Tag 13 – 14 : Ransäter – Mora

Tag 13: Ransäter – Värsjön

Der Tag beginnt nass. Beim ersten Aufwachen höre ich Regen aufs Zeltdach trommeln. Schließlich packe ich im Zelt zusammen, nutze dann eine Regenpause um das Zelt zu zerlegen und frühstücke dann gemütlich vor dem Haupthaus des Campingplatzes. 

Kaum habe ich mich um Viertel vor 10 auf den Weg gemacht, fängt es wieder zu nieseln an. Ey Wetterbericht, so war das nicht ausgemacht, ich wollte heute Wäsche trocknen. 

Die ersten 25km geht es durch den Nieselregen auf der Klarälvsbanan weiter Richtung Norden. Als ich überlege, ob die Hose nun nicht genug durchweicht ist, ebenso der Pulli, und ob ich nicht vielleicht doch Regen Klamotten anziehen sollte, hört der Regen endlich auf. 

Damit kann ich zur Mission des Tages kommen: Wäsche trocknen. 
Mama fragte mich die Tage entgeistert, wie ich das denn mit dem Trocknen am Rad mache, deswegen hier ein paar Fotos von meinem mobilen Wäscheständer. 

Die Klarälvsbanan hört in Hagfors auf, geht aber fast nahtlos in den Klarälvsleden (Leden=Weg) über. Dieser ist nun allerdings kein dezidierter Weg mehr für nicht-motorisierte Fortbewegung, sondern ist auf regulären, wenn auch Verkehrsarmen Straßen angelegt. 

60. Breitengrad, eine Höhe mit St. Petersburg, Südspitze Grönland

So geht es immer am Klarälven entlang, bis ich mich nach 60km zu einer Mittagspause entschließ. Inzwischen bollert die Sonne volle Kanne, also wird auch die Mittagspause zum Trocknen genutzt.  

 Nein, meine Taschen sind nicht explodiert, dass soll so… 

Klingt jetzt erstmal nicht so verlockend. 

Kurz nach dem Mittagessen begehe ich einen Fehler in der weiteren Routenplanung: Plötzlich kommt ein Wegweiser nach rechts, auf dem “Malung 53km” draufsteht. Nach Malung will ich morgen, könnte also den Weg nehmen. Ich entschließen mich allerdings wie zuvor geplant weiter dem Klarälvsleden zu folgen, da dieser mir so gut gefällt. 

Nach 2km führt der Weg über eine Brücke über den Klarälven. Statt auf der bisherigen Uferseite einer Landstraße zu folgen, haben die Planer entschlossen, es wäre sinnvoller, auf der anderen Seite entlang eine Sandpiste zu fahren. Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen hat diese aber Stellenweise richtige Geröllbrocken, etwa 4x4x4cm groß, als Bodenbelag. Wie scheiße es sich darauf fährt und wie anstrengend die Fortbewegung ist, muss ich wohl kaum darlegen. Über 18km kämpfe ich mich diese Straße lang, manchmal wirklich nur noch in Schrittgeschwindigkeit und verbrate dabei mehr Energie als auf der doppelten Strecke auf Asphalt. 

Wenn das nun wegen dem Verkehr auf der Landstraße gewesen wäre, könnte ich es nachvollziehen. Aber gelegentliche Panoramablicke zur Landstraße zeigen, dass da höchstens alle paar Minuten ein Auto vorbeifahren. Absolut unverständlich diese Routenführung! 

Schweden ist Wetter technisch wirklich hinterher, hier steht noch kaum ein Pflänzchen, in Deutschland waren da schon Getreidefelder. 



Nach diesen Kraftraubenden 18km kehre ich in eine Tankstelle ein, die mir dankenswerterweise die Flaschen auffällt. Bisher hat jeder, egal ob Privatperson, Restaurant oder Tanke mir ohne großen Aufhebens die Flaschen aufgefüllt, ich bin begeistert. 

Nach der Tanke ist es ein langes Stück bergauf, zwar nicht sonderlich steil, aber über mehrere Kilometer im niedrigen Gang kurbeln geht an die Substanz. 

auf dem Inlandsvägen bleibe ich nun fast ausschließlich für die restliche Strecke durch Schweden.

Siehe das Höhenprofil zum Ende der Strecke. Das nenne ich einen Aufstieg. 

Nach 10km erreiche ich einen kleinen Feldweg, der an einem größeren See entlangführt. Diesen Platz hatte ich als Übernachtungsstelle rausgesucht, auch in der Hoffnung, vor dem Schlafen noch kurz in den See springen zu können und die Hitze & Sonnencreme des Tages abwaschen zu können. Nach einem Kilometer auf diesem kaum vorhanden Pfad zeigt sich jedoch, dass dieser Wunsch Illusion bleiben wird. Der Weg kommt einfach nicht nah genug ans Wasser, immer bleiben dazwischen 300m Luftlinie  Sumpf, Wald, Steinbrocken. 

So kehre ich wieder um und schlage ich kurz bevor der Weg wieder auf die Hauptstraße trifft in die Büsche. Der Platz ist schön, ein Bad wäre halt netter gewesen. 

So habe ich heute insgesamt 103 km zurückgelegt und habe morgen *trommelwirbel* noch über 40km nach Malung… Ich hätte diese Abkürzung fahren sollen, echt jetzt! 

Heute war nach der Regenkapriole am Anfang ein hervorragend sonniger Tag. Das wird sich allerdings Morgen ändern, ab 11 Uhr sind da heftige Schauer angesagt. Zudem werde ich mich laut Wetterauskunft morgen durch 24km/h Gegenwind kämpfen dürfen. Auch dass der Regen zwar schwächer, dafür aber 5 Tage am Stück vorhanden sein wird, motiviert nicht wirklich. Allerdings habe ich mir ja Skandinavien ausgesucht, den Schuh muss ich mir nun auch anziehen. 

Manche haben mich gefragt, ob ich beim Fahren den Kopf so richtig frei kriege. Bisher muss ich das verneinen. Derzeit bin ich noch viel zu beschäftigt im Kopf weiter über die Route nachzudenken, verschiedene Kilometerzahlen zu verschiedenen Referenzpunkten durch Kopfrechnen zu vergleichen, über Pausenplätze und vorhandenes Essen zu grübeln. Ich bin leider also noch weitab einer meditativen Ruhe, wo ich mir Gedanken über Zukunft, Gegenwart oder andere interessante Gedankensplitter machen könnte. Ich hoffe allerdings, dass dies demnächst eintritt, auch weil ich morgen den ganzen Tag auf einer Straße, ohne ein Mal abbiegen, verbringe. 

Den Abend am Wildcamp Spot genieße ich sehr, die Sonne scheint noch mal, ich kann diesen Blog weiterschreiben und mein aktuelles Buch zu Ende lesen, von dem völlig ungenießbaren Couscous abgesehen also sehr gelungen. 

Mein Plan ist morgen früh aufzustehen und so das Zusammenpacken wie auch die ersten Kilometer hinter mich zubringen, bevor der Regen einsetzt. Dann kann ich hoffentlich auch irgendwo im Trockenen eine Mittagspause absolvieren. 

Tag 14: Värsjön – Mora

Der Tag beginnt dann tatsächlich früh, mein Plan geht auf und so stehe ich um kurz vor 8 abfahrbereit vor dem Rad… Und merke dass die Steinpiste von gestern mir noch ein Geschenk dagelassen hat: Der Hinterreifen ist platt. Also noch mal die Ersatzteile rauskramen und mit dem Schlauchwechsel beginnen. So komme ich knappe 45min später als erhofft los. 

Der Weg bis zur nächsten Stadt Malung zieht sich extremst, auch dank des starken Gegenwinds, der mich mal wieder mit 8km/h die Berge hochkriechen lässt. 

Nach 40km in Malung gibt es eine längere Pause beim Supermarkt, dann versuche ich noch eine Tankstelle zu finden um den Reifen voll aufzupumpen, da ich mit meiner kleinen Reisepumpe zwar den Schlauch voll kriege, aber nicht den Druck den ich brauche. So lande ich schließlich in einer Autowerkstatt, der Mechaniker hilft mir beim Aufpusten, füllt meine Flaschen auch noch gleich mit Wasser und sagt dann einen Satz, der mir heute durchgehend in den Ohren klingelt: Angesprochen auf meine Tour meint er nur “you crazy human, don’t you know we have developed airplanes and cars for that occasion?” 

So geht es weiter gegen den Wind, nach 65km mache ich eine Mittagspause weil am Horizont es dunkler und dunkler wird. Kaum ist das Brötchen in den Mund geschoben, beginnt es gleich zu tröpfeln, ich beeile mich also die Taschen zu verstauen und mich selbst Regendicht einzupacken. Der einsetzende Regen ist gar nicht so stark, aber kontinuierlich und verbunden mit dem Wind auch wirklich nervig. Ich kühle total aus, trotz dem anstrengenden Fahren. 

Und dann, nach 75km denke ich mir plötzlich “huch, irgendwie fühlt sich das Rad anders an”, Steige ab und sehe, dass erneut das HINTERRAD platt ist. Ich schreie den Wind an, der wechselt mir allerdings auch keinen Reifen. Erst versuche ich jedoch, den bestehenden Schlauch noch mal aufzufüllen. Und merke dabei, dass meine Pumpe kaputt gegangen ist. ARGH!! Den Tränen nahe stehe ich nun mitten in der Pampa und kann das Rad nicht reparieren. 

So bleibt mir bei Regen und Kälte nichts übrig, als zu versuchen, ein Auto anzuhalten. Dieses Unterfangen trägt zu Beginn keine Früchte, endlos fahren Autos an mir vorbei und halten nicht an. Und als dann eins anhält, ist dies ein Kombi, der im Kofferraum fast voll beladen ist. Ohne Hoffnung auf Mitnahme schildere ich dem Fahrer meine Nöte, worauf der plötzlich meint: “Das kriegen wir schon hin” und holt einen faltbaren Fahrradträger aus dem Kofferraum. Schicksal, Kismet, Karma, Zufall? Keine Ahnung, aber ich bin heilfroh. Selbst einen Sitz-Überzieher haben sie, damit ich mit nassen Klamotten ins Auto kann. So nimmt mich dieses Pärchen mit nach Mora. 

Ich bitte Sie, mich zum Radhändler zu fahren, da meint der Fahrer “das ist ein Kumpel von uns, ich ruf den mal an”. Und so werde ich beim Händler in Empfang genommen und innerhalb von 10 Minuten ist ein neuer Schlauch eingebaut und die Arbeitszeit wird mir geschenkt. 

Auf der einen Seite ist mein Glaube an die Unverwüstlichkeit meines Rades verloren gegangen. Ich mach mir ordentlich Sorgen, dass dies die kommenden Tage zur Regel werden könnte, dass ich mehrmals Flicken werden darf. Und was mache ich wenn zwischen den Orten plötzlich 120km liegen? Heute, genau an dem Tag an dem ich zwei Wochen unterwegs bin, hatte ich den mit Abstand schlechtesten Tag auf der Tour bisher. Ich habe es verflucht und bin mir sicher, wenn noch 2-3 solcher Tage kommen, dann Steige ich in den nächsten Flixbus nach Berlin und verabschiede mich von dem Scheiß. 

Auf der anderen Seite habe ich heute so viel Hilfe durch das Paar erfahren, die mich mitgenommen haben, als für mich alles aussichtslos aussah. Und auch der Radhändler sowie der Automechaniker haben mir den Tag verschönert. Bleibt zu hoffen, dass heute eine große Negativ-Katastrophe war und die nächsten Tage glimpflich ablaufen. 

Nach den 78 selbst gefahrenen Kilometern und den 32km Mitnahme im Auto habe ich mich nach dem Besuch beim Fahrradhändler im örtlichen Campingplatz einquartiert. Und weil es immer noch so dolle regnete und es nicht sonderlich viel teurer war, auch in einer schicken 4-Mann Hütte und nicht im Zelt. 

So kann ich die Heizung voll aufdrehen und noch ein wenig Wäsche trocknen, bevor es morgen weitergeht.