Tag 10: Göteborg – Sikhall
(Zum vergrößern der Route Bitte das Bild anklicken)
Das Knie ist ausgeruht, die Lust auf das Radfahren zieht mich förmlich nach draußen. Nach einem tollen Frühstück verabschiede ich mich von Janka und Michal, die absolut tolle, geduldige und interessante Hosts waren. Wir schießen noch ein Abschiedsfoto vor der Tür, dann mach ich mich auf den Weg.
Ziemlich schnell bin ich aus Göteborg draußen, auf schicken Radwegen entlang der E45. Diese Straße werde ich bis weit in den Norden folgen, teilweise auf der Straße direkt, teilweise auf Parallelstraßen. Aber ein eigenartiges Gefühl, zu merken, dass diese Straße für knappe 2000km nun mein ständiger Begleiter sein wird.
Es geht dann direkt am Fluss, der nach Trollhättan und zum Vänernsee, meinen heutigen Zielen führt, entlang. Auf einer schönen Nebenstraße kommt plötzlich ein Schwede aus dem Haus gelaufen und hält mich an. Er erklärt mir, dass in 2km Entfernung die Straße komplett aufgerissen ist, gibt mir aber eine Alternativroute, die nur leider einen steilen Anstieg auf einer nassen Sandpiste hat. Hier schalte ich erstmalig auf der Tour in den ersten Gang, leider hilft dies auch nichts, der Weg ist einfach zu steil und lang, mein Rad jedoch zu schwer. So schiebe ich mühevoll das Rad den Berg hoch, so kommt man wenigstens auf Touren.
Kurz zuvor habe ich ein Pärchen auf Radreise getroffen, die ebenfalls aus Berlin kommen (die Welt ist klein!), sie fahren jedoch nach Stockholm weiter. So halten wir einen netten Plausch am Wegesrand.
Danach geht es endlos Kilometer auf einer Landstraße voran, die hügelig ist wie sonst noch was. Scheint wohl die Einstimmung auf den Norden zu sein, kaum geht es mal ein paar Meter runter, kommt gleich der nächste Hügel in Sicht.
Dafür sind die Ausblicke sensationell schön, viel Weideland, aber auch mehr und mehr Wald.
Spätestens nach Trollhättan und Vänersborg, nach der Ankunft am Vänernsee wird es spektakulär. Der Vänernsee ist gigantisch. Mit über 5500 Quadratkilometern ist es der größte See der EU und der drittgrößte See Europas, wobei die anderen beiden in Russland liegen. Die Länge des Sees liegt bei 150km, und im der Breite sind es auch über 80km. Kein Wunder also, dass man nur dort die andere Seite sieht, wenn man in einer großen Bucht ist oder auf eine der 22.000 Inseln blickt. Wie bereits geschrieben, gigantisch!
Andere Seite in der Ferne
Dazu scheint dies gerade die Übergangsphase zwischen Süden und Norden ein. Ich fahre jetzt deutlich öfter durch wunderschöne Wälder, mit dem markanten grauen Steinbouldern dazwischen, die moosbewachsen im dichten Wald thronen. Am Waldboden sind Blaubeeren zu entdecken, auch wenn diese lange noch nicht reif sind. Aber zwischendrin lichtet sich der Wald zu großen Freiflächen, die noch landwirtschaftlich genutzt werden und auf denen die klischeehaften roten Schwedenhäuser mit schicken Gärten stehen.
Der Sverigeleden begleitet mich nun Stückweise mehrere Tage. Dieses Radnetz läuft durch ganz Schweden und umfasst über 9900km Wegstrecke. Leider liegen nur kleine Teile günstig für meine Tour.
Nach dem Ruhetag gestern fühle ich mich heute super, das Knie hat mehrheitlich aufgehört wehzutun und so knacke ich die 100km auf dem Weg zum Campingplatz. Diesen erreiche ich nach 110km insgesamt am Ufer des Sees, mit tollem Panoramablick über Teile des Sees. Damit ist ganz knapp der Rekord des bisher längsten Tages auf Tour überboten.
Abends treffe ich am Platz noch zwei Camper aus Karlsruhe, die mir netterweise ein Radler vorbeibringen und spannende Geschichten über ihren gerade gekauften 1970er-Mercedes Camper zu erzählen haben.
Der Brüller
Besonders die letzten 30km des Tages haben es mir angetan, abwechslungsreiche Ausblicke, eine gut geteerte Straße und wenig Verkehr. Das angenehmste heute: eigentlich ging es nur geradeaus, der Blick huschte nur selten aufs Navi. So kann die Seele ein wenig baumeln und ich kann die Landschaft in mich aufsaugen.
Dazu kam das gute Wetter, teilweise zwar bedeckt, aber nie richtig kalt, später mit genug Sonne um ordentlich ins schwitzen zu kommen bei den Anstiegen.
Morgen hingegen erwartet mich wohl viel Regen, aber nach dem Motivations Schub, den ich durch den heutige Tag erlangt habe, werde ich das wohl auch durchstehen.
Tag 11: Sikhall – Mitten im Nirgendwo nahe Kila
Obwohl es beim aufwachen um 5 Uhr noch ein wenig regnet, hat sich das zum Glück bis zum Aufstehen gelegt.
Inzwischen läuft das Packen in der Früh relativ reibungslos, wenn auch langwierig. Mit Frühstück und Duschen brauche ich immer 2 Stunden.
Schnell bin ich wieder auf der Route von gestern und fahre auf verkehrsarmen Landstraßen nach Mellerud. Die ersten 15km werde ich nicht von einem Auto überholt. In Mellerud zapfe ich das WLAN des Örtlichen Kiosk an (höchst empfehlenswert) und mach mich dann weiter auf den Weg.
Dabei gibt es abwechslungsreiche Bodenbeläge heute. So lege ich mehrere Kilometer auf Sand/Erdpisten zurück. Unter diesen ist nun aber keine Zentimeterdicke Sandschicht zu verstehen, vielmehr sind das relativ fest gepresste Naturwege, auf denen sich hervorragend fahren lässt und die auch bei Regen nicht aufweichen. Danach geht es aber auch über mehrere Stunden auf der E45 voran, was zum Glück weniger gruselig ist, als erwartet. Noch ist der Seitenstreifen breit genug, dass ich mit Sicherheitsabstand zu den Autos fahren kann. Habe allerdings gehört, dass an manchen Stellen dies nicht mehr der Fall ist und man dann recht Gedrängt auf der Fahrbahn fährt.
Mehr Fakten zur E45, diese ist mit 1680km Schwedens längste Straße und heißt häufig auch Inlandsvägen. Die A7 in Deutschland bringt es dagegen nicht mal auf 1000km. Beeindruckend der jetzt so lang zu folgen.
Mittagspause findet heute in einer Bushaltestelle statt, Wind geschützt, warm, gemütlich.
In Åmål gibt es dann eine weitere Pause, zudem erhalte ich in einer Pizzeria ohne viel aufhebens frisches Wasser nachgefüllt.
Nun zur Kür des Tages, noch einmal über eine einigermaßen leere Landstraße. Heute ist kein Campingplatz in Reichweite, so war auch klar, dass ich Wildcampen werde. Da aber noch Energie vorhanden ist, fahr ich einige Kilometer den Weg lang, immer Ausschau haltend nach einem guten Spot. Da die Wolken hinter mir grauer und dunkler werden, beschließe ich es gut sein zu lassen und finde auf einem Waldweg einen akzeptablen Ort für die Nacht: Nicht von der Straße einsehbar aber nicht zu weit ab vom Schuss, ebenerdig und ohne spitze Gegenstände, die meiner Luftmatratze zuleibe rücken könnten. Schnell stelle ich das Zelt auf, parke das Rad im Wald und bin mit all meinen Taschen zur genau richtigen Zeit im Zelt, es fängt dann nämlich ordentlich an zu regnen.
So bin ich den ganzen Tag trocken gefahren, obwohl Regen angesagt war, und kann diesen nun im Zelt aussitzen. Beim Wildcampen hat man auch deutlich mehr Zeit, der Check-in entfällt, ich muss nicht zur Küche und zu den Sanitäranlagen laufen. Nur dürfte bei zukünftigen Wildcamp Nächten ein See in der Nähe liegen, man merkt schon, dass es im Zelt doch ein wenig riecht. Nur gut dass ich hier allein bin und nur meiner eigenen Nase Rechenschaft schuldig bin. 😉
Wegen dem starken Regen koche ich im Vorzelt, muss also nicht noch einmal vor die Tür. Das ist zwar ein Balanceakt mit all dem Zeug, dass im Zelt verstreut ist, aber das Risotto schmeckt vorzüglich, ich hab es mir nach knapp 99 km auch wirklich verdient.
Mit einem guten Buch, Big Bang Theory und Simpsons auf dem Handy, sowie Schokolade zum Nachtisch klingt dieser Tag gemütlich aus.
Morgen absolvieren ich die letzten Kilometer entlang des Vänernsee, dann geht es weiter gen Norden. Unter anderem auf der Klarälvbanan, etwas worauf ich mich seit Wochen freue. Was das ist? Das werdet ihr morgen erfahren.
Tag 12: Kila – Ransäter
(Zum Vergrößern der Route bitte das Bild anklicken)
In der Nacht hat der Regen aufgehört, so kann ich in der Früh ein einigermaßen trockenes Zelt einpacken. Empfindlich kalt ist es trotzdem, so erledige ich Frühstück und zusammenpacken drinnen, als letzter Schritt wird dann abgebaut und schon bin ich unterwegs.
Bedeckt ist es, ansonsten aber ganz schön und so fahre ich ziemlich schnell nach Grums (was ein lautmalerischer Ort!)
Auf dem Weg dorthin erreiche ich einen langersehnten Meilenstein:
Stolzer Tachobesitzer samt Belohnung für die bisherigen Mühen
Damit ist dies offiziell meine längste Radtour, bisher waren dies die knapp 700km in 8 Tagen nach Kopenhagen letztes Jahr.
Und hey, nur noch 3,5x die selbe Distanz, schon ist die Tour zu Ende. Wie schwer kann das schon werden? 😉 (Berühmte letzte Worte?)
Es wird nördlicher von der Optik her.
In Grums gibt es erstmal Zimtschnecken als zweites Frühstück, dann fahr ich weiter nach Kils, mache dort Mittagspause und bin dann bald auf der gestern erwähnten Klarälvsbanan. Zur Auflösung: Hierbei handelt es sich um eine alte Bahnstrecke entlang des Flusses Klarälven, die 2007 in eine asphaltierte Strecke für Radfahrer_innen, Passant_innen und für sonstige Freizeitaktivitäten umgewandelt wurde.
Das bedeutet: Perfekter Asphalt, kaum Steigungen (da alte Bahnstrecke), malerische Ausblicke auf den Klarälven und manche Abschnitte die so kerzengrade sind, dass man teilweise das Gefühl hat, man kommt nicht vom Fleck. Dies insgesamt auf 90km Länge, wobei er danach in den Klarälvsleden übergeht, den ich auch noch ein paar Km befahren werde.
Der Weg hat eigene Entfernungsschilder und eine Brücke sogar Blumenkästen!
So Rolle ich in der inzwischen rausgekommenen Sonne mit einem Affenzahn dahin und genieße es nur noch. Nicht mehr auf Verkehr achten, nur die Landschaft genießen.
Unterwegs finde ich diesen perfekten Pausenplatz, den ich für eine Lesepause nutze. Geht so lange gut, bis ich in der Sonne einschlafe und eine Stunde vor mich hin penne.
Abends komme ich an einen Campingplatz und kümmere mich schnell darum, endlich meine Wäsche zu waschen, das hatte ich vor Tagen schon vor. Mein Zelt ist noch nicht fertig aufgebaut, und es ist nicht mit Heringen verankert. Groß ist also mein Schreck, als ich aus der Waschküche komme und das Zelt (welches 5kg Ballast drin hat) gerade von einer Böe erfasst sehe, und wie es auf den 10m entfernten Fluss zugetrieben wird. Ich renne so schnell ich kann und kann es gerade noch am Schilf abfangen. Grade noch einmal gut gegangen, wobei Gut relativ ist: Die Wiese ist wohl ein Aufenthaltsort für Enten, so ist mein Zelt durch mehrere Entenhaufen gerollt, die wunderschöne Flecken auf dem Innenzelt hinterlassen haben. Na dankeschön!
Zum Abendessen gibt es dann eine ganz besondere Leckerei: Baked Beans und dazu geriebenen Käse. Und weil ich nach 70gr. Käse mir dachte “ach scheiß drauf, der Käse wird morgen eh schlecht”, wurden es halt 250gr. Käse. Kann man machen, muss man aber nicht. Geschmeckt hat es bei dem Sportlerhunger trotzdem.
Insgesamt habe ich heute wieder mein Pensum erreicht. Der Track oben behauptet zwar was anderes, dass aber nur, weil ich nach einer Pause vergessen habe das Tracking wieder zu aktivieren. Insgesamt waren es laut Tacho heute 102km.
Morgen geht es bei angeblich besten Wetter auf der Klarälvenbanen weiter, ich bin gespannt.
Mora als Ziel der nächsten Tage.