Tag 19 – 21 : Östersund – Storuman

Tag 19: Östersund – Strömsund

Das letzte Bild wurde um Mitternacht bei meinem Host aufgenommen. Dunkel wird es also nicht mehr. 

Der Tag beginnt grau, aber trocken. Nach dem Frühstück begleitet mich mein Host Luca vom Haus auf der Insel Frösön ins Zentrum von Östersund. Das ist sehr praktisch, so muss ich im Straßengewirr nicht auf den Weg achten, sondern fahre ihm hinterher. 

Am Stadtrand verabschieden wir uns, und ich packe mich wetterfest ein, da es gerade angefangen hat, stark zu regnen. So verpackt kämpfe ich mich die ersten paar Kilometer aus der Stadt raus, da diese direkt am See liegt, geht es steil bergauf. 

Das ist doch irre, da steht eine Stadt angeschrieben, die ich erst 5 Tage später erreichen werde. 



Dies ändert sich auch leider die nächsten 60km nicht mehr. Heute fühlt sich alles an, als ginge es dauerhaft nur bergan. So schwitze ich wie verrückt in meiner Regen-Vollverkleidung und Mühe mich sämtliche Hügel hoch. Teilweise handelt es sich dabei um Abschnitte, die zwar nicht super steil sind, dafür aber Kilometerlang mit 5% Steigung in die Höhe klettern. Und mein Rad bei über 50kg wirkt dabei wie ein Bremsanker, der gerne wieder ins Tal möchte. 

Auch die Abfahrten sind nicht wirklich befriedigend, zumeist führen diese nach der steilen Abfahrt, ohne jegliches flaches Stück dazwischen, direkt in den steilen Aufstieg über. 

Die spannendste Bekanntschaft heute: Dieser Rentner ist mit dem Mofa-Gespann aus Baden-Baden, unterwegs ans Nordkapp. Auf gerader Strecke klappt das sogar mit den 45km/h verrät er mir, und ich werde leicht neidisch ob des Geschwindigkeitrausches. Er ist auch 11 Tage vor mir gestartet, ich fühle mich also ziemlich erfolgreich, was die zurückgelegte Strecke angeht. 

Mittagspause gibt es in einer überdachten Pausenhütte, allerdings nur so schnell wie möglich, es ist schweinekalt wenn man stehen bleibt, und die verschwitzten Klamotten beschleunigen das Auskühlen. 

Nach 70km erreiche ich Hammerdal und ich bin sehr verlockt, im örtlichen Campingplatz abzusteigen. Allerdings kann ich irgendwie die Motivation aufbringen, mich doch noch weiter zu quälen und werde sogar mit ein paar Kilometern ebener Strecke belohnt. 

Auch wenn ich es befürchtet habe, der Regen nimmt an Intensität noch einmal zu. Und so fahr ich relativ missmutig die Straße entlang, in den Fahrrinnen sammelt sich das Wasser, jeder entgegenkommenden LKW hüllt mich in der Gischt ein und die Fernsicht auf irgendwelche schönen Landschaften ist komplett durch den Regenschleier verdeckt. 

So erreiche ich nach 107km Strömsund und nehme mir am Campingplatz eine Hütte, da ich wirklich kein Bedürfnis habe, im Regen mein Zelt aufzubauen. Bei der Hüttenmiete wäre es tatsächlich von Vorteil mit mehreren Personen zu reisen, so allerdings zahle ich 40 Euro für die Hütte alleine, aber es zählt endlich trocken zu sein. 

Nach knappen 8 Stunden im Dauerregen kann ich mich endlich aus den nassen Klamotten schälen und quäle die E-Heizung auf der höchsten Einstellung. 

So verbringe ich den Abend mit dem konstanten Soundtrack des Regens, der auf das Dach plätschert. Morgen allerdings soll es trocken und schön werden, auch die weiteren Tage versprechen Besserung. Ist für Schweden nun relativ schwer, verlässliche Wetterdaten über die nächsten 2h hinaus zu erhalten, sollte dieses Wetter aber korrekt zutreffen, würde ich mich sehr freuen! 

Tag 20: Strömsund – Meselefors

Beim Aufwachen scheint schon die Sonne durchs Fenster, heute wird also auf alle Fälle besseres Wetter als gestern vorherrschen. 

Hütte samt angrenzenden See im Sonnenschein. 



Nach dem allmorgendlichen Ritual bin ich um Viertel nach 9 unterwegs. Die Sonne wärmt bereits ein wenig, und so fahre ich seit langem mal wieder nur in T-shirt und ohne lange Radhose los. 

Profil ist ähnlich wie gestern, es geht viel hoch und runter, allerdings kommt heute noch ein fieser Gegenwind dazu, der nicht so stark ist wie in der Vergangenheit, aber trotzdem dazu neigt, mich ordentlich auszubremsen. 

Ich bin seit Östersund übrigens in einem Bereich, wo meine mitgenommene Straßenkarte nicht mehr den Maßstab 1:250.000, sondern nur noch 1:400.000 hat. Damit zeigt jede Seite einen Ausschnitt von 120x84km! Das tägliche Umblättern ist also auf ein Minimum reduziert worden. 

Kurz vor der größeren Ortschaft Dorotea mache ich eine traumhafte Mittagspause am See, bei so einer Landschaft und so einem Wetter ist dies richtig angenehm. Mit Gruseln denke ich an die kalte Mittagspause gestern, wo ich fast durchgängig von einem Bein aufs Andere hüpfen musste, um nicht fest zu frieren. 

So liege ich eine Stunde im Gras, genieße meine Brötchen, lese und höre Musik. Nur der Sonnenbrand bleibt als Gefahr, so hole ich nach langer Zeit mal wieder die Sonnencreme aus der Tasche. 

Kurz hinter Dorotea erreiche ich diesen Meilenstein:

Auch wenn ich noch einen weiten Weg vor mir habe, und die täglich zurückgelegten 100km nicht wirklich das Gefühl geben, ich würde Strecke machen, kommt bei diesem Schild ein gewisser Stolz auf: Verdammt, ich habe es mit meinen eigenen Beinen geschafft, von Berlin bis nach Lappland zu fahren. 

Gibt zwar noch viel zu tun, aber einen Großteil Schwedens habe ich gemeistert. 

Die letzten Kilometer ziehen sich ziemlich, aber eher wegen der Temperatur und weil ich keine weitere Pause einlegen will. Nach 105km komme ich beim kleinen, niedlichen Campingplatz in Meselefors an. Auch wenn die Einrichtungen seit dem zweiten Weltkrieg wohl keine Erneuerung gesehen haben, die Wiese ist schön und der dahinter fließende Fluss ist auch verlockend. So springe ich nach dem Zeltaufbau noch mal schnell in den Fluss. Mehr als 10m rausschwimmen und 10m zurück zum Ufer wird es nicht, dafür ist es viel, viel zu kalt, aber so erfrischt und mit der bald darauffolgenden heißen Dusche klingt der Abend bei leckeren Pasta aus. 

Eiskalte Badestelle 



Tag 21: Meselefors – Storuman

In der Früh habe ich noch ein nettes Gespräch mit dem Zeltnachbar, der in der Früh bereits einen stattlichen Hecht gefangen hat, den er mir zeigt. 

Danach geht es im Sonnenschein weiter auf die Reise. Schnell bin ich in Vilhelmina, wo das Mittagessen eingekauft wird und dann fahre ich steil aus der Stadt raus. Hier kommen wirklich einige Höhenmeter zusammen, und ich bei der Hitze gut ins Schwitzen. An sich ist das Wetter aber ein Traum, in kurzer Radhose und T-Shirt wirklich angenehm zu fahren. 

 Ortsschilder nun in schwedisch und in Sami. 
Die Landschaft ist nicht besonders abwechselnd, wie die vorhergehenden Tage wechselt sich nur dichter Wald mit Sumpflandschaften ab. Ich finde allerdings ein paar Flächen, die an das Kahlfjäll erinnern, große Wiesen mit nur wenig Baumbestand. 

Aus diesem Grund lege ich auch einen großen Fokus auf den Verkehr, den ich bereits seit Tage analysiere:

Die Aufteilung ist etwa 40% PKWs, 30% Camper und 30% LKWs. 

Bei den PKWs zeigt sich, dass die Schwed_innen höchst patriotisch  einkaufen, geschätzt jeder zweite Wagen ist ein Volvo und auch Saabs sieht man in Hülle und Fülle. 

Die Camper sind mehrheitlich schwedisch, allerdings sind neben einigen Franzosen, Dänen und Holländern die Mehrzahl der ausländischen Camper fest in deutscher Hand. 

Je weiter ich nach Norden komme, desto fröhlicher wird aus den Wagen heraus gewunken, auch mal gehupt oder der Daumen aus dem Fenster gereckt. Auch wenn es blöd klingt, solche kleinen Aufmunterungen motivieren ungemein. 

Vor dem Mittagessen dann das Highlight des Tages. Ich sehe schon von weitem mehrere Autos anhalten und prompt erspähe ich den Grund dafür. Auf der Straße steht ein Rentier. ENDLICH! Gestern das Erfolgserlebnis “ich bin endlich in Lappland”, heute gleich das erste Rentier dazu. 

Bis ich an der Stelle ankomme sind die Autos verschwunden, ich bin mit dem Tier also alleine. Mr. Rentier ist vom Rad sehr verwirrt, stürmt erst auf mich zu, dann wieder weg, dann mit gesenktem Kopf auf mich zu. Kurz überlege ich, was ich mache, sollte das Rentier plötzlich auf mich zustürmen, dann dreht es aber 15m vor mir ab, geht in den Straßengraben und lässt sich willentlich fotografieren. 

Wird sicher nicht das letzte Rentier gewesen sein, trotzdem freue ich mich sehr über diese Begegnung. 

Mittagessen mache ich heute mitten im Wald, so kommt auch erstmalig das Mückenspray zum Einsatz, da ich es ohne nicht aushalte.

Wenn ihr das nächste Mal denkt, es sei Anglerlatein… Nein, der Fisch war wirklich so groß. 

Nach knappen 90km erreiche ich Storuman und verschwinde im örtlichen Supermarkt zwecks Abendessen. Nach 7 weiteren Kilometern finde ich den idealen Spot zum Wildcampen. Direkt am See, von er Straße geschützt und schön in der Sonne. 

Kalte Badestelle
Ich traue mir tatsächlich eine Katzenwäsche im See zu, bevor es zum zweiten Mal in Folge Pasta gibt und ich nach dem endlosen Kampf gegen die Mücken (19 erschlagen bis das Pasta Wasser kocht) doch kapituliere und den Rückzug ins Zelt antrete. Habe bereits heute früh gemerkt, dass man sich bei gutem Wetter wirklich Gedanken um den Zeltort machen muss. Da war ich nämlich um Viertel nach fünf wach, weil die Sonne wieder so aufs Zelt knallte, dass ich den Daunenschlafsack in die Ecke pfeffern konnte. Mal sehen wie das Morgen wird. 

Ab morgen, dem 15.6 fällt endlich die Roaming Gebühr im EU Ausland. Dieser Blogeintrag ist somit der erste, der aus der Wildnis ohne Supermarkt oder Campingplatz – WiFi verschickt wurde!