Tag 16 – 18 : Mora – Östersund

Tag 16: Mora – Fågelsjö

Der Tag beginnt mit Regen, der auf meine Hütte prasselt, so drehe ich ich entspannt noch einmal um. Nach dem Packen, Duschen und Frühstücken, belade ich das Rad und bin vorsichtig optimistisch gestimmt, da das Hinterrad noch genauso prall ist wie gestern. 

Schnell verlasse ich Mora, dann geht es ein Stück auf dem Siljansleden nach Orsa, bevor ich auf die E45 zurück schwenke und dieser für den Rest des Tages folge. 

Der See erstreckt sich von Mora über 15km bis nach Orsa. 

Das Wetter heute ist wohl nur als unbeständig zu beschreiben: Bewölkt, ab und zu mal hauchfeiner Nieselregen und schweinekalt. Kalt in dem Sinne, dass ich nach jedem steileren Anstieg meine Windjacke und das darunterliegende T-Shirt nassgeschwitzt habe, nur um dann auf den geraden Stücken erbärmlich zu frieren. Zum ersten Mal auf dieser Tour kann ich meinen Atem sehen, während ich mich die Anstiege hinaufquäle. 

Das sind die nächsten zwei relevanten Orte auf der Route. Langsam dehnt sich alles ein wenig aus. 



So geht es hinter Orsa relativ schnell bergauf, ich verbringe über eine Stunde damit, im 3. Gang bei 7-8km/h vor mich hin zu kurbeln wie ein Verrückter. 

Bald treffe ich auf einen entgegenkommenden Radfahrer, und beim Gespräch stellt sich heraus, dass er in Finnland gestartet ist und nun dermaßen die Schnauze voll hat vom schlechten Wetter in Mittelschweden. Er will in Mora einen Bus an die Küste nehmen, um von dort nach Deutschland zurückzufahren. Auch berichtet er, dass die Schweden alle am Fluchen sein, ob des schlechten Wetters und es dieses Jahr wohl besonders schlimm sei. In diesem Sinne: Ich wäre dann bereit für einen richtigen Sommer in Schweden, bisher hat es eher so April-Feeling. 

Mittagspause mache ich in einem winzigen Tankstellenrestaurant im witzig klingenden Örtchen Noppikoski (ganz nah bei Pilkalampinoppi… Nur damit ihr das wisst!), endlich mal drinnen sitzen, auf nem Stuhl und warme Pommes in mich reinstopfen, dass war die Pause auf alle Fälle wert. 

Danach wird es dann zwei Mal noch richtig steil, anschließend habe ich aber das schlimmste überstanden, es geht relativ flach weiter voran. 

Nach knappen 90km passiere ich einen vernagelten und abgesperrt Campingplatz, damit ist klar, dass heute Nacht wild gezeltet wird und ich kann mir selber überlegen, wann ich anhalte.
Jetzt habe ich tagelang keine Radreisende getroffen und begegne nun an einem Tag gleich zwei: Abends kommt mir eine Schwedin entgegen, die aus Nordfinnland an die schwedische Südspitze fährt. Wir sind etwa zur gleichen Zeit gestartet und tauschen ein paar schnelle Anekdoten aus. Ich muss sie leider wegen dem Campingplatz enttäuschen, dabei hatte sie bereits 130km hinter sich. 

Nach 106km entdecke ich selber eine perfekte Stelle für meine Übernachtung: Schön am Fluss gelegen, und nah an der Straße, somit kein Umweg, baue ich mein Zelt auf dem einzig vorhandenen Stück Wiese auf und genieße in Ruhe den Abend. 

Mein Reifen ist immer noch so prall wie gestern, mein Lader lädt fleißig vor sich hin, das Knie hat sich schmerzmäßig zurückgehalten und ich hab endlich mal wieder über 100km geschafft. Mit diesem Wissen verbringe ich den Abend im Zelt lesend, Musik hörend und natürlich gibt es ein reichhaltiges Abendessen (Dosen-Ananas als neuer Geheimtipp!) 

Morgen soll es wohl durchgängig regnen, allerdings nicht sonderlich stark. Ich bin gespannt. 

Tag 17: Fågelsjö – Rätan 

Der Tag beginnt relativ früh, aber dafür trocken. So packe ich schnell alles zusammen, bevor sich der Himmel es noch anders überlegt.

Die ersten 20km flutschen einfach, ich fahre zügig, relativ flach dahin. Nach knappen 30km, kurz vor der Ortschaft Sveg, setzt der angekündigte Regen dann auch ein, und ich schmeiß mich in volle Regenkluft. Dabei schaffe ich es irgendwie, mein Handy in der Lenkertasche anzulassen, und prompt werden auf den holprigen Straße auf den nächsten vier Kilometern zahlreiche Leute aus meiner Kontaktliste angerufen, oder erhalten eine SMS. Sorry noch mal deswegen. 
Wie ich so im Regen auf einer Waldstraße stehe, kommt plötzlich eine Maus angeeilt, die den Platz neben meinem Fuß für betrachtungswürdig erachtet. Ist vielleicht nicht sonderlich intelligent, aber da sie sich bereitwillig fotografieren lässt, finde ich es sehr, sehr niedlich. 

Die nächsten Kilometer vergehen in einem Schleier aus Nebel, Regen, Kälte und zusammengebissenen Zähnen. Bei dem Wetter habe ich natürlich kein Bedürfnis anzuhalten und eine Mittagspause einzulegen, einfach weil es nirgends trocken ist. So kehre ich erst nach 73km zu einer Mittagspause in einer Dorfpizzeria ein. Der dort gereicht Burger ist zwar höchstens Mittelmäßig, dafür aber günstig, ich habe einen Platz neben der Heizung und darf so lange bleiben wie ich will. Dieses Angebot nehme ich an, verlasse erst nach 2 Stunden ausgeruht und getrocknet das Restaurant. Der Vorteil einer so späten Mittagspause: Den Großteil der Strecke hat man bereits erledigt. 

So fahre ich im wiedereinsetzenden Regen weiter. Heute ist relativ flach, auch wenn ich trotzdem ordentlich Höhenmeter sammel, aber diese sind eher in Wellen, nicht an einem Stück. Liegt auch daran, dass ich vorhin mal meine Route auf dem Navi angeschaut habe, und mich wunderte, ob ich wirklich der Abzweigung folgen sollte, wie vom Navi vorgeschlagen. Sah ganz gut aus, bis ich plötzlich die Stelle entdeckte: Auf knapp 3km Wegstrecke sollte ich plötzlich 500 Höhenmeter, kurz danach noch mal 300 Höhenmeter zurücklegen. Mein Navi zeigt schön bunt die Skilifte als Icons an, die sich da in der Nähe befinden. 

Ne danke, dann lieber Hauptstraße. War auf alle Fälle die goldrichtige Entscheidung, das blieb relativ flach. Keine Ahnung was sich mein Navi dabei gedacht hatte beim Routen planen. 

Schon seit Tourbeginn spiele ich das Spiel “Was finde ich alles im Straßengraben”. Das ist seit Schweden, besonders seit der Wald eingesetzt hat, deutlich spannender geworden. Ein kurzer Ausschnitt meiner bisherigen Favoriten, ich bin sicher da wird noch mehr kommen:

  • Eine Neil Diamond CD (Sorry Mama, kein Platz in der Tasche) 
  • Genug Radabdeckungen, um eine Vollverkleidung für mein Fahrrad daraus zu basteln. 
  • Tausende Snus-Packungen (der schwedische Tabak, den man sich unter den Gaumen legt) 
  • Leider eine Mahnstelle/Grabstelle für ein Kind, samt Lieblingsfußballtrikot und Stoff-Teddy. 
  • Und dann vorhin das Highlight: Bei einem kleinen Pausenplatz, der wohl häufig als Klo genutzt wird (siehe: 100te Taschentücher überall), liegen plötzlich dazwischen 3 tote Fische auf der Wiese verstreut. WTF? 

Nach 117km (neuer Rekord, wohoo!) biege ich auf einem Naturcampingplatz ab. Das bedeutet: Keine Rezeption, keine Duschen, aber dafür weit günstiger. Und für 5 Euro stell ich mich direkt an den See. Der Rätanjön war früher wohl nur 10m breit, nun hat man den aber aufgestaut zur Energiegewinnung und er ist mindestens 500m breit, beeindruckend anzuschauen. 

Nach dem Zeltaufbau muss ich mich nun doch überwinden, nachdem ich gestern einfach im Zelt verschwunden war: Waschtag steht an. Handtuch und Seife steht bereit, und mit einem tiefen Unbehagen quäle ich mich ins Wasser. Dies ist laut Zeltnachbarn mollige 12° warm, da muss alles schnell gehen. Beim Untertauchen bleibt einem kurz die Luft weg und nach dem Einseifen kostet es einen Berg an Überwindung, den Tauchgang zu wiederholen. 

Da fahr ich den ganzen Tag im strömenden Regen und friere mir einen ab, und Abends bin ich blöd genug, in nen kalten See zu springen. Sachen gibt’s. 

Wenigstens ist die Befriedigung danach umso höher, als ich zum Zelt zurück eile und mich in meinen Schlafsack mümmel, bis ich meine Extremitäten wieder fühlen kann. 

Später kommt tatsächlich die Sonne raus und beleuchtet den See in den wunderbarsten Farben. 

Nach dem Essen ziehe ich mich ins Zelt zurück, zufrieden mit der heutigen Leistung und morgen habe ich nur noch 90km bis Östersund, wo ich abends eine Warmshower-Einladung habe. 

Tag 18: Rätan – Östersund (Frösön) 

Heute kann ich mich nicht dazu zwingen aufzustehen, so wird sich einige Male umgedreht. Über Nacht blieb es trocken, so kann ich das Zelt trocken einpacken und mein Frühstück am See genießen. 

Schnell abgebogen auf die E45 und schon geht es weiter auf dem Asphalt. Zu Beginn ist der Weg schön flach, so schaffe ich über 20km in der ersten Stunde. Habe heute übrigens mitgezählt, 14 Autos überholen mich in der Zeit, ist also wirklich entspannt und kaum eine Beeinträchtigung. Und diese Anzahl wird sicher noch abnehmen, je weiter ich nach Norden komme. 

Die Landschaft ähnelt der, der letzten Tage, viel Wald, dazwischen Brücken über massive Flüsse und häufig schlängelt sich der Weg entlang einem der großen Seen. 

Die 60km sind schnell zurückgelegt, so mache ich um 12 Uhr pünktlich Mittag. Ich genieße es, mehr als die Hälfte vor dem Mittagessen geschafft zu haben, dann hat man das Gefühl, dass es nach der Pause nicht mehr weit ist. 

Nach dem Mittagessen wird es deutlich hügeliger, das hat den Vorteil, dass man die Bergkette in Richtung Norwegen sieht. Und da liegt tatsächlich noch Schnee, ich bin beeindruckt. 

Kurz nach diesem Ort:

Da hätte ich auch gerne eine Postadresse 😉 

Biege ich von der E45 ab, um eine “Abkürung” zu nehmen. Ich will nämlich nicht nach Östersund rein, sondern habe eine Warmshower-Übernachtung auf der vorgelagerten Insel, Frösön, organisiert. Diese “Abkürzung” ist knappe 18km lang, besteht aus festen Sand mit viel Schotter drauf und würde durch die Vielzahl drüberfahrender Autos zu einem astreinen Waschbrettprofil umgeformt. Es. Rüttelt. Also. Ganz. Schön. Nämlich so viel, dass die Arme und Hände taub werden und gesund kann es nicht sein, wo doch das Hirn dauernd hin und her schwappt. Bloß gut, dass der Weg dann auch ein kontinuierliches Auf- und Ab ist, wo kämen wir denn hin, wenn ich nicht die ganze Zeit im zweiten Gang keuchen müsste? 

Blick auf Östersund, Frösön

Ihr seht also, “Abkürzung” war mal wieder ein Griff ins Klo, trotzdem komme ich nach über einer Stunde an der Brücke rüber nach Frösön an. 

Blick auf Östersund

Dort sind es dann noch 6 steile Kilometer, und dann bin ich nach 93km schon am frühen Nachmittag am Haus meines Host. Und was ein tolles Haus das ist. Mit der herauskommenden Sonne sitzen wir bei einem Glas Wasser vor dem Haus und genießen diesen Blick:

Rechts die Berge, noch mit Schnee drauf, dahinter Norwegen und vor uns der gigantische See Storsjön, der über 450 Quadratkilometer einnimmt!

Eichhörnchen und Vögel jagen sich durch den Garten und mein Host ist ein absoluter Outdoorfreak, von mehrwöchigen Schneeschuhwanderungen bei – 30°, bis hin zu mehreren extrem langen Radtouren ist alles dabei, und er berichtet mir davon detailliert. Schön dass dieses Treffen geklappt hat. Denn den Kontakt hatte ich eigentlich mit seiner Freundin, diese weilt aber gerade in Stockholm, trotzdem haben beide mir erlaubt, hier die Nacht zu verbringen. Nebst richtig leckerer Pasta komme ich so nach 3 Tagen erstmalig unter eine Dusche, und kann meine Wäsche endlich waschen. 

Morgen geht es dann weiter in die Wildnis, laut derzeitigem Wetterbericht bei katastrophal viel, dauerhaft anhaltenden Regen! Soll aber nur ein Tag sein, mal sehen wie sich das ergibt. Zudem habe ich heute festgestellt, dass ich in Laufe des Tages die Hälfte der Strecke in Schweden überschritten habe. Wahnsinn was das Land für eine Ausdehnung hat, aber gut zu wissen, dass über 50%bereits geschafft ist .