Tag 37: Tromsø (Ruhetag) 

Wie bereits angekündigt, entscheide ich mich dafür, es heute ganz ruhig angehen zu lassen. Endlich mal bis 10 ausschlafen, zum Frühstück Serien schauen und nicht aus dem Knick kommen. 

Heute ist absolutes Traumwetter in Tromsø, gefühlt ist die ganze Stadt im T-Shirt unterwegs. 

Statue für Roald Amundsen
Dieser Gedenkstein macht mich unfassbar betroffen. Hier stehe ich, mehrere hundert Kilometer nördlich des Polarkreises, in einer piktoresken Stadt, bei herrlichen Wetter, obwohl hier etwa 9 Monate im Jahr Winter ist. Und selbst hier haben die Deutschen es geschafft, Juden und Jüdinnen zusammenzutreiben, in deutsche Konzentrationslager zu deportieren und zu ermorden. Es erscheint absolut surreal! 

Zu Fuß geht es auf ins Zentrum, dort erkunde ich das Nordische Kunstmuseum, welches sich auf verschiedenste Kunst spezialisiert hat, zumeist von Sami-Künstler_innen. Ein Fülle an Materialien, traditionellen Mustern und modernen Interpretationen finden sich in der Ausstellung. 

Tägliches Leben 
Und Tradition





Anschließend schnappe ich mir mein Fahrrad und begebe mich zum Botanischen Garten. Schon der Zweite auf meiner Tour und ein wirklich schöner Platz. 

Es ist der nördlichste botanische Garten der Welt und ich bin erstaunt, wie viele Pflanzen hier angepflanzt wurden, liegt doch gefühlt 9 Monate im Jahr hier Schnee. Bei den Temperaturen genieße ich es, im T-Shirt auf der Wiese zu liegen, samt Mittagessen, Buch, Serien schauen und sogar einem Mittagsschlaf. 


Die knappe Fahrt zurück birgt 6 Kilometer auf dem Tacho, also ein Tag, an dem ich den Drahtesel fast vollständig ignorieren konnte. 


 Panoramablick auf Tromsø nördliche Ausläufer mit dem Arctic Opera house in der Mitte. 

So habe ich den Tag als maximale Entspannung empfunden. Hoffentlich bleibt das Wetter die kommenden Tage ähnlich, es wäre so eine schöne Abwechslung endlich mal wieder im T-shirt zu radeln und nicht in der vollen Regenmontur. 

Tag 34 – 36: Stokmarknes – Tromsø 

Tag 34: Stokmarknes – Stave

Kann mich heute früh nicht dazu überwinden, aus dem warmen Schlafsack zu kriechen, komme aber trotzdem um halb 10 los.

Schnell bin ich auf der Brücke, über die ich die nächste Insel erreiche.

Das Wetter heute ist eine Katastrophe: Kaum habe ich den Campingplatz verlassen setzt ein ekliger Nieselregen ein.
Die ersten 25km bis Sortland sind noch relativ eben, dort komme ich gut voran. Aber zum inzwischen stärker gewordenen Regen und Temperaturen um 8° kommt nun immer stärker werdender Gegenwind dazu. Hilft nichts, ich quäle mich weiter. Mir ist bitterkalt, die zahlreichen Brücken die ich queren muss haben auch ihren Reiz verloren. Diese sind sehr hoch gebaut worden, damit in der Mitte die Kreuzfahrtschiffe der Hurtigrute hindurchpassen. Aus diesem Grund bringt jede Brücke einen quälend steilen Anstieg im ersten Gang mit sich. Oben erwartet mich dann mehr kalter Wind, Regen und eine kühle Abfahrt.

Durch das Wetter ist die Sicht wieder miserabel. Es ist zum Verzweifeln, da bin ich auf Andøya, der wildesten Insel der Vesterålen, um mich herum erheben sich schroffe Berge, wartet türkises Meer und Sandstrände auf die Entdeckung und ich sehe davon absolut nichts.

Mehrere Pausenplätze muss ich überspringen, da diese nicht windgeschützt sind, oder keine Sitzgelegenheit bieten. So komme ich zum zweiten Tag in Folge erst nach 70km zu einer Pause. In einem Café wird mir erlaubt, mein mitgebrachtes Essen zu mir zu nehmen, sofern ich zumindest einen Tee bezahle. Kommt mir sehr gelegen, schließlich kann ich jede Wärme brauchen die es gibt.

Schön, dass dafür Bewusstsein geschaffen wird. 

Nach einer Stunde quäle ich mich wieder heraus in den Regen. Nach Rimsøyhamn biegen ich von der Hauptstraße 82 auf die Westseite der Insel ab. Dies ist ein Panorama Weg und verspricht weniger Verkehr, wenn ich schon nichts von den Ausblicken genießen kann.

Ich habe keine Ahnung wie es geographisch und meteorologisch möglich ist, aber egal in welche Richtung ich an diesem Tage fahre, der Wind kommt mir immer entgegen. Evtl. bricht er sich an den Bergen, evtl. will man mich einfach ärgern.

Auf den letzten 30 Kilometern hört der Regen endlich auf, dafür entscheidet sich der Wind “jetzt erst recht” und verstärkt noch mal auf über 25km/h. Jetzt ist es nur noch der pure Durchhaltewillen, der mich vorantreibt. Ich will einen Campingplatz erreichen, will eine warme Dusche und will in mein Zelt. So beflügelt kämpfe und schreie ich gegen den Wind an. Und überraschenderweise kommen sogar ein paar Details der Landschaft zu Tage, so habe ich zum Abschluss noch ein paar spektakuläre Ausblicke genießen können.

Enter the Void

Nach 118 Kilometern komme ich abgekämpft und verfroren am Platz an. Und was ein schöner Platz das ist, besonders wenn jetzt Hochsommer wäre: Weißer Sandstrand, direkt dahinter schroffe Berghänge.

Der Campingplatz hat sogar beheizte Jacuzzi-Pools, mit 38° warmen Wasser. Im Geiste sehe ich mich da schon drin treiben, bis mir Schwimmhäute wachsen. Allerdings wollen sie dafür unverschämte 30€ für 90 Minuten, da bleibt mir also nur die warme Dusche.

Wie gerne wäre ich da rein gehüpft. 

Das Zelt steht und ich kann mich meinen üblichen Abendbeschäftigungen hingeben.

Echte Walknochen als Campingplatz-Deko. 

Auch wenn heute wenig Spaß gemacht hat, so bin ich doch froh über die Erfahrungen. Zu Beginn meiner Tour hätte ich keineswegs so einen Gewaltmarsch gegen ein so feindliche Klima bestehen können. So habe ich morgen nur noch knappe 20 Kilometer bis nach Andenes, der Hauptstadt der Insel. Dort werde ich mir einen touristischen Höhepunkt gönnen, bevor ich mit der Fähre nach Senja, der nächsten Insel übersetze. Von dort sind es nur noch 135km nach Tromsø, der nächsten richtigen Stadt.

Tag 35: Stave – Ersfjorden

Der Tag beginnt früh, da ich zeitig nach Andenes kommen muss. Bereit um 9.30 Uhr sind die ersten 20km des Tages geschafft und ich kaufe mir im Supermarkt von Andenes mein Mittagessen.

Der nächste Meilenstein! 


Auf der vorgelagerten Insel gibt es jede Menge Papageientaucher, angeblich auch zahlreiche Seeadler, die Jagd auf sie machen. 

Was es hier nicht alles gibt. 

Der Grund für das frühe Aufstehen? In Andenes geht es heute auf Wal-Safari!

Dazu gibt es bei der veranstaltenden Firma zuerst eine Führung durch Ihr hauseigenes Museum. Unter anderem ist dort ein komplettes Skelett eines Pottwals ausgestellt, dem Wal, dem wir am wahrscheinlichsten Begegnen werden.

Ein Tier voller Superlative: Mit maximal 9,5kg das schwerste Gehirn aller Lebewesen. Das Echolot, dass sie zum orientieren, jagen, kommunizieren nutzen sendet Schall mit bis zu 220-230dB aus (Vergleich dazu: Startender Jet 150dB). Als Resonanzkörper für die Schallwellen befindet sich im Kopf des Wals über 3 Tonnen einer ölhaltigen Flüssigkeit! Kein Wunder also, dass sie früher exzessiv gejagt wurden und mit dem Öl in Norwegen lange Jahre die Straßenlaternen befeuert wurden.
Tauchtiefe: Bis zwei Kilometer, um Jagd auf Riesen-Kalamare machen zu können.

Nach dieser Einführung geht es aufs Boot und raus auf See. Andenes hat die idealen Bedingungen, da die Kontinentalplatte sehr nah am Ufer ins tiefe Wasser übergeht. Dort sind die Nährstoffen, also sind dort auch die Wale anzutreffen.

Nach einer halben Stunde Fahrt sind wir im Zielgebiet. Pottwale holen 5-10 Minuten lang Luft, dann gibt es einen Schlag mit der Fluke (Schwanzflosse) und sie sind weg. Also selbst wenn wir den Blas des Wals sehen können, haben wir nur wenig Zeit um ranzukommen. Das Schiff nutzt dazu Hydrophone, um die Klick-Laute der Wale zur Ortung zu nutzen. Ich verstehe wirklich nicht, wie früher der Walfang funktioniert hat, ganz ohne Hydrophone und mit einem Segelschiff, dass ersten langsamer war und zweitens nicht auf der Stelle wenden und wieder beschleunigen konnten. Ein Wunder das trotzdem alle Populationen fast ausgerottet werden konnten.

Und tatsächlich, innerhalb der nächsten Stunde gelingt es uns, an zwei Wale näher ran zu kommen.

Wal Nr. 1


Wal Nr. 2 

Es ist beeindruckend, die Größe der Tiere wahrzunehmen, besonders wenn sie die Fluke heben und abtauchen. Bei den Bullen bewegt sich da über 40 Tonnen Gewicht scheinbar mühelos im Wasser. Allerdings sieht man nie den ganzen Körper, es sind eher nur Körperteile zu sehen.

Mir gelingen trotz dem schwankenden Boot doch ein paar Aufnahmen, mit den Mitreisenden kann ich aber nicht mithalten. Was da an Kamera + Objektiven zusammenkam, hätte wohl gereicht um das Boot zu kaufen, auf dem wir gerade standen. Trotzdem habe ich die Tour sehr genossen, das schwankende Boot, die raue See. Mir hats gefallen, etwa 5 der 30 Reisenden waren eher intensiv mit der Reling beschäftigt, so blieben aber mehr Gratis-Cracker für mich übrig 😀

Im Nachgang meiner Tour hat mir Roland, den ich auf der Walsafari getroffen habe, dankenswerterweise ein paar seiner Wal-Fotos zugeschickt, die ich auf diesem Blog veröffentlichen darf. Spiegelreflex + Teleobjektiv machen halt was her.

© Roland

Landschaftsaufnahmen gelangen mir aber vom Boot ganz passabel.

Auch eine ganz ordentliche Tour. 

Nach der Rückkehr nach Andenes hatte ich noch eine Stunde für die Mittagspause, dann ging es gleich aufs nächste Schiff.

Mit der Fähre setze ich nun von der Insel Andøya auf die nächste Insel, Senja, über. Dies war die erste lange Fährfahrt seit Rostock, die Fähre braucht knapp unter 2 Stunden. Kostet dafür aber auch ein Schweinegeld, knappe 30 Euro musste ich dafür berappen.

Senja in Sicht

Um 19 Uhr bin ich auf Senja und habe heute auch erst 20 Kilometer zurückgelegt.

Um morgen Tromsø zu erreichen, muss ich heute also weiterkommen. So schließe ich mich erst zwei jungen Norwegerinnen an, die jedoch ziemlich schnell einen Zeltplatz suchen.

Anschließend schaffe ich es noch zu einem Norweger aufzuschließen, der auf Senja selbst wohnt, also gerade auf dem Heimweg einer einwöchigen Tour ist.

Größter Troll Norwegens

Dieser warnt mich noch, dass der Anstieg zum nächsten Tal es wirklich in sich hat. Und er hat wahrlich nicht gelogen.

4 Kilometer lang geht es mit 8% Steigung den Berg hoch, immer weiter Kurbel ich mich vom Fjord weg. Da ist selbst der erste Gang nicht ausreichend übersetzt, wenn die Beine müde werden, muss ich pausieren, dann geht es wieder 500m weiter, dann kommt die nächste Pause. Der Schweiß fließt in Strömen, obwohl es empfindlich kalt ist.

Vom Meer bis hoch in die Berge.

Nach 350 Höhenmeter Anstieg stehe ich neben einem noch gefrorenen See und bereite mich auf die Einfahrt in einen knapp 2 Kilometer langen Tunnel vor. Der führt zum Glück bergab, und so rase ich “Echo” schreiend durch die dunkle Röhre. Tunnel sind hier noch echte Wunderwerke, roh aus dem Stein geschlagen, teilweise läuft Wasser an den Wänden entlang. Richtig eindrücklich.
Die Abfahrt ist toll, besonders weil danach der Aussichtspunkt “Bergsbotn” kommt, wo man eine architektonisch relevante Konstruktion in den Berg gesetzt hat.

Generell bin ich fasziniert davon, wie schön die Insel ist. Senja ist noch mal wilder als Andøya oder die Lofoten.

Zudem sind die Straßen deutlich verkehrsärmer, mit den Norwegerinnen bin ich vorhin auf der vollen Breite der Straße gefahren, wir alle nebeneinander. Die Aussicht auf den anderen Inseln ist auch fantastisch, leider hatte ich wirklich erst ab Senja das Wetterglück, diese Landschaft auch genießen zu können.
Nach dieser ersten steilen Etappe geht es nach Umrundung eines Fjords noch an den zweiten Anstieg, zum Glück diesmal nur mit 150 Höhenmeter. Als ich dort wieder aus dem Tunnel geschossen komme, liegt vor mir der Ersfjorden, der einen wunderschönen Sandstrand hat. Nach der Abfahrt dort runter baue ich auf einer Düne sofort mein Zelt auf.

Es ist bereits 22 Uhr, ich seit 6 Uhr auf den Beinen und deswegen total kaputt. Abends genieße ich die Mitternachtssonne, die über den Fjord zieht, verkriechen mich wegen den Temperaturen aber schnell im Zelt.

23:30 Uhr

23:55 Uhr

Hatte ich gestern Abend noch ein leichtes Kratzen im Hals ist es inzwischen doch auf dem Weg zu einer Erkältung. Ich hoffe inständig, dies wird nicht zu schlimm und werde schauen ob ich in Tromsø ein wenig pausiere um zu Kräften zu kommen. Da ich morgen wieder eine Fähre erwischen muss, werde ich wohl zeitig aufstehen müssen.

Tag 36 Ersfjorden – Tromsø 

Der Wecker klingelt prompt um 5:45 Uhr. Absolut eklig nach den Anstrengungen des Vortages. Aber bis zur Fähre sind es noch rund 38 Kilometer und eine Fähre fährt um 9:45 Uhr, die nächste erst wieder um 14 Uhr. Erwische ich die Erste nicht, schaffe ich es heute nicht nach Tromsø.

Also bin ich um Punkt 7 wieder on the road, zuvor hat der Himmel sich überlegt, genau dann anzufangen zu regnen, als ich das Zelt zusammenpacken wollte. Also wieder ein Start in Regenklamotten.

Am Mefjorden entlang geht es durch zahlreiche kleine Tunnel, diese haben aber eine gute Infrastruktur für Radfahrer, überall gibt es Warnlichter zu aktivieren, teilweise kann man sich gratis Warnwesten aus einer Kiste nehmen, und diese nach dem Tunnel wieder in die andere Kiste packen.

Anschließend geht es wieder an einen steileren Anstieg, und auch wenn der nur 150 Höhenmeter beinhaltet, ist es nach der Tortur von gestern in jeder Muskelfaser zu spüren. Zudem ist es weiterhin kalt mit gelegentlichen Schauern.

An einer Stelle beobachte ich einen Seeadler, der sich einem Möwennest genähert zu haben scheint. Todesmutig stürzt sich die Möwe in einen Gegenangriff und treibt den Adler vor sich hin. Der Vogel hat sicher nur ein Viertel der Spannweite, jagt aber den Adler über den ganzen Fjord, immer wieder schlägt die Möwe auf den Adler ein.

Meine Zeitplanung geht auf, 25 Minuten bevor die Fähre abfährt komme ich am Hafen an. Diese Fähre dauert nun knappe 40 Minuten und bringt mich von Senja nach Kvaløya. Solltet ihr jemals nach Nordnorwegen kommen, stattet Senja auf alle Fälle einen Besuch ab, es ist absolut paradiesisch dort.

Auf Kvaløya geht es lange Kilometer einen Fjord entlang, dann geschieht auch hier der Aufstieg in die Berge.

Die Höhenmeter lohnen sich aber, denn der Blick auf die umliegenden, schneebedeckten Berghänge entschädigt. Hier treffe ich auch auf Stuart, einen schottischen Radreisenden, der gerade vom Nordkapp kommt. So können wir gegenseitig uns ein paar Tipps zur Vor uns liegenden Strecke geben. Stuart berichtet, dass er sich am Nordkapp eine zweite Regen Jacke gekauft hat, so bescheiden waren die Verhältnisse. Als ich ihm ein paar Tipps gebe, stellt sich heraus, dass er bereits die USA durchquert hat, ebenso von Schottland nach Istanbul gefahren ist. Der Typ braucht also wahrlich keine Tipps von mir, der weiß schon was er macht. Zudem will er nach Tariffa, Europas südlichsten Punkt, hat also noch gut Strecke vor sich.

Stuart

Und endlich mal wieder ein Portrait von mir, danke Stuart. 

Nach 70 Kilometern mache ich hier eine Mittagspause am Wegesrand, inzwischen hat die Sonne sich ein wenig gezeigt und es ist gar nicht so kalt. Nach 30 Minuten vertreibt mich allerdings wieder der einsetzende Nieselregen.

Jetzt liegen nur knappe 25 Kilometer bis Tromsø vor mir, die ich versuche im schlechten Wetter hinter mich zu bringen.

Die ersten Blicke auf die Stadt gefallen, schließlich erhebt sich die Stadt vor einem astreinen Bergpanorama. Nur das Tromsø auf und hinter einem Hügel liegt, dass müsste wirklich nicht sein. Da ich keine Lust auf die 8 Kilometer um den Hügel habe, nehme ich die 2,5 Kilometer über den Hügel in Kauf. Enge, steile Straßen bringen mich so endlich zu meinem Hostel.

Dort kommt als erstes meine Wäsche in die Waschmaschine, hatte ich das doch zuletzt in Kiruna vor knappen 10 Tagen gemacht. So sitze ich und schreibe diesen Blogeintrag bekleidet mit meiner Regenhose und meiner Regen Jacke 😀

Vorhin war ich noch in der “Bike Kitchen”, eine Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt, die vor 7 Tagen in Tromsø eröffnet hat. Dort kann ich in sauberer Umgebung und mit einem Montageständer mal mein Rad ordentlich putzen, ölen und ein paar Schrauben nachziehen. Deutlich angenehmer als das Arbeiten auf der Wiese neben dem Zelt. Solltet ihr in Tromsø also mal ne Werkstatt brauchen, diese ist ideal, und dankenswerterweise auch Gratis zu nutzen.

Ich bin am Überlegen morgen einen Ruhetag im Hostel einzulegen, die Erkältung zu bekämpfen und ein wenig auszuspannen. Mein norwegischer Weg zum Nordkapp ist 1100 Kilometer lang, davon habe ich jetzt in Tromsø etwa die Hälfte geschafft. Das kann man schon mal mit einem Ruhetag zelebrieren. Generell soll das Wetter sich bessern, für Samstag sind in Tromsø gar 21° angesagt!! Ich habe die leise Hoffnung, dass der Sommer langsam angekommen ist, was fantastisch wäre für den Weg zum Kapp.

Tag 31 – 33 : Narvik – Stokmarknes 

Tag 31: Narvik – Moskenes

Die Nacht am Campingplatz bleibt ruhig, keiner kommt vorbei. So packe ich in der Früh meine Ausrüstung zusammen und mache mich auf den Weg zum Busbahnhof. 
Dort besteigen ich einen Bus, der mich an die entfernteste Insel der Lofoten Inselgruppe bringen soll. Da die Lofoten eigentlich nur von einer Hauptstraße durchquert werden, spare ich mir so, diese Straße bis ans Ende der Inselgruppe zu radeln, nur um dann umzudrehen und auf der selben Straße zurück zu fahren. 

Die Busfahrt ist sehr angenehm. Knappe 8 Stunden braucht der Bus, ich verbringe die Zeit mit Lesen und aus dem Fenster schauen. Dank Studentenausweis zahle ich auch knappe 21 Euro für die Reise, finde ich einen ziemlich gerechtfertigten Preis. Die Lofoten haben einen ganz besonderen Charme, da sie so bergig sind. Nun, nicht bergig in dem Sinne, wie meine bayrische Herkunft Berge definieren würde. Die lofotischen Erhebungen sind maximal 1000 Meter hoch. Aber da die Bergflanken sich direkt aus den Fjorden erheben, erscheinen diese Berge weitaus höher, massiver und beeindruckender. Dies ist auch das fesselnde an der Busfahrt, die Straße direkt am Meer entlang und ringsum die zerklüfteten Berge, die in den Himmel jagen. Infos zu den Lofoten gibt es bei Wikipedia

Mir fällt auf, dass dies seit Göteborg das erste Mal ist, dass ich wieder in einem öffentlichen Verkehrsmittel sitze. Wenn man die 30km PKW-Fahrt nach Mora ausblendet (die ja nur dazu diente, mein kaputtes Rad zum Radhändler zu bringen), ist dies also meine erste motorisierte Fahrt seit über 20 Tagen. Völlig verrückt wie ich mich an die Geschwindigkeit des Rades angepasst habe, mit 80 oder 100 km/h zu fahren erscheint mir schwer greifbar und auch wie mühelos es Anhöhen hoch geht passt nicht mehr in meine Wahrnehmung. 

Dies ist tatsächlich das Einzige, was mir an dieser Bustour nicht gefällt: Das Bewusstsein, dass ich nun die Straße erkunde, die ich die folgenden Tage wieder zurückfahren muss. Bei jeder Steigung denke ich mir “oh, das wird hart mit dem Rad”, bei jedem Tunnel suche ich nach dem Seitenstreifen für Radfahrer. Es gefällt mir deutlich besser ins Ungewisse zu fahren, als einen Überblick über die beschwerlichen Stellen der nächsten Tage zu haben. 

Nach einer langen Busfahrt steige ich in Å aus dem Bus. (Übrigens ein toller Ort für eine Partie “Stadt, Land, Fluss” und generell wohl einer der kürzesten Ortsnamen der Welt 😉   ). Was ich nicht bedacht hatte: Der Radhalter am Heck des Busses ist zugleich auch am Auspuff dran. Mein Rad ist von oben bis unten in Feinstaub bedeckt. Das zeigt mal die Proportionen auf, was da täglich rausgeblasen wird. Ich muss jedenfalls erstmal mein Rad säubern bevor ich aufsatteln kann. 

Nun hätte ich zwei Optionen: Der Campingplatz in Moskenes ist nur 5km entfernt, der Nächste in 33km. Da es aber bereits 18 Uhr ist, ordentlich regnet und auf dem nächsten Abschnitt einige Sehenswürdigkeiten liegen, die ich in Ruhe betrachten will, entscheide ich mich für den näheren Campingplatz. 

So habe ich heute tatsächlich nur 8km zurückgelegt, als ich am Platz ankomme. Dieser liegt direkt an der Fähranlegestelle für die Bødø-Fähre. Und das macht einen riesen Unterschied – Der Campingplatz ist voll! War ich die vergangen Wochen zumeist das einzige Zelt am Platz stehen hier nun mehrere Dutzend und endlos viele Camper. Nachts muss der Platz sogar wegen Überfüllung schließen. 

Miserables Wetter! 

Ich baue im Regen mein Zelt so schnell auf wie es geht und flüchten dann endlich unter die Dusche. Nach 2 Nächten und 3 Tagen ohne Waschmöglichkeit ist es wirklich herrlich endlich massenhaft warmes Wasser zu haben. Auch die Küche nutze ich danach, auch wenn da wirklich Akkordbetrieb vorherrscht, aber so kann ich wenigstens im Warmen sitzen und führe ein paar nette Gespräche mit anderen Gästen. 

Beim Schlafengehen prasselt der Regen aufs Zelt. Leider steht zu befürchten, dass sich das morgen nicht ändern wird, es ist weiterhin schlechtes Wetter angesagt. 

Tag 32: Moskenes – Malnes

Wie erwartet ist der Soundtrack beim Aufwachen der Selbe – das beständige Trommeln des Regens auf dem Aussenzelt. So bleibe ich noch ein wenig länger liegen, frühstücke in der Küche und mache mich schließlich um halb 10 auf den Weg. 

Habe in der Küche noch eine nette Britin getroffen, die in die selbe Richtung wie ich mit dem Rad unterwegs ist. Allerdings hat sie einen Anhänger samt Hund dabei. Sie spricht davon, dass die “Lofoten ja ziemlich flach seien.” Ich will sie nicht beunruhigen und lasse sie in dem Glauben. 

Etwa 10 Minuten nach dem Start hole ich sie ein, sie kämpft sich gerade einen Hügel hoch und muss schieben. Unsere Geschwindigkeiten unterscheiden sich so gravierend, dass zusammen fahren keinen Sinn machen würde, deswegen Grüße ich sie nur kurz und ziehe dann vorbei. Der Beginn der Strecke heute ist alles, nur nicht “ziemlich flach”. Ständig geht es hoch und runter, die Dörfer scheinen auf jeden kleinen Vorsprung positioniert zu sein, die die ursprünglichen Erbauer finden konnten. Schnell bin ich in Reine angekommen. 

Vor 3 Jahren bin ich den dortigen Hausberg Reinebringen hochgeklettert und habe fantastische Aufnahmen machen können. Heute hingegen ist die Bergspitze nicht mal sichtbar im Nebel, es ist kalt und der Regen kommt fast horizontal. Also schnell weiter. 

Aufstieg zum Gipfel

Reine und der Reinebringen in den Wolken. 

Habt ihr euch mal gefragt, wo eure wunderbaren, antibiotikagefüllten Lachse herkommen? Bitteschön:

Die Fjorde sind wunderschön, allerdings auch ziemlich frustrierend zu fahren. An einer Stelle müsste ich etwa 400m Wegstrecke zurücklegen, gäbe es eine Brücke über den Fjord. Stattdessen geht es über 9 Kilometer am Fjord entlang bis ich auf der Gegenseite stehe. Das schlaucht ganz schön, aber wenigstens hat man so viel Zeit sich die Landschaft anzuschauen. 

Selbst die Schafe sind schlauer als ich und verstecken sich vor dem Regen. 


Die Lofoten sind schon seit Jahrhunderten am Meisten für ihren Fischfang berühmt. Jedes Jahr ziehen hier große Mengen Dorsch an den Inseln vorbei. Die gefangenen Fische werden auf gigantischen Holzgestellen Luftgetrocknet, eine uralte Methode zur Konservierung. Mein Reiseführer erzählt mir, dass im 11. Jahrhundert die Erträge aus den lofotischen Fischfängen größer waren, als der gesamte Staatshaushalt der norwegischen Regierung. Sind also gewaltige Dimensionen und zeigt, weshalb Fischfang hier noch eine so gewichtige Rolle spielt. 

Auf einem steilen Anstieg treffe ich einen weiteren deutschen Radfahrer, der seit zwei Wochen von Oslo aus unterwegs ist. Zusammen fahren wir in den ersten Tunnel meiner bisherigen Tour. Es hätte zwar heute einige Tunnel gegeben, zumeist führen die allerdings durch Berge hindurch und Radfahrer und Fußgänger müssen die Umfahrungsstraßen nutzen, die an den Berghängen entlangführen. Dieser Tunnel jedoch führt unter dem Meer zwischen zwei Inseln hindurch, da gibt es keine Umfahrungsstraßen 😉

Also Licht an und ich wage mich als Erster in den Tunnel. Es gibt einen Gehweg, auf dem wir fahren können. Erst geht es 800m steil bergab. Ich kann leider nicht so Rollen lassen, wie ich gerne möchte, dafür ist der Belag zu schlecht und zu wenig Licht vorhanden. Trotzdem geht es mit gut 40km/h hinab. Unten dann der Richtungswechsel, nun geht es quälend steil bergauf. Alles in allem ein guter, erster Test, die Kür erwartet mich dann an dem Tunnel, der zum Nordkapp führt, mehr dazu aber in gegebener Zeit. 

Nach 60km bin ich über die Inseln Moskenesøya, Flakstadøya nun endlich auf Vestvågøya und komme in der Stadt Leknes an, erledige meinen Einkauf und verschwinde dann in eine Imbissbude:

 Es hat nun die vergangenen 4 Stunden nicht einmal aufgehört zu regnen, der Gegenwind peitscht mir ins Gesicht und es ist wieder so kalt, dass man seinen Atem sehen kann. In dieser Situation brauche ich was Warmes zu essen und die Möglichkeit mich aufzuwärmen. Über eineinhalb Stunden sitze ich dort, bis ich mich zur Weiterfahrt aufraffen kann.  

Ich biege von der Haupt Route E10 auf die Straße Nr. 815 ab. Ich erhoffe mir davon weniger Caravan-Verkehr, Kilometer mäßig schenkt sich das nichts. Dafür erkaufe ich mir diese Einsamkeit durch einen steilen Aufstieg ins Nebental. Knappe 150 Höhenmeter am Stück kurbele ich mich nach Oben. Die Abfahrt ist wenigstens eine gebührende Belohnung.

Treffe dabei auf einen suizidalen Vogel: Der kommt plötzlich aus dem Gebüsch gelaufen und rennt direkt auf mich zu. Ich versuche noch auszuweichen, doch er läuft mir voll gegen das Rad. Als ich anhalte, erblicke ich ihn auf dem Rücken liegend und ein Bein zuckt noch. Es tut mir wirklich schrecklich leid, aber ich hab keine Ahnung warum er gerade auf mich zu kam. Ich suche mir einen Stein um das arme Tier zu erlösen, plötzlich springt der Vogel auf und humpelt davon. Sieht eindeutig lädiert aus, ich frage mich aber, ob nicht alles Show war und er vielleicht versuchte, von einem Nest in der Nähe abzulenken. Auf alle Fälle ein gruseliges Erlebnis. 

 Die hier waren zum Glück schlauer. 

Nach knappen 80km komme ich an einem Campingplatz an, wo auch der andere deutsche Radfahrer übernachten wollte. Ich allerdings bin noch einigermaßen fit, entschließe mich also nur das Wasser aufzufüllen und dann weiter zu fahren. Generell habe ich dadurch ein gutes Gefühl: Ich konnte dem anderen Radfahrer an den Hängen und im Flachen locker davon fahren, und das obwohl ich 30km früher angefangen habe als er und mein Rad schwerer bepackt war als seins. Die tägliche Verbesserung der Kondition merkt man nicht wirklich, aber in solchen Situationen wird es sichtbar. 

Ich will noch 10km weiter und mir auf dieser Strecke einen Platz zum Wildzelten suchen. Leider kommt da sehr viel Sumpf und so fahre ich dann doch weiter, auch gegen den starken Wind und Regen. 

Schließlich ist der einzige windgeschützte und sumpf-freie Stellplatz der Parkplatz eines Friedhofs, und ich habe damit wohl den bisher seltsamsten Campingplatz gefunden. Aber da ich nun nach 94 Kilometern wirklich genug habe, muss dies wohl reichen und ich stelle das Zelt auf. 
Bin relativ stolz über die heute erbrachte Leistung, obwohl es so hügelig und wettertechnisch grauenhaft war, habe ich ordentlich Strecke machen können. Heute Nacht soll endlich der Regen abflachen, mal schauen ob es morgen angenehmer wird.  

Tag 33: Malnes – Stokmarknes


Komme heute zwar schwer aus den Federn, die Geister des Friedhofs haben mich aber in der Nacht nicht gestört 😉 

Nach einem leckeren Frühstück:

Mache ich mich auf den Weg. Das Wetter heute ist deutlich besser als gestern. Zwar immer noch ziemlich grau, aber ohne Regen. Der Wind allerdings hat seine Intensität beibehalten. 
Schon bald muss ich über diese bemerkenswerte Brückenkonstruktion. 

Der Querwind oben ist ziemlich stark und auch im Wasser ist die Strömung deutlich wahrzunehmen, wie sie unter der Brücke hindurch die Wassermassen presst. Über die Inseln Gimsøya und Austvågøya komme ich anschließend auf abwechslungsreichen und teilweise sogar sonnigen Abschnitten nach Svolvaer.

Bis fast ans Nordkapp geht es nun auf der Fahrrad Route 1.

Lofoten Kathedrale in Kabelvåg 

In Svolvaer stürme ich den örtlichen Supermarkt und gönne mir sogar noch Eis, welches ich verdrücke, während ich versuche ein wenig Photosynthese auf dem Parkplatz zu betreiben. 

Weiter geht es an der Küste entlang am wunderschönen Austnesfjorden. Der Abschnitt kostet viel Kraft, schließlich geht es gefühlt in Achterbahnmanier auf und ab, zudem drückt mich der starke Gegenwind zurück. 

Ich beschließe heute eine späte Mittagspause einzulegen und erst den Fährhafen in Fiskebøl zu erreichen.

 Als ich dort schließlich nach 70km Wegstrecke ankomme, wartet die Fähre gerade auf mich. Schnell an Bord gefahren, legt diese nach 4 Minuten auch schon ab. 

Ich verlasse nun schon die Lofoten und begebe mich auf die nächste Inselkette, die Vesterålen. Trotz schlechtem Wetter freue ich mich, die Lofoten mitgenommen zu haben. Sie haben ihren eigenen Charme, sind landschaftlich wunderschön anzuschauen und auch der dauerhafte Geruch von Salzwasser und nassen Algen, teilweise auch von dem trocknenden Fisch, den ich die letzten zwei Tage in der Nase hatte, ist etwas ganz Besonderes. 

Die Fähre von Fiskebøl nach Melbu braucht keine 20 Minuten. In Melbu selbst gönne ich mir nun endlich mein Mittagessen, der Magen hängt schon in den Kniekehlen. Dabei gibt es heute eine besondere Leckerei, die ich seit Kiruna mit mir mitschleppe:

Ich bin ein riesiger Avocado-Fan und unerwarteter Weise waren Avocados in Schweden sogar eins der wenigen Lebensmittel, die tatsächlich billiger als in Deutschland sind. Leider reifen Avocados bei 2° und in einer Tupper Dose ziemlich langsam, und so habe ich sie seit Kiruna in der Tasche gehabt. 

Nach diesem gelungenen späten Mittagessen gehe ich den letzten Teil des Tages an. Bis zum nächsten Campingplatz sind es entspannte 17 Kilometer. Den Übernächsten werde ich nicht erreichen können, die 40 Kilometer bis dahin packe ich nach dem vielen fahren heute nicht mehr. Also ganz entspannt ab zum näheren Platz. 

Die jetzige Insel Hadseløya ist weit weniger wild und schroff als die Lofoten, jedoch auch wunderbar grün und voller Leben. Zudem habe ich auf der Küstenstraße tolle Blicke zurück auf die Lofoten. 

Tolle Idee

In Stokmarknes angekommen fahre ich zum schnuckelige Campingplatz, der sogar über einen eigenen Bach verfügt, welcher sich durch das Gelände zieht. 
Nach insgesamt 84km baue ich dort also mein Zelt auf, genieße eine warme Dusche, wasche meine Wäsche und verbringe einen angenehmen Abend. 

Tag 29 – 30 : Kiruna – Narvik

Tag 29: Kiruna – Tornehamn

Vorwarnung: Viele, viele Berg-Fotos heute, ich freue mich einfach viel zu sehr über eine neue Landschaftsform

Um kurz nach 9 sitze ich auf dem Rad, bereit Kiruna zu verlassen. Es ist zwar mit 3° wirklich empfindlich kalt, dafür aber endlich trocken. Schon nach 2km liegt die Stadtgrenze hinter mir und ich komme gut voran. Der Asphalt ist glatt und neu, zudem bleibt die Strecke über 40km relativ eben, was mich sehr freut. 

Blick auf die  Geröllhaldr der Mine in Kiruna

Unterwegs überholt mich auch die Bahn mit dem Eisenerz, welches in Narvik auf Schiffe verladen wird. 

Heute ist die Gelegenheit, um mein Kalt-Wetter-Setup zu testen. Mit Mütze, Schlauchtuch und Handschuhen lässt sich die Kälte relativ gut aushalten. Einzig die Füße frieren mir ordentlich ein. Hier werde ich die Tage testen, ob ein zweites Paar Socken hilft, ansonsten werde ich die wasserdichten Schuhüberzieher nutzen, das ist zwar unangenehm, aber wenigstens bleibt es darunter schön warm. 

Selbst beim dritten Besuch in Nordschweden bin ich vom Wasserreichtum der Region fasziniert. Hinter jeder Ecke wartet ein neuer See und ich fahre heute an mehreren reißenden Flüssen vorbei. Von kleinen Bächen, die zumeist durch die Schneeschmelze entstehen, ganz zu schweigen, da kreuzen heute hunderte meinen Weg. Die Kommune Kiruna hat über 6000 Seen, und über 30 Berggipfel, kein Wunder dass ich heute so tolle Sachen sehe. De facto könnte ich jetzt auch das Wasser direkt aus den Bächen trinken, hier gibt es keine Landwirtschaft mehr, welche das Wasser verunreinigen könnte. Ich hab allerdings genug dabei, so hebe ich mir den ersten Schluck Fjällwasser noch auf. 

Lange Zeit halte ich auf einen namenlosen Gipfel mit 1021m Höhe zu, da die Straße direkt am Fuße des Berges vorbeiführt. Der Gipfel ist leicht mit Schnee gezuckt und sieht fantastisch aus. 

Ich treffe heute auf einen entgegenkommenden Radfahrer, der eine kürzere Tour hinter sich hat und körperlich relativ angeschlagen aussieht. Er freut sich auf Kiruna, wird dort seine Reise beenden und per Zug nach Südschweden zurückkehren.

 Übrigens habe ich heute auf Facebook entdeckt, dass die polnischen Rennradfahrer am Nordkapp angekommen sind. Zwar sind die eine kürzere Route gefahren, als die die ich vorhabe, aber ich habe sie auch erst vor 4 Tagen Abends in Gällivare getroffen. Respekt! 

 Kurze Bananen-Pause, sonst wird es zu kalt. 


Nach 50km komme ich am Ufer des Torneträsk an, und damit an einem lang erträumten Zwischenziel. Der Torneträsk ist ein gigantischer See, auf beiden Seiten von hohen Bergen flankiert. Über 70km lang und 168m tief, an dem meisten Stellen über 6km breit.  Und nach all dem Wald der vergangenen Wochen habe ich nun endlich Fernblick. Berge! Wasser! Schnee! Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus, so krass ist der Bruch mit der bisherigen Landschaft. 


Blick auf den Olmácohkka, 1358m hoch. Direkt dahinter liegt bereits Norwegen, die Berge stellen eine natürliche Begrenzung dar. 

Mittagspause mache ich direkt an der Straße an einem Rastplatz, leider gibt es keine Windgeschützte Hütte. So fällt die Pause mit 30min eher kurz aus, aber da ich meine Finger und Zehen nicht mehr spüre, ist es höchste Zeit weiterzuziehen. 

Nach dem Mittagessen komme ich an einem Rastplatz vorbei, wo ein Mann von der Holzbank aufspringt und anfängt mir zu Applaudieren. Sehr seltsam, ich freue mich aber drüber und ziehe lachend weiter. 

 Die werden hier wohl gezüchtet.. 😉 

Generell liegt in den Bergen noch viel Schnee, man merkt dass die Schneeschmelze dieses Jahr im Verzug ist. Das sorgt aber für ein traumhaftes Panorama, so kann ich dem Schnee eigentlich nicht böse sein. 

Blick auf den Njulla und dahinterliegenden 1304m hohen Gohpasćorru, dem Hausberg von Abisko. 

Blick ins Karsavagge, wo ich vor zwei Jahren mit Markus wandern war. Erinnerst du dich noch an das eine Schneefeld mit den Toten Mücken drauf Markus? Da sieht das hier deutlich beeindruckender aus. 

Ist übrigens auch ein Bonus, bis jetzt gab es herzlich wenig Insekten in der Gegend. Ich habe ja die Hoffnung, dass die bei der ersten Warmphase alle geschlüpft sind und nun schon der Kälte zum Opfer gefallen sind, befürchte aber, dass das große Schlüpfen noch bevorsteht und ich alle Viecher dann beim Wandern abkriege. 

Nach 95km erreiche ich Abisko und damit wieder einen Sehnsuchtsort. Zwei mal hier gewesen um auf dem Kungsleden zu wandern. Letztes Mal brauchte es nur zwei Flugzeuge und einen Bus um mich herzubringen, das Erfolgserlebnis es mit eigener Muskelkraft hierher geschafft zu haben, bereitet aber mehr Freude. Ich fülle mein Wasser auf, genieße die gespannte Atmosphäre vor Ort, da jeder in Trekkingklamotten rumläuft und die Aufregung vor-, bzw. die Erleichterung nach einer eben absolvierten Tour ist geradezu spürbar. 

Blick zurück auf Lapporten (dt. “Lappen-Pforte”), ein sehr passender Name dafür. 

Bisher hat das Wetter auch gehalten, einmal hat es kurz genieselt, aber ist im  großen und ganzen trocken geblieben. Nur ein fieser Gegenwind quält mich heute, besonders, da er so kalt ist. Seit ich den Torneträsk erreicht habe und an dessen Ufer entlangfahre, ist es auch deutlich steiler geworden. Trotzdem, bei dem Ausblick nehme ich heute alle Widrigkeiten auf mich. 

Zudem merkt man, dass es hinter mir ganz schön grau zuzieht, während vor mir die schneebedeckten Hügel im Sonnenlicht funkeln. So schön war es heute, dass erstmalig auf Tour die Kopfhörer in der Tasche blieben, ich wollte mich voll aus die Landschaft konzentrieren. 

Habe heute einen deutschen Geländewagen mit dem Kennzeichen MA-TE gesehen. Was würde ich nur für eine Flasche Mate geben, bin jetzt seit knapp einem Monat auf dem Trockenen. Aber hey, noch etwas für die Vorfreude, nach Berlin zurück zu kehren. 

Nach 106km erreiche ich hinter Björkliden einen Rastplatz direkt am Wasser, wo schon ein paar Wohnwagen stehen. Ich organisiere mir das einzige kleine Fleckchen Gras und stelle schnell mein Zelt drauf. Komme noch mit deutschen Camper ins Gespräch, diese bringen mir nachher auch noch dankenswerterweise einen Tee vorbei, genau das Richtige zum Aufwärmen. Zudem hat die Raststätte eine kleine Hütte, ich kann also trocken und Windgeschützte sitzen, während ich mir Abends meine Nudeln koche. 

Und bei dem Blick aus dem Zelt kann man es eigentlich gar nicht besser treffen. 

So bleiben morgen nur noch knappe 70-80km nach Narvik in Norwegen, viele davon auch Bergab, da es direkt am Meer liegt. Auch wenn morgen ähnlich kalt werden soll, der Wind kommt laut Wetterdienst von hinten, und ich werde versuchen meinen Übertritt ins nächste Land richtig zu genießen. 

Tag 30: Tornehamn – Narvik

In der Früh geht es frostig weiter. Ich kurbel mich immer weiter in die Berge, die deutlich mehr Schnee an ihren Bergflanken haben. Auch die Seen sind jetzt teilweise noch zu 80-90% gefroren. 

Nach ca. 30 Kilometern erreiche ich Riksgränsen (=Reichsgrenze), das letzte Dorf in Schweden. Hier gehe ich noch mal beim örtlichen ICA Supermarkt einkaufen (so pervers es klingt, die “günstigen” Lebensmittelpreise nutzen, bevor es nach Norwegen geht) und sitze anschließend in der Sonne vor dem Supermarkt und beobachte das bunte Treiben. Im völligen Kontrast zu den derzeitigen Temperaturen in Deutschland hat Riksgränsen nämlich ein operierenden Skilift, welcher auch fleißig in Betrieb ist. Im ganzen Ort treffe ich Menschen in Skiklamotten, auf dem Weg zum Lift. Verrückte Welt. 

Kurz hinter Riksgränsen verlasse ich dann Schweden. Nach 24 Tagen und 1953,5 Kilometern fällt mir der Abschied schwer, aber nach dem Nordkapp fahre ich ja wieder nach Schweden zurück, es ist also nur ein Abschied auf Zeit. Die Grenze ist reichlich unspektakulär, und schwupps bin ich im 4. Land meiner Reise. 

Die Landschaft ist atemberaubend, schroffe Felsen, hohe Gipfel, Schnee und gefrorene Seen. 

Dann komme ich an einem Mahnmal für die Gefallenen der Narvik-Defensive 1940 vorbei. Bevor Norwegen sich den Deutschen ergab, haben hier einige Regimenter der norwegischen Armee in den Bergen den deutschen Soldaten die Stirn geboten. Ich kann mir kaum vorstellen, wie ein Krieg hier im tiefsten Winter ausgesehen haben muss. Die Verwundeten wurden nach Kiruna transportiert, es gab zu wenig Zelte und um sie rum tobte Krieg und Winter. Die Norweger haben es geschafft den deutschen Stellungen empfindlichen Schaden zuzufügen und wurden von der Kapitulation Norwegens überrascht, da sie hofften in die Offensive übergehen zu können. 

Abschließend ging es steil bergab, dabei folgte und überholte ich LKWs des Straßenamts, die eine neue Mittellinie auf die Fahrbahn auftrugen. Habe ich noch nie Live erlebt, nun fahr ich aber fröhlich an den neuen gelben Streifen entlang. 

Die Hoffnung, heute wäre eine durchgängige Talfahrt bis zum Meer stellt sich allerdings schnell als Trugschluss heraus. Auch hier kämpfe ich mich teilweise steile Straßen bis zum Horizont hinauf, bevor es dann rasant wieder abwärts geht. 

Steiler Aufstieg

Leider schaffe ich es auf keinem Teilstück meinen Geschwindigkeitsrekord vom ersten Tag in Schweden einzustellen. Dafür ist die abschüssige Strecke entweder zu kurz, oder nicht steil genug. Habe ansonsten wenig Hoffnung, im Laufe der Reise noch an ähnlich steilen Stücken vorbeizukommen, vielleicht bleiben diese 67km/h das höchste der Gefühle. 

200 Höhenmeter tiefer mache ich eine ausgedehnte Mittagspause an einem See, jetzt ohne Schnee und mit viel Sonne. So kann ich in der Jacke länger sitzen und die Atmosphäre genießen. 

Anschließend geht es Schuss bis hinunter ans Meer, wo die E10 mit der E6 fusioniert. An sich müsste ich nun nach Rechts abbiegen, um auf die Lofoten zu kommen. 

Ich habe mich aber dagegen entschieden, 450km auf die Lofoten zu fahren, nur um anschließend 250 davon wieder auf der selben Straße zurückzukehren (es gibt auf den Lofoten eigentlich nur eine Hauptstraße, manchmal zwei Stück, aber mehr auch nicht). Stattdessen biegen ich nun Rechts auf die E6 ab und fahre nach Narvik. Morgen werde ich einen Bus in Narvik besteigen, der mich bis an die Westspitze der Lofoten-Inselgruppe bringt, und werde von dort den Weg zurück mit dem Rad fortsetzen. 

Nach 21 Tagen sehe ich das Meer wieder… 

So fehlen mir noch 20km nach Narvik, die sich als sehr zäh herausstellen. Viel auf und ab, kein Randstreifen und die E6 ist bisher die verkehrsreichste Straße die ich auf dieser Tour befahren habe. Selbst wenn es heute weniger Gesamtkilometer sind als die bisherigen Tage, diese gehen mir richtig an die Substanz und die letzten 10km schleppe ich mich wirklich voran. 

Es wird eine neue Brücke über den Narvik Fjord gebaut, soll wohl nächstes Jahr fertig werden. Bisher ist es eine beeindruckende Hängebrücke

Kurz vor dem Ortseingang nach Narvik erreiche ich dann den Campingplatz und erlebe eine böse Überraschung: Der Platz hat bereits seit Februar 2015 geschlossen, nur ein paar einsame Dauercamper stehen auf dem Gelände. Eine Google-Suche verrät mir, dass es in der Stadt keinen weiteren Campingplatz gibt. Das Hostel ist geschlossen, die Jugendherberge ist voll und das günstigste Hotel fängt bei 120€ die Nacht an. So entschließe ich mich, mich aufs Gelände des Campingplatzes zu schleichen und dort nichtsdestotrotz die Nacht zu verbringen. Eine Toilette hat zum Glück auch auf, nur die Duschen sind leider verrammelt. Tja, dann wird das die zweite Nacht ohne Dusche. 

Schnell stell ich das Zelt an der hintersten Ecke des Platzes auf und entlade mein Fahrrad. Mit nur einer leichten Tasche flitzen ich in die Stadt zum Einkauf. 

Nicht mehr weit… 

Danach geht es zum Narvikfjellet. Narvik hat einen Hausberg samt Gondelbahn, die unweit des Stadtkerns in die Höhe schießt.

 Und da heute am 23.6 die Norweger Mittsommar feiern, kostet die Gondelfahrt nicht mehr 18€, sondern nur 5€. Diese Gelegenheit nutze ich, um mich hoch über der Stadt umzusehen. Der Blick von oben ist fantastisch! 

Narvik im Tal

Blick auf die Lofoten

Mittsommar Lagerfeuer

Man sieht ganz Narvik am Fuße des Berges, zudem kann man die Lofoten bis in weite Ferne beobachten, besonders die Schneebedeckten Gipfel dort haben es mir angetan. So sitze ich knappe 3 Stunden auf dem Gipfel und genieße den Ausblick. Fieserweise haben um mich rum alle Norweger ihren Einweggrill aufgebaut und verputzen fröhlich ihr Abendessen. Und was habe ich dabei? Einen Schokoriegel und ne Banane. Auf meinen hungrigen und mitleidigen Blick reagiert leider keiner, was würde ich für einen Hotdog oder ein Steak geben… 


Hier wird das Eisenerz aus Kiruna Verladen. 

Der Berg hat de perfekte Ausrichtung, um die Mitternachtssonne zu verfolgen, schließlich zeigt der Ausblick nach Norden und Westen. Auch dass die Sonne in voller Kraft leuchtet und wenig Wolken das Ereignis verdecken, verschönert das Ereignis.

 Die letzte Gondel fährt erst um ein Uhr nachts, so könnte man beobachten, wie die Sonne auf Höhe der Lofoten wieder in die Höhe steigt. So lang will ich und mein grummelnder Magen allerdings nicht warten, gegen 8 Uhr mache ich mich mit der Gondel wieder auf ins Tal. 

Nach insgesamt 78km bin ich zurück am Campingplatz  und  die Sonne ist noch so stark, dass ich um 10 Uhr abends vor dem Zelt sitze und den Ausblick genieße. Meine Baked Beans mit Hotdog Würstchen sind zwar nicht so gut wie das Grillfleisch, aber nach so einem anstrengenden Tag eine wahre Wohltat. 

Bereits seit Tagen will ich ein paar Informationen zur Mitternachtssonne einstreuen, und nutze jetzt die Gelegenheit das Mittsommar ist, um dies nachzuholen:

Nördlich des Polarkreises geht im Juni-Juli die Sonne nicht unter, bedingt durch die Erdneigung zur Sonne. Je weiter Nördlich man kommt, desto länger hält das Ereignis an. So geht am Nordkapp, bei 71° Nord, die Sonne 1800 Stunden nicht unter. 

Wie lange die Mitternachtssonne zu sehen ist, könnt ihr dieser Infographik entnehmen. 

Nun hatte ich spätestens seit Südschweden keine richtige “Nacht” mehr, da allerhöchstens eine Dämmerung eintrat, dunkel wurde es aber nicht mehr. Aber so weit nördlich ist es faszinierend zu sehen, dass die Sonne immer noch das Zelt anstrahlt, als ich mich um Mitternacht schlafen lege. 

Alles in allem ein fantastischer Tag. Sehr anstrengend, aber gefühlt habe ich heute 3 Jahreszeiten durchlebt, von Winter im Skigebiet, über Frühling an den Berghängen bis hin zu Sommer im Tal, wo wieder allerlei Blumen und Bäume sprießen. Der Weg von Kiruna nach Narvik hat mir unglaublich gut gefallen, welch tolle Abwechslung nach all den Tagen im Wald. Ich bereue keine Sekunde, 400km mehr gemacht zu haben und via Kiruna nach Norwegen gefahren zu sein. In der Planung hatte ich auch überlegt bereits in Arvidsjaur nach Bodo abzubiegen und von dort auf die Lofoten zu schippern. Bin froh es nicht gemacht zu haben, auch wenn dieser Weg jetzt länger war. 

Morgen geht es früh los, um den Bus zu erwischen. 

Tag 27 – 28: Kiruna (Ruhetage) 

Die beiden Ruhetage in Kiruna waren recht ereignislos. Insgesamt bin ich knapp unter 10km Rad gefahren (zum Supermarkt, Stadt anschauen, etc.) und habe aufgrund des miesen Wetters viel Zeit drinnen verbracht. 

 Gibt nichts, was sich im Kapitalismus nicht kapitalisieren lässt. 
Mein Hostel für die ersten zwei Nächte war ziemlich abgerockt, dafür hatte ich aber das Vier-Bett-Zimmer komplett für mich, und konnte mich so ordentlich ausbreiten. Wäsche konnte ich auch endlich wieder Waschen, dass hatte ich seit Östersund nicht mehr gemacht (nur im Waschbecken oder im Fluss). 

Auch die Möglichkeit, Essen einzukaufen, welches man unterwegs nicht mitschleppen will (Avocados, 1L Joghurt, Chips, etc.) habe ich sehr genossen. Gesund waren die zwei Tage vielleicht nicht, aber wenigstens gab es zum Mittagessen an beiden Tagen eine riesen Schüssel Salat, eine wahre Freude nach all dem Fertigessen, bzw. all den Nudeln. 


 Auch mal ein deutsches Abendessen. 
Ich habe zwei Bücher verschlungen und mir vom Touristenbüro eine gute Broschüre für Nordnorwegen organisiert, mal schauen ob ich es schaffe, da einige der Attraktionen zu besuchen. 

Für die dritte und letzte Nacht bin ich in ein moderneres, größeres Hostel umgezogen. Hier habe ich im Zimmer zwei nette Schweden kennengelernt, die gerade auf dem Kungsleden (Königsweg) wandern waren. Dieser 450km lange Wanderweg beginnt in der Nähe von Kiruna, und gefühlt trägt die halbe Stadt hier Wanderschuhe und Trekkinghosen, ist also ein Umschlagsplatz für all die Wanderbegeisterten. Auch wenn extrem viel Schnee auf dem Kungsleden liegt, haben die Beiden es geschafft, den Kebnekaise zu besteigen, Schwedens höchsten Berg. Ein Erfolg, der mir bei meinen beiden vorherigen Touren auf dem Kungsleden nicht vergönnt war (siehe die Reiseberichte 2014 und 2015 hier im Blog), und so machen sie mich ordentlich neidisch mit ihren Gipfelfotos. 


Netterweise überlassen sie mir 5 Packungen ihrer Trekkingnahrung, da sie diese nicht mit nach Hause schleppen wollen. Ich freue mich riesig drüber, denn die Packungen sind sowohl leichter als Fertignudelpackungen, zudem haben sie deutlich mehr Kalorien. Werde sie aufbehalten und am Ende mit auf die Trekkingtour mitnehmen, so habe ich weniger zu schleppen, was mich sehr freut! Zudem sind die Packungen mit bis zu 10€/Essen für mich viel zu teuer, als dass ich mir die für die Wanderung hätte geleistet. 

In der Touristeninformation sammel ich noch Informationen über die Eisenerz Mine, sollte das jemanden interessieren, hänge ich hier die Infos an. Faszinierend find ich die Fördermenge von über eine Milliarde Tonnen Eisenerz. Es ist auf alle Fälle ein gigantisches Unterfangen. Die erste Nacht habe ich es noch verschlafen, heute Nacht bin ich um Punkt 1:30 Uhr wach geworden. Da wird pünktlich 365 Tage im Jahr neues Material in der Eisenmine gesprengt, ein Ereignis, dass man auch 1,5km höher in der Stadt klar hören kann. Mal sehen ob ich heute Nacht davon wach werde. 


Ansonsten genieße ich den Luxus, auch mal einen Mittagsschlaf einzulegen, und mit dem Buch im Bett zu liegen. Das Wetter bleibt katastrophal regnerisch, ich bin also wirklich froh, den zweiten Pausentag drangehängt zu haben, draußen möchte ich gerade wirklich nicht sein. Während ich diese Zeilen schreibe, bestätigt mir der Blick aus dem Fenster: Es schneit!!! Und das, während meine Telefonate in die Heimat mir dauerhaft von der Hitzewelle erzählen. Verrückte Welt. 

Das Wetter morgen soll besser sein, zumindest trocken sollte ich voran kommen. Allerdings bleibt es die kommenden Tage deutlich kühler als ich es bisher auf Tour hatte. Knappe 2° Nachts, und Tagsüber bis 7° Grad. Bin mal gespannt, wie es mir damit ergeht. Mein Schlafsack sollte es eigentlich abkönnen, interessant wird es eher beim Fahren selber. Während man tritt, bleibt es warm, problematisch werden eher die Pausen, bei denen man schnell auskühlt. 

Nichtsdestotrotz bin ich wieder richtig heiß aufs weiterfahren. Ich hoffe mein Hintern und meine Knie haben die Pause genossen und ich kann wieder voll durchstarten. Von Kiruna geht es nun nach Westen, an der Erz-Bahnlinie entlang, bis nach Narvik in Norwegen. Zwei abenteuerliche Tage in wunderbarer Natur stehen mir bevor. 

Tag 24 – 26: Ljusselsstugan – Kiruna

Tag 24: Ljusselsstugan – Jokkmokk

Habe mich gestern Abend noch mit 4 spanischen Campern unterhalten, dass sind bisher wohl die am weitesten Gereisten.

Der Tag beginnt sonnig, und so komme ich pünktlich um 9 Uhr los. Der Start hat es aber auch gleich richtig in sich. Die ersten 40 Kilometer des Tages bestehen aus steilen Anstiegen, steilen Abfahrten und gefühlt keinem einzigen Stück Flachland. 

Heute fühlen sich die Beine besonders schwach an, was nun wirklich keine traumhafte Kombi ist. Aber ich beiße mich durch, auch dank einem guten Hörbuch. Musik und Hörbücher sind generell meine Geheimwaffe auf dieser Reise. Merke ich, dass ich in 500m Schritten auf den Tacho schaue, und das Gefühl habe, es geht gar nicht voran, dann kommen die Kopfhörer ins Spiel. Mit einem guten Hörbuch schaue ich meist nur dann auf den Tacho, wenn ich merke “Hui, schon wieder 18km mehr zurückgelegt.” 
Sollte es jemand von euch interessieren, hier die bisherige Liste:

  • Warlock Holmes – Ziemlich schlecht, keine Ahnung warum ich mich damit so lang aufgehalten habe
  • Heilige Kuh von David Duchovny – noch schlechter, moralisierend, zum Glück aber nur drei Stunden lang. 
  • 2001 – A Space Odyssey: Ein Klassiker, den ich schon seit Ewigkeiten anschauen wollte. Hat mir als Hörbuch gut gefallen, muss nach der Rückkehr mal den Film anschauen. 
  • Ben Aaronovitch – Rivers of London Serie. Bisher bin ich mitten in Teil 2, von 6 insgesamt verfügbaren Büchern. Absolut genial, sehr detailreich aufgebaut und hilft wirklich beim Abschweifen und “Hügel-vergessen”. Freu mich, dass ich noch 3 Teile der Reihe mit dabei habe. Nur dass der Protagonist dauernd vom Essen schwafeln muss, geht mir gehörig auf den Geist. Da kommt das Magenknurren von ganz alleine. Danke für die Empfehlung Markus! 

Das sind die bisher angehörten, habe noch einiges dabei, zur Not auch mehrere 45-stündige Fantasy-Kracher, da kann ich ne ganze Woche durch-hören. Nur meine ideologiekritischen, politischen Vorträge (vom genialen YouTube Kanal Nocturnal Times runtergeladen) verstauben bisher auf der SD Karte, da kann ich mich nicht zu durchringen. Aber ich habe ja noch Zeit. 

Was die Tierdichte heute angeht, war es ein erfolgloser Tag. Ein einsames Rentier leistete mir kurz Gesellschaft, ansonsten blieben die Straßen aber leer. 

Habe ich euch eigentlich schon mein Maskottchen “Kroki” gezeigt? Meine Warmshower Host Janka hat mir in Göteborg ein Überraschungsei geschenkt, anlässlich dem “Kindertag” in Polen. Erst mit Kabelbinder, nun mit Gaffa-Tape fährt der Inhalt dieses Überraschungseis nun auf meinem vorderen Schutzblech mit! 

Mittagspause habe ich zum Glück so getimed, dass ich gerade wieder losfahre, als es anfängt zu tröpfeln. Bald darauf gießt es aus Kübeln und für die letzten 50km des Tages fahre ich in meiner Regenkluft. Dabei ist heute aber deutlich wärmer als die vergangenen Regentage, dass ist vollständig eingepackt schon richtig unangenehm. 

Kurz vor der Ankunft am Zielort dann das heutige Tageshighlight. 

Ich habe den nördlichen Polarkreis auf 66, 5° nördlicher Breite erreicht. Ab diesem Punkt kann man dann in den kommenden Wochen die nie untergehenden Mitternachtssonne beobachten. 

 Informationen dazu

Ich für meinen Teil freue mich einfach tierisch, hätte nicht gedacht, dass ich es so weit schaffe. Unterhalte mich vor Ort noch mit ein paar netten Leuten. Die meinen, sie hätten heute 5-6 Radfahrer_innen überholt, die in die selbe Richtung unterwegs sind wie ich, es gibt also Nachschub. Sie meinten allerdings auch, dass sie heute früh in Vilhelmina gestartet wären, da war ich vor 4 Tagen. Ist schon verrückt, wenn man sich an das Rad Tempo gewöhnt und plötzlich merkt, wie viel Strecke Autos an einem Tag zurücklegen. Nichtsdestotrotz hoffe ich, vielleicht in Kiruna auf ein paar Mitradler_innen zu stoßen, mit denen ich zusammen nach Norwegen fahren könnte. Vielleicht holt ja wer auf. 

Ein paar Kilometer später dann auch noch die theoretische “Mitte” meiner Tour:

Bisher weiß ich allerdings nicht, ob ich mich freuen soll, dass die Hälfte geschafft ist, oder schockiert sein soll, dass noch genauso viel vor mir liegt. Egal, einfach strampeln, dann wird das schon. 

Kurz darauf komme ich in Jokkmokk an, ein Ort der wohl am bekanntesten für sein Eis-Hotel ist. Dieses besteht wohl gerade eher aus einem Teich in einem Feld, deswegen komme ich Abends im Vandrarhem, also der schwedischen Jugendherberge, unter, da dies nun auch nicht viel teurer war, als die örtlichen Campingplätze. Zudem soll es heute Nacht weiter regnen und die Campingplätze sind dann auch noch deutlich weiter von der Route entfernt, ich müsste morgen also Extrakilometer machen, um dorthin zurückzukommen. 

So habe ich ein Sechsbettzimmer für mich alleine, kann mich schön ausbreiten und nach 3 Nächten Wildcamping auch endlich wieder unter die Dusche begeben (In einen See springen ist nunmal nicht das Gleiche!) 

 Blick in den Garten um Mitternacht. Dunkler wird es nicht mehr… 

Das waren heute echt anstrengende 101km! Dafür sind es morgen knapp unter 100km bis Gällivare, und dann übermorgen knackige 120km bis Kiruna. Kiruna fungiert derzeit als Sehnsuchtsort, da ich bereits zwei Mal vor Ort war und mich auskenne. Zudem freue ich mich bereits jetzt auf ein bestimmtes Burger-Restaurant. Hinzu kommt, dass ich da einen längst überfälligen Pausentag, vielleicht sogar zwei, einschieben werde, und mit der Ankunft in Kiruna auch die etwa zweiwöchige “Wald, Wald, nichts als Wald”-Phase endlich ein Ende findet.  

Tag 25: Jokkmokk – Muorjevaara

Das Schönste am drinnen übernachten? In der Früh muss kein Zelt verpackt werden. Die gesparte Zeit vertrödel ich allerdings bei einem ausgiebigen Frühstück. 

Kurz nach 9 geht es los, schnell bin ich wieder aus Jokkmokk draußen. Und bin völlig fasziniert, die ersten 20km sind nahezu durchgängig flach und ich komm richtig flott voran. 

Schleusenanlage, bemalt vom schwedischen Künstler Lindstrom. 

Plötzlich hält ein Camper mit Hamburger Kennzeichen in einer Parkbucht und ein älteres Ehepaar fängt mich am Straßenrand ab. Sie sind an meiner bisherigen Tour interessiert und so kommen wir schnell ins Gespräch. Und plötzlich kriege ich zwei Frucht-Mus Packungen überreicht, inklusive einer Visitenkarte zur Website der Zeugen Jehovas.

Ich stelle mich also auf ein nerviges Missionierungsgespräch ein, doch dies tritt überhaupt nicht ein. Stattdessen wird über Skandinavien gefachsimpelt und die derzeitige Route besprochen. Insgesamt sehr kurzweilige 10 Minuten stehen wir am Straßenrand. Ich bin derzeit dauernd so hungrig, wahrscheinlich würde ich für eine Tafel Schokolade selbst der übelsten Sekte beitreten 😉 

Anschließend wechselt die Szenerie ein wenig, es geht entlang mehreren Vattenfall-Staudämmen samt Kraftwerken langsam höher.

 Jede Staustufe bringt mich 50m höher und plötzlich setzt auch der fieseste Gegenwind ein. Ich zuckel so mit knappen 12km/h, frierend und fluchend, die Hänge hoch. Dabei überholen mich zwei Rennradfahrer, die in sehr gebrochenen Englisch erzählen, sie kämen aus Polen, dazu aber später mehr. 

Nach 35km gegen den Wind und bergauf dann endlich die Erlösung: Der Weg biegt im 90° Winkel nach Osten ab, und plötzlich kommt der Wind nicht mehr von schräg vorne, sondern schräg hinten. Und ich fliege nur so davon. Auf der Geraden fahre ich gemütlich mit 28km/h dahin, selbst Hügel segel ich mit 16km/h hoch. Irre was Wind für einen Unterschied macht. 

Ich komme an dem Abzweig nach Kvikkjokk vorbei, hier werde ich mich am Ende meiner Radtour mit dem Bus hinbringen lassen, um zwei Wochen auf dem “Padjelantaleden” wandern zu gehen. In der Ferne sieht man das Bergmassiv des Sareks, eine naturbelassene Wildnis, wie es sie in Europa sonst nicht mehr gibt.  Der Padjelantaleden führt einmal um das Sarek Massiv. Im Sarek liegt anscheinend noch jede Menge Schnee, hoffentlich ist das alles weggetaut bis ich da in ca. einem Monat wieder aufschlage, ansonsten wird es schwierig mit einigen Bergaufstiegen, zudem müssen einige Flüsse ohne Brücke gequert werden, das geht natürlich nur bei entsprechenden Wasserstand. 

Pausenplatz

Eine kalte Mittagspause am Wegesrand lädt nicht wirklich zum verweilen ein. Danach fahre ich auf den Dundret zu, den über 800m hohen Hausberg von Gällivare. 

Dieses Ziel bleibt einige Zeit in Sicht, auch da ich den Berg zur Hälfte umrunden muss. Dann endlich fahre ich in Gällivare (Gesprochen: “Jällivare”) ein. Der letzte größere Ort vor Kiruna (meinem morgigen Tagesziel). 

Dieser Ort hat vielleicht 30.000 Einwohner. Und einer von vier Supermärkten hat Öffnungszeiten, wo selbst wir Berliner nur von träumen können. 

Nach dem Einkauf überlege ich mein weiteres Vorgehen. Entgegen dem Wetterbericht hat es heute nur kurz getröpfelt, dabei war Dauerregen angesagt. Ich habe jetzt 95km hinter mir, bis Kiruna sind es noch 120km. So entschließe ich mich, wegen dem guten Wetter doch weiter zu fahren, wild zu campen und so morgen weniger Strecke nach Kiruna vor mir zu haben. Zudem war es erst 16 Uhr, das war nun wirklich zu früh zum Anhalten 😉 

Und so treffe ich kurz vor dem Ortsausgang die beiden Rennradler vom Vormittag wieder. Stellt sich raus, sie haben ein Begleitfahrzeug dabei, dessen Fahrer deutlich jünger ist und ordentlich Englisch spricht. 

So kommen wir in ein Gespräch über deren Tour. Sie sind 11 Tage vor mir in LISSABON!!! gestartet, fahren auch zum Nordkapp und von da über Finnland und das Baltikum zurück nach Gdansk in Polen. Was eine irre Tour, was ein irres Tempo. Sie legen etwa 200km täglich zurück, also grob das doppelte zu meinem täglichen Schnitt. Allerdings sind sie zu zweit, fahren Windschatten und ihre Räder wiegen ganze 11kg, weil alles im Begleit-Van verstaut ist. Ich bin super neidisch auf ihr Radgewicht, schleppe ich doch die fünffache Menge mit mir rum. 

Das muss so viel einfacher sein am Berg. 



Abends schlafen sie im Van, dann geht es weiter. Laut Aussage des Fahrers wird jeden Tag etwa 4-5h geschlafen, und er meinte, er merkt deutlich, wie die beiden Radler abbauen. Generell scheint da vieles im Argen zu sein, denn ursprünglich war es wohl so gedacht, dass die drei sich abwechseln, nun fahren aber die beiden älteren Herren durchgängig und der jüngere Mann “darf” dauerhaft den Versorgungswagen fahren. 

Die Tour steht aber unter einem katholisch-christlichen Licht, und der Autofahrer ist auf alle Fälle überzeugter Christ. Er sieht es laut eigener Aussage als eine “Mission von Gott”, nun für die anderen beiden zu sorgen und sie sicher Fahrrad fahren zu lassen. Heute scheint also wirklich der Tag der Religionen zu seien, nachdem ich in letzter Zeit damit nichts zu tun hatte. Ich bewundere den Autofahrer, ich hätte den beiden Rennradlern ja den Mittelfinger gezeigt und wäre wieder nach Polen gebraust. Die ganze Tour steht im Sinne der 100jährigen Marien-Erscheinung in Fátime. (Siehe dazu auch hier
Nach einer guten Dreiviertelstunde Unterhaltung, auch mit einem deutschen Autofahrer, der sich der Gruppe temporär angeschlossen hat, fahre ich noch aus der Stadt raus. 

 Endlich ist Kiruna angeschrieben. 

Vorbei am “Lapland Airport”, und dann wieder im 90° Knick voll in den Gegenwind. Prompt kommt auch ein 3km länger, 6%iger Aufstieg, der zum Tagesende richtig Kräfte frisst. 

Nach 118km finde ich am Wegrand eine Möglichkeit mein Zelt aufzubauen und im nahen Fluss kann ich mich noch ein wenig auffrischen. Leider ist der einzige Zugang zum Fluss direkt an der Hauptstraße, so haben mich wohl heute einige Leute in Kraftfahrzeugen sehr nackig gesehen 😀

Been there, done that, got the Coca-Cola 

So habe ich morgen “nur” noch 100km nach Kiruna und werde dort Abends ein Hostel suchen, wo ich auch mein Ruhetag verbringen werde. Ich freue mich bereits riesig. 

Tag 26: Muorjevaara – Kiruna

Mein tägliches Frühstück, nachdem ich Müsli nicht mehr sehen kann… 

Bin wieder klassisch um 9 Uhr unterwegs. Der Weg beginnt steil, aber sonnig. Nach 1,5 Stunden, und erst 25 gemachten Kilometern halte ich in einem Ort, und gönne mir ein Frühstücks-Eis (Ja, das “S” am Ende stimmt so) im Supermarkt. Kaum bin ich draußen, regnet es ziemlich heftig, das sitze ich unter dem Vordach aus. Aber von da an ist der Tag wie verhext. Wie in einem schlechten Comic schaue ich auf blauen Himmel, Sonnenschein und ein paar fluffige weiße Wolken, aber über mir scheint sich konstant eine graue, bitterböse und prall gefüllte Regenwolken zu befinden. Ein paar Mal spiele ich den “Regenhosen-Tango” (anziehen, ausziehen, anziehen usw.), bevor ich aufgebe und den restlichen Tag in Regenklamotten bleibe. Es fängt etwa 10 mal an zu regnen, mal sanfter, mal heftig, einmal werde ich sogar von Hagelkörnern maltretiert. 

Dazu geht es weiterhin bergauf und als wäre das nicht genug, bläst mir schon den ganzen Tag ein fieser Gegenwind ins Gesicht. 

Das wäre schön, mal wieder einen Elch zu sehen. 

Was ich die letzten 10 km gestern gemerkt habe, setzt sich auch heute fort: Ich bin nicht mehr nur auf der E45 unterwegs, sondern diese ist mit der E10, die zuvor die schwedische Ostküste entlangführt, verbunden. Eine direkte Konsequenz daraus ist ein unglaublich dichtes Verkehrsaufkommen, wurde ich vor einer Woche noch etwa von 15-20 Autos die Stunde überholt, spielt sich dies nun alle 5 Minuten ab. Fehlt dann auch noch über knappe 20km der Seitenstreifen, wird es wirklich ungemütlich und man muss sich gehörig konzentrieren, während die LKWs an mir vorbei ziehen. 

Enge, viel befahrene Straße

Nach knappen 1100km auf der E45 (und das meine ich wörtlich, wenn es hoch kommt, dann habe ich 40km auf Nebenstraßen oder in Städten zurückgelegt, der Rest war komplett auf der E45), biegt diese nun nach Nordosten ab, und führt nach Finnland. 

Somit fahre ich nun auf der E10 weiter nach Westen nach Kiruna. War eine lange Zeit auf der E45, knappe 12 Tage bin ich darauf gefahren. Aber bei meiner Rückkehr vom Nordkapp werde ich den Teil von der finnischen Grenze bis Kiruna noch darauf zurücklegen, ich komme also wieder liebe E45! 

Die verbliebenen 50km auf der E10 ziehen sich unglaublich. Viel Bergauf, viel Regen. Nach 70km ringe ich mich zu einer Mittagspause durch, weil der Hunger wirklich überhand nimmt. Kaum sind die Brötchen aus der Tasche, fängt der Regen allerdings wieder an. So wird es das ungemütlichste Essen bisher auf Tour. 12 Minuten Zeit für Brote streichen und belegen, Essen und die Kochutensilien wieder verstauen. Das mag zwar ein Zeit-Rekord sein, war aber null erholsam. Im Gegenteil, durch das schnelle Runterwürgen fahre ich mit einem ordentlichen Knoten im Magen weiter. 

Unwürdige Mittagspause

Versuche mich abzureagieren, indem ich Minutenlang den Asphalt, das Wetter und die Umgebung anschreie. Der Wind lässt jedoch nicht nach dadurch und irgendwann merke ich, dass ich die Puste zum Treten brauche. 

Langsam kommt Kiruna in greifbare Nähe:

Diesen Flughafen werde ich in 1,5 Monaten für den Rückflug ansteuern, heute geht es erstmal dran vorbei in Richtung Stadt. 

Dann endlich bin ich in Kiruna

Schon von Weitem sieht man den Geröllberg am Fuße Kirunas, der das abgetragene Material aus der dort ansässigen Eisenmine von den Dimensionen her greifbar macht. 


Kiruna existiert vermutlich nur wegen dem gigantischen Eisenflöz unter der Stadt, der von der staatlichen Minengesellschaft LKAB abgebaut wird. 

Oberhalb 

und unterhalb von Kiruna

Dabei sind die Minenschächte inzwischen in 1,5km Tiefe vorgedrungen, und da der Flöz unter der Stadt verläuft, findet hier ein gigantisches Umzugsprojekt statt: Die ganze Stadt soll auf Kosten der LKAB um einige Kilometer versetzt werden, um so die Gebäude in Sicherheit zu bringen, da inzwischen schon Absackungen feststellbar sind. Teilweise sollen ganze Gebäude, wie die ansässige Kirche demontiert und am neuen Standort wieder errichtet werden. Wird sicherlich spannend sein, zu beobachten wie sich das entwickelt, auch jetzt erkenne ich Unterschiede zu meinem Besuch vor zwei Jahren. 

 Das neue Stadt Zentrum wird gebaut. 

In Kiruna geht bei mir nur noch Stop-and-Go, so kaputt bin ich nach den 96km gegen das widrige Wetter. Alle 500m anhalten, etwas fotografieren, dann sich weiter quälen. Anschließend fahre ich in Kiruna 3 Hostels an, wovon eins voll und eins geschlossen ist, bevor ich endlich eine günstige, wenn auch sehr rustikale Unterkunft finde. Doch das ist jetzt auch egal, nach 100km will ich wirklich nur noch meine Taschen ausladen und freue mich, für zwei Nächte ein Vierbettzimmer zu beziehen. 

Nach einer Dusche kommen die Lebensgeister zurück, so mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Mein Burger Geheimtipp, den ich vor 3 Jahren entdeckt habe, hat leider zu, so geht es aber ins Bishops Arms, wo ich vor 2 Jahren mit Markus schon die Henkersmahlzeit eingenommen habe, bevor es zum Wandern auf den Kungsleden ging. 

Falls ihr euch schon mal gefragt habt, wie ein 17,50€ Burger in Skandinavien aussieht. Voila! 

Jetzt freue ich mich auf den Ruhetag morgen, habe zwar ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, aber weit weniger als beispielsweise an dem stressigen Tag in Mora. So kann ich endlich mal ein wenig entspannen und die Beine relaxen lassen. 

Von Kiruna aus hat man einen tollen Blick in die höheren Berge Richtung Norwegen. Wahnsinn wie viel Schnee da noch liegt. 

Erstens muss ich da in ein paar Tagen durch, wenn es Richtung Narvik geht, zweitens will ich in dem Gebiet in knapp einem Monat wandern. Da muss noch viel abtauen, damit ich nicht dauerhaft über Schneefelder stapfen muss, und damit die Flüsse noch zu queren sind. 

Tag 22 – 23: Storuman – Ljusselsstugan 

Tag 22: Storuman – Fiskträsk 

In der Früh knallt zwar wieder die Sonne, aber erst ab 7. Zudem wird so wenigstens die Wäsche vor dem Zelt trocken. 

Morgendlicher Nachbar in Nähe des Zeltes 

Ich packe zusammen und mache mich in gleichem Sonnen-Outfit wie gestern auf den Weg. 

Bananenpause an einem wilden, reißenden Fluss. 

Heute barg drei Highlights, die ich chronologisch abarbeiten will:

1) Nach 60km, knapp vor meiner Mittagspause erreichte ich endlich Meilenstein Nr. 2.

Fühlt sich gut an, auch weil die Distanz bis zum nordschwedischen Kiruna immer weiter schmilzt und ich weiß, dass ich in einer Woche etwa in Norwegen sein werde, und ein landschaftlicher Wechsel eintreten wird. 

Abendessen kaufe ich dann beim Besuch im Ort Sorsele, da ich aber erst 70km hinter mir habe, geht es zügig weiter. 

Land unter.. 

 Ab heute bin ich auch endlich in der Provinz Norrbotten angekommen. So groß wie Baden-Württemberg und Bayern zusammen, 23% des schwedischen Staatsgebiets, aber nur 2,8% der Einwohner. (Laut Wikipedia)   

2) Kaum 10 Kilometer später steht plötzlich ein Riese vor mir: Auf der Straße steht eine voll ausgewachsene Elchkuh! Gestern bereits das erste Rentier, heute gleich den ersten Elch gesehen, ich bin überrascht und absolut begeistert. Alles passt: Es kommt gerade kein Auto um den Elch zu verschrecken, und nach 2 schnellen Fotos verschwindet das Tier wieder neben der Straße im Unterholz. Bis ich die 50m geradelt bin, kann ich den Elch nicht mehr sehen, was eine geniale Tarnung. Ich bin so glücklich diese Begegnung erlebt zu haben und hoffe auf viele weitere in den nächsten Tagen! 

Ein paar Minuten später treffe ich auf ein schwedisches Pärchen, welches per Rad in die Gegenrichtung unterwegs ist. Wir halten an zum quatschen, und ich erfahre, dass ein weiterer Radler in die gleiche Richtung unterwegs ist, allerdings hat dieser 6 Stunden Vorsprung. Und das bedeutet: Wenn er nicht irgendwo Pause macht, werde ich ihn wohl nicht zu Gesicht bekommen, was leicht frustrierend ist. Als ich den Schweden von meiner Elchsichtung erzähle, meinen sie noch, in ein paar Kilometern kämen Rentiere. 

3) Und wider erwarten sind diese auch noch da, als ich vorbeikomme. Diesmal kein einzelnes Tier sondern eine kleine Herde mit 4-5 Individuen. Zwei davon in wunderschönem Weiß, selbst die Hörner sind weiß. Lang stehe ich am Straßenrand und fotografiere und beobachte die Tiere, bis sie sich in den Wald zurückziehen. 

Kurz überlege ich, ob ich in Slagnäs auf dem Campingplatz einchecken soll, entschließen mich aber, dort nur Wasser aufzufüllen und das gute Wetter noch in den Abend hinein zu nutzen. 

Hinter Slagnäs wird es unangenehm steil:

Mein Navi hat mir eine Umfahrung vorgeschlagen, diese wäre allerdings 15km länger und wäre unter Umständen wieder auf schlechten Schotterstraßen. So entschließe ich mich, so weit heute durch die Berge zu kurbeln, bis ich keine Lust mehr habe. Dann ist wenigstens morgen früh weniger zu machen. Die 6% Steigung geht tatsächlich, im zweiten Gang, manchmal im ersten, Kurbel ich mich langsam aber sicher die Anhänge hoch. Man darf halt nicht hetzen und langsam habe ich die Ruhe um nicht frustriert zu werden, wenn es Ewigkeiten mit 5km/h voran geht. Dafür ist der Blick auf das tiefer liegende Umland spektakulär.

Hügel machen mich fertig! 

Nach 111km entscheide ich mich, dass es mir reicht, der Rest muss bis morgen warten. Dafür finde ich eine tolle Stelle zum Campen: Nah an der Straße, ohne Einsehbar zu sein. Flach und trocken. Schnell steht das Zelt und auf einer bereits genutzten Grillstelle schaffe ich es sogar beim ersten Anlauf ein Feuer zu entzünden, nachdem ich bisher nur den Kocher genutzt habe. Zum Abendessen gibt es Kartoffeln, danach ziehe ich mich wegen der Mückenschwärme ins Zelt zurück. 

Ich bin wirklich dankbar, heute drei so tolle Highlights erlebt zu haben. Dies wertet den Weg durch den ewigen Wald auf alle Fälle auf, und an die ersten Tierbegegnungen werde ich sicherlich noch lange zurückdenken. Mal sehen was mir die Tage noch begegnet.  

Tag 23: Fiskträsk – Ljusselsstugan 

Der Tag beginnt mit einer ordentlichen Kletterpartie, allerdings hatte ich scheinbar gestern das Schlimmste bereits hinter mich gebracht und so komme ich nach einigen Steigungen endlich im Flachen an. 

Ich begegne heute einer Vielzahl Rentiere, wusste doch, dass die sich alle noch blicken lassen würden. Teilweise sind es einzelne Tiere, mal begleitet mich ein Paar die Straße herunter, die traben 200m mit mir mit. Und ein anderes Mal ist es gleich eine kleine Herde, die ganz entspannt am Wegesrand rumsteht. Tiere kommen hier also wirklich nicht zu kurz. 

Trifft zu! 

Tierische Brückensperrung


Nach 40km komme ich in Arvidsjaur an, die Stadt, die seit der Fahrt aus Östersund raus immer oben auf den Distanzschildern stand. Schön da auch endlich angekommen zu sein. 

Echte wären mir lieber… 

Auch verrückt, wenn man merkt, dass hier im Winter Ski gefahren wird. 

Ich decke mich im örtlichen Supermarkt ordentlich ein, denn der nächste Supermarkt liegt in Jokkmokk, 160km weiter die Straße entlang! So habe ich nun für 2 Tage Essen dabei, bis auf die Tatsache, dass die Tasche sehr voll ist, geht das eigentlich ganz gut. 

Endlich neue Ziele, die Distanzen sind aber wieder verrückt! 



Ebenso finde ich in Arvidsjaur noch Zeit für Pommes und entdecke in einem Schuhgeschäft endlich ein Schuh-Deo (fragt nicht, ich sage nur: Dauernutzung und Nässe… Keine gute Kombi) 

Dann geht es weiter, noch hält  der Sonnenschein, auch wenn es teilweise bedeckt ist. Mein Mittagessen genieße ich am See. 

Mittag am See

Dieses Gras habe ich nun mehrmals entdeckt, füllt manchmal ganze Felder. Sieht aus als ob da kleine Köpfe raus schauen. 

Der letzte Campingplatz gefällt mir nicht, deswegen lasse ich mich 10km später erneut zum Wildcampen nieder. 

Diesmal aber an einem gigantischen, reißenden Fluss, der dezidiert Campstellen am Ufer hat. Als das Zelt steht, habe ich endlich wieder die Gelegenheit zum “duschen”, besonders nach dem Lagerfeuer-Rauch-Geruch von gestern ist das wirklich notwendig. So richtig rein in den Fluss kann man nicht, dafür ist die Strömung zu stark, aber am Rand sitzen und sich nassspritzen funktioniert ganz gut. 

Wegen einem aufkommenden Regenschauer wird die Pasta im Vorzelt fertig gekocht, den Rest des Abends verbringe ich mit Flussrauschen als konstantes Hintergrundgeräusch. 

Morgen soll das Wetter vormittags noch halten, am Nachmittag wieder Regen einsetzen, ich will also versuchen, zeitig loszukommen. 

Tag 19 – 21 : Östersund – Storuman

Tag 19: Östersund – Strömsund

Das letzte Bild wurde um Mitternacht bei meinem Host aufgenommen. Dunkel wird es also nicht mehr. 

Der Tag beginnt grau, aber trocken. Nach dem Frühstück begleitet mich mein Host Luca vom Haus auf der Insel Frösön ins Zentrum von Östersund. Das ist sehr praktisch, so muss ich im Straßengewirr nicht auf den Weg achten, sondern fahre ihm hinterher. 

Am Stadtrand verabschieden wir uns, und ich packe mich wetterfest ein, da es gerade angefangen hat, stark zu regnen. So verpackt kämpfe ich mich die ersten paar Kilometer aus der Stadt raus, da diese direkt am See liegt, geht es steil bergauf. 

Das ist doch irre, da steht eine Stadt angeschrieben, die ich erst 5 Tage später erreichen werde. 



Dies ändert sich auch leider die nächsten 60km nicht mehr. Heute fühlt sich alles an, als ginge es dauerhaft nur bergan. So schwitze ich wie verrückt in meiner Regen-Vollverkleidung und Mühe mich sämtliche Hügel hoch. Teilweise handelt es sich dabei um Abschnitte, die zwar nicht super steil sind, dafür aber Kilometerlang mit 5% Steigung in die Höhe klettern. Und mein Rad bei über 50kg wirkt dabei wie ein Bremsanker, der gerne wieder ins Tal möchte. 

Auch die Abfahrten sind nicht wirklich befriedigend, zumeist führen diese nach der steilen Abfahrt, ohne jegliches flaches Stück dazwischen, direkt in den steilen Aufstieg über. 

Die spannendste Bekanntschaft heute: Dieser Rentner ist mit dem Mofa-Gespann aus Baden-Baden, unterwegs ans Nordkapp. Auf gerader Strecke klappt das sogar mit den 45km/h verrät er mir, und ich werde leicht neidisch ob des Geschwindigkeitrausches. Er ist auch 11 Tage vor mir gestartet, ich fühle mich also ziemlich erfolgreich, was die zurückgelegte Strecke angeht. 

Mittagspause gibt es in einer überdachten Pausenhütte, allerdings nur so schnell wie möglich, es ist schweinekalt wenn man stehen bleibt, und die verschwitzten Klamotten beschleunigen das Auskühlen. 

Nach 70km erreiche ich Hammerdal und ich bin sehr verlockt, im örtlichen Campingplatz abzusteigen. Allerdings kann ich irgendwie die Motivation aufbringen, mich doch noch weiter zu quälen und werde sogar mit ein paar Kilometern ebener Strecke belohnt. 

Auch wenn ich es befürchtet habe, der Regen nimmt an Intensität noch einmal zu. Und so fahr ich relativ missmutig die Straße entlang, in den Fahrrinnen sammelt sich das Wasser, jeder entgegenkommenden LKW hüllt mich in der Gischt ein und die Fernsicht auf irgendwelche schönen Landschaften ist komplett durch den Regenschleier verdeckt. 

So erreiche ich nach 107km Strömsund und nehme mir am Campingplatz eine Hütte, da ich wirklich kein Bedürfnis habe, im Regen mein Zelt aufzubauen. Bei der Hüttenmiete wäre es tatsächlich von Vorteil mit mehreren Personen zu reisen, so allerdings zahle ich 40 Euro für die Hütte alleine, aber es zählt endlich trocken zu sein. 

Nach knappen 8 Stunden im Dauerregen kann ich mich endlich aus den nassen Klamotten schälen und quäle die E-Heizung auf der höchsten Einstellung. 

So verbringe ich den Abend mit dem konstanten Soundtrack des Regens, der auf das Dach plätschert. Morgen allerdings soll es trocken und schön werden, auch die weiteren Tage versprechen Besserung. Ist für Schweden nun relativ schwer, verlässliche Wetterdaten über die nächsten 2h hinaus zu erhalten, sollte dieses Wetter aber korrekt zutreffen, würde ich mich sehr freuen! 

Tag 20: Strömsund – Meselefors

Beim Aufwachen scheint schon die Sonne durchs Fenster, heute wird also auf alle Fälle besseres Wetter als gestern vorherrschen. 

Hütte samt angrenzenden See im Sonnenschein. 



Nach dem allmorgendlichen Ritual bin ich um Viertel nach 9 unterwegs. Die Sonne wärmt bereits ein wenig, und so fahre ich seit langem mal wieder nur in T-shirt und ohne lange Radhose los. 

Profil ist ähnlich wie gestern, es geht viel hoch und runter, allerdings kommt heute noch ein fieser Gegenwind dazu, der nicht so stark ist wie in der Vergangenheit, aber trotzdem dazu neigt, mich ordentlich auszubremsen. 

Ich bin seit Östersund übrigens in einem Bereich, wo meine mitgenommene Straßenkarte nicht mehr den Maßstab 1:250.000, sondern nur noch 1:400.000 hat. Damit zeigt jede Seite einen Ausschnitt von 120x84km! Das tägliche Umblättern ist also auf ein Minimum reduziert worden. 

Kurz vor der größeren Ortschaft Dorotea mache ich eine traumhafte Mittagspause am See, bei so einer Landschaft und so einem Wetter ist dies richtig angenehm. Mit Gruseln denke ich an die kalte Mittagspause gestern, wo ich fast durchgängig von einem Bein aufs Andere hüpfen musste, um nicht fest zu frieren. 

So liege ich eine Stunde im Gras, genieße meine Brötchen, lese und höre Musik. Nur der Sonnenbrand bleibt als Gefahr, so hole ich nach langer Zeit mal wieder die Sonnencreme aus der Tasche. 

Kurz hinter Dorotea erreiche ich diesen Meilenstein:

Auch wenn ich noch einen weiten Weg vor mir habe, und die täglich zurückgelegten 100km nicht wirklich das Gefühl geben, ich würde Strecke machen, kommt bei diesem Schild ein gewisser Stolz auf: Verdammt, ich habe es mit meinen eigenen Beinen geschafft, von Berlin bis nach Lappland zu fahren. 

Gibt zwar noch viel zu tun, aber einen Großteil Schwedens habe ich gemeistert. 

Die letzten Kilometer ziehen sich ziemlich, aber eher wegen der Temperatur und weil ich keine weitere Pause einlegen will. Nach 105km komme ich beim kleinen, niedlichen Campingplatz in Meselefors an. Auch wenn die Einrichtungen seit dem zweiten Weltkrieg wohl keine Erneuerung gesehen haben, die Wiese ist schön und der dahinter fließende Fluss ist auch verlockend. So springe ich nach dem Zeltaufbau noch mal schnell in den Fluss. Mehr als 10m rausschwimmen und 10m zurück zum Ufer wird es nicht, dafür ist es viel, viel zu kalt, aber so erfrischt und mit der bald darauffolgenden heißen Dusche klingt der Abend bei leckeren Pasta aus. 

Eiskalte Badestelle 



Tag 21: Meselefors – Storuman

In der Früh habe ich noch ein nettes Gespräch mit dem Zeltnachbar, der in der Früh bereits einen stattlichen Hecht gefangen hat, den er mir zeigt. 

Danach geht es im Sonnenschein weiter auf die Reise. Schnell bin ich in Vilhelmina, wo das Mittagessen eingekauft wird und dann fahre ich steil aus der Stadt raus. Hier kommen wirklich einige Höhenmeter zusammen, und ich bei der Hitze gut ins Schwitzen. An sich ist das Wetter aber ein Traum, in kurzer Radhose und T-Shirt wirklich angenehm zu fahren. 

 Ortsschilder nun in schwedisch und in Sami. 
Die Landschaft ist nicht besonders abwechselnd, wie die vorhergehenden Tage wechselt sich nur dichter Wald mit Sumpflandschaften ab. Ich finde allerdings ein paar Flächen, die an das Kahlfjäll erinnern, große Wiesen mit nur wenig Baumbestand. 

Aus diesem Grund lege ich auch einen großen Fokus auf den Verkehr, den ich bereits seit Tage analysiere:

Die Aufteilung ist etwa 40% PKWs, 30% Camper und 30% LKWs. 

Bei den PKWs zeigt sich, dass die Schwed_innen höchst patriotisch  einkaufen, geschätzt jeder zweite Wagen ist ein Volvo und auch Saabs sieht man in Hülle und Fülle. 

Die Camper sind mehrheitlich schwedisch, allerdings sind neben einigen Franzosen, Dänen und Holländern die Mehrzahl der ausländischen Camper fest in deutscher Hand. 

Je weiter ich nach Norden komme, desto fröhlicher wird aus den Wagen heraus gewunken, auch mal gehupt oder der Daumen aus dem Fenster gereckt. Auch wenn es blöd klingt, solche kleinen Aufmunterungen motivieren ungemein. 

Vor dem Mittagessen dann das Highlight des Tages. Ich sehe schon von weitem mehrere Autos anhalten und prompt erspähe ich den Grund dafür. Auf der Straße steht ein Rentier. ENDLICH! Gestern das Erfolgserlebnis “ich bin endlich in Lappland”, heute gleich das erste Rentier dazu. 

Bis ich an der Stelle ankomme sind die Autos verschwunden, ich bin mit dem Tier also alleine. Mr. Rentier ist vom Rad sehr verwirrt, stürmt erst auf mich zu, dann wieder weg, dann mit gesenktem Kopf auf mich zu. Kurz überlege ich, was ich mache, sollte das Rentier plötzlich auf mich zustürmen, dann dreht es aber 15m vor mir ab, geht in den Straßengraben und lässt sich willentlich fotografieren. 

Wird sicher nicht das letzte Rentier gewesen sein, trotzdem freue ich mich sehr über diese Begegnung. 

Mittagessen mache ich heute mitten im Wald, so kommt auch erstmalig das Mückenspray zum Einsatz, da ich es ohne nicht aushalte.

Wenn ihr das nächste Mal denkt, es sei Anglerlatein… Nein, der Fisch war wirklich so groß. 

Nach knappen 90km erreiche ich Storuman und verschwinde im örtlichen Supermarkt zwecks Abendessen. Nach 7 weiteren Kilometern finde ich den idealen Spot zum Wildcampen. Direkt am See, von er Straße geschützt und schön in der Sonne. 

Kalte Badestelle
Ich traue mir tatsächlich eine Katzenwäsche im See zu, bevor es zum zweiten Mal in Folge Pasta gibt und ich nach dem endlosen Kampf gegen die Mücken (19 erschlagen bis das Pasta Wasser kocht) doch kapituliere und den Rückzug ins Zelt antrete. Habe bereits heute früh gemerkt, dass man sich bei gutem Wetter wirklich Gedanken um den Zeltort machen muss. Da war ich nämlich um Viertel nach fünf wach, weil die Sonne wieder so aufs Zelt knallte, dass ich den Daunenschlafsack in die Ecke pfeffern konnte. Mal sehen wie das Morgen wird. 

Ab morgen, dem 15.6 fällt endlich die Roaming Gebühr im EU Ausland. Dieser Blogeintrag ist somit der erste, der aus der Wildnis ohne Supermarkt oder Campingplatz – WiFi verschickt wurde! 

Tag 16 – 18 : Mora – Östersund

Tag 16: Mora – Fågelsjö

Der Tag beginnt mit Regen, der auf meine Hütte prasselt, so drehe ich ich entspannt noch einmal um. Nach dem Packen, Duschen und Frühstücken, belade ich das Rad und bin vorsichtig optimistisch gestimmt, da das Hinterrad noch genauso prall ist wie gestern. 

Schnell verlasse ich Mora, dann geht es ein Stück auf dem Siljansleden nach Orsa, bevor ich auf die E45 zurück schwenke und dieser für den Rest des Tages folge. 

Der See erstreckt sich von Mora über 15km bis nach Orsa. 

Das Wetter heute ist wohl nur als unbeständig zu beschreiben: Bewölkt, ab und zu mal hauchfeiner Nieselregen und schweinekalt. Kalt in dem Sinne, dass ich nach jedem steileren Anstieg meine Windjacke und das darunterliegende T-Shirt nassgeschwitzt habe, nur um dann auf den geraden Stücken erbärmlich zu frieren. Zum ersten Mal auf dieser Tour kann ich meinen Atem sehen, während ich mich die Anstiege hinaufquäle. 

Das sind die nächsten zwei relevanten Orte auf der Route. Langsam dehnt sich alles ein wenig aus. 



So geht es hinter Orsa relativ schnell bergauf, ich verbringe über eine Stunde damit, im 3. Gang bei 7-8km/h vor mich hin zu kurbeln wie ein Verrückter. 

Bald treffe ich auf einen entgegenkommenden Radfahrer, und beim Gespräch stellt sich heraus, dass er in Finnland gestartet ist und nun dermaßen die Schnauze voll hat vom schlechten Wetter in Mittelschweden. Er will in Mora einen Bus an die Küste nehmen, um von dort nach Deutschland zurückzufahren. Auch berichtet er, dass die Schweden alle am Fluchen sein, ob des schlechten Wetters und es dieses Jahr wohl besonders schlimm sei. In diesem Sinne: Ich wäre dann bereit für einen richtigen Sommer in Schweden, bisher hat es eher so April-Feeling. 

Mittagspause mache ich in einem winzigen Tankstellenrestaurant im witzig klingenden Örtchen Noppikoski (ganz nah bei Pilkalampinoppi… Nur damit ihr das wisst!), endlich mal drinnen sitzen, auf nem Stuhl und warme Pommes in mich reinstopfen, dass war die Pause auf alle Fälle wert. 

Danach wird es dann zwei Mal noch richtig steil, anschließend habe ich aber das schlimmste überstanden, es geht relativ flach weiter voran. 

Nach knappen 90km passiere ich einen vernagelten und abgesperrt Campingplatz, damit ist klar, dass heute Nacht wild gezeltet wird und ich kann mir selber überlegen, wann ich anhalte.
Jetzt habe ich tagelang keine Radreisende getroffen und begegne nun an einem Tag gleich zwei: Abends kommt mir eine Schwedin entgegen, die aus Nordfinnland an die schwedische Südspitze fährt. Wir sind etwa zur gleichen Zeit gestartet und tauschen ein paar schnelle Anekdoten aus. Ich muss sie leider wegen dem Campingplatz enttäuschen, dabei hatte sie bereits 130km hinter sich. 

Nach 106km entdecke ich selber eine perfekte Stelle für meine Übernachtung: Schön am Fluss gelegen, und nah an der Straße, somit kein Umweg, baue ich mein Zelt auf dem einzig vorhandenen Stück Wiese auf und genieße in Ruhe den Abend. 

Mein Reifen ist immer noch so prall wie gestern, mein Lader lädt fleißig vor sich hin, das Knie hat sich schmerzmäßig zurückgehalten und ich hab endlich mal wieder über 100km geschafft. Mit diesem Wissen verbringe ich den Abend im Zelt lesend, Musik hörend und natürlich gibt es ein reichhaltiges Abendessen (Dosen-Ananas als neuer Geheimtipp!) 

Morgen soll es wohl durchgängig regnen, allerdings nicht sonderlich stark. Ich bin gespannt. 

Tag 17: Fågelsjö – Rätan 

Der Tag beginnt relativ früh, aber dafür trocken. So packe ich schnell alles zusammen, bevor sich der Himmel es noch anders überlegt.

Die ersten 20km flutschen einfach, ich fahre zügig, relativ flach dahin. Nach knappen 30km, kurz vor der Ortschaft Sveg, setzt der angekündigte Regen dann auch ein, und ich schmeiß mich in volle Regenkluft. Dabei schaffe ich es irgendwie, mein Handy in der Lenkertasche anzulassen, und prompt werden auf den holprigen Straße auf den nächsten vier Kilometern zahlreiche Leute aus meiner Kontaktliste angerufen, oder erhalten eine SMS. Sorry noch mal deswegen. 
Wie ich so im Regen auf einer Waldstraße stehe, kommt plötzlich eine Maus angeeilt, die den Platz neben meinem Fuß für betrachtungswürdig erachtet. Ist vielleicht nicht sonderlich intelligent, aber da sie sich bereitwillig fotografieren lässt, finde ich es sehr, sehr niedlich. 

Die nächsten Kilometer vergehen in einem Schleier aus Nebel, Regen, Kälte und zusammengebissenen Zähnen. Bei dem Wetter habe ich natürlich kein Bedürfnis anzuhalten und eine Mittagspause einzulegen, einfach weil es nirgends trocken ist. So kehre ich erst nach 73km zu einer Mittagspause in einer Dorfpizzeria ein. Der dort gereicht Burger ist zwar höchstens Mittelmäßig, dafür aber günstig, ich habe einen Platz neben der Heizung und darf so lange bleiben wie ich will. Dieses Angebot nehme ich an, verlasse erst nach 2 Stunden ausgeruht und getrocknet das Restaurant. Der Vorteil einer so späten Mittagspause: Den Großteil der Strecke hat man bereits erledigt. 

So fahre ich im wiedereinsetzenden Regen weiter. Heute ist relativ flach, auch wenn ich trotzdem ordentlich Höhenmeter sammel, aber diese sind eher in Wellen, nicht an einem Stück. Liegt auch daran, dass ich vorhin mal meine Route auf dem Navi angeschaut habe, und mich wunderte, ob ich wirklich der Abzweigung folgen sollte, wie vom Navi vorgeschlagen. Sah ganz gut aus, bis ich plötzlich die Stelle entdeckte: Auf knapp 3km Wegstrecke sollte ich plötzlich 500 Höhenmeter, kurz danach noch mal 300 Höhenmeter zurücklegen. Mein Navi zeigt schön bunt die Skilifte als Icons an, die sich da in der Nähe befinden. 

Ne danke, dann lieber Hauptstraße. War auf alle Fälle die goldrichtige Entscheidung, das blieb relativ flach. Keine Ahnung was sich mein Navi dabei gedacht hatte beim Routen planen. 

Schon seit Tourbeginn spiele ich das Spiel “Was finde ich alles im Straßengraben”. Das ist seit Schweden, besonders seit der Wald eingesetzt hat, deutlich spannender geworden. Ein kurzer Ausschnitt meiner bisherigen Favoriten, ich bin sicher da wird noch mehr kommen:

  • Eine Neil Diamond CD (Sorry Mama, kein Platz in der Tasche) 
  • Genug Radabdeckungen, um eine Vollverkleidung für mein Fahrrad daraus zu basteln. 
  • Tausende Snus-Packungen (der schwedische Tabak, den man sich unter den Gaumen legt) 
  • Leider eine Mahnstelle/Grabstelle für ein Kind, samt Lieblingsfußballtrikot und Stoff-Teddy. 
  • Und dann vorhin das Highlight: Bei einem kleinen Pausenplatz, der wohl häufig als Klo genutzt wird (siehe: 100te Taschentücher überall), liegen plötzlich dazwischen 3 tote Fische auf der Wiese verstreut. WTF? 

Nach 117km (neuer Rekord, wohoo!) biege ich auf einem Naturcampingplatz ab. Das bedeutet: Keine Rezeption, keine Duschen, aber dafür weit günstiger. Und für 5 Euro stell ich mich direkt an den See. Der Rätanjön war früher wohl nur 10m breit, nun hat man den aber aufgestaut zur Energiegewinnung und er ist mindestens 500m breit, beeindruckend anzuschauen. 

Nach dem Zeltaufbau muss ich mich nun doch überwinden, nachdem ich gestern einfach im Zelt verschwunden war: Waschtag steht an. Handtuch und Seife steht bereit, und mit einem tiefen Unbehagen quäle ich mich ins Wasser. Dies ist laut Zeltnachbarn mollige 12° warm, da muss alles schnell gehen. Beim Untertauchen bleibt einem kurz die Luft weg und nach dem Einseifen kostet es einen Berg an Überwindung, den Tauchgang zu wiederholen. 

Da fahr ich den ganzen Tag im strömenden Regen und friere mir einen ab, und Abends bin ich blöd genug, in nen kalten See zu springen. Sachen gibt’s. 

Wenigstens ist die Befriedigung danach umso höher, als ich zum Zelt zurück eile und mich in meinen Schlafsack mümmel, bis ich meine Extremitäten wieder fühlen kann. 

Später kommt tatsächlich die Sonne raus und beleuchtet den See in den wunderbarsten Farben. 

Nach dem Essen ziehe ich mich ins Zelt zurück, zufrieden mit der heutigen Leistung und morgen habe ich nur noch 90km bis Östersund, wo ich abends eine Warmshower-Einladung habe. 

Tag 18: Rätan – Östersund (Frösön) 

Heute kann ich mich nicht dazu zwingen aufzustehen, so wird sich einige Male umgedreht. Über Nacht blieb es trocken, so kann ich das Zelt trocken einpacken und mein Frühstück am See genießen. 

Schnell abgebogen auf die E45 und schon geht es weiter auf dem Asphalt. Zu Beginn ist der Weg schön flach, so schaffe ich über 20km in der ersten Stunde. Habe heute übrigens mitgezählt, 14 Autos überholen mich in der Zeit, ist also wirklich entspannt und kaum eine Beeinträchtigung. Und diese Anzahl wird sicher noch abnehmen, je weiter ich nach Norden komme. 

Die Landschaft ähnelt der, der letzten Tage, viel Wald, dazwischen Brücken über massive Flüsse und häufig schlängelt sich der Weg entlang einem der großen Seen. 

Die 60km sind schnell zurückgelegt, so mache ich um 12 Uhr pünktlich Mittag. Ich genieße es, mehr als die Hälfte vor dem Mittagessen geschafft zu haben, dann hat man das Gefühl, dass es nach der Pause nicht mehr weit ist. 

Nach dem Mittagessen wird es deutlich hügeliger, das hat den Vorteil, dass man die Bergkette in Richtung Norwegen sieht. Und da liegt tatsächlich noch Schnee, ich bin beeindruckt. 

Kurz nach diesem Ort:

Da hätte ich auch gerne eine Postadresse 😉 

Biege ich von der E45 ab, um eine “Abkürung” zu nehmen. Ich will nämlich nicht nach Östersund rein, sondern habe eine Warmshower-Übernachtung auf der vorgelagerten Insel, Frösön, organisiert. Diese “Abkürzung” ist knappe 18km lang, besteht aus festen Sand mit viel Schotter drauf und würde durch die Vielzahl drüberfahrender Autos zu einem astreinen Waschbrettprofil umgeformt. Es. Rüttelt. Also. Ganz. Schön. Nämlich so viel, dass die Arme und Hände taub werden und gesund kann es nicht sein, wo doch das Hirn dauernd hin und her schwappt. Bloß gut, dass der Weg dann auch ein kontinuierliches Auf- und Ab ist, wo kämen wir denn hin, wenn ich nicht die ganze Zeit im zweiten Gang keuchen müsste? 

Blick auf Östersund, Frösön

Ihr seht also, “Abkürzung” war mal wieder ein Griff ins Klo, trotzdem komme ich nach über einer Stunde an der Brücke rüber nach Frösön an. 

Blick auf Östersund

Dort sind es dann noch 6 steile Kilometer, und dann bin ich nach 93km schon am frühen Nachmittag am Haus meines Host. Und was ein tolles Haus das ist. Mit der herauskommenden Sonne sitzen wir bei einem Glas Wasser vor dem Haus und genießen diesen Blick:

Rechts die Berge, noch mit Schnee drauf, dahinter Norwegen und vor uns der gigantische See Storsjön, der über 450 Quadratkilometer einnimmt!

Eichhörnchen und Vögel jagen sich durch den Garten und mein Host ist ein absoluter Outdoorfreak, von mehrwöchigen Schneeschuhwanderungen bei – 30°, bis hin zu mehreren extrem langen Radtouren ist alles dabei, und er berichtet mir davon detailliert. Schön dass dieses Treffen geklappt hat. Denn den Kontakt hatte ich eigentlich mit seiner Freundin, diese weilt aber gerade in Stockholm, trotzdem haben beide mir erlaubt, hier die Nacht zu verbringen. Nebst richtig leckerer Pasta komme ich so nach 3 Tagen erstmalig unter eine Dusche, und kann meine Wäsche endlich waschen. 

Morgen geht es dann weiter in die Wildnis, laut derzeitigem Wetterbericht bei katastrophal viel, dauerhaft anhaltenden Regen! Soll aber nur ein Tag sein, mal sehen wie sich das ergibt. Zudem habe ich heute festgestellt, dass ich in Laufe des Tages die Hälfte der Strecke in Schweden überschritten habe. Wahnsinn was das Land für eine Ausdehnung hat, aber gut zu wissen, dass über 50%bereits geschafft ist .

Tag 15: Mora (Ruhetag) 

Stehe früh auf, hab in dieser Hütte hervorragend geschlafen, merke aber, ich muss hier alle Fenster aufreißen, sonst kann ich wegen der Wärme nicht schlafen… Outdoormodus 😉 

Fahre dann zum Postamt, da seit einer Woche ein Paket nach Mora für mich unterwegs ist. Und höre dann am Schalter “Ne, dass ist noch nicht da, dürfte aber zwischen 16-17 Uhr heute kommen”. Toll, die Post macht auch um 17 Uhr zu. 

Also weiter zum Supermarkt, dann fahre ich ans andere Ende der Stadt zu einem Autohändler, und frage ob die einen Lötkolben haben, den ich nachher nutzen darf, wenn meine Postsendung angekommen ist. Die Erlaubnis habe ich dann auch prompt erhalten. 




Dann zurück zum Campingplatz, es ist 11 Uhr, und ich überbrücke in der Küche die Zeit bis ich wieder zum Postamt kann. Als ich mal raus zum draußen stehenden Fahrrad gehe, merke ich, dass ich Opfer ganz fieser Diebe geworden bin: Ein bisschen Essen hatte ich in einer Tüte hinten auf die Radtaschen geschnallt. Da klafft ein riesen Loch drin und die drin verpackten Tortellini sind aufgegessen. Auch einen geriebenen Käse haben die Übeltäter entführt und zerpflückt. Werden wohl die Elstern gewesen sein, die da rum schwirrten. 


Schlimmer ist aber die nächste Erkenntnis: Das Hinterrad ist wieder platt. Ich bin einfach komplett frustriert, das flicken geht ja in einer Stadt wie ich es jetzt bin. Aber jetzt sind mehr als 300km bis zur nächsten großen Stadt, und so bleibt das in Zukunft auch, da muss ich mich auf mein Rad verlassen können. 

Die Idee nicht nur den Schlauch zu wechseln, sondern auch den Mantel hatte ich auch schon, leider führt das Radgeschäft nur billige China-Mäntel, die dann auch noch dünner sind als meine bisherigen Reifen. Und nach 2000km hätte ich mit den Dingern sicherlich wieder Stress. 

Völlig niedergeschlagen und mit wieder anschwellenden Regen sitze ich in der Küche und google schon mal provisorisch Rückflüge und schaue wo Busse hier in der Gegend hinfahren. Schließlich fahre ich doch noch mal zum Radgeschäft. 

Diesmal kümmert sich der Chef nicht im Hinterzimmer um den Reifen, sondern repariert vor mir im Kundenraum. Und als wir den Schlauch checken merke ich: Ey, das Loch ist exakt an der selben Stelle, als beim Schlauch den ich heute Morgen geflickt habe. Da MUSS was im Mantel sein. Also gehen wir diesmal ganz, ganz detailliert auf Fehlersuche und schließlich zeigt sich der Bösewicht:


Wie etwas so kleines mich so um den Verstand bringen kann, verrückt! Mit dem Splitter entfernt bleibt zu hoffen, dass jetzt so schnell nicht wieder eine Panne entsteht *daumendrück*

Dem Radhändler war es vermutlich auch peinlich, gestern den Splitter nicht gefunden zu haben, denn der Wechsel und der neue Schlauch bleibt für mich kostenlos, was ich eine nette Geste finde. 

Anschließend geht es zum Postamt und die haben mein Paket! Begeistert flitze ich zur Autowerkstatt, und verbringe die nächste halbe Stunde auf dem Boden sitzend mit einem Lötkolben in der Hand. Total nett von denen, die kommen immer mal wieder vorbei, bieten Hilfe an, bringen Werkzeug und unterstützen. Ich wette in Deutschland hätte man mir den Aufenthalt in der Werkstatt “aus Versicherungstechnischen Gründen” o. Ä. Versagt. 

So bin ich nun endlich wieder in Besitz eines funktionierenden Ladegeräts für mein Telefon. Hatte zwar eins dabei, dass hat aber am ersten Tourtag bereits den Geist aufgegeben. In Rostock habe ich in meinem Rad-Forum jemanden gefunden, der seinen Lader gebraucht hergeben würde und nach ein paar Tagen haben wir es sogar geschafft den Versand postlagernd nach Schweden zu organisieren. Dieser Lader hängt nun am Nabendynamo und kann dann via USB-Buchse Handy, Kindle, Kamera, etc. Aufladen. Damit bin ich also endlich wieder autark, auch wenn ich ein paar Tage nicht am Campingplatz verweile. Das beruhigt ungemein, zudem find ich es einen coolen Gedanken, durch mein Gestrampel wenigstens noch mein Telefon voll zu kriegen. 

 cooler Lader 😉 
Abschließend fahre ich erneut zum Supermarkt um mein geklautes Abendessen zu ersetzen. Dafür weiß ich jetzt, dass ich die Nacht erneut in der Hütte am Campingplatz verbringen werde, da es inzwischen 18 Uhr ist. So kann ich auch Sachen einkaufen, die auf dem Camping Kocher nicht gelingen, denn heute Abend habe ich ja eine voll funktionsfähige Küche. 

Nach Wiedereinzug in meine kleine 4-Personen Hütte, gibt es dieses Mega Menü zum Abendessen: Köttbullar und frisches Gemüse, yummy! 


Und die Nachspeise wird eine entspannte Rum-Cola in meiner Hütte, sowie eine Blaubeerschnecke. Life is good! 

Jetzt habe ich wieder extrem Bock morgen weiter zu fahren. Dieser “Ruhetag” hat seinen Namen wirklich nicht verdient, es war stattdessen ein Wechselbad der Gefühle und ich hab mir heute ernsthafte Sorgen über den weiteren Verlauf meiner Tour gemacht. Auch ist Mora unglaublich weitläufig, so bin ich an meinem Ruhetag nichtsdestotrotz über 25km mit dem Rad gefahren. 

Morgen soll allerdings kein Regen vorherrschen, so hoffe ich ein bisschen Strecke wieder wett zu machen, den Lader auszuprobieren und hoffentlich ohne Panne einen angenehmen Tag auf dem Rad zu verbringen. Hatte ja bereits geschrieben, dass ich jetzt vollständig im Wald bin, das bleibt jetzt auch zwei Wochen so, ab morgen fängt aber die Strecke an, wo für 100km auch mal keine Örtchen kommt. Mal sehen wie es mir damit ergeht.