Tag 6: Holte – Mellnbystrand
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In der Früh gibt es sogar noch Frühstück mit Lars, dann mache ich mich auf die Socken.
Zuerst kreuze ich rüber zu Dänemarks Ost-Küste, um daran entlang nach Norden nach Helsingor zu fahren. An sich sind das nur 30km, wären auch schnell erledigt, wenn nicht plötzlich der Himmel die Schleusen öffnen würde und ein massiver Platzregen einsetzen würde. Darauf war ich nicht ausreichend vorbereitet, die Fleece Jacke liegt noch auf dem Gepäckträger, ich bin mit T-shirt und Radhose bekleidet. Stelle mich dann in einer Bushaltestelle unter und kann dort wenigstens die Regenklamotten anziehen.
Erster Blick auf Schweden
Völlig eingepackt von Kopf bis Fuß geht es weiter und es zeigt sich dabei schon, dass zukünftige Tage in kompletter Regenmontur eher weniger witzig sein werden. Man bekommt zwar keinen Regen ab, aber fängt unter den Dingern so weit an zu schwitzen, dass man ebenfalls nass wird davon. Wenigstens kühlt man davon nicht aus, aber unangenehm ist es trotzdem.
Die 30km nach Helsingor ziehen sich wie Kaugummi, auch weil es ein ewiges Auf und Ab ist. Endlich angekommen fahre ich gleich durch zum Hafen. Hatte gestern schon von Lars erfahren, dass die Fähre zwischen Helsingor (DK) und Helsingborg (SWE) alle 15min kommt, über 140x am Tag. So fahre ich gleich au die nächste Fähre, diesmal bin ich der einzige Radfahrer und darf wieder als erstes be- und entladen.
Die Fährüberfahrt ist so kurz, dass ich kaum sitze, als es wiederzuerkennen zum Fahrzeugdeck geht. Somit bin ich endlich in Schweden!!! Und nach 3 Tagen Deutschland und 2 Tagen Dänemark werde ich nun etwas unter einem Monat in Schweden verbringen. Meine derzeitig Route sieht über 2200km auf schwedischen Straßen aller Couleur vor.
Von Helsingborg aus schlage ich mich auf Landstraßen weiter in Richtung Norden. Zwar läuft von Helsingborg nach Göteborg der “Kattegattleden”, ein dezidierter Rad-Weg. Dieser braucht aber über 350km nach Göteborg, da wirklich jede Landzunge an der Küste mitgenommen wird. Meine eigene Strecke hingegen ist 250km lang und unterliegt konstanter Änderung: Finde ich noch eine bessere Landstraße, wird halt die genommen.
Aber wunderbar beschildert
Am Nachmittag komme ich an eine Stelle, wo eine Landmuräne von West nach Ost läuft, diese muss ich also auf alle Fälle überqueren. Das bedeutet quälend langsame 7km, die ich mich den Hügel emporschraube. Aber oben angekommen gibt es sowohl “echt schwedischen” Wald:
Noch halte ich das für Fotowürdig, bald werde ich Wochen am Stück nichts anderes mehr zu sehen bekommen.
Und zweitens gibt es am Ende eine 3km lange Abfahrt. Und diese hat es wirklich in sich, kaum Kurven, perfekter Asphalt und so kann ich es richtig laufen lassen ohne treten zu müssen. So stelle ich, mit dem Kinn auf die Lenkertasche gepresst auch einen neuen Geschwindigkeitsrekord dieser Reise auf, wo ich mir nicht sicher bin, ob dieser noch zu brechen ist. Laut Navi 67,0, laut Tacho sogar 67,89 km/h (Sorry Mama!!!). Auch das Rad fühlt sich dabei gut an, kein Flattern oder aufschaukeln, selbst die Bremsung am Ende wird souverän gemeistert.
Die Wege sind hier erste Sahne
Zum Ende geht es recht flach an endlosen Feriensiedlungen vorbei.
Da der Abend erneut nach Regen aussieht und ich eh gerade daran vorbeikomme, entscheide ich ich für einen Campingplatz im Örtchen Mellenbystrand. Hier erhalte ich an der Rezeption eine Einweisung per Excellence:
Auf einem gedruckten Flyer wird mir gezeigt welchen Stellplatz in welcher Reihe ich nehmen darf, anhand von Diagrammen und Erläuterungen auch, das mein Zelt genau innerhalb vier roter Steine aufgebaut werden muss.
Mit dieser Warnung im Ohr breche ich vor lachen zusammen, als ich schließlich den Campingplatz so vorfinde:
Da sind 20 Reihen á 30 Stellplätze und ich bin das einzige Zelt auf dem ganzen Platz. Da war die Strenge ja wirklich angebracht, Gott behüte ich klaue dem Nachbarn 10cm Platz durch einen Zelt-Hering.
Warme Dusche nach 98km und dann ab ins Bettchen!
Tag 7: Mellenbystrand Strand – Olofsbo
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Heute hat nur ein Motto: Wind!
Schon in der Früh beim packen ist es höllisch windig. Noch lege ich meine Hoffnungen darin, dass der Wind von der Seite kommen wird und nicht von Vorne.
Nach dem Losfahren merke ich aber schnell, dass mir dieser Wunsch nicht vergönnt ist. Dadurch wird es mit Abstand der bisher anstrengendste Tag der Tour und ein Tag, der sich hoffentlich nicht so schnell wiederholt.
Der Wind bläst konstant mit 50km/h ins Gesicht, die Böen sind teilweise noch stärker.
Ich verbringe die meiste Zeit des Tages im 4-5. Gang und kurbel wie bekloppt um mit Mühe und Not 10km/h zu halten. Die Tage davor war es eher Gang 10-11 und 18km/h, nur um mal das Verhältnis aufzuzeigen.
Kommt der Wind mal doch von der Seite, muss ich mich 10 Grad in den Wind lehnen um nicht von der Straße gefegt zu werden. Jedes Auto und jeder LKW der mich heute überholt sorgt für eine kurze Unterbrechung des Windes und damit auch prompt dafür, dass ich wild schlingernd weiter auf die Fahrbahn gerate. Macht also wirklich überhaupt keinen Spaß.
Dazu kommt am Vormittag noch feiner, fieser Nieselregen und ich kühle unglaublich schnell aus. Außer einer Aufwärmpause in einem Burgerrestaurant und drei Stopps in überdachten Buswartehäuschen verkneifen ich mir selbst das Mittagessen heute. Dafür ist es einfach zu windig, kalt und unangenehm. Deswegen auch die wenigen Fotos heute, ich war vollends damit beschäftigt gegen den Wind zu kämpfen und wollte selten für ein Foto anhalten.
Gegen 16 Uhr ging einfach gar nichts mehr. Ich war auf einer Landstraße mit dünnem Seitenstreifen, viel LKW Verkehr und der Wind wehte auch noch die Erde der nahen Felder auf, so dass es im Mund knirschte und in den Augen brannte.
Nach 78km in 6 Stunden reiner Fahrzeit (mit mein normalen Tempo hätte ich da über 100km geschafft), habe ich für heute aufgegeben und mich auf einen Campingplatz eingenistet. Die haben zum Glück ein kleines, windgeschütztes Areal, welches von Hecken umschlossen ist und trotzdem wird mein Zelt wild hin und her geworfen.
So habe ich zwar morgen über 110km zu fahren, bis ich bei einem neuen Warmshower-Host in Göteborg ankomme, aber morgen soll der Wind nicht mal mehr halb so stark sein. Und bevor ich mich heute komplett ruiniere und auspowere, versuche ich lieber morgen mehr Strecke zu machen.
Dafür gibt’s heute Abend mitgebrachten Kaiserschmarrn (wenn auch als Fertig-Mischung), ich bin mal gespannt ob das was wird. Fazit: Lecker, fehlt aber noch Marmelade
Müde, windgegerbte Grüße an alle, die diesen Blog lesen 😉
Tag 8: Olofsbo – Göteborg
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In der Nacht ist der Wind zum Glück ein wenig abgeflacht. Weg ist er zwar nicht, mit 24km/h auch relativ stark, aber im Vergleich zu gestern nur noch halb so schlimm. Die richtung hat er aber leider beibehalten: Von Schräg vorne.
Ich komme gut los und bin ab halb 10 wieder auf dem Rad. Bei ziemlich kühlen Temperaturen geht es los, das bessert sich zum Glück im Laufe des Tages.
Mehrheitlich geht es über Landstraßen, immer die Küste lang. In Varberg, nach knappen 30 Kilometern gibt es die erste Pause, hier scheint schon die Sonne und macht für eine lässige Pause.
Vor dem Mittagessen noch der seltsamste Moment meiner bisherigen Tour: auf einer wenig befahrenen Landstraße kommt mir ein alter Volvo entgegen mit zwei jungen Frauen darin. 200m vor meiner Position bremsen sie ab und fahren dann langsam an mir vorbei, dabei zeigen sie einen Hitlergruß und machen mit der anderen Hand ein Bärtchen unter der Nase. Ich habe wirklich absolut keine Ahnung was da die Idee dahinter ist und bin zu perplex um mir überhaupt ihr Kennzeichen zu merken.
Die bisher schönste Mittagspause dieser Tour mache ich direkt am Meer, auf einer kleinen Grasscholle sitzend. Da schmeckt das angetrocknete Brot gleich doppelt so gut.
Das letzte Drittel der Strecke verbringe ich auf einem Rad-Highway, der direkt nach Göteborg reinführt. Wahnsinn was hier an Infrastruktur für Radfahrende bereitgestellt wird. So geht es direkt an der Haupt-Einfallsstraße nach Göteborg rein, während auf der der Straße sich Kilometerlang die Blechkarossen stauen. Auch in der Innenstadt ist die Verkehrsführung so angelegt, dass Passant_innen und Radfahrer_innen möglichst einfach durch die Stadt kommen und selten an der Ampel stehen.
Ziemlich fertig und während des Fahrens, trotzdem fehlte eindeutig mal wieder ein Selfie 😉
Bis in die Innenstadt habe ich allerdings über 100km zurückgelegt und merke, dass jedes Anfahren nun richtig Kraft kostet.
Für Göteborg habe ich über Warmshowers wieder Hosts gefunden, bei denen ich bleiben darf: Janka und ihr Freund Michal haben mir dankenswerterweise Weise einen Platz auf ihrer Couch versprochen.
Janka arbeitet im Zentrum und holt mich an einem zentralen Platz mit dem Rad ab. Zusammen fahren wir also die letzten 6km zu ihrer Wohnung. Sie warnte gleich, dass der Weg zurück ein wenig steil ist an Stellen, wie steil sollte ich noch rausfinden. Es ging durch einen Park direkt in der Stadt, der eher an einen Naturbelassenen Wald erinnerte und auf dem plötzlich Waldwege steil empor führten. Beim ersten Hang musste ich nach der Hälfte aufgeben und schieben, aber beim zweiten, steileren Anhang war mein Ehrgeiz geweckt. Im zweiten Gang ging es im Stehen und mit letzter Kraft den Anhang hoch. Das Hinterrad drehte trotz dem Gewicht der Packtaschen durch und das Vorderrad kam dauernd hoch. Stolz war ich dennoch, als Janka meinte ich wäre der erste Radfahr-Gast, der diese Anhöhe gemeistert hätte. Victory!
Mit Janka und Michal zusammen gab es selbstgemachte Pizza und dann danach noch einen Heimkino Abend mit Star Wars.
108km heute mit ziemlich viel Wind und 76km den Tag zuvor mit dem Horrorwind haben mir echt zugesetzt, vorallem mein linkes Knie schmerzt extrem. So habe ich beschlossen, ein Ruhetag in Göteborg einzulegen. Dankenswerterweise lassen mich Janka und Michal auch zwei Nächte bei ihnen schlafen, so kann ich morgen entspannt Göteborg entdecken und mein Knie schonen.