

 

[Tag 22] Osch

29. Juli 2019:

Ich steh um 8 auf und geselle mich in den Frühstücksraum. Das Frühstück finde ich nun nicht so überragend wie alle anderen um mich rum, schlecht ist es aber keinesfalls. Ich sitze an einem Tisch mit Moritz und Flo, die beide alleine von Deutschland aus mit dem Rad unterwegs sind. Für sie bin ich natürlich nur der “Kurzzeitreisende”, der sich mal 3 Wochen Urlaub hier in der Gegend vorgenommen hat. Flo kommt sogar aus Berlin und ich kenne ein Fahrrad-Camp, das er dort organisiert, so kommen wir über das Radfahren in Berlin ins Gespräch.

Ich bin gerade dabei mich anschließend fertig zu machen um die Stadt zu erkunden, als Moritz mich fragt ob ich meinen Sawyer Wasserfilter verkaufen will, ein Brite sucht wohl noch dringend nach einem und müsste ihn ansonsten irgendwie in die Stadt liefern lassen, was sicherlich ein teures und zeitaufwendiges Verfahren wäre. Ich bin froh meinen Verkaufen zu können, von der Fließgeschwindigkeit beim Filtern war ich nicht wirklich überzeugt und zweitens wird so die Tasche für den Rückflug leichter. Zudem weiß ich nicht, wann ich wieder einen solchen Filter brauche, die bisherigen Wandertouren in Schweden konnten ja mit kristallklarem Wasser aufwarten.

Der Berliner Flo gibt mir dafür eine alte Bremse von sich mit, die er gerne nach Berlin transportiert haben möchte. So ist das gerade gewonnene Gepäckgewicht gleich wieder verloren. Schließlich hört er allerdings, dass ich noch einen komplett ungenutzten Fahrradmantel dabei habe. Da es hier in der Gegend nur billige Fahrrad-Ramschartikel aus China gibt, ist ein deutscher Reifen der Marke Schwalbe so etwas wie der Hauptgewinn. Er Verspricht mir also gleich den Neupreis dafür zu zahlen, sofern ich ihm diesen überlasse. Da der Reifen nicht genutzt wurde, ist das auch komplett fair, ich kann mir ja dann in Deutschland einen nachkaufen. Wird das Gepäck also doch leichter, ganze 700gr.

Theoretisch könnte ich hier mein ganzes Rad in Einzelteile zerlegen, ich würde diese sicherlich verkauft kriegen. Im Hostel sind dutzende Langzeitreisende untergebracht und nach über einem halben Jahr auf Tour gibt es so einige mechanische Auflösungserscheinungen an ihren Rädern. Nun, ich will in zwei Tagen vom Tegeler Flughafen nach Hause radeln, daher bleibt das Rad heil und in einem Stück, ich kann es den Ersatzteil-Geiern gerade so entreißen. 😉

Auch in den letzten Wochen wurde ich immer wieder von Einheimischen gefragt, was denn mein Rad kosten würde und ob ich es ihnen nach Beendigung meiner Tour verkaufen würde. Ich habe bei den Kosten immer gelogen und die Kosten auf 200-300$ beziffert. Es kam mir einfach falsch und schäbig vor, ihnen zu berichten dass mein Rad etwa ein tadschikisches Jahresgehalt kostet. Verkauft hätte ich es eh nicht, dafür liebe ich meinen Drahtesel viel zu sehr und will noch einige Touren damit unternehmen.

Zudem sehe ich der Früh noch mal die Motorradgang, die sich nun auf nach China macht:

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

IMG_20190729_195544

Nach dem Ersatzteile-Bazar in der Früh mache ich mich nun auf in die Stadt. Erst laufe ich zurück zu Lenin, anschließend geht es in den angrenzenden Park. Dort sind Mahnmale zur Erinnerung an die Gefallenen der Roten Armee, neben den Kriegsopfern wird dort aber auch den Opfern von Tschernobyl gedacht. Was ich nicht wusste, bei den Aufräum- und Versiegelungsarbeiten am Reaktor in der Tschechoslowakei waren auch etwa 4500-5000 kirgisische Helfer beteiligt, die dort auch umgekommen sind, beziehungsweise an den Spätfolgen verstorben sind.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Weltkriegsdenkmal

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die “ewige Flamme” ist leider aus, ein leicht skurriler Sachverhalt

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Tschernobyl-Mahnmal

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ein weiteres Mahnmal gedenkt kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Usbekistan und Kirgistan im Jahre 2010. Bildhauerisch wurden zwei trauernde Frauen in usbekischer und kirgisischer traditioneller Kleidung dargestellt. Bei den Auseinandersetzungen starben je nach Quelle zwischen 174 und 2500 Menschen, 400.000 – 1.000.000 Menschen flüchteten, es gab Massenvergewaltigungen, Plünderungen und Brände.
Unglaubliche Zahlen für einen Konflikt, von dem ich noch nie gehört habe.
Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/Unruhen_in_S%C3%BCdkirgisistan_2010

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Eine tolle bildhauerische Umsetzung, welche die verschiedenen Kleidungsstile und Muster betont. Beide Frauen vereint im Schmerz und in Trauer.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Weitere Mahnmale und Statuen:

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Als Gegenprogramm steht nebenan der “Love-Park”, der wohl ein beliebtes Fotomotiv bei Hochzeitspärchen ist. Mir kommt in diesem kitschigen Setting eher die Galle hoch, für ein paar skurrile Fotos ist der Park aber geeignet.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Wenn Lenin das gewusst hätte…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
… hätte er sich wohl bequemeres Fußwerk angezogen.

Zum Mittagessen geht es zu “Brio”, einem westlichen Café in der Innenstadt. Dort treffe ich auch den Käufer meines Wasserfilters wieder, wir sitzen also zum Mittagessen zusammen. Für einen Cheeseburger mit Pommes und Getränk zahlt man keine 4€, der Aufenthalt in Osch am Ende wird wohl kein zu großes Loch in den Geldbeutel reißen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Spannend, die nationale und sowjetische Gegenüberstellung

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Selbst dem Reiseführer ist aufgefallen, das Lenin anklagend auf die Flagge schaut

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Erinnert ihr euch noch an meine Ausführung zur Flagge und dem Dach einer Jurte?

Es ist wieder unglaublich heiß, wie ein verschwitztes Monster schlurfe ich durch die Straßen. Keine Ahnung was sich die Einheimischen dabei denken, denn diese sind adrett gekleidet und scheinen durch die Hitze nicht im Geringsten gestört zu werden.

Nach dem Mittagessen gehe ich zum Fine Arts Museum, das ist klein aber fein. Wobei, “nett & skurill” trifft es vielleicht besser: Das Gebäude ist heruntergekommen und die Bilder sind teilweise zerrissen und zerknickt in uralten Bilderrahmen, die fast von der Wand fallen. Da investiert das Louvre in Paris wahrscheinlich monatlich eine sechsstellige Summe, dass ihre Meisterwerke wohlig temperiert, bei genau der richtigen Luftfeuchtigkeit hinter Panzerglas verschwinden. In Osch wird wohl eher alle 6 Monate mal staub gesaugt oder feucht durchgewischt. Ich finde das regelrecht charmant. Die Aufnahmen, meistens aus der Sowjetzeit sind spannend. Zwar wird das ländliche, traditionelle Leben in Kirgistan portraitiert, weit mehr werden aber industrielle Entwicklung oder die Erziehung nach marxistisch-leninistischen Grundzügen bildlich festgehalten. Ein Raum, in dem ein paar Bilder noch hängen sieht aus wie ein gut erhaltener Originalschauplatz, an dem sich jeden Sonntag die KPdSU getroffen hat. Sehr skurril also. Da der Eintritt ins Museum mich aber 60 Cent gekostet hat, nehme ich an, das auch wirklich nur beschränkte finanzielle Mittel dem Fine Arts Museum zur Verfügung stehen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Industrialisierung

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ein kleiner Einblick ins Museum. Man beachte die hochtechnologische Beleuchtung der Meisterwerke, sowie die vorsichtig verteilten Bilder im Raum… 😉

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Einmarsch der Roten Armee

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Es wird marxistisch-leninistisch instruiert…

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Sitzungssaal der KP oder doch Museum?

Anschließend kapituliere ich vor der Hitze. Auch wenn ich mich bei der Radtour weitergequält habe, hier in der Stadt kocht mich der Asphalt von unten und es weht mir kein Fahrtwind mehr um die Nase. So entschließe ich mich für die Rückkehr ins Hostel. Dankenswerterweise gibt es hier überall kleine Spätis und Minimärkte, wo man für knapp 30 Cent einen Liter Wasser kaufen kann, wenigstens verdorre ich also nicht.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Suleiman-Too

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Angeblich die weltweit einzige “dreistöckige Jurte”

Erst als die Sonne wieder verschwindet fühl ich wieder ein Fünkchen Energie in mir, erst dann kann ich mich aufraffen das Hostel wieder zu verlassen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Überall blüht es in der Stadt

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Theater

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
1GB = 1 Som. (Hilfestellung: 80 Som = 1€) Wir werden abgezockt bei deutschen Mobilfunktarifen…

Abends gehe ich erneut zum Borsok-Restaurant. Eine gute Linsensuppe und ein Hähnchen in Brokkoli-Sauce später taumele ich glücklich und satt zum Hostel zurück. Zahlreiche Gespräche auf der Veranda folgen. Ich freue mich sehr heute so viele nette Gesprächspartner gefunden zu haben im Hostel. Auch wenn ich keine so extreme Tour abliefere wie die meisten anderen Gäste, gibt es doch einen regen Austausch. Und ich freue mich auch unglaublich endlich wieder ausführlich mit Leuten in Deutsch und Englisch reden zu können, es war teilweise doch unbefriedigend mit den Einheimischen nur in Bruchstücken zu kommunizieren.

IMG_20190729_203002IMG_20190729_200630
80 Som = 1€, ein Ribeye kostet also keine 4€

Verändert hat sich auch mein Schlafrhythmus, nach all den Gesprächen falle ich erst in Mitternacht ins Bett. Da hatte ich an manchen Abenden auf der Tour bereits 3 Stunden Schlaf intus, somit ist das Stadtleben doch wieder deutlich anders als die Einsamkeit im Zelt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

[Tag 21] Gulcha – Osch

28. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 77 Kilometer und 840 Höhenmeter vom Campingspot hinter Gulcha bis Osch.

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

In der Nacht werde ich noch mal mit rumorendem Magen wach, ich tippe ja auf Spätfolgen vom Schaschlick gestern Mittag. Nun, ein verdorbener Magen ist zwar unangenehm, aber da ich ab heute Abend sowieso in einem Hostel eingebucht sein werde, sind sie verschmerzbar. Besser als auf der Pamir Hochebene.

Ich schaffe es jedoch bis 7 Uhr weiterzuschlafen, das anschließende Zusammenpacken ist dann ein wenig langsam und beschwerlich. Ich wollte mich auch nicht von diesem wunderschönen Campingplatz verabschieden.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ein etwas trockenes Frühstück. Das Nutella-Glas fahre ich seit Duschanbe spazieren, ich werde es wohl nie lernen…
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Wieder zurück auf die Straße.
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ein sehnsüchtiger Blick zurück auf den Traum-Campingspot.

Ich habe das Fahrrad zurück zur Straße geschoben, schwinge mich drauf, schalte in den zweiten Gang und mach mich auf den Weg. Daran sollte sich die kommenden 3 Stunden auch nicht wirklich viel ändern. 700 Höhenmeter warten auf mich und mein schweres Rad, verteilt auf nur knappe 9km. Die Temperaturen sind zwar noch angenehm, doch in der Sonne steigen diese rapide an, schnell klettert das Thermometer von 17 auf 30°C. Auf der Straße ist schon deutlich mehr Verkehr unterwegs als die letzten Tage, zwischen Osch und Gulcha wird wohl viel gependelt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Nach 3 Kilometern fahre ich um eine Kurve und sehe dann den weiteren Weg vor mir. In Serpentinen schlängelt sich die Straße bis hoch zum Pass, ich habe noch einiges vor mir. Vor ein paar hundert Metern stand eine ganze Familie am Straßenrand neben ihrem Auto und wartete auf mich. Der Familienvater hatte bereits ein Seil in der Hand und bot an, dass er mich gerne zum Pass mit hoch schleppt. Ich freue mich sehr über das nette Angebot, entscheide mich jedoch dafür, mich der letzten Herausforderung der Radtour zu stellen und es mit Muskelkraft bis oben zu schaffen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Erster Blick auf die Passquerung, links muss ich hoch.
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nahaufnahme vom Pass.

Stattdessen mache ich lieber zahlreiche kurze Pausen, vorallem dann wenn der Akku in Knie und Beinen leer ist. Einerseits ist es demotivierend auf die weitere Straße bis zum Pass blicken zu können, andererseits sieht man bei einem Blick zurück auch wirklich, was bisher geleistet wurde, das reicht als Motivator für den nächsten Kilometer. Ich passiere beim Aufstieg irgendwann erneut die 2000 Meter Grenze und kurble mich bei immer wärmeren Temperaturen dem Himmel entgegen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück auf das bisher geleistete.
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Das Ziel zum Greifen nah!

Schließlich, nach drei Stunden kämpfen ist der Anstieg absolviert.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Geschafft!
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück.
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Und Blick voraus.

Am Pass ist ein Denkmal gebaut worden und da von dort oben der Ausblick fantastisch ist, zudem befindet sich dort auch ein Parkplatz. Hier quatsche ich erst mit einem britischen und einem amerikanischen Motorradfahrer. Der Brite ist für einen Tagesausflug unterwegs und ist in Osch im Hostel untergebracht, dass ich auch anvisiert habe. Er bietet daher an, mir Gepäck abzunehmen und für mich nach Osch zu transportieren. Doch nun, da ich den höchsten Punkt überschritten habe, ist das keinesfalls nötig. Im Gegenteil, das Gewicht wird nun helfen mich ins Tal zu befördern, da will ich nicht darauf verzichten.

Anschließend treffe ich noch zwei Züricher in einem Camper-Van, diese habe ich bereits vor Wochen nahe Khorogh getroffen. Mit denen rede ich eine knappe halbe Stunde, gemeinsam lassen wir die Erlebnisse des Pamirs revue passieren.

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Anschließend klettere ich noch zur Ausblicksplattform und genieße den 360° Panoramablick. Ich bin sicherlich anschließend auf dutzenden Fotos der angereisten Kirgisen und Kirgisinnen abgebildet, irgendwann beginne ich einfach zurück zu fotografieren 😉

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Noch einmal der Blick zurück
IMG_20190728_114211
IMG_20190728_114152
IMG_20190728_114023
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hier oben ist großes Sightseeing angesagt
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Nach dem anstrengenden Anstieg zittern meine Beine, ich eiere da oben ganz schön rum. Nun beginnt aber der spaßige Teil der heutigen Fahrradtour. Auf knappen 60 Kilometern habe ich nun 1400 glorreiche Höhenmeter abzubauen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nun also Bergab, und zwar volles Karacho!
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nun beginnt die Abfahrt.
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Verkehrsteilnehmer
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
und Zuschauer

Zu Beginn kam ich noch an zahlreichen Verkaufsständen und Jurten vorbei, hier gab es auch die gestern erwähnten Käsekugeln in Hülle und Fülle zu kaufen. Auch Kumys, die fermentierte Milch in Schafshülle wird angeboten, die Aussicht darauf verhilft meinem Fahrrad zu 5km/h zusätzlich. Bloß weg davon! 😉 Der Beginn war auch relativ steil, wie immer in Pass-Nähe. Ich brettere mit 50km/h und mehr den Berg hinab. Der restliche Weg ist graduell flacher, trotzdem komme ich noch auf 25-30km/h, für mich nach den entbehrungsreichen Wochen ein unglaubliches Tempo!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Auch hier, Kriegerdenkmäler
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Rosengarten, eine nahezu abstruse Erfahrung nach dem kargen Pamir
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Grün, bergab und guter Asphalt.

Unterwegs treffe ich noch zwei deutsche Motorradfahrer, die eigentlich in die Gegenrichtung unterwegs sind, jedoch spinnt bei einem Rad die Benzineinspritzung, sie müssen vermutlich nach Osch zurück. Wir begegnen uns dann auch tatsächlich am Tag darauf im Hostel in Osch wieder, sie warten auf ein Ersatzteil, dass aus Deutschland eingeflogen werden muss. Hier am Straßenrand kann ich ihnen wenigstens meine Benzinflasche vermachen, so schleppe ich nicht unnötigerweise 700ml Benzin mit mir rum. Und vor dem Rückflug hätte ich diesen ja eh verschenken müssen.

Bei der weiteren Abfahrt verändert sich die Landschaft weitreichend. Die meisten Felder sind abgeerntet, Gelb und vertrocknet dominiert über das fruchtbare Grün der letzten Tage. So spannend fürs Auge finde ich es nicht mehr, mir fehlen die grünen Hügel und die vielen Pappeln.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Langsam verändert sich die Landschaft
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich war um kurz vor 13 Uhr am Pass losgefahren, doch die 60 Kilometer bis ins Stadtzentrum von Osch ziehen sich selbst bei 25km/h doch ganz schön in die Länge. Ich beschließe keine richtige Mittagspause mehr zu machen, es ist einfach zu heiß und ich will in der Stadt ankommen. So gibt es außer einer kurzen Schokoriegel-Pause keine wirklichen Stopps mehr.

Bei voller Fahrt fühlt es sich erneut so an, als würde ich geföhnt werden und die Erinnerungen an den unerträglich heißen Start meiner Radreise blitzen wieder auf. Es bleibt jedoch weitaus erträglicher, denn erstens sind es keine 42-43°C wie damals in Kulob, zudem habe ich nun Fahrtwind und fahre entspannt bergab, statt mich bergauf zu quälen.

Wobei, die Entspannung bricht sich noch ein wenig auf. Ich höre über einen Kilometer lang einen flatternden/summenden Ton am linken Ohr. Ich vermute ja, dass es einfach das Tuch ist, welches ich als Sonnenschutz unter dem Helm trage, und welches nun im Fahrtwind flattert. Doch irgendwann erscheint es mir logischer, dass doch eine Fliege sich irgendwie darunter verfangen hat. Ich klopfe ein paar Mal aufs T-Shirt und bemerke den Denkfehler erst, als sich bei 30km/h bergab ein brennender Schmerz wie Feuer auf meiner Schulter ausbreitet. Nun, es war weder das flatternde Tuch im Fahrtwind, noch eine Fliege. Sondern eine herzallerliebste Biene, die nun tot ist und mir zum Abschied noch einen Stachel hinterlassen hat.

Ich lege eine Vollbremsung ein und stehe dann am Seitenstreifen einer viel befahrenen Straße und reiße mir vor den entgeisterten Autofahrern das T-Shirt vom Leib. Die denken vermutlich ich bin absolut bekloppt, wie ich da fuchtelnd und fluchend auf und ab hüpfe. Viel tun kann ich gegen den Schmerz nicht, also geht es weiter.

Nach 10 Kilometern begegnet mir ein belgisches Pärchen, die mit Rädern in die Gegenrichtung unterwegs sind. Nach 2 Minuten netten Plausch frage ich dann das mir unbekannte ältere Paar, ob sie mal meinen Rücken anschauen können. Die halten mich vermutlich für ähnlich bekloppt wie die kirgisischen Autoinsassen, schaffen es aber immerhin mir den Stachel aus der Schulter zu ziehen. Hätte jetzt auf den letzten paar Kilometern dieser Tour auch nicht mehr sein müssen.

Es geht weiterhin bergab, man merkt aber wie vor Osch der Verkehr nun deutlich zunimmt, leicht geschockt fahre ich durch die Vororte. Es ist weiterhin heiß, die Abgase mischen sich mit dem Staub der Straße und plötzlich reihen sich die Orte so aneinander, dass man nur noch durch besiedeltes Gebiet fährt. Da hilft nur noch durchhalten, ich hatte bereits 65 Kilometer von geschätzten 75 Kilometer Tagespensum hinter mir, also Zähne zusammenbeißen und weiter geht’s. Ein paar Schluck Wasser habe ich noch übrig, mit geschätzten 45°C Temperatur in der Trinkflasche bleibt der abkühlende Effekt allerdings aus.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die ersten Blicke auf Osch

Es geht zwar zügigst voran, der Verkehr nimmt allerdings deutlich zu.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Verkehr, Menschen, Verkaufsstände… die Eindrücke prasseln auf mich ein.
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Braucht irgendjemand eine chinesisch-gefertigte Billigjurtenkonstruktion?
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Fast da.
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Groß, aber nicht ganz so imposant wie der Flaggenmast in Duschanbe
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nicht mehr weit, dann plötzlich….
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
… bin ich an der letzten Station für diese Reise angekommen.

Die Einfahrt nach Osch war relativ unspektakulär, irgendwann stehe ich am Ortsschild, dahinter ein schöner Torbogen, schnell verschmelze ich aber mit der Blechlawine und der Hitze. Überall sind Taxis die wild umherkurven, keiner achtet mehr auf Ampeln und Verkehrsregeln. Ich fahre ziemlich defensiv, langsam und achte auf die Umgebung, fände es jetzt doch schade auf den letzten Kilometern überfahren zu werden. 😉

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Torbogen als Stadteintritt
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
So große Gebäude habe ich seit Duschanbe nicht mehr gesehen.

Ich weiß bereits, dass ich zum TES Guesthouse will, dies ähnelt wohl dem Green House Hostel aus Duschanbe und wurde mir von zahlreichen Reisenden der letzten Tage empfohlen. Auf dem Weg dahin nehme ich noch einen Umweg in Kauf, um einen Bekannten zu treffen, den ich zuletzt in Murghab grüßen durfte:

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERADie größte bestehende Lenin Statue Zentralasiens.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
7-spurige Straße! Nimm das, Pamir-Buckelpiste!

Nach dem würdigen Empfang durch diesen Genossen ging es dann weiter zum Hostel. Dies war eine gigantische Anlage, viel Platz für Zelte, überdachte Carports für die Reisemotorräder und ein paar große Overland-Fahrzeuge. Das Hostel ist voll mit Fahrradreisenden und der motorisierten Abenteuer-Schar. Ich hatte die Wahl zwischen einem Zeltplatz für 6€ und einem Bett im klimatisierten Dorm für 9€. Bei der Hitze war kein Nachdenken notwendig, schnell bin ich mit meinen Taschen in die klimatisierten Räumlichkeiten verschwunden. Da ich hier nur zwei Nächte bleibe, ist der Preisunterschied von 6€ zum Ende der Tour keine Erwähnung wert. Zudem liege ich dann nicht nachts im heißen Zelt auf der heißen Isomatte und kann nicht schlafen.

IMG_20190728_163049
Zeit für die Dusche nach einem sehr heißen Tag!

Apropos Ende der Tour: Ich werde natürlich noch ein ausführlicheres Fazit mit meinen Eindrücken schreiben, wie ich jetzt aber im Dorm-Room liege, überkommt mich eine Welle der Gefühle. Die Radtour ist zu Ende. Alle Strapazen, alle unglaublichen Eindrücke, die fantastische Landschaft, all das fliegt am geistigen Auge vorbei. Ich glaube, es wird noch ein paar Tage brauchen, bis ich verarbeitet habe, dass ich nicht mehr täglich aufs Rad springen werde.

So genieße ich erstmal eine Dusche um mich vom Staub der Straße zu befreien. Anschließend geht es mit einem weiteren Deutschen aus meinem Dorm zum Abendessen ins Restaurant „Borsok“, ich hatte im Reiseführer gelesen, dass es dort Pizza gäbe. So blöd es auch ist, wenn man in ein paar Tagen wieder in die Heimat zurück fliegt und dort wieder reguläres Essen kriegt, ich hatte jetzt einfach unglaublich Lust auf eine Pizza und mir bekanntes Essen. Die Qualität hielt sich dann zwar leider im Rahmen, aber bei 3€ für die Pizza und 1,50€ für einen Liter Limonade werde ich mich nicht beschweren. Mein Tischpartner Wolfgang bestellt sich gar das Ribeye Steak für nahezu unbezahlbare 4€… Hier kann man also schön günstig schlemmen.

IMG_20190728_183910
Was ein Festessen!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Suleiman-Too, der Hausberg Oschs wird die nächsten Tage eine Rolle spielen…
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Stadtbad
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Abends rede ich noch länger mit zwei Motorradfahrern, wobei einer davon die britische Bekanntschaft vom Pass heute Mittag ist, der angeboten hatte mein Gepäck zu transportieren. Er ist zusammen mit einer größeren Gruppe auf dem Weg von London nach (aufpassen jetzt:) Australien, wobei er gar bis Tasmanien weiterfährt, wo er derzeit wohnt. Bis Kirgistan haben sie von Europa aus nur 1,5 Monate gebraucht, über 11.000 Kilometer sind sie im letzten Monat gefahren. Diese Distanzangaben erscheinen mir, dessen Gehirn noch im Rad-Modus steckt, geradezu unmöglich und fantastisch. Auch im weiteren Gespräch kriege ich viele Infos, dabei hat der Motorradfahrer die klassischen Fragen sicherlich hunderte Male beantwortet im letzten Monat. Ich bin dafür sehr dankbar, eine kleine Flamme der Erkenntnis, ein kleines “Hmm, vielleicht könnte ich das ja auch mal machen”, lodert anschließend in mir. Ist zwar bisher nur ein Teelichtlein, doch mal schauen was da die Zukunft bringt. Er erzählt mir zumindest viel über seine gigantische BMW Reiseenduro und ich höre begeistert zu.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nun, es könnte sein, dass ich ganz schön begeistert bin…. 😉

Anschließend falle ich endlich ins Bett. Ich bin sicher, wäre meine Abenteuer noch eine Woche oder zwei länger, würde ich dieser Zeitspanne mit Freude entgegensehen. Doch ich muss gestehen, ich bin nicht sehr enttäuscht dass es nun zu Ende ist. Bei den jetzigen Temperaturen freue ich mich wieder zum Fußvolk zu gehören und nicht jeden Tag auf dem Rad strampeln zu müssen. Ich bin froh und auch stolz die für mich größte sportliche Herausforderung meines Lebens erfolgreich absolviert zu haben. Wie oft hatte ich in der ersten Woche davon fantasiert auf einen LKW aufzuspringen und mich bis Osch mitnehmen zu lassen. Und nun habe ich es doch aus (zumindest überwiegend 😉 ) eigener Muskelkraft allein bis hierhin geschafft. Mein Trip war 1069 Kilometer lang, außer der Rückfahrt von Berlin-Tegel aus werden da wohl keine größeren Strecken mehr dazu kommen. Ich habe gut mit meiner Zeit gehaushaltet, denn trotz Jeep-Fahrt durch den Wakhan und einigen kürzeren Tagen habe ich nun noch zwei volle Tage in Osch um die Stadt zu erkunden. Ich freu mich bereits drauf!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Vorzeitiges Ergebnis der Tour
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Mein Tacho ermittelt auch den eingesparten Sprit, rechnet allerdings mit 7L/100km, was wohl im Pamir mit einem Jeep hinten und vorne nicht gereicht hätte. Da dürfte der Benzinverbrauch glatt das doppelte betragen. Brave Beine!

[Tag 20] Kichi-Karakul – Gulcha

27. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 67 Kilometer und 700 Höhenmeter von meinem Camp am Fluss bis hinter Gulcha.

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Ich komme in der Früh nicht aus dem Knick, selbst um 7 Uhr kann ich mich nicht losreißen und Frühstücken. Doch da ich für heute nicht ganz so viel vor habe, darf ich auch ein wenig trödeln. Bis Osh sind es noch 130 Kilometer, bis zur Stadt Gulcha 50 Kilometer. Hinter Gulcha kommt noch ein ziemlich heftiger Pass, den ich keinesfalls heute fahren werde, also will ich irgendwo in der Nähe von Gulcha einen Zeltplatz finden, von dem ich mich dann morgen an den Aufstieg zum letzten (!!!) Pass machen kann. Da es anschließend 1500 Höhenmeter nach Osh auf 60 Kilometer Wegstrecke runtergeht, sollte das übermorgen dann auch zu schaffen sein, ich kann es heute also ein bisschen ruhiger angehen lassen.

Die Nacht wird wieder kälter, dafür scheint in der Früh die Sonne aufs Zelt und es wird angenehm warm. Ich schlafe so gut, dass ich mehrmals meinen Wecker nach hinten verschiebe, ganz anders als mein verrückter Schlafrhythmus im Pamir. Jetzt gibt es erstmal das letzte Müsli zum Frühstück, damit ist auch die zweite Müslipackung aufgebraucht, die ich damals in Duschanbe gekauft habe. Weit gereistes Müsli (und ich hätte es mir sparen können, 400gr über jeden Bergpass zu schleppen…).

Beim Zusammenpacken fällt mir auf, dass im morgendlichen Sonnenlicht die Berge nun überhaupt nicht mehr Rot aussehen, bei Gegenlicht glänzen sie eher Orange.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich schwinge mich wieder aufs Rad und komme nach 5 Kilometern an einem Magasin vorbei, die draußen ein großes Werbeschild von beeline, meinem SIM-Kartenanbieter, hängen haben. Aufladen können sie mir die SIM-Karte jedoch trotzdem nicht. So gibt es nur einen Eistee für den Tagesstart.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Das ist mal ne Webadresse.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Im nächsten Ort wiederholt sich das Spiel, schließlich frage ich am Ortsausgang in der Tankstelle nach. Ein uralter Mann, mit dem ich nicht im geringsten kommunizieren kann, zückt sein Handy, ruft irgendeine Hotline an, und nach zwei Minuten kriege ich die Bestätigung-SMS aufs Telefon, dass das Aufladen geklappt hat. Zwar funktioniert aus irgendeinem Grund die Datenübertragung immer noch nicht, aber hey, wenigstens ist das Geld nun auf dem Telefon. Verrückt dass der Tankstellenbesitzer das hinkriegt, all die spezialisierten Shops davor aber nicht, ich vermute da fehlte es am Willen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Während ich noch an der Tankstelle warte, kommen Markus und sein Sohn Adrian aus der Gegenrichtung angeradelt. Sie sind gestern in Osch gestartet und haben etwa einen Kilometer vor der Tankstelle ihr Zelt aufgeschlagen. Somit sind sie recht frisch auf ihrer Radtour unterwegs und wissbegierig schnappen sie alle Pamir-Infos auf. Ich nehme mir noch zwei Tage für den Weg nach Osch, bin also fasziniert dass sie es in einem Tag geschafft haben. Sie erzählen aber von fantastischem Rückenwind, sie hätten 1500 Höhenmeter mit 15km/h dadurch hingekriegt. Nun, das erklärt ihre absolvierte Strecke. Ich fahre wohl den Rest der Tour gegen den Wind, kann also nicht auf die Unterstützung zählen. Auch erzählen sie von ihren ersten kirgisischen kulinarischen Erkenntnissen. Neben Käsebällchen, die überall am Straßenrand verkauft werden und wohl recht streng schmecken, gibt es den Hinweis auf Kumys. Dazu wird Stutenmilch in eine auf “links gedrehte” Schafshaut eingefüllt und in der Sonne zum fermentieren gelassen, bis es sauer und Alkoholhaltig ist. Nun, ich kotze fast an der Tankstelle, nur durch die Erzählung davon. Wenigstens weiß ich jetzt, was ich keinesfalls probieren muss in diesem Urlaub.

Zu guter Letzt kaufen sie mir noch meine übrig gebliebenen tadschikischen Somoni ab. Ich kriege noch 70€ dafür, was wohl ein weit besserer Kurs ist, als wenn ich in Osch versucht hätte zum Geldumtauschen zu gehen. Und in Berlin hätte ich es sicher nicht mehr gewechselt gekriegt. Mit Markus gibt es einen 1:7,7 Wechselkurs, gestern in Sary-Tash bot mir die Besitzerin des Hostels 1:6 an, gut dass ich es mir also aufgespart habe. Wir quatschen eine halbe Stunde, dann gehen wir getrennte Wege.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Friedhof

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Gut bewässert sind sie, die Pappeln.

Im nächsten Ort frage ich im Shop noch mal nach, ob mir wer mit den mobilen Daten helfen kann. Doch selbst als ich die Anwendersprache des Telefons auf Russisch umstelle kriegen wir das gemeinsam mit den Daten nicht hin. Dafür schenkt mir der Shop-Besitzer netterweise eine Süßigkeit und ich stocke dort noch ein paar Sachen auf. Interessanterweise sind die Lebensmittel in Kirgistan noch günstiger als in Tadschikistan, was ich kaum nachvollziehbar finde. So kostet die Packung Kekse, die in Tadschikistan 1,50€ kostete hier nur noch 50 Cent.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Keine Datenverbindung, aber was zu naschen.

Anschließend geht es fast nur bergab bis zur größeren Stadt Gulcha. Wenn mal bergauf, dann nur für 50-60 Höhenmeter und gleich danach flitze ich wieder bergab. So fahre ich die meiste Zeit 18-25km/h. Auch in Kirgistan erwarten mich allerlei winkende Kinder am Straßenrand, die begeistert abklatschen wollen. Nur ein Kind verarscht mich heute, zieht in letzter Sekunde die Hand zurück und hält stattdessen einen Stock hin, weshalb ich die nächste Minute fluchend weiterfahre und meine Hand ausschüttele. Auch bin ich heute auf eine Gruppe Kinder getroffen, die weder winken noch abklatschen, sondern unter lautem Gejohle lieber versucht haben mich mit Steinen zu bewerfen. Ich bin jedoch zu schnell und zu weit weg als das sie getroffen hätten, und ich fokussiere mich lieber auf die mehreren hundert fröhlichen Kinder, die ich bisher auf dieser Reise getroffen habe.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Während der Fahrt versuche ich ein Video von der Landschaft aufzunehmen, nur um just in dem Moment von zwei Hunden attackiert zu werden, die aus einer Seitenstraße geschossen kommen. Zum Glück geht es bergab und ich kann schnell beschleunigen und davon fahren, ansonsten wäre dies bei den aggressiven Hunden wohl nicht so glimpflich ausgegangen, denn diese hingen mir quasi am Hinterrad.

Die Landschaft zieht mich heute vollends in ihren Bann. Es ist einfach so GRÜN! Fantastische Felsformationen erblickt man überall, auch jeder Blick in die Nebentäler zeigt nur noch mehr Wiesen und Berge. Zahlreiche Tiere laufen hier frei umher und ich weiche öfters trägen Kühen aus, die mitten auf der Fahrbahn Stellung bezogen haben.

Der Bach, dem ich gestern seit dem Taldyk-Pass folge, und an dessen Ufern ich die Nacht gezeltet habe, ist nun zu einem breiteren Fluss angeschwollen und fließt mal stärker, mal schwächer neben mir ins Tal.

Ursprünglich hatte ich geplant einen Zeltplatz 3 Kilometer vor Gulcha anzusteuern und dort zu bleiben. Doch ich habe Lust die Stadt zu sehen und dort ein paar Einkäufe zu tätigen. Und anschließend wieder 3 Kilometer zurück zu fahren zu einem Zeltplatz, nur um morgen erneut nach Gulcha rein zu fahren? Erscheint mir widersinnig, so werde ich mir heute Nachmittag Gulcha anschauen und anschließend noch ein paar Kilometer danach in die richtige Richtung hinter mich bringen, damit ich morgen außer einem hohen Pass keine Anstrengungen mehr habe.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ausblicksplattform

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Gulcha

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Am Ortseingang kommt man an einer Sehenswürdigkeit vorbei, von derer aus man die ganze Stadt überblicken kann. Anschließend geht es auf kleineren Nebensträßchen in die Stadt. Die Häuser sehen hier immer noch aus wie Bauernhäuser und auch die Straßen sind nicht geteert. Ich umkurve und fahre mitten durch Schafsherden, die auf dem Weg stehen. Und das sind jetzt keine ländlichen Vororte von Gulcha, das IST Gulcha, zumindest wenn man von den Hauptstraßen weg kommt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich hatte in Google Maps gesehen, dass beeline, mein SIM-Provider einen Laden in Gulcha hat, die werden mir ja hoffentlich helfen können mit meinem Daten-Problem. Der Laden ist jedoch leider nicht dort, wo er bei Maps eingezeichnet ist. Eine kurze Nachfrage bei jemanden am Straßenrand, schon springt der Mann zu seiner Familie ins Auto und fährt die ganze Strecke zum Laden vor, ich hinterher. Sehr hilfreich und freundlich und deutlich erfolgsversprechender als wenn er mir jetzt auf Russisch den Weg erklärt hätte. 😉

Der Beeline-Shop ist leider geschlossen, doch scheinbar nur zur Mittagszeit. Bereits nach 15 Minuten kommt ein Angestellter wieder angehastet. Ich habe das Telefon erneut auf Russisch umgestellt, der Mann drückt 10 Mal in irgendwelchen Sub-Menüs rum und schon habe ich Datenempfang auf dem Handy. Keine Ahnung wie, aber jetzt klappt es 🙂 Nun wäre vielleicht der richtige Zeitpunkt um zur Kostenauflösung dieser SIM-Karte zu kommen. ich habe nun dank der Aufladung für die nächsten 7 Tage täglich (!!!) 8GB Daten zur Verfügung, dabei habe ich für die Karte selber 30 Som gezahlt, für die Daten 100 Som. Das sind alles in allem zirka 1,50€! Und zudem gibt es hier Datenempfang etwa an jeder Milchkanne, zumeist mit 3G, manchmal auch mit 4G. In den Städten sowieso nur einwandfreies 4G. Da kann sich Deutschland nur verwundert die Augen reiben, wo nach einem Jahrzehnt immer noch keine flächendeckende Datenmobilität gegeben ist und wir für 3GB im Monat über 10€ zahlen.

Ich verbringe dann noch einige Zeit in dem Mobilfunkladen, denn inzwischen ist es draußen wirklich kochend heiß (ich merke, dass ich nicht mehr auf über 3000 Meter unterwegs bin) und der Laden hat eine wunderbare Klimaanlage.

In Gulcha begegnet mir die erste Ampel seit ich in Khorogh los bin. Der komplette Pamir war ohne eine einzige Rotphase zu überqueren.

Anschließend grase ich die Einkaufsstraße noch ab, wo hunderte kleine Lädchen sich aneinander reihen. Endlich gibt es hier wieder Obst in allen Variationen, ich zahle 60ct für ein Kilo Nektarinen und dasselbe für die gleiche Menge Aprikosen. Auch sichere ich mir genug Wasservorräte, damit ich heute Nachmittag früh zelten kann und mir keine Gedanken über Wasser machen muss. Gestern hatte ich zu wenig dabei, dabei verlangt jede Faser meines Körpers nach dem Radfahren nach Wasser, da macht es keinen Spaß sich limitieren zu müssen. So habe ich nun gleich einen 5 Liter Kanister besorgt, der hinten aufs Rad kommt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Maximale Beladung

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Es gibt ein kleines Restaurant und davor brutzeln Schaschlik-Spieße so verführerisch auf dem Holzkohle-Grill, da kann ich mich nicht zurückhalten. Und während der jugendliche Sohn keine Schwierigkeiten hat mir alles auf Englisch zu erklären und meine Bestellung aufzunehmen, scheint die Tochter Mitte 20 völlig überfordert zu sein. Vor Nervosität kann sie sich scheinbar an ihr Schul-Englisch überhaupt nicht mehr erinnern.

IMG_20190727_142323IMG_20190727_142352
2,50€ für ein Mittagessen

Ich höre hinter mir viel Geflüster, als das Essen endlich auf dem Tisch steht, die Tochter fragt noch 3 Mal nach wie man das jetzt richtig sagt, dann läuft sie schnell an mir vorbei, wirft mir ein “Bon Appetit” entgegen und zieht sich wieder kichernd und leicht errötet zu ihren Freundinnen zurück. Und ich mach mich lachend daran mein Essen zu mir zu nehmen.

Schaschlik mit Brot und eine Kanne Tee kostet mich knappe 2,50€ und danach bringe ich keinen Bissen mehr herunter. Die Preise hier sind für mein Verständnis immer noch unverständlich niedrig. Der Lebensstandard in Kirgistan ist um Welten höher als in Tadschikistan, trotzdem bleiben Lebensmittel unglaublich günstig.

Habe ich schon die Tochter vollkommen aus dem Konzept gebracht erschrecke ich nun noch die Mütter, als mich der Sohn durch die Küche begleitet um mir die Toilette zu zeigen. Die Mütter in der Küche kriegen sich gar nicht mehr ein, kreischen und kichern und verstecken ihre Gesichter spaßeshalber vor mir, während der Sohn und ich uns ganz schön beömmeln. Das Klo ist dann ein sehr dreckiges Plumpsklo im Hinterhof, die Erinnerung daran verdränge ich lieber schnell.

IMG_20190727_145401
Aber euch verschone ich nicht damit, wundervollste Restauranttoiletten 😉

Auch gehe ich in Gulcha zum Geldautomat, um mir die ersten kirgisischen Som abzuholen, bisher habe ich meine bisherigen Ausgaben mit tadschikischen Somoni noch beglichen. Bei einem Wechselkurs Euro – Som von 1:80 komm ich mir ganz schön reich vor, auch wenn ich unter 40€ abhebe.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich schwinge mich nach der Mittagspause wieder aufs Rad. Um aus der Stadt raus zu kommen habe ich eine Brücke entdeckt, die mich schnell zurück auf die Hauptstraße bringt. Nun, erst als ich davor stehe erkenne ich meinen Fehler. Eindeutig eine Fußgängerbrücke, hier schiebe ich ganz sicher nicht mein Rad drüber.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die Fußgängerbrücke

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nichts für mein schwer beladenes Fahrrad

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die Polizisten hängen hier den ganzen Tag nur rum.

Als ich Gulcha hinter mich gelassen habe, suche ich aktiv einen Platz für mein Zelt. Ich habe morgen einen hohen Pass vor mir, der wohl viel Kraft kosten wird, danach geht es aber immer nur bergab bis Osch, das wird also schätzungsweise gut zu schaffen sein. So habe ich beim Mittagessen geplant heute nur 50 Höhenmeter noch zu fahren und dann das Zelt aufzuschlagen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Doch die nächsten 2, 3, 5 Kilometer kommt kein Platz der mir gefällt. Es wird die letzte Nacht im Zelt, da liegen die Ansprüche doch ein wenig höher. Ich komme durch einen Ort, der am Ortsschild als “Ressort” ausgeschildert ist, leider bedeutet dies wohl nur, dass die laute Technomusik hinzunehmen ist, die durch den Ort schallt. Also weiter. Neben der Straße begleitet mich wieder ein Fluss und es wäre toll einen Platz zu finden, der nah am Wasser ist, ich will bei den heißen Temperaturen doch noch mal die Füße in den Fluss halten.

Es ist heiß, das Rad ist nach dem Wassereinkauf schwer beladen und ich schwitze mir ordentlich einen Ab. Doch dann, nach neun Kilometer Wegstrecke und 180 Höhenmeter, nachdem ich fast alle Hoffnungen auf einen schönen Platz aufgegeben habe, finde ich die perfekte Wiese. Abseits der Straße nach einer kurzen Fahrt auf einem Schotterweg, versehen mit weichem, grünen Gras und schattenspendenden Bäumen liegt hier eine ideale Zeltwiese direkt am Fluss. Samt allerlei Gumpen um Getränke zu kühlen und dutzenden großen Steinen, damit man am Ufer sitzen kann und die Beine ins Wasser halten kann.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Angekommen am Traum-Campingplatz

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Kühlschrank…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
… und Badewanne in Einem.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hier lässt es sich aushalten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Es ist auch erst 16 Uhr, ich habe also eine Menge Zeit bevor es dunkel wird. Am Nachmittag kommen mich noch ein paar Kühe besuchen, sofern diese aber heute Nacht nicht über mein Zelt trampeln kann ich damit gut leben. Witzigerweise sind hier überall Aprikosenbäume, ich hätte also nicht das Kilo Aprikosen vorher in Gulcha kaufen sollen. Nun, bei bereits erwähnten Preisen lässt sich das alles verschmerzen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Abends gehe ich noch schwimmen im Fluss, das funktioniert trotz Strömung einigermaßen, sofern ich mich hinsetze und die Füße gegen Felsen stemme. So bin ich frisch gewaschen, meine Klamotten sind einigermaßen sauber und ich verbringe die Zeit mit Lesen, Filme schauen und kann hier auch ein wenig Surfen, dank funktionierender SIM-Karte 😉

Zum Abendessen gibt es dann auch was Besonderes: Seit Deutschland schleppe ich nun 2 Packungen Kartoffelbrei und eine Packung Kartoffelknödel mit mir rum. Diese waren ursprünglich dazu gedacht, Trost zu spenden wenn ich mir vollkommen den Magen verdorben habe oder keine Lust mehr auf einheimisches Essen habe. Doch der Fall ist so nicht eingetreten, weshalb ich in Gulcha kein neues Abendessen gekauft habe, sondern stattdessen mir Knödel zubereiten werde.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Weit gereist.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Knödel müssen ja relativ lange im kochenden Wasser verbringen, leider spinnt heute mein Kocher ganz schön. Der zweite Benzin-Einsatz verläuft nicht so versprechend wie ich es gerne hätte, der Kocher lodert, produziert aber nur eine einzelne, stehende Flamme, die nicht reicht um den Topf zu erwärmen. Ich versuche mehrmals das Ventil und andere Teile am Kocher zu säubern, kriege es aber nicht hin. Zum Glück habe ich heute früh nicht die Gas-Kartusche in Gulcha entsorgt, so nutze ich die letzten Reste der Kartusche, um die Knödel fertig zuzubereiten. Ich werde in Deutschland den Kocher im Benzin-Einsatz auf alle Fälle noch mal testen müssen. Ich bin einfach froh diese Probleme nicht mitten im Pamir gehabt zu haben, am Ende der Reise ist dies ja einigermaßen erträglich und vorallem folgenlos. Die Knödel sind dafür unendlich lecker. Verbunden mit einem Eistee ist es ein Wohlfühlessen, welches auch schon allein dadurch besser wurde, dass ich mich seit einer Woche darauf freue.

 

 

Ich bin heute seit Gulcha bereits 180 Höhenmeter geklettert, morgen geht es direkt vom Zeltplatz weg erstmal von 1730 Meter auf 2400 Höhenmeter, ich habe also noch mal knappe 700 Höhenmeter vor mir. Das wird anstrengend, aber so komme ich wenigstens noch mal auf über 2000 Meter Höhe. Osch hingegen liegt auf unter 1000 Meter, d.h. ich hab nach der Passquerung eine knapp 65km lange Abfahrt, bei der ich über 1400 Höhenmeter abbauen darf. Die letzten Tage habe ich überlegt, ob ich wieder einen Laster anhalte und mich nach oben mitnehmen lasse, inzwischen bin ich aber überzeugt es aus Muskelkraft bis nach oben zu schaffen. Das dauert sicherlich 2-3 Stunden, aber dann genieße ich die letzten Stunden meiner Radreise und die Abfahrt nach Osch.

Generell ist es hier wieder deutlich heißer. Nicht so warm wie zu Beginn meiner Tour in Kulob, dennoch warm genug, dass ich nur in Unterwäsche auf der Isomatte liege und der Schlafsack unausgepackt in der Tasche verbleibt. Ich bin mir sicher, in Osch werde ich wieder zerfließen…

Ich freue mich nun über eine Nacht am perfekten Zeltplatz und bin sehr dankbar, diesen für die letzte Übernachtung gefunden zu haben.

 

[Tag 19] Sary-Tash – Kichi-Karakol

26. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 52 Kilometer und 770 Höhenmeter von Sary-Tash ins Tal hinein, am Gulcha-Fluss entlang..

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Habe gut geschlafen, auch wenn es ziemlich kalt wurde. Nun, dass dürfte das letzte Mal sein, dass es nachts frostig wird, denn dies ist auch das letzte Mal, dass ich bei über 3000m Höhe mein Camp aufschlage.

DSC00430DSC00431DSC00432DSC00433

Das Frühstück ist simpel aber lecker, erstmalig seit Tourbeginn gibt es Käse zum Frühstück, welch vergessene Leckerei. Während ich anschließend mein Zeug fertig packe, macht sich auch die deutsche Mountainbike-Gruppe an das Verpacken ihrer vielen Fahrräder und den Tonnen an Equipment. Denn sie fahren heute noch weiter zum Basecamp des Pik Lenin für den Tag, bevor es am Folgetag in die Großstadt zurückgeht. Auch die 3 deutschen Kletterer zieht es heute in die Berge, sie haben einen 5000er auserkoren auf den sie raus wollen. (Per Whatsapp erfahre ich Tage später, dass sie es heil zum Gipfel und wieder zurück geschafft haben.)

IMG_20190726_102130

Ich bin noch mal zum kleinen Supermarkt, um dort mir eine kirgisische Sim-Karte zu kaufen. Diese kostet 20 Som, was etwa 30 Cent entspricht. Jedoch erfahre ich zurück am Hostel, dass ich noch mal Geld für den Datentarif draufladen muss. Also belade ich nun das Fahrrad endgültig und fahre auf meinem Weg durch den Ort wieder am kleinen Magasin vorbei. Doch der Zehnjährige von gestern gibt nun an, man könne hier kein Geld auf die Karte laden, so ziehe ich unverrichtete Dinge weiter. Vor dem Supermarkt treffe ich noch den britischen Radreisenden Robin, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Gestartet ist er in Peking und verglichen mit meinem vollbeladenen Fahrrad hat seins eher eine Essstörung. Zwei Hinterradtaschen und eine kleine Lenkertasche, mehr hat er nicht dabei. Und trotzdem bejaht er auf meine Nachfragen hin, dass er Kocher, Zelt, Schlafsack und auch sonst alles dabei hat. Ich bin fasziniert. Er erzählt mir von seiner Zeit in Kirgistan und der Mongolei, ich informiere ihn über die Strecke durch den Pamir. Er hat für heute ganz schön was vor, will er doch bis hoch zum Plateau kommen. Robin schenkt mir noch seine kirgisische SIM-Karte, die angeblich noch Geld fürs Datenvolumen drauf hat, doch trotz einigen Versuchen kriegen wir es nicht zum Laufen. Da hilft es nicht, dass alle Support-SMS in kyrillischer Schrift erscheinen. Nun, dies ist ein Problem für einen anderen Moment, ich mache mich an die Weiterfahrt.

Den Morgen habe ich so wirklich vertrödelt, erst um 12 Uhr mittags trete ich vor dem Magasin wieder in die Pedale. Wenigstens ist es hier nicht so heiß, zudem ist heute eine schattenspendende Bewölkung am Himmel.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Plan gleich zu Beginn: Hoch zum Pass (links der Mitte)

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hier noch mal gezoomed.

Die Landschaft hinter Sary-Tash erinnert mich sofort an die (Vor-)Alpen. Grün und mit Kühen, es fehlt nur noch eine Almhütte und Heidi. Der Weg steigt auch gleich an, von 3100m (Sary-Tash) geht es auf 3550m zum „40 Let Kyrgystan“-Pass.

Doch der Anstieg geht erstaunlich gut, mit motivierender Musik im Ohr kurbele ich mich im zweiten Gang der Anhöhe entgegen. Es hilft, dass ich weder mit Gegenwind noch Wellblech-Schotterpiste zu kämpfen habe, sondern es auf feinstem Asphalt dahin geht. Übrigens habe ich gestern mit Erreichen der Weide-Hochebene die Schotterstraßen hinter mich gelassen, in Kirgistan erwartet mich nun nur noch Asphalt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Dolomiten?

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück, rechts hinter der Kurve liegt Sary-Tash

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Das Ziel im Blick

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Oben!

Oben am Pass genieße ich den Blick zurück, immer ein schönes Erfolgserlebnis, wenn man erkennt was man geleistet hat in der letzten Stunde oder zwei.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Im Tal sieht man noch den Start der Straße

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ausblick auf die weitere Strecke

Anschließend kam eine richtig geile Abfahrt. Auf dem neuen Teer kann ich das Rad laufen lassen und so flitze ich mit 50 km/h bergab. Was ich allerdings nicht wusste: Nach 2 Kilometern geht es wieder steil bergan, der erste Pass war nämlich nur die halbe Miete. Wenigstens erblicke ich nun bei der Kletterpassage einzelne Jurten, die jeweils am Zugang zu verschiedenen Tälern stehen, zumeist mit Ziegenherde in der Nähe. Die Behausungen sehen sehr ärmlich aus, ich bin mir sicher das ist ein anstrengendes Leben hier oben in den Bergen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Jurtencamps in den Seitentälern

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der zweite Aufstieg

Ich kämpfe mich weitere 200 Höhenmeter zum Gipfel, dann habe ich aber auch den Taldyk-Pass absolviert. Was jetzt folgte war ein überwältigender Blick auf 3615m.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Oben!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Der Pass oben scheint nicht sonderlich spektakulär, aber dann kommt man zur Kante und erblickt dies:

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ich kann mein Glück kaum fassen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Über die Kante blickte man ins 600m tiefer gelegene Tal, und dazwischen warten feinste Serpentinen auf mich. Ich werde noch von einer kirgisischen Familie am Pass angesprochen, die zwar kein Wort Englisch sprechen, trotzdem kommen ein paar lustige Fotos zu Stande.

IMG_20190726_151449

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Doch dann kann ich das Rad endlich laufen lassen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die Serpentinen von Unten gesehen.

In manchen Kurven hörte zwar der Asphalt auf, oder wurde ziemlich brüchig, trotzdem machte die Abfahrt ungeheuren Spaß. Dabei muss die Konzentration der Straße gelten, aber ich genieße es immer wieder mal auf 20 km/h abzubremsen, nur um danach wieder aus der Kurve heraus auf 50km/h zu beschleunigen. So hätten die Abfahrten im Pamir-Gebirge sein sollen, dort war man immer beschäftigt auf buckliger Straße nicht zu schnell zu werden, da ansonsten sich das Rad in seine Einzelteile zerrüttelt hätte. Viel zu schnell ist der Spaß bei dieser Abfahrt zu Ende, dabei mache ich nach 400 Höhenmetern bereits eine Fahrpause um meine Bremsen und Felgen abkühlen zu lassen, diese sind nämlich empfindlich heiß geworden. Die Hand kann man nicht mehr dran halten, so schätze ich das Metall auf über 80°C.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Es geht weiterhin Bergab.

Der weitere Weg verläuft in einem engen Tal, wo auf der einen Hangseite allerlei kleine Jurten-Ansiedlungen auf Grasflächen stehen, zudem fließt ein Bach neben der Straße ins Tal. Das bereits beschriebene Alpenfeeling wird durch den roten und orangenen Sandstein ergänzt, ebenso grüne, eisenhaltige Berge. Wie gestern schon beschrieben ist dies nach den Wochen im Pamir ein unglaublich farbenfroher Lichtblick. Ich liebe die karge Umwelt der Hochebene, freue mich aber jetzt über die zahlreichen Farbkleckse. Bäume und wunderschöne Blumen ergänzen die Berge in allerlei Farben.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Leben an der Hauptstraße

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Malerische Seitentäler

Das es nun bergab geht kommt mir zugute, denn in der Zwischenzeit hat ein richtig starker Wind eingesetzt, der mich in Pausen fast vom Rad weht. So komme ich teilweise selbst Bergab nur auf 18km/h, obwohl ich in die Pedale trete. Ich komme durch mehrere kleine Dörfer, ich versuche ohne Erfolg in mehreren Läden Geld auf meine SIM-Karte einzuzahlen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert die Panoramen]

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der letzte Anstieg des Tages (Blick zurück)

Zum Tagesabschluss geht es noch mal 50-80 Höhenmeter hoch, dabei kämpfe ich immer noch gegen die Böen an. So entschließe ich mich relativ kurz danach mein Lager aufzuschlagen, diesmal auf einem Zugang zum Fluss direkt neben der Straße. Eigentlich wollte ich heute nur einen kurzen Tag auf dem Rad machen, doch als ich nach 30 Kilometern beide Pässe überquert hatte, lies ich es dann noch 20 Kilometer laufen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

So habe ich nun den Zeltplatz direkt an der Klippe zur Straße hin, bin also von der Straße aus nicht sichtbar. Zudem funktioniert ein Geröllhaufen als effizienter Windschutz. Nur Erde gibt’s hier nicht, ich muss zahlreiche Steine nutzen, um das Zelt und die Heringe zu fixieren. Abends flaut der Wind jedoch bald ab und wird in der Nacht durch Windstille ersetzt, das hilft natürlich meiner prekären Zeltbefestigung.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich sitze anschließend lesend am Fluss und halte die Füße ins Wasser. Nebenbei experimentiere ich weiterhin mit meiner SIM-Karte, außer dem Empfang zahlreicher russischsprachiger SMS kann ich jedoch keinen Erfolg verbuchen. Abends gibt es noch eine kurze Katzenwäsche am Fluss, bevor ich mich ans Abendessen mache.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Entspannung am Fluss

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Tolle Gesteinsfarben

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Hier beschließe ich erstmalig die Benzinflasche an meinen Kocher anzuschließen. Dieser ist ein sogenannter Multifuel-Kocher und kann neben Gas auch allerlei andere Flüssigbrennstoffe nutzen. Ich kann also mit Autobenzin, Diesel oder gar Kerosin kochen. Da ich nicht wusste ob ich in Tadschikistan an Gas komme, wollte ich auf der sicheren Seite sein um im Notfall Benzin kaufen können. Da ich (seit Murghab vor 5 Tagen!) immer noch einen Liter ungeöffnetes Benzin mit mir rumschleppe, beschließe ich nun ein wenig Gewicht abzubauen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Was macht das Werkzeug da?

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Tja, so macht man das ohne Lasche zum Öffnen!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Heute Abend funktioniert der Kocher mit Benzin gut, es gibt ein Linsengericht mit Erbsenkonserve. Diese ist seit einem Jahr abgelaufen, das Essen schmeckt trotzdem. Zudem hat der Kocher hier auf der Höhe wieder ordentlich Power, das Kochen auf über 3500 Metern im Pamir war ja eher anstrengend und mit langen Kochzeiten verbunden.

Ich bin hier nämlich auf 2700 Metern angekommen und habe somit auch endgültig die 3000er Höhen hinter mir gelassen. Spannend finde ich, dass ich die Höheneffekte am stärksten beim Kochen gemerkt habe. Im Vorhinein der Reise ging es viel um Höhenakklimatisierung, auch mit einer Ärztin habe ich darüber im Detail gesprochen. Rückblickend hatte ich wirklich sehr wenige Probleme mit der Höhe, die kribbelnden Beine hoch zum Pamir waren wohl das Schlimmste. Aber keine tagelang anhaltenden Kopfschmerzen oder andere Horrorstories, die ich davor erzählt bekommen habe oder in Blogs lesen konnte. Es bewahrheitet sich, dass die langsame Akklimatisierung mit dem Fahrrad hilft, mehr als 600 Höhenmeter am Tag habe ich fast nie geschafft, da kann sich der Körper langsam an die Höhe gewöhnen.

[Tag 18] Tadschikische Grenze – Sary-Tash

25. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 50 Kilometer und “nur” 340 Höhenmeter zur tadschikischen Grenze, dann zur kirgisischen Grenze und nach Sary-Tash.

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

IMG_20190725_074336
Diese Ausblicke beim Frühstück werden mir fehlen… Also, jetzt nicht die Füße, die sind immer noch befestigt 😉

Das war jetzt die dritte Nacht in Folge, wo es empfindlich kühl wurde im Schlafsack. Ich habe zum Glück meinen dicken Daunen-Schlafsack dabei, von daher friere ich nie, aber was Dünneres möchte ich nicht dabei haben. Dafür heizt sich das Zelt in der Früh bei Windstille und Sonnenschein in Windeseile wieder auf.

Nach den üblichen Startvorbereitungen am Morgen steht als erste sportliche Leistung des Tages gleich der Pass zur tadschikischen Grenze auf der Agenda. Und während ich mich da hoch quäle kann ich nur dankbar sein, dies gestern Abend nicht mehr bei starkem Gegenwind versucht zu haben. Auch bei kühleren Temperaturen heute Morgen und Windstille ist es eine echte Plackerei, auch weil der Schotter/Sandbelag wirklich nicht zu einer entspannten Fahrt beiträgt. Und doch bin ich positiv eingestellt. Wenn ich es erstmal zur tadschikischen Grenze oben am Pass geschafft habe, sind im weiteren Tagesverlauf nur noch 80 Höhenmeter bergauf zu absolvieren. Sary-Tash, wo ich heute Nacht übernachten will, liegt gar ganze 1200 Höhenmeter UNTERHALB des Pamir Hochplateaus. Ich hoffe also auf eine entspannte Abfahrt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der weitere Weg geht bergauf zum Pass…

DSC00414
Sitzt plötzlich abseits der Straße und lässt sich in Seelenruhe fotografieren.

DSC00419DSC00420DSC00421DSC00422

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück, meine Übernachtung lag ein wenig links hinter der Biegung.

 

Auf dem Weg hoch werde ich von den ersten zwei Autos des Tages überholt. Generell sehe ich heute nur 19 Autos, das wird sich die kommenden Tage in Kirgistan radikal verändern. Oben am Pass geht es um die Kurve und dann steh ich da, die tadschikischen Grenzanlagen direkt vor mir. Dies ist der zweithöchste Grenzübergang der Welt, bei 4282m. Im Vorausgang der Reise hatte ich viel über den Grenzübertritt gelesen, da waren teilweise auch Horrorstories dabei. Doch in den letzten Jahren scheint sich das Training der dort oben stationierten Soldaten verbessert zu haben. Es gibt wenige Korruptionsvorwürfe und auch sonst scheinen sie mit Tourist*innen relativ glimpflich umzugehen. Dies trifft vorallem auf Radreisende zu, inwiefern Schmiergeld gezahlt werden muss, wenn man in einem Jeep unterwegs ist weiß ich nicht.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ankunft an der Grenze, mehr gibt es dank Fotoverbot nicht zu zeigen.

Am ersten Gebäude wird mein Visum kontrolliert und in ein Buch eingetragen. Anschließend darf ich die erste Sperre durchqueren und fahre 200 Meter weiter zum nächsten Gebäudekomplex. Dort findet erst die gesamte “Ausbuchung” statt, das Visum wird de-validiert und einbehalten. Wieder wird alles in große Bücher händisch eingetragen, einen Computer sucht man hier oben vergeblich. Die Wartezeit hält sich in (ha,ha!) Grenzen, da vor mir noch zwei junge Franzosen im Mietwagen unterwegs sind, habe ich wenigstens Gesprächspartner.

Vor der Ausbuchung halte ich vor dem falschen Gebäude und frage den davor stehenden Beamten, ob ich hier den Exit-Stempel bekomme. Die Antwort bringt dann kurz den Puls in Wallung: “No, I work for the Anti-Narcotics agency. You got narcotics?” Jetzt heißt es cool bleiben. Ich deute auf meine Oberschenkel und antworte mit einem versucht lässigen “no narcotics, just muscles”. Nach zwei Bedenksekunden winkt er mich dann weiter zum nächsten Gebäude. Puh, das ist ja wirklich glimpflich abgelaufen. Bevor mich jetzt wer missversteht: Nein, ich hatte absolut keine Drogen dabei. Aber Tadschikistan ist mit das größte Heroin-Transitland der Erde, Opium und Heroin wird aus Afghanistan über den Panj nach Tadschikistan verbracht und dann von dort ins weitere Ausland transportiert für die Weiterverbreitung. Diese Schmuggelaktivitäten sind der Hauptgrund für die starke Militärpräsenz am Panj, die ich ja oft genug mitgekriegt habe. Die Furcht vor den Taliban ist da vermutlich sogar zweitrangig. Auch gibt es wohl in Khorogh auch einige Menschen, die sich an den Schmuggelaktivitäten eine goldene Nase verdienen, zumindest hat man ab und an doch einige Luxuskarossen in der Stadt gesehen, die wirklich ins Auge stechen. Aus diesem Grund hatte ich doch eine berechtigte Sorge vor der Drogenkontrolle an der Grenze. Ich habe von Wohnwagen-LKWs gehört, die aufgefordert wurden alle 6 Doppelreifen abzumontieren, um dann noch den Reifen von der Felge zu nehmen. Nur damit die Grenzer schauen können, das nichts im Reifen geschmuggelt wird. Die Innenräume von Jeeps und Wohnwägen werden wohl regelmäßig bis in die letzte Ecke gefilzt. Ich hatte absolut keine Lust meine 6 Ortliebtaschen komplett leeren zu dürfen. Zudem hatte ich Sorge, dass man ewig über jedes Medikament in meinem Erste-Hilfe-Beutel diskutieren würde. Und am heikelsten wäre wohl mein Sport-Drink gewesen. Da führe ich weißes Pulver mit, aufgrund der Sperrigkeit habe ich auch die Originalverpackung weggeschmissen und das Pulver in einen Zip-Beutel umgefüllt. Ob mir der Grenzer dann glaubt, dass es ein isotonisches Getränkepulver ist, oder ob ich eine tadschikische Arrestzelle von innen kennenlernen darf, stünde wohl in den Sternen. So bin ich also sehr erleichtert, als meine ganze Interaktion mit der Anti-Drogenbehörde nur knappe 30 Sekunden dauert.

Nach dem Exit-Stempel im Pass darf ich dann auch den Schlagbaum passieren und verlasse somit tadschikisches Staatsgebiet. Das Prozedere hat etwa eine halbe Stunde gedauert und ich bin nun im Niemandsland zwischen Tadschikistan und Kirgistan. Doch auch wenn ich jetzt ein bisschen Zeit hatte zum Verschnaufen, ist es noch nicht vorbei. Denn der Pass zieht sich noch ein wenig den Berg hoch, bevor ich endlich oben am Pass ankomme.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Begrüßungsstele Kirgistan

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Verabschiedungsstele Tadschikistan.

Dort steht ein Steinbock als Statue auf tadschikischer Seite, zudem sind die Umrisse Tadschikistans und Kirgistans auf weiteren Statuen zu finden. Ich nutze die Gelegenheit für Fotos und einen Schokoriegel.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hallo Kirgistan!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Und Tschüss Tadschikistan!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Schön war’s!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Das Rad hat sich tapfer geschlagen, da kann man schon mal dankbar sein…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Oder es verehren!

Ich bin hier oben nun auf 4300m Höhe angekommen und den Rest des Tages geht es b-e-r-g-a-b-!-!-! Die kirgisische Grenze, weniger als 20 Kilometer entfernt, liegt auf 3500m.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Es…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
geht…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
bergab!

Nun hätte ich wunderbare 800m dahingleiten können, beflügelt durch die Schwerkraft. Dem war aber leider nicht so. Die Piste, die nun folgte, war von Schlaglöchern und faustgroßen Steinen durchsetzt, hinzu kamen Bodenwellen und Schotter. Sobald das Rad nur ein wenig beschleunigte, fühlte es sich an als ob mein Fahrrad sich von alleine desintegriert, und mir klapperten die Zähne in einem solchen Maße, dass ich mich vielleicht gleich mit desintegriert hätte. Also fahre ich so vorsichtig, dass die Hände an den Bremshebeln krampfen. Selbst um die Landschaft zu betrachten halte ich lieber an, aus der Sorge heraus dass ich sonst wohl einen Abflug über den Lenker mache.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Weg ins Tal.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Leider auf miserabler Piste!

DSC00424DSC00425Und was für eine Landschaft ich hier zu sehen kriege: Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich nicht das Gefühl eine Landesgrenze ist nur ein willkürlicher Strich auf dem Papier. Denn seit ich den Pass erreicht habe, hat sich die Landschaft radikal verändert. Die Berge sind noch rötlicher und aus jeder Richtung erstrahlen grüne Hänge. Wiesen und Büsche! Ich hatte gar nicht gemerkt wie sehr diese auf der Pamir Hochebene gefehlt haben, aber jetzt erschlägt mich der Anblick fast. Auch finde ich mitten im Nirgendwo ein Haus, wo die Familie ein Homestay anbietet. Gerne hätte ich gewusst, welche Staatsbürgerschaft sie haben und wie es sich im Niemandsland lebt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Homestay im Niemandsland

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück auf die Serpentinen vom Pass

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Kurzzeitig gibt es wieder ein bisschen Asphalt, länger als hundert Meter hält der allerdings nie.

Screenshot_2019-07-25-09-59-16
Ein letztes Mal 4000m. Verrückt, dass mir dies gar nicht mehr so hoch vorkommt.

Screenshot_2019-07-25-09-59-26

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Farbenspiel – Vermischung

Bei der weiteren Abfahrt öffnet sich das Tal auf einmal und ein breites Tal mit einzelnen Flussläufen wird erkennbar. Ein massiver Gletscher speist hier wohl die Wassermassen zu Beginn des Sommers. Hier kommt bald auch der Asphalt wieder und so brause ich mit 25km/h ohne treten zu müssen dem Tal entgegen.

Asphalt might just be the clearest evidence there is a God.” – unbekannte_r Autor_in

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Gletscher aus dem sich alles speist.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Wieder eine vertikale Schichtung, spannend!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Stellenweise bleibt der Weg aber Mist.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Das Tal weitet sich auf.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick auf die kirgisische Grenzstation.

 

Rundumblick in dem breiter werdenden Tal kurz vor der kirgisischen Grenze. [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

Die kirgisische Grenze kommt in den Blick und dort werde ich verhältnismäßig freundlich empfangen. Ohne einen langen bürokratischen Aufwand bekomme ich einen Stempel in den Pass. Kirgistan ist für europäische Reisende Visa-frei, hier musste ich mich also im Voraus nicht drum kümmern. An der Grenze begegnet mir noch ein Vater-Sohn-Gespann aus Frankreich, die in die Gegenrichtung unterwegs sind. Der Vater besitzt das exakt selbe Fahrradmodell mit dem ich unterwegs bin und so kommen wir ins Gespräch. Sein Fahrrad sieht meinem auch dahingehend ähnlich, dass es unter 6 Taschen begraben liegt. Sein ca. 20-jähriger Sohn hingegen hat ein Rennrad, das mit einer leichten Rahmentasche ausgestattet ist. Darauf hingewiesen, dass sie jetzt 800 Höhenmeter rauf müssen und sein Sohn ihn mit diesem leichten Rad wohl ganz schön versägen wird, kommt eine tolle, schlagfertige Antwort (den französischen Akzent denkt ihr euch bitte einfach dazu): “My son is joining me for 3 weeks in the Pamir, but I started in Vietnam 6 months ago.” Sprach‘s, schwang sich aufs Rad und brauste davon. Nun, in diesem Sinne darf wohl Sohnemann hinterherhecheln für die kommenden 3 Wochen, ich wünsche gutes Gelingen. 😉

Kurz hinter der Grenze öffnet sich das Tal in die Alai-Hochebene.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Alai Hochebene, samt ersten Blick nach Sary-Tash (Bildmitte, direkt an den Bergen)

Dies ist eine gigantische Fläche mit Weideland, die sich im Osten bis China und dann hunderte Kilometer nach Westen ausdehnt. Dabei bleibt die Nord-Süd-Ausdehnung gering, ich habe nur 20 Kilometer vor mir bis zum Dorf Sary-Tash, das bereits an den Bergen auf der gegenüberliegenden Seite liegt. Zwar habe ich auf diesen kommenden 20 Kilometern nur 70-80 Höhenmeter bergab, aber dafür geht es auch überhaupt nicht bergauf. So komme ich gut voran, es ist nicht sonderlich anstrengend.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück auf das Bergmassiv

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Erste Jurten

Wenn überhaupt ist es frustrierend, denn Sary-Tash erblicke ich wie gesagt bereits an der Grenze, und die kommenden 20 Kilometer hat man auch nicht wirklich das Gefühl die Stadt käme näher.

Doch langweilig wird es keinesfalls, der Blick wandert über die Weide. Überall stehen Jurten und die ansässigen Familien hüten große Herden Schafe, Ziegen, Yaks und Pferde. Spannenderweise hatte ich in ganz Tadschikistan kein einziges Pferd erblickt, hier sind es am ersten Tag bereits hunderte. Als ich eine Pause machte kam ein Zehnjähriger auf seinem Pferd angerast und sprang elegant von seinem Ross hinunter. Erwartete ich hier die üblichen tadschikischen Fragen nach Name und Herkunft, wurde ich hier sehr schnell mit “Chocolate! Give me chocolate!” empfangen. Nachdem ich dies verweigerte, deutete er willkürlich auf Sachen an meinem Fahrrad, die ich ihm nun auszuhändigen hätte. Ein ganz schöner Shock nach all den erfüllenden Begegnungen mit Kindern bisher auf dieser Reise. Irgendwann gab er auf und ritt wieder davon. Dies passiert mir später noch mit zwei Mädchen, die aus einer nahen Jurte angerannt kommen und wieder auf Schokolade hoffen. Am Ende wollen sie noch meine leere Plastikflasche, die ich ihnen gerne überlasse. Das Leben hier in den Jurten scheint sehr ärmlich zu sein, die Reisenden die einzige Ablenkung vom Alltag.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Jurtencamps, verstreut über die ganze Hochebene

Auch wenn nun Gegenwind Einzug hält, ich komme weiterhin mit rasenden 17-18km/h (ja, man verliert das Verständnis, was schnell ist und was nicht auf dem Pamir) Sary-Tash näher.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Und immer wieder, der Blick zurück in Richtung Pamir.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Das Massiv rund um den Pik Lenin sehe ich nun von der Rückseite, verglichen mit den Aufnahmen über den Karakul-See gestern/vorgestern

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die Alai-Hochebene zieht sich über 100 Kilometer relativ flach. Nur am Rand ist das Becken von Bergen umschlossen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Sary-Tash kommt näher…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
und näher.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Am Ortseingang wurde mir bereits die vergangenen Tage das “Hostel Mara” empfohlen. Hier haben sie keine Zimmer frei heute Nacht, aber nach ein wenig hin und her darf ich im Garten mein Zelt aufstellen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hostel Mara

Schnell komme ich mit den 3 Deutschen neben mir in Kontakt, die in einer Jurte schlafen und am kommenden Tag zu einem 5000er Gipfel aufbrechen wollen. Diesen Gipfel kann man vom Hostel aus auch sehen, denn beim Blick zurück über die Hochebene sieht man nun alle hohen Gipfel der vergangenen Tage (Pik Lenin etc.) nun von der “Rückseite”.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Rechts im Bild: Pik Lenin

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die gesamte Bergkette spannt sich auf der anderen Seite der Alai-Hochebene auf.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

DSC00426DSC00428
In die Richtung wollen die anderen Drei morgen aufsteigen.DSC00429

Gemeinsam mit den Deutschen breche ich zum örtlichen Mini-Market auf. Nach Eintritt in das kleine Kabuff fallen mir fast die Augen aus dem Kopf. Die Auswahl ist verglichen mit jeglichem tadschikischen Magasin grenzenlos. Mehrere Frucht- und Gemüsesorten, Süßigkeiten, verschiedene Nudelsorten usw. Ich kaufe mir endlich eine Wassermelone. Auf diese hatte ich bereits den ganzen Trip über Lust, aber alleine bleibt immer die Hälfte übrig. Zusammen mit den drei Deutschen war ich aber guter Dinge endlich mal eine Wassermelone verzehrt zu bekommen. Der Laden wurde von einem ca. 10-jährigen Kind geführt, vielleicht während sein Vater eine Mittagspause machte. Doch der Kleine war patent, wog verschiedene Waren und rechnete uns die Kosten aus. Als ein paar Locals reinkamen und der Junge ihnen halb-heimlich ein paar Kügelchen in Plastikfolie über den Tisch schob und das Geld nahm, war klar das der Junge zeitgleich noch als örtlicher Drogendealer fungiert… Nicht schlecht!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Den Nachmittag verbringen wir damit die Wassermelone zu Essen, ich höre mir Geschichten aus Kirgistan an, wir blicken auf das wunderschöne Bergpanorama und lassen es uns gut gehen. Ich gebe hier noch all meine Klamotten in die Wäsche, und anders als in Murghab hat das Hostel hier selbstverständlich eine reguläre Waschmaschine im Badezimmer stehen.

Gegen 16 Uhr erreichen drei Jeeps das Hostel und laden die nächste Dreiviertelstunde Gepäck aus. Dutzende Taschen, Radkartons, Ikea-Taschen und so weiter. Es stellt sich raus, dies waren die Begleitfahrzeuge für 14 deutsche Radreisende, die nach und nach am Hostel ankamen. Sie waren auf leichten Mountainbikes unterwegs, nur bepackt mit einem kleinen Rucksack, ein bisschen Wasser und einem Ersatzschlauch. Da wurde ich kurz neidisch, sie hatten auch meine Etappen der letzten beiden Tage an einem Tag absolviert. Neidisch war ich auch, weil sie mit diesen vollgefederten Mountainbikes sicherlich einen Heidenspaß bei der Abfahrt vom Pass gehabt haben, ich konnte da nirgends schneller als 11km/h fahren aus Sorge um mein Rad.

IMG_20190725_171056
Das wären die richtigen Räder für die heutige Piste gewesen!

IMG_20190725_173154IMG_20190725_173202

Auch wurde für sie groß aufgetischt, es gab Sekt, Bier und Softdrinks. Hinterher habe ich erfahren, dass sie von Duschanbe aus mit den Rädern unterwegs waren und hier in Sary-Tash ihre letzte Etappe zu Ende ging. Trotzdem, allzuviel Neid entstand bei mir nicht, weder will ich 2-3 Wochen lang mit den gleichen 13 Menschen unterwegs sein, noch hätte ich dafür über 3000€ (exklusive Flüge!) gezahlt. Dann lieber mein Low-Budget-Ansatz alleine.

Kein Wunder also, dass das Hostel heute voll ausgebucht war, Abendessen gibt es zusammen mit den drei deutschen Kletterern in ihrer Jurte. Das Essen ist reichhaltig und lecker, lediglich mit dem Knoblauch hat es die Hausherrin und Köchin übertrieben. Nur gut dass ich später alleine im Zelt liege.

IMG_20190725_185315

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Traumhaftes Innendekor in der Jurte 😀 Wer aber genau die Decke einer Jurte betrachtet, wird eine Gemeinsamkeit mit der kirgisischen Flagge entdecken. Also, im Hinterkopf behalten für die nächsten Tage.

Morgen werde ich einen gemütlichen Start hinlegen. Direkt hinter Sary-Tash muss ich erneut einen Berg hoch, von dem her weiß ich noch nicht wie weit ich komme, es sind bis Osh sowieso nur noch 180 Kilometer und mein Rückflug ist erst in fünf Tagen.

 

[Tag 17] Karakul – Tadschikische Grenze

24. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 48 Kilometer und 580 Höhenmeter vom Karakul-See bis kurz vor die tadschikische Grenze, sowie 5,5km und 450 Höhenmeter wandern.

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Guten Morgen Pik Lenin

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Erneut wache ich um Viertel nach 6 automatisch auf. In der Nacht war es noch bitterkalt gewesen, ein wolkenloser Himmel, verbunden mit dem Wind und der Höhe ließ mich immer tiefer in den Schlafsack krabbeln. Wenigstens führt der noch vorhandene Wind dazu, dass ich auch beim Frühstück mich nicht um die Rückkehr der Mücken sorgen musste. Müsli schmeckt bei dem Ausblick auch gleich viel besser. Anschließend packe ich alles zusammen und mache mich erneut auf den Weg.

DSC00396DSC00397DSC00398

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Mobilfunk + Stromversorgung für den Ort.

Da ich eh durch den Ort Karakul durch muss, lade ich hier noch meinen Müll ab, so muss ich bspw. die Glasflasche und die Konserve vom gestrigen Abendessen nicht mitführen. Der Start der Tagesetappe empfing mich mit feinstem Asphalt, flacher Straße und Fernblicken zum Pik Lenin und über den ganzen See.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Immer geradeaus

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der nächste kleiner Pass liegt rechts hinter der Biegung.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick nach China

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Wo die Berge wunderbar verschneit aussehen.

Schon bald komme ich an einem kirgisischen Friedhof vorbei, der gerade von einer größeren Reisegruppe französischer Tourist*innen angeschaut wird. Ich hingegen nutze die Zeit um mit den Guides am Auto zu sprechen.

 

Blicke auf den Karakul See! [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

Etwa 10 Kilometer weiter überholte mich die Reisegruppe wieder, nur um an einem Ausblick an einer Steigung wieder anzuhalten und die Fotogelegenheit über den Karakul-See wahrzunehmen. So konnte ich wieder zu ihnen aufschließen. Das führte zu einer surrealen Szene, denn als ich fast auf ihrer Höhe ankam waren plötzlich die Blicke und Kameras der 15 Tourist_innen auf mich gerichtet. Es fehlte nur noch der rote Teppich, denn mit Jubel und Geklatsche wurde ich empfangen. Nur gut dass ich die Röte im Gesicht auch als Sonnenbrand verkaufen konnte 😉 So war ich umringt von Leuten, die Daten von meinem Rad wissen wollten, sowie den Verlauf meiner Tour. Wenigstens konnte ich in Erfahrung bringen, dass sie vor 3 Wochen in Taschkent gestartet waren und ebenfalls aus Osh in Kirgistan zurückfliegen würden. Das Gespräch mit der Menge war eine gelungene Abwechslung (auch wenn ich gerne ihre ganzen Foto-Aufnahmen von mir hätte, wie ich mich da den Hügel hochkämpfe), schließlich springen sie jedoch in die Vans und waren nicht mehr gesehen.

Es ging anschließend den Weg zum Uy-Buloq-Pass hinauf, der trotz seiner Neigung auf gutem Asphalt zu bewältigen war. Stellenweise bin ich gelaufen, einfach um den Beinen eine Abwechslung zu geben. Um kurz vor 11 hatte ich dann auch den Pass überquert.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Uy-Buloq-Pass

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück. Am rechten Bildrand am See liegt der Ort Karakul

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die letzten Meter bis zum Pass

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
GESCHAFFT!

Und was macht man, wenn man 600 Höhenmeter am Vormittag mit dem Fahrrad hinter sich gebracht hat? Genau, man versteckt das Fahrrad abseits der Straße in einem Graben und entschließt sich den nächsten Berg zu Fuss zu besteigen. Dieser hier war in meiner Karte wieder als “Viewpoint” gekennzeichnet und ich erhoffte mir Blicke auf den ganzen See.

Schnell meine Kameraausrüstung, Essen und Trinken in einen kleinen Rucksack und dann ging es auf Wanderschaft. Ich hatte davor in der Karte und auf dem GPS die für mich sinnigste Route zum Gipfel mir ausgesucht, dort wo der Weg so flach war wie möglich. So blieb es ein knackiger Anstieg, aber weniger steil als damals am Kargush-Pass, dafür ein bisschen länger in der Gesamtwegstrecke.

DSC00400
Na, sieht ihn wer?

DSC00402

IMG_20190724_113921
Blick zurück zur Straße im Tal.

IMG_20190724_113927
Immer bergauf!

Auf dem Weg hoch verärgere ich wieder einen Haufen Murmeltiere, die sich über meinen Besuch keineswegs freuen. Dafür sehe ich erstmalig einen Hasen durchs Gelände rennen, zudem viele Vögel. Nach längerem klettern kam ich an einem Grat an, der zwar einen Blick auf den See bot, jedoch noch keine 360°. Aus diesem Grund bin ich dann doch noch die letzten 80 Höhenmeter zum Gipfel geklettert. So betrug meine Wanderung etwa 480-500 Höhenmeter in 1,5 Stunden.

Am Grat:

 

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Und die Ankunft am Gipfel:

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Gipfelkreuz?

 

Blicke auf den See Karakul + 360° Ausblick [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

Der Blick dort oben war atemberaubend. Man sieht entlang des Sicherheitszauns nach China rüber, zudem wieder der Ausblick auf Pik Lenin und seine Nachbargipfel. Und der Karakul-See leuchtet in seinem intensiven Blau mit den schneeweißen Gipfeln um die Wette.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick gen China

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Noch einen extra Höhenmeter drauflegen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Karakul

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

DSC00408DSC00409DSC00410
Hier bereits zu sehen: Die brettebene Straße, die mir nachher mit starkem Gegenwind zu Leibe rücken wird.

DSC00412Ich drehe mich immer wieder im Kreis und genieße den Rundumblick. Jedoch blies da oben ein heftiger Wind, stellenweise muss ich mich in die Böen lehnen um nicht vom Gipfel geweht zu werden, so mache ich mich nach etwa 20 Minuten und zahlreichen Fotos an den Abstieg.

IMG_20190724_125714
Blick von oben zur Straße

IMG_20190724_131415
Murmeltier-Bau

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Bergab

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
zurück zum Fahrrad.

Den Abstieg gehe ich heute noch vorsichtiger an als damals am Kargush-Pass. Wenn ich mir hier oben das Bein breche, dann weiß kein Mensch, wo ich hin bin, mein Rad ist auch gut versteckt und wird vermutlich nicht so schnell gefunden. Der Berg erscheint nicht so als ob sich da regelmäßig Besucher*innen drauf verirren und der Gedanke daran, mit Verletzung bergab kriechen zu müssen, ist nicht wirklich verlockend. So hoffe ich zudem keine Blasen am Fuß zu kriegen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Fast unten

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Dort wartet mein Rad auf mich, nicht einsehbar von der Straße.

Nach der Rückkehr zum Fahrrad merke ich, dass der Wind nicht nur am Gipfel wehte, dieser ist auch hier in den niedrigeren Höhenlagen angekommen und weht ziemlich heftig, vor allem da ich heute Vormittag bei Windstille unterwegs war. Nach einem Mittagessen mit (Überraschung!) Ramen Nudeln und den letzten paar Pflaumen, schwinge ich mich wieder aufs Rad.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Abfahrt vom Uy-Buloq-Pass

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Und von da an wurde es ziemlich frustrierend. Die 300 Höhenmeter Abfahrt vom Uy-Buloq-Pass konnte ich nicht wirklich genießen, der Wind zerrte an mir und ich musste ganz schön in die Pedale treten um überhaupt voran zu kommen. Dann kam ich bald an die Stelle, die bereits in meine Navigationsapp iOverlander eingezeichnet war:

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Plötzlich ist die Straße weg

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Hier ist die Straße weggebrochen und stattdessen fließt nun ein Fluss quer zum Weg. Laut Erfahrungsberichten schrumpft dieser in den Morgenstunden zu einem kleinen Rinnsal, doch am Nachmittag, und auf einem leichten Fahrrad statt in einem dicken Jeep, sah der Fluss ziemlich Ehrfurchtgebietend aus. Es war nicht so sehr die Wassertiefe, als die immense Fließgeschwindigkeit. Ich bin also von der Straße abgebogen und habe geschaut, ob ich ein wenig tiefer eine geeignete Stelle finde zum Queren, da sich dort der Fluss in mehrere Arme auffächert. Leider waren diese auch alle zu tief, so musste ich schließlich doch die Hose ausziehen, Schuhe wechseln und mein Zeug einzeln herübertragen. Es war zwar nur Knietief an Stellen, aber durch den Wasserdruck wurde es trotzdem recht abenteuerlich, zudem fühlte ich mich nicht wirklich gut ausbalanciert mit einem schweren Rad unterm Arm.

Durchschieben konnte man das Rad auch nicht, durch die Ortliebtaschen und die breiten Reifen kriegt so ein Fahrrad ganz schön viel Auftrieb, und bevor ich mich mit einer Boje in Fahrradform rumärgern muss trage ich lieber alles gleich.

Auf der anderen Seite begegnet mir ein italienisches Pärchen, welches per Rad in die Gegenrichtung unterwegs ist. Auch sie müssen abladen und tragen, queren allerdings dort wo die Straße sein sollte. Vermutlich hätte ich auch dahin zurückkehren sollen um dort die Wasserfurt anzugehen. Spannenderweise sind dies die ersten Radtourist*innen, die mir seit den beiden deutschen Mountainbikern an der Wakhan-Abzweigung begegnet sind. Und das ist nun bereits 5.5 Tage her.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Sie dürfen auch tragen.

Anschließend ging es noch ein wenig bergab, bevor die Straße sich wieder begradigte und ich im Flachen gegen den Wind kämpfte. Damals auf meiner Tour zum Nordkapp hatte ich einen Tag mit 70km/h Wind und 90km/h Böen. Ich fahre heute noch langsamer als damals, ich würde also schätzen dass der Wind mit noch mehr Kraft gegen mich arbeitet. Hinzu kommt wieder klebriger Teer auf der Fahrbahn, alles versucht mich also an der Weiterfahrt zu behindern.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nicht abgebildet: Der Gegenwind!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Gegen den Wind eine ganz schöne Tortur!

Irgendwann kommt mir noch ein Radfahrer entgegen. Chan ist in Südkorea (!!!) gestartet und radelt bis Portugal. Ost nach West über den gesamten Kontinent. Wir unterhalten uns ein paar Minuten, ich klage mein Leid über den Gegenwind, er kann nur lachen, schließlich hat er dadurch eine natürliche Unterstützung und kommt gut voran. Ich schenke ihm noch meine tadschikische SIM-Karte, da diese in Kirgisistan eh nicht mehr funktioniert und diese noch für eine Woche Nutzung freigegeben ist. Netterweise kriege ich dafür ein Twix und ein Snickers zurück, das ist genau die Energie die ich jetzt brauche. Ich gebe ihm noch meine Adresse in Berlin mit, vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen in einigen Monaten!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Gute Reise Chan!

Mit 9 km/h und vollster Anstrengung geht es weiter, bald führt der Weg auch Bergauf in Richtung Grenzpass. Inzwischen bin ich bei 5km/h im zweiten Gang angekommen und plage mich weiter. Inzwischen ist auch der Asphalt verschwunden und auf staubiger Piste kämpfe ich mich über wellblechartige Buckel.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Ausblick nach China bleibt aber phänomenal

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Auch wenn die Piste mies wird.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Soviel zum “Sicherheitszaun” nach China…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Immer bergauf.

Der ursprüngliche Plan sah vor, heute noch die tadschikische Grenze oben am Pass zu passieren. Der kirgisische Grenzposten liegt jedoch nicht gleich dahinter, sondern es warten 20 Kilometer Niemandsland inklusive einer Abfahrt auf mich. Gerne würde ich im Niemandsland die Nacht verbringen und morgen dann den Grenzübertritt nach Kirgistan hinter mich bringen. Doch dieser Plan verliert sich bei diesen Windgeschwindigkeiten in der Bedeutungslosigkeit. Bis zur Grenze sind es noch 12 Kilometer, bis zu den ersten geeigneten Zeltplätzen dann weitere 8 Kilometer und es ist bereits 17 Uhr. Zudem warten noch über 200 Höhenmeter auf meine müden Beine, bevor die tadschikische Grenze erreicht wäre. Also wird umgeplant. Bereits vor der Grenze komme ich an einem großen Schild vorbei, dass die entgegenkommenden Autos zur Provinz Murghab begrüßt, ziemlich verrückt, da es 3 Tage her ist, seit ich die Stadt Murghab verlassen habe.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
“Welcome to Murghab”

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der weitere Weg: Schräg nach Links hoch zum Pass.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Doch mir reicht es hier für heute.

Hier finde ich ein kleines Fleckchen Wiese und baue im tosenden Wind mein Zelt auf. Bloß nicht loslassen, sonst finde ich das Zelt wahrscheinlich erst am Karakul-See wieder…

Ich hoffe darauf, dass der Wind morgen früh wieder nachgelassen hat und ich so mit weniger Anstrengung zur Grenze komme, auch wenn da immer noch der Pass auf mich wartet.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Abendstimmung am Zeltplatz

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Abends gibt es noch einen riesigen Topf Nudeln nach den Anstrengungen des Tages und ich brauche das Gemüse auf, das ich noch in Murghab gekauft habe. So schaffe ich es meine Taschen um zirka 700 Gramm zu erleichtern. Geizig bin ich heute nur beim Wasser, ich habe nur noch drei Liter übrig, muss es aber morgen bis Sary-Tash schaffen, was über 50 Kilometer entfernt ist.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA
Abends fahren noch vereinzelt ein paar Autos auf der Straße in der Dunkelheit an mir vorbei. Tagsüber konnte ich nur 21 Gefährte zählen, das ist für 10 Stunden ja fast gar nichts.

Der Wind heute war unglaublich anstrengend, ich habe bis zu meiner Wanderung zur Mittagszeit bereits 600 Höhenmeter mit dem Rad absolviert, nur um dann 500 Höhenmeter zu Wandern und am Nachmittag noch mal 200 Höhenmeter gegen den Wind zu erkämpfen. Ich bin abends also wirklich fix und fertig und kann es kaum erwarten im Schlafsack zu liegen. Bereits um halb 9 krieche ich in diesen und schlafe gefühlte 2 Minuten später bereits tief und fest. Doch trotz meiner Beschwerden, mir gefiel die Strecke heute, ich war bei weitem nicht so negativ eingestellt wie bei meinen Schwierigkeiten entlang des Panj-Flusses zu Beginn der Reise.

 

[Tag 16] Ak-Baital – Karakul

23. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 67 Kilometer und 640 Höhenmeter über den Ak-Baital-Pass bis Karakul.

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Die Nacht schlafe ich wie ein Stein, werde erst durch den Wecker wach, die vergangenen Tage war ich immer schon davor wach. Dies zeigt mir wie anstrengend das Fahrradfahren in diesen Höhen ist, gestern hat einfach richtig Energie gekostet. Was bin ich froh dass ich wieder normale Esse, im kränklichen Zustand wie am Panj würde das hier wohl nicht funktionieren. Der Start in den Tag ist ein wenig langsam, auch weil ich mich noch ziemlich KO fühlte. Das Zelt auf 4300m einzupacken ist auch ein ganz schöner Kraftakt.

In der Nacht muss es nochmal deutlich kälter geworden sein, denn der Bachlauf neben mir ist stellenweise gefroren. Ich wünsche mir tatsächlich, dass es über Nacht geschneit hätte, das wäre sicherlich ein toller Anblick. So sind stattdessen die Murmeltiere dabei die ersten Sonnenstrahlen einzufangen und düsen mit wütendem Pfeifen ab in ihre Erdlöcher, sobald sie mich erblicken.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Morgensonne

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

P7230096

Ich filtere am Bach noch ein wenig Wasser für heute, was bei den Temperaturen für ganz schön kalte Pfoten sorgt. Schließlich bin ich aber abmarschbereit und ich schiebe das Rad wieder zurück zur Straße.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Zurück auf der Straße

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Los geht’s gen Ak-Baital-Pass

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Bereits nach zwei Kilometern Fahrstrecke kommt das Schild, welches eigentlich oben am Pass stehen müsste. Keine Ahnung wieso dies stattdessen VOR dem Pass errichtet wurde. So mache ich ein paar Fotos, wohlwissend dass der anstrengende Teil jetzt noch auf mich wartet.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Man muss sich ja beschäftigt halten in der dünnen Luft 🙂

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ob Olga und Ede mit Absicht einen Sticker in feinstem AfD-Blau erstellt haben? Der Sticker fällt mir seit Tagen entlang des Weges auf, vorallem wegen der penetrant-unangenehmen Farbauswahl.

Neben dem Pass-Schild ist noch das kleine Haus der hier ansässigen Straßenmeisterei, ein ärmlicher Verschlag. Aber die Familie steht davor und spielt gerade Fußball, Wahnsinn dass sie ihr Leben auf über 4000 Metern verbringen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Straßenmeisterei (links) und erster Blick auf den Weg hoch zum Pass (rechter Bildrand)

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Rechts der Bildmitte liegt der Pass, da muss ich nun nur noch rauf.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Steil…

Nun kommt der weitere Weg hoch zum Pass in den Blick. Man sah dass es steil hinauf geht, jedoch nicht unmachbar steil. Ich schalte in den zweiten Gang und kurbele mich stur in die Höhe. Mit guter Musik im Ohr komme ich in einen Art Rausch. Es ist zwar unglaublich anstrengend, aber jeder Tritt bringt mich dem Gipfel näher. Zudem freue ich mich, dass es klappt und ich nicht den ganzen Weg schieben muss.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück auf das bisher Geschaffte.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Fast oben.

Zum Ende hin kommt noch eine besonders steile Kurve, somit schalte ich erstmalig auf dieser Tour in den ersten Gang. Diesen habe ich mir aus psychologischen Gründen für den Ak-Baital-Pass aufbehalten. Irgendwie war es in den vergangenen Tagen immer beruhigend zu wissen, dass man es auch im zweiten Gang schafft, ich also noch eine Reserve nach unten habe.

Und jetzt, wo ich den Gang nutze? Da merke ich, dass der so niedrig übersetzt ist, dass ich es fast nicht schaffe schnell genug zu treten um nicht umzufallen. Schnell also wieder in den zweiten Gang geschaltet. Nun, das hätte ich ja dann doch mal früher ausprobieren können. 😉

Ich entschuldige mich für das Gequietsche in der dünnen Luft 😉 Die Freude ist allerdings echt!

Knapp zwei Stunden nach meinem Aufbruch am Zeltplatz stehe ich dann endgültig oben am Ak-Baital-Pass. 4655m. Viertausendsechshundertfünfundfünfzig Meter. Mit einem Fahrrad. Mit einem arschschwer beladenen Fahrrad.

In diesem Sinne [ab 0:48]:

Nur um das mal in Verhältnis zu setzen: Das sind 150 Höhenmeter weniger als der Mont Blanc. Und ich bin hier mit dem Rad hoch, auf den höchsten Pass der ehemaligen Sowjetunion. Versehen mit einigen Jubelschreien genieße ich es oben angekommen zu sein. Von der Aussicht her ist der Pass jetzt nicht sonderlich beeindruckend, wie gestern schon geschrieben ist er in den Fels eingeschnitten, es fehlt somit der 360° Panoramablick. Aber die Freude, es auf den höchsten Punkt dieser Radreise geschafft zu haben, macht alles wett. Und auch wenn ich bereits im Wakhan auf 4700m gewandert bin, höher als auf dem Ak-Baital-Pass geht es mit dem Fahrrad auf dieser Reise nicht, vom Rückflug mal abgesehen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Oben! (Und man beachte die Schrägstellung des Fahrrads)

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick voraus!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Erleichterung pur!

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Screenshot_2019-07-23-10-17-55
Fotobeweis der Höhe! Zudem eine beachtliche Durchschnittsgeschwindigkeit, 3.8km/h 😉

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück

Als ich gerade ein paar Fotos vom Fahrrad mache, sehe ich durch den Sucher, wie mein Fahrrad sich in Slow-Motion zur Seite legt und mit einem lauten Knall der Fahrradständer erneut abbricht. Angsterfüllt renne ich zum Fahrrad. Bitte, bitte, bitte lass jetzt dadurch nicht hier oben der Rahmen gebrochen sein. Karakul liegt 50 Kilometer vor mir, und ob dort jemand schweißen kann ist ungewiss. Und 80 Kilometer zurück nach Murghab… bitte nicht!

Doch ich habe Glück im Unglück, wieder hat es nur die Schrauben zerbrochen, der Rahmen ist zwar leicht verdreht aber hält noch. Ich beschließe nun, den Fahrradständer auf der Tour nicht mehr zu befestigen. Da fixiere ich lieber das Fahrrad mit Steine. Das dauert zwar ewig und ist nervig wenn man das Fahrrad so gerne fotografiert wie ich. Aber besser als hier oben mit einem kaputten Fahrrad zu stranden.

Blick voraus auf die weitere Route [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Oben gibts zur Belohnung das letzte Gummibärchen aus Deutschland. Geöffnet habe ich die Packung kurz hinter Kulob am ersten Tag, als Bergauf zum Pass nichts mehr ging.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nun wartet die Bergabpassage auf mich!

Mir begegnen noch einige Motorräder auf dem Pass, diese brausen aber einfach weiter ohne anzuhalten. So ist das wohl, wenn man sich den Pass nicht mühsam erkämpfen muss, da kann man auch weiterdüsen. Ich hingegen besinne mich darauf, dass ich in Kulob auf 600m Höhe gestartet bin. Auch wenn es zwei Mal Auto-Unterstützung brauchte, ich habe es jetzt 4000 Höhenmeter nach oben geschafft. Ein unglaublicher Gedanke.

Gespannt blicke ich auf den weiteren Weg. An sich geht es nun 50 Kilometer bergab und könnte ein entspannter Ritt bis zum heutigen Übernachtungsplatz sein. Leider hat der Asphalt fünf Kilometer vor dem Gipfel aufgehört und kommt so schnell auch nicht wieder. So mache ich mich auf sehr buckligen Schotterwegen an die Abfahrt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Bergab, erneut kommt der chinesische Grenzzaun in den Blick.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Schotter, hier noch in Fahrbar.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Das Schild aus der Gegenrichtung

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Mehr als 20 Kilometer pro Stunde schaffe ich nicht, vielfach liege ich sogar drunter. Weiter unten erwartet mich dann klassische Waschbrett-Piste. Diese verschlimmert sich, wenn Autos dann immer in die Kuhle geschleudert werden, wodurch das Waschbrett sich nur noch verstärkt. Autos, LKWs und Motorräder haben allerdings den Vorteil einer guten Federung. Zudem gibt es bei Waschbrett-Belägen einen “sweet spot” beim Fahrtempo. Der liegt bei ca. 60-80km/h, da fährt der Reifen dann nur noch auf den Kuppen und sinkt nicht in die Kuhlen ein. Die Autos gleiten dann über die Piste hinweg.

Und ich? Nun, 60km/h zu fahren ist leider keine Option. Eine Federung habe ich leider auch nicht. Und so bleibt mir nichts anderes übrig als auf diesem unfassbar holprigen Weg mich hin und her schütteln zu lassen. Immer wenn man mal eine Spur entdeckt, auf der man einigermaßen fahren kann, kommen nach 5 Metern die Buckel wieder. 20 Kilometer geht das so. Bergab, bergauf, teilweise flach. Doch schneller als 12km/h werde ich nie, teilweise fahre ich einstellige Geschwindigkeiten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Miesester Belag

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Und es hört nicht auf!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Eine weitere Karawanserei, diesmal hatte ich aber keine Lust abzusteigen und sie zu besichtigen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Schotter verschwindet…

… und endlich geht es auf Asphalt weiter! [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

DSC00375DSC00376

Nach 27 Kilometern wird der Schotter endlich wieder durch Asphalt ersetzt und ich könnte heulen vor Freude. Selbst katastrophal schlechter Asphalt macht so viel mehr Spaß als die Widrigkeiten auf dem Schotter. Anschließend gibt es noch einen kleinen Pass mit etwa 100 Meter Höhenunterschied. Doch nach dem Ak-Baital-Pass heute früh erscheint mir dies nur als minimale Herausforderung.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der kleine Pass (Bildmitte)

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Artenvielfalt auch in dieser kargen Landschaft

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Wie gestern fahre ich weiter am chinesischen Sicherheitszaun entlang. Mehr und mehr bekomme ich das Gefühl, dieser sei ein kompletter Witz. An mehreren Stellen sind Zaunpfosten abgebrochen, oder der Stacheldraht hängt nur noch in Fetzen. Zudem gibt es an einigen Stellen Durchgangstore, diese stehen auch schon mal sperrangelweit offen. Ich hätte ja vermutet, dass die Grenzbefestigungen zu einem stark bewachten Land technologisch weit fortschrittlicher sind.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Grenzzaun

Ich hatte inzwischen meine 40 Kilometer bereits voll und suchte einen Pausenplatz fürs Mittagessen, leider kam da nichts Schönes. Überall nur Sand und Stein, kein Grashalm in Sicht. Ich hoffe irgendwo ein Tarp über mich und mein Fahrrad spannen zu können, damit ich beim Mittagessen mir keinen Sonnenbrand wie gestern einhole.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Man kann den Karakul-See schon erahnen

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Und plötzlich sieht man ihn.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die hohen Berge im obigen Bild liegen schon (fast) in China

Schließlich kommt der Karakul-See in den Blick. Der See hat ein durchdringendes Blau, wie ich es noch nie gesehen habe. Erinnert ein wenig an den handelsüblichen blauen Edding. Völlig ergriffen stehe ich am Straßenrand und staune über diesen Blick. Die Landschaft der vergangenen Tage, seit ich die Pamir-Hochebene betreten habe, war ein Mix aus mehrheitlich Grau und Sandfarben. Dieser blaue See reißt ein Loch in meine Farbwahrnehmung, fast als hätte man ein einzelnes Objekt in einem monochromen Bild eingefärbt.

Karakul-See [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Der Karakul See (= „Schwarzer See“ in Turksprache) liegt auf 3914m, 380 Quadratkilometer groß und ohne Abfluss. Zufluss kriegt er von den umliegendenen Gletschern, er ist salzhaltig. Er ist das größte Gewässer Tadschikistans und füllt eine Senke mit über 50 Kilometer durchmesser, das Überbleibsel eines Meteoriteneinschlags vor 5 Millionen Jahren. Zudem liegt er auf einer Eislinse, die noch aus der letzten Eiszeit liegt, erreicht im Sommer aber immerhin kuschelige 12° C. Er liegt höher als der Titicacasee und gilt somit als der höchstgelegene See der Welt. Irgendwann wurde hier oben sogar ein kleiner Pier errichtet, es ist somit auch der höchste „segelbare“ See der Welt, was bei der „Roof of the World Regatta“ (https://caravanistan.com/trip-reports/roof-world-regatta/ ) unter Beweis gestellt wurde.

Ich beschließe, dass da nichts passendes heute kommen wird und mache an Ort und Stelle mein Mittagessen, leider ohne den gewünschten Schatten. Weil es so heiß ist futtere ich schnell meine Ramen Nudeln, mein Obst und springe dann nach nur einer halben Stunde wieder aufs Fahrrad, es war einfach zu unangenehm in der Sonne.

Bis zum See geht es nun bergab, leider mit stärker werdenden Gegenwind. Auch der Asphalt-Belag ist seltsam. Scheinbar wurde da eine neue Schicht Teer aufgetragen, denn als ich einen Fotostop einlege und 2 Minuten verweile, hat sich der klebrige Teer mit meinem Schuh verbunden. Ich muss richtig dran zerren bis ich meinen Fuß frei kriege und schnell fahre ich weiter. Natürlich bremst so eine klebrige Schicht mein Vorankommen massiv.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Weiter geradeaus am See entlang

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Erster Blick auf die markante Bergkette (mehr dazu später.)

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück.

Die verbleibenden 20 Kilometer bis Karakul ziehen sich in die Länge, ein Phänomen, dass ich auch schon die letzten Tage beobachtet habe. Bis zum Mittagessen geht es mir eigentlich immer ganz gut, am Nachmittag aber ist die Kraft weg und es geht langsamer und beschwerlicher voran. Nun, heute mache ich wenigstens dutzende Fotos vom See, der ist einfach besonders fotogen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Karakul

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Irgendwann komme ich im Dorf Karakul an. Dies ist ein wirkliches Nest, da stehen vielleicht 40 Gebäude rum. Ich frage mich zum örtlichen Magasin durch, dies ist zeitgleich ein Homestay, sie haben auch nur einen Wandschrank voll mit Proviant. Da ich noch mehr als genug Essen habe, wandern wieder einmal sechs Liter Wasser und ein Liter Cola in meinen Besitz. Anschließend stehe ich 5 Minuten vor dem Homestay um das alles zu verräumen. Dabei werde ich von einem Jagdgeschwader Mücken in Kompaniestärke angegriffen. Innerhalb weniger Sekunden bin ich eingehüllt in einen Mückenschwarm. Ich versuche es ruhig angehen zu lassen, doch beim Wasser-umfüllen brauche ich leider beide Hände und die Mücken kommen somit zu einem entspannten Festmahl. Schließlich reicht es mir, ich zerre aus den Taschen die lange Hose und all meine Schlauchschals, so kann ich mich soweit einpacken, dass nur noch meine Hände und ein Sehschlitz offen zugänglich sind für diese Mistviecher. Trotzdem sitzen sicherlich 50-100 Tiere auf mir und versuchen eine Lücke in meiner Klamottenverteidigung zu finden.

Der Besitzer des Homestays versucht mich zum Bleiben zu überreden, doch ich habe andere Pläne: Durchs Dorf fahre ich raus auf einen kleinen Feldweg, der schnurstracks zum Ufer des Karakul Sees führt. Direkt am Strand herrscht momentan windstille und so wühle ich mich schnellstmöglich durch eine meiner Gepäcktaschen, bis ich auch noch mein Mückennetz gefunden habe. So verkleidet mache ich mich daran, mein Zelt auf dem Kiesstrand zu errichten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Alles schnell ins Zelt geschmissen was benötigt wurde und schon klettere ich hinterher. Im Innenzelt angekommen darf ich noch mühselig 30 Mücken zerdrücken, dann habe ich aber meine Ruhe. Wobei, das stimmt nicht ganz… Hunderte Mücken knallen von außen gegen die Netzflächen des Zeltes und versuchen mit aller Macht zu ihrem Abendessen vorzudringen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Mücken…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick gen China

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Karakul

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick gen China

Wie die letzten Tage bin ich mir auch heute sicher, dass gen Abend der Wind an Stärke zulegen wird, dann verkriechen sich die Mücken auch schnell. Bis es aber so weit ist, kriegt mich nichts aus diesem Zelt raus. Jedoch habe ich heute relativ früh mein Zelt aufgeschlagen und dies stand nun bei Windstille in der prallen Sonne. Als ich im Zelt ankam betrug die Innentemperatur bereits 31°C, nach ein paar Minuten kletterte diese schon auf 35°C. Somit nahm ich an, die nächsten zwei Stunden in dieser Sauna gefangen zu sein. Ich liege also ziemlich nackig im Zelt, wälze mich alle paar Minuten auf die andere Seite und habe außer einer einigermaßen kalten Cola keine Abkühlmöglichkeit.

Doch Glück im Unglück: Bereits nach einer Stunde setzt der Wind ein und prompt sind die Plagegeister wieder verschwunden. Doch andere Probleme locken mich schnell aus dem Zelt. Dieses steht nämlich falsch zum Wind, so darf ich wieder alle Heringe entfernen und das Zelt 90° drehen, damit es in den Wind lehnt. Doch damit nicht genug. Der Wind rast ungebremst über den See und peitscht dort Wellen auf, die immer näher ans Zelt heran rollen. Draußen kratze ich erst einen kleinen Verteidigungswall in den Sand, merke aber schnell, dass dies nicht ausreichen wird. So muss ich glatt noch mal mit dem Zelt umziehen, diesmal ein paar Meter zurück auf die Wiese. Dies war rückblickend auch eine goldrichtige Entscheidung, am nächsten Morgen ist mein Sand-Wall nicht mehr zu sehen, den haben die Wellen komplett fortgeschwemmt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Noch direkt am Strand

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Später lieber ein paar Meter weiter hinten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Auch wenn die Wellen inzwischen einen halben Meter hoch sind, ich gehe nun vor dem Abendessen doch noch mal zur Erfrischung im See schwimmen. Denn im Gegensatz zum enttäuschenden Sassikul See vor ein paar Tagen ist hier kein Zooplankton zu sehen. Aufgrund der Strömung bleibe ich in Ufernähe und statt wirklich zu schwimmen wird es eher ein hinknien. Trotzdem, ich fühle mich danach erfrischt, auch wenn es ein wenig seltsam war 300m vor den Toren der Stadt mich nackt in die Fluten zu schmeißen.

Anschließend genieße ich die Ruhe im Zelt. ich habe hier zum letzten Mal in Tadschikistan noch Mobilfunk-Empfang, so klappt auch ein kurzes Telefonat mit Mama, bevor es ans Abendessen geht. Heute gibt es rote Linsen, mit Tomatensoße und Konserven-Mais. Diese Dose hat leider keinen Schnellverschluss, doch auf Radreise weiß man sich ja zu helfen, so kriege ich die Dose mit dem Fahrradwerkzeug doch noch geöffnet.

DSC00393

Das Kochen selber dauert ewig, da ich bei starkem Wind hinter dem Zelt kauere und versuche dort im Windschatten mein Essen zuzubereiten.

Am eindrücklichsten an diesem Zeltplatz ist der Panoramablick. Der See hat sich gen Abend schwarz gefärbt, aber um den Berg herum blicke ich auf hohe schneebedeckte Berge. Hinter mir die Berge, die bereits auf chinesischem Staatsgebiet liegen und vor mir auf die höchsten Berge Tadschikistans an der kirgisischen Grenze. So blickt man die Berge Kurumdy (6613m), Trapez (6048m) und auf den Pik Abuali ibn Sino, der wohl eher unter seinem vorherigen Namen Pik Lenin bekannt ist. Mit 7134m steht Pik Lenin direkt an der Grenze zwischen Kirigistan und Tadschikistan, wobei die Besteigungen zumeist von kirgisischer Seite aus stattfinden. Er hat ob seiner Höhe eine unglaubliche Präsenz und ich verbringe Stunden damit, auf diese Bergkette vor mir zu blicken, die später im Abendlicht beleuchtet wird.

Panorama über den Karakul See! [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hier noch mal der Blick auf die Bergkette von vorher.

Screenshot_2019-07-23-15-07-35
Und hier die dazugehörigen Berggipfel.

DSC00377
Pik Lenin (links), Pik Trapez (rechts).

DSC00378
Pik Lenin in Nahaufnahme

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Und hier dann im Abendlicht

DSC00387DSC00385

Im Osten soll sogar der Kongur sichtbar sein, mit 7719m der höchste Berg Zentralasiens, wo dieser aber genau liegt ist mir unklar, ich glaube nicht dass ich ihn erblicke.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick gen China

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick auf das Pik Lenin Massiv

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick gen Süden, in den Pamir

Panorama über den Karakul See! [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Nachts kommt dann ein fantastischer Sternenhimmel zum Vorschein, der ganze Bogen der Milchstraße ist mit dem nackten Auge sichtbar, ebenso eine Myriaden Sterne. Je länger ich in den Himmel schaue, umso mehr funkeln und leuchten kann ich erblicken.

Den Abend verbringe ich in tiefer Dankbarkeit und Erleichterung. Ich habe meine Strecke in Tadschikistan fast hinter mich gebracht. Zudem muss ich an die zahlreichen Stunden zurückdenken, in denen ich mir monatelang Sorgen über den Ak-Baital-Pass gemacht habe. Und jetzt habe ich den erfolgreich bezwungen. Es hat sich gelohnt gestern nahe dem Pass zu zelten und somit heute weniger Höhenmeter absolvieren zu müssen. Und auch die abwechslungsreiche Landschaft wirkt nach. Waren die Berge am Ak-Baital-Pass noch ringsum schneebedeckt, war der weitere Verlauf von Geröll und Sand geprägt. Ich kann dies wirklich nur als Mondlandschaft beschreiben, auch wenn später noch rote und sandfarbene Berge hinzukamen. Und nun blicke ich abends wieder auf schneebedeckte Berge mit unglaublicher Höhe.

Mir sind heute 26 Autos und Motorräder begegnet, nach Murghab hat der motorisierte Verkehr deutlich abgenommen.

Morgen erwartet mich noch ein 250 Meter hoher Pass, doch das schockt mich nun natürlich nicht mehr. Am Pass selber habe ich auf der Karte einen Berg entdeckt, der begehbar aussieht. Von dort oben dürfte es einen fantastischen Blick über den ganzen Karakul-See geben, sofern ich also morgen die Energie habe, werde ich da auf alle Fälle noch mal hochklettern.

Und dann sind es noch einige Kilometer und ein weiterer Anstieg von 200 Metern bis zur tadschikischen Grenze. Diese liegt 50 Kilometer entfernt, mal schauen ob ich das morgen so weit schaffe. Da ich sehr gut im Zeitplan liege und eher ein paar Tage zu viel übrig habe muss ich nicht wirklich hetzen.

Glücklich und zufrieden liege ich heute um 22 Uhr im Schlafsack und schlafe auch ziemlich schnell ein.

[Tag 15] Murghab – kurz vor Ak-Baital

22. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 66 Kilometer und 1000 Höhenmeter von Murghab bis acht Kilometer vor den Ak-Baital-Pass.

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Frühstück um 7 Uhr, dabei gab es wieder das alte vertrocknete Brot von gestern mit Marmelade. Doch heute habe ich mich endlich an den Milchreis getraut, um den ich gestern noch einen Bogen gemacht habe. Doch nachdem ich den halben Inhalt der Zuckerdose, sowie das Marmeladenglas drüber geleert habe, wurde es doch ganz lecker und wenigstens sättigt es ausreichend.

Ich packe noch die letzten Sachen zusammen und habe dabei einen “Jugend-Forscht”-Moment. Zum wiederholten Male stelle ich fest, dass Mineralwasserflaschen in der Höhe gänzlich anders reagieren als auf Meereshöhe. Das Mineralwasser schäumt beim Öffnen nur so durch die Gegend, dabei habe ich die Flasche garantiert nicht geschüttelt. Ich weiß dass kohlensäurehaltigen Getränke in einer Druckkammer überhaupt nicht mehr schäumen, dies scheint also das absolute Gegenteil davon zu sein.

IMG_20190722_075216
Ich ärgere mich über die Menge an Plastikmüll die dank mir anfällt, sehe allerdings wenig wege drumrum. Es gibt zumeist nur 1L-Flaschen, und wenn ich nicht stundenlang Filtern will, muss ich täglich 5-6 Flaschen kaufen. Da kommt etwas zusammen.

Nach dem Aufladen und losfahren verließ ich keine fünf Minuten später bereits die Stadtgrenze. Die Straße war schön gerade. Die LKWs fahren von Murghab aus auf einer anderen Straße direkt zur chinesischen Grenze am Kulma-Pass, ich wurde heute also von keinem einzigen LKW überholt, eine deutliche Veränderung zur Strecke VOR Murghab. So begegnen mir heute nur Autos und Motorräder, auch Fahrradfahrer_innen sehe ich heute keine.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
In Windeseile habe ich Murghab verlassen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die offene Straße voraus erwartet mich.

Zu Beginn fahre ich recht ebenerdig dahin, dafür weht mir ein stärkerer Gegenwind ins Gesicht. Als dieser nachlässt fängt auch die Straße an wieder zu steigen. Nicht steil, ich kurbele mich nicht im zweiten Gang hinauf, aber man merkt schon dass es den ganzen Tag bergauf geht.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Verschiedenste Felsfarben.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ich bin begeistert über die Schichtung dieses Berges

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Vertikal statt Horizontal

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Nach 25 Kilometern versuche ich mich an einer kurzen Snickers-Pause, werde jedoch sofort von einem Mückenschwarm aufs Korn genommen. So fahre ich zwei Kilometer weiter, als die Mücken mich jedoch auch dort finden, wird es mir zu doof. Die Snickers-Pause gibt es trotzdem, ich laufe dabei nur leicht irre auf und ab und wische mir alle 5 Sekunden die Beine ab.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick in Richtung Rangkul-Felskette. Hier gäbe es die Möglichkeit für 2-3 Tage eine Schleife zu fahren und nah an die chinesische Grenze zu kommen. Ich entscheide mich jedoch dagegen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Kirgisischer Friedhof

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Flache, gut asphaltierte Straße. Ein Genuss!

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nicht mit im Bild: Die Mücken die mich gerade umschwirren.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Tolle Muster an den Berghängen.

Bis zur Mittagspause wollte ich 45 Kilometer schaffen, doch schon ein Stückchen davor komme ich an einer so traumhaften Stelle an einem Bach vorbei, somit ziehe ich die Pause vor. Dort konnte ich auf glatt-geschmirgelten Steinen sitzen und die Füße ins Wasser halten. Die übliche Portion Ramen gibt es, anschließend sitze ich mit Kindle am Wasser. Zudem gibt es noch zahlreiche Pflaumen, Nektarinen und Äpfel, die ich in Murghab kaufen konnte. Wahnsinn wie sehr mein Körper sich nach frischem Obst sehnt, ich kann mich kaum zurückhalten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Mittagspause!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Am Bach.

Die Sonne knallt hier oben mit höchster Intensität. Es ist zwar nicht wirklich heiß, aber als ich nach einer halben Stunde meine Füße aus dem Fluss hebe, hat diese Zeit gereicht um mir die Füße ordentlich verbrannt zu haben. Nun, wenigstens ist sonst alles okay, ich schmiere mich alle 2-3 Stunden ein hier oben, das hilft. Auch hatte ich so oft von Reisenden mit verbrannten, aufgeplatzten, trockenen Lippen gelesen, dass ich mit Lippensonnenstift unterwegs bin. Dieser hat bisher einwandfrei funktioniert, bis zum Ende der Reise kriege ich keine aufgeplatzten Lippen.

 

DSC00369
Sagt mal, bin ich verrückt, oder seht ihr das auch?…
DSC00370
…. Der Berg schaut doch ziemlich skeptisch, oder?

Die Weiterfahrt verschönere ich mir mit Podcasts, es geht um die Entstehungsgeschichte Nordkoreas, Details zum Nordirlandkonflikt, zur islamistischen Revolution im Iran und zur Gründung der PKK, da vergehen die kommenden Kilometer ganz gut, erbauliche Literatur sieht aber irgendwie anders aus. Trotzdem wird es ab 50 gefahrenen Kilometern heute zäh. Die Strecke wird steiler, vom neunten schalte ich nun in den sechsten Gang, zudem setzt ein starker Gegenwind wieder ein. Trotzdem kämpfe ich mich dreieinhalb Stunden weiter, obwohl ich vor dem Mittagessen bereits vier Stunden gefahren war. Aber mir war klar das heute anstrengend wird, es ist der Aufstieg von Murghab zum Ak-Baital-Pass, da geht es nun mal bergauf.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick zurück: Es geht nun immer weiter hinauf.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

Nach 55 Kilometern kam eine alte Karawanserei, welche zur Zeit der Seidenstraße erbaut wurde. Daneben ein paar kirgisische Jurten, die als Homestay und Touristenbespaßung dienen. Schnell kommt ein Jugendlicher an und will mir anbieten auf seinem Kamel reiten zu dürfen. Ich sage, dass ich mein eigenes Kamel dabei habe und zeige auf mein Fahrrad. Lachend reitet der Jugendliche wieder davon und ich schwinge mich wieder aufs Rad.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Karawanserei

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Dung wird als Brennstoff getrocknet

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Yaks

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Marco-Polo Schaf

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich fahre relativ lange am Sicherheitszaun entlang, der den Beginn der chinesischen Sicherheitszone dahinter markiert. Entgegen vielen Berichten handelt es sich hierbei nicht um die wirkliche chinesische Grenze, sondern Tadschikistan hat im Jahre 2011 China 1000 Quadratkilometer ihres Staatsgebietes als Sicherheitspuffer überlassen, vorangegangen war ein Streit über Dekaden, bei dem China deutlich mehr Land gefordert hatte. (Quelle: https://www.bbc.com/news/world-asia-pacific-12180567 und https://web.archive.org/web/20110116030345/http://timesofindia.indiatimes.com/world/china/Chinas-area-increases-by-1000-sq-km/articleshow/7269616.cms )

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
So viel Wasser, nachher werde ich noch länger danach suchen müssen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die Berge ringsum werden höher

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Sicherheitszaun

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Dahinter: Chinesisches Staatsgebiet

Ich dachte der Zaun kommt erst nach dem Pass, aber auch heute fährt man dran vorbei. Es ist ein durchgehender Stacheldraht-Zaun, der von einem Jeep-Pfad flankiert wird. Aufwendige Überwachungstechnik sucht man vergebens, ich kann jedoch nicht sagen ob dahinter Bewegungsmelder vergraben sind. Ich bin mir ziemlich sicher, bei Übertritt wären in 20 Minuten ein paar Jeeps mit äußerst unkooperativen chinesischen Soldaten an Bord vor Ort. Ich probiere es lieber nicht aus.

Die Landschaft präsentiert sich jedoch heute wieder in ihrer vollen Schönheit. Teilweise leuchten die Berge in tiefstem Rot, bei anderen Bergen sah man die Schichtung der Gesteinsschichten, an anderen Stellen hat das herablaufende Schmelzwasser und Schnee wahnsinnige Muster auf den Bergen hinterlassen.

DSC00368
Muster von der Schneeschmelze

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Heute erwarten mich erneut zahlreiche Murmeltiere, die in der Mittagshitze lagen und sich sonnten, die waren wirklich nicht glücklich über meine Störversuche. Laut quickend rennen sie dann zum Bau, von wo aus ich kritisch beäugt werde.

DSC00371DSC00372

Zum Tagesende wandelt sich die Farbe der umliegenden Berge, zu den roten kommen nun auch grüne und sehr staubfarbene dazu. Auch wenn ich jetzt am Fuße des Ak-Baital-Passes stehe, man sieht nicht so wirklich wo der Weg lang geht und wo morgen der Pass sein wird. Der Ak-Baital-Pass führt nicht über den höchsten Punkt eines Bergrückens, sondern ist durch Sprengungen und Grabungen in den Berg eingelassen, so sieht man die Straße von hier unten schlecht. Aber zumindest die grobe Richtung steht fest.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Streckenweise wird der Weg schlechter, doch nie für lang.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Ziegenherde

Ich komme an ein paar schönen Campingplätzen vorbei, wollte aber noch ein bisschen weiter. Jeden Höhenmeter den ich heute schaffe, muss ich mich morgen nicht hoch zum Pass quälen. Den ganzen Tag habe ich Bäche und Flüsse neben mir gehabt, doch jetzt wo ich einen Zeltplatz suche, ist plötzlich kein Wasser mehr aufzufinden, alle Bachläufe sind vertrocknet. Man sieht es der Landschaft an, dass hier im Frühsommer, wenn die Schneeschmelze einsetzt, die Hölle los sein muss, überall stehen befestigte Wasser-Ableitungen, teilweise sogar mit künstlich angelegten Wellenbrechern, die wohl versuchen sollen die Kraft des Stroms zu verkleinern und das Wasser auf der Ebene zu verteilen. Zudem sieht man kaputte Brücken, die dem Wasserdruck zum Opfer gefallen sind. Doch jetzt, da liegt alles komplett verwaist und vertrocknet.

Ich wollte nach 63 Kilometern heute aufhören, da ich aber gerne neben einem Gewässer zelten will, fahre ich weiter. Nach 68 Kilometern, wobei die letzten wirkliche Quälerei waren, finde ich nun ein kleines Bächlein abseits der Straße. So schiebe ich mein Fahrrad zum Ufer, das dürfte heute die Campstelle sein, die am weitesten von der Straße entfernt ist, die letzten Tage musste ich nicht so weit laufen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Dafür ist der Zeltplatz toll, neben dem kleinen Bach ist eine saftig-grüne Wiese fürs Zelt, und auch die Heringe halten im Boden super. Dafür muss ich sie heute zur Abwechslung auch mit einem Stein einschlagen. Auch liegt der Platz windgeschützt in einer Kuhle, mit Blick auf die umliegenden Berge.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Kleiner Bachlauf

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Der Bach entspringt dem Schneefeld rechts oben auf dem Berg

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich bin heute früh in Murghab auf 3620 Metern gestartet, nun bin ich auf 4330 Meter, habe also über 700 Höhenmeter bergauf geschafft. So habe ich morgen bis zum Ak-Baital-Pass nur noch um die 300 Höhenmeter zu absolvieren. Diese verteilen sich allerdings auf ziemlich kurze 8 Kilometer, es wird morgen also nochmal richtig steil werden. Nun, wird schon irgendwie klappen. Seit Wochen zerbreche ich mir den Kopf über den Ak-Baital-Pass und nun wo ich es bis hierher geschafft habe, bin ich ziemlich entspannt. Wird machbar und wenn nicht, dann schiebe ich halt zwei Kilometer.

Ich habe wie vorhin schon beschrieben deutlich weniger Verkehr auf der Straße mitgekriegt. Heute habe ich mitgezählt: Insgesamt haben mich 34 motorisierte Fahrzeuge überholt, ich vermute das hatte ich auf dem Weg nach Murghab schon allein an LKWs, ohne die PKWs zu zählen. Und das ist natürlich nichts verglichen mit dem Verkehr unten am Panj. Man merkt also, dass hier deutlich weniger Verkehr unterwegs ist.

Ich gönne mir noch eine Katzenwäsche am Bach, es ist jedoch ziemlich kalt, lang halte ich das nicht aus.

Ich bin ja heute früh vollbepackt in Murghab los, Essen für mehrere Tage, Gemüse, Konserven und auch mit sechseinhalb Liter Wasser und einem Liter Benzin. So gönne ich mir zum Abendessen leckere Pasta mit der schweren Tomatensoße aus der Glasflasche. So baut man Gewicht ab. Wobei, die Glasflasche muss ich ja trotzdem wieder mitnehmen morgen. Dazu gibt es Paprika und Gurken. Besonders die Gurken sind putzig klein, kein Vergleich mit den gezüchteten Gurken die man hierzulande im Supermarkt findet.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Es dauert ewig bis das Essen zubereitet ist, auf 4300 Metern kocht das Wasser zwar früher, jedoch brauchen Nudeln bei ca. 80°C doch deutlich länger, bis sie essbar al dente sind. Doch das Essen schmeckt vorzüglich und wird komplett aufgegessen. Anschließend mache ich mir noch einen vollen Topf Tee. Ich kann hier das Wasser direkt aus dem Bach nehmen, bis auf mögliche Verunreinigung durch die Murmeltiere dürfte es sauber sein und wird ja zum Teekochen abgekocht. So brauche ich nicht meine Trinkwasservorräte anbrechen, kann für die Nudeln und den Tee einfach das Wasser aus dem Bach nutzen. So habe ich für den Passaufstieg morgen noch 3 Liter übrig, evtl. werde ich in der Früh noch ein bisschen Wasser filtern.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Der Tee ist hochwillkommen, es ist nämlich bitterkalt geworden hier oben. Die Sonne ist hinter den Bergen verschwunden und das Zelt liegt nun im Schatten, wobei mir schnell die Kälte in die Knochen kriecht. Am Abend zeigt mein Thermometer 8°C an, dies verändert sich sicher noch mal in der Nacht. Doch mein Schlafsack ist dick und warm, da brauche ich mir keine Sorgen machen. Und es bleibt das Hochgefühl auf 4-3-0-0-Metern zu campen! Wenn es mich nicht irgendwann in den Himalaya oder in die Anden zieht, werde ich wohl nie einen höheren Schlafplatz haben. Die Höhe macht mir dabei erstaunlich wenig aus, ein leichter Kopfschmerz am Abend, aber sonst nichts.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Abendstimmung am Camp, schnell wird es kalt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ich habe heute 69 Kilometer hinter mich gebracht und wenn ich morgen den Anstieg bis zum Ak-Baital-Pass hinter mich gebracht habe, geht es mehrheitlich bergab bis zum See Karakul. Zwar wurde ich vorgewarnt dass die Straße ziemlich schlecht wird, aber wenigstens Bergab.

Nach einem kurzen Blick auf die Sterne (bei diesen Temperaturen kann ich mich noch zu einer kurzen Fotosession überwinden, anschließend krieche ich in meinen Schlafsack.
(Und erneut wünsche ich mir, dass mir jemand die Bildbearbeitung für Nachtaufnahmen beibringt 😉 Es sah nämlich in Echt hundertmal besser aus. Besonders die Milchstraße mit nacktem Auge zu sehen ist fantastisch.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

OLYMPUS DIGITAL CAMERA