[Tag 1]: Tel Aviv – Megiddo

[Biking] – Israel 2019

[Tag 1] Tel Aviv – Megiddo

29. November 2019: 86 Kilometer, 850 Höhenmeter von meiner Warmshower-Unterkunft in Tel Aviv bis in einen Wald nahe Megiddo.

GPX-Daten

Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:

Zeit in Bewegung: 5:29h
Tempodurchschnitt: 15,7km/h
Maximalgeschwindigkeit: 40,3km/h

Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)

Die Nacht war trotz Katzen angenehm, ich hab geschlafen wie ein Stein.

Aufwachen mit Blick auf Palmen, endlich Urlaub! (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/230sec, ISO-100)

In der Früh räume ich noch ein wenig meine Taschen um, eine nie-enden wollende Aufgabe von “das pack ich jetzt in diese Tasche, dafür nehme ich das raus und tue es dorthin”. Zudem komme ich endlich ausführlich dazu mit Alison zu quatschen.

Neve Zedek am Morgen. (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/460sec, ISO-100)
(ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/40sec, ISO-100)
(ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/300sec, ISO-100)
Wohnungspreise wie München, Hamburg oder London. (1€ = ~4 Schekel) (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/120sec, ISO-129)

Anschlieβend breche ich zu einem nahegelegenen Händler auf, eine Empfehlung von Chen. Und tatsächlich, Amisra-Gaz hält was der Name verspricht, neben hunderten Grills für alle Lebenslagen führen sie nämlich auch Gas-Kartuschen. Ich bin gerettet, warmes Essen steht wieder auf der Speisekarte 😉

Erfolg, ich hab endlich Brennstoff. Rückblickend hätte eine Kartusche auch gereicht. (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/30sec, ISO-104)

Nach einem kurzen Frühstück, mehr packen und viel mehr quatschen kann ich mich endlich von den beiden Losreißen. Es war ein toller Aufenthalt bei Chen und Alison, sie sind unglaublich herzlich und haben mich für einen Abend komplett in ihr Haus und Leben aufgenommen. Danke euch beiden!

Die Katze im Hause Alison & Chen (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/20sec, ISO-706)
Die Radbegeisterung meiner Warmshower-Hosts scheint durch. (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/60sec, ISO-146)

Ich komme so erst um kurz vor 10 los, was sich später noch rächen sollte.

(ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/2200sec, ISO-101)

Die ersten 20 Kilometer sind heute vielleicht die schönsten: Es geht an der Strandpromenade Tel-Avivs entlang, dann weiter bis nach Herzliya.

Brücke über den Yarkon, Tel Aviv im Hintergrund (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/2700sec, ISO-101)
Brücke über den Yarkon und Blick auf Tel Aviv. (E-M5, 17mm, f/8, 1/640sec, ISO-100)
Weihnachtssüßigkeiten schmecken besser mit Blick auf Tel Aviv (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/2500sec, ISO-100)
Brücke über den Yarkon, direkt am Mittelmeer. (E-M5, 14mm, f/8, 1/500sec, ISO-100)

Salzige Meeresluft in der Nase, ein Blick auf Sand, Palmen und zahlreiche gut-aussehenden Strandgänger*innen, so schön kann das Leben sein. In Tel-Aviv kenne ich mich noch ganz gut aus, komme an vielen bekannten Stellen vorbei, danach ist es für mich Neuland. (Oder sollte ich jetzt in Herzlscher Dichtart von “Altneuland” sprechen? 😉  )

(E-M5, 14mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)
Palmen und Urlaubsfeeling, trotz Appartment-Blöcke. (E-M5, 24mm, f/8, 1/250sec, ISO-100)
Alles was im Hightech-Sektor Rang und Namen hat versammelt sich nahe Tel Aviv. (E-M5, 45mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)
Päuschen am Meer (E-M5, 14mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)
Ähnlich gut schmeckt es am Strand unter Palmen. (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/1900sec, ISO-100)
(E-M5, 20mm, f/8, 1/320sec, ISO-100)
Blick auf den Strand bei Herzliya (E-M5, 16mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)
Herzliya (E-M5, 21mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)
Wegweiser des Israel National Trail (INT) (E-M5, 29mm, f/8, 1/8sec, ISO-100)
Blick auf Netanya (E-M5, 25mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)

In Netanya erwarten mich schreckliche Neubauten, überall stehen diese Wohnhochhäuser im immer gleichen Versuch “modern” auszusehen. Zum Glück kommt man dann wieder an die Promenade, von da an sieht es wieder fantastisch aus.

Appartmenthochhäuser am Meer (E-M5, 18mm, f/8, 1/500sec, ISO-100)
Das ganze Stadtviertel ein seelenloser Haufen Bausünden. (E-M5, 14mm, f/8, 1/250sec, ISO-100)
Am Strand von Netanya (E-M5, 40mm, f/8, 1/320sec, ISO-100)
Technisierter und bewaffneter Anti-Antisemitismus (E-M5, 17mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)

Hinter Netanya verirre ich mich, bis ich es merke stehe ich auf einer groben Sandpiste und habe keine Lust mehr umzukehren. Nun gut, ich schiebe für einen Kilometer, es ist anstrengend wie sonst noch was, der Schweiß läuft in Strömen, so ganz ohne Fahrtwind. Ansonsten hat es heute nämlich maximal 26° das lässt sich gut aushalten auf dem Rad, bleibt aber immer noch ein beachtlicher Unterschied zu den einstelligen Temperaturen, denen ich in Deutschland entflohen bin.

Dann doch lieber wieder auf den Highway. (E-M5, 14mm, f/8, 1/250sec, ISO-100)

Nachdem ich irgendwann meinen Weg wieder gefunden habe gibt es nun eine Mittagspause am Meer. Pita-Brot mit einer Knoblauch-Käse Creme (man hat wohl gestern meine Baba Ganoush-Bestellung verwechselt) und dann auch noch mit Avocado. Und meine Fresse, schmecken die gut hier. Nicht nur das die so groß sind wie ein Neugeborenes, nein, die schmecken auch richtig nach was. Nun der Wasser Verbrauch im Anbau ist wohl ähnlich eklatant, aber wenigstens wurden sie jetzt nicht um den halben Planeten geflogen, die haben höchstens einen Laster zu Gesicht gekriegt.

Mittagspause. 600gr. Avocado voraus! (E-M5, 14mm, f/8, 1/250sec, ISO-100)

Anschließend steht ein schwieriges Stückchen an, ich werde tatsächlich auf die Haupt-Nord-Süd-Straße gelenkt. Hier gibt es einen breiten Seitenstreifen, trotzdem kommt es mir schräg vor, wenn auf den restlichen 3 Spuren Autos mit 100km/h an mir vorbei donnern. Doch das wird sich jetzt erstmal nicht ändern. Dabei bleibt immer eine leichte Sorge, ob ich auf diesem Highway/Autobahn überhaupt fahren darf. Aber die Polizeiwagen, die ich passiere, lassen mich in Frieden. Es scheint also erlaubt zu sein.

Es geht in Richtung der arabischen Gebiete in Galiläa (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/850sec, ISO-100)

In Hadera geht es ab in Richtung Osten, weg von der Küste. Hier warten weitere knappe 40 Kilometer Landstraße auf mich. Der Grund dafür ist, dass ich den Weg an der Küste durch Haifa und Akko vermeiden will, große Städte kosten einfach immer viel Kraft beim Durchfahren. Zudem habe ich mit dem heutigen Tagesziel Megiddo im Landesinneren mir etwas ganz besonderes ausgesucht, doch die Auflösung wird bis morgen warten müssen.

Neuste Radwege (E-M5, 38mm, f/8, 1/100sec, ISO-100)
Weg von der Küste. Viel Verkehr, zum Glück aber einen breiten Seitenstreifen. (E-M5, 24mm, f/8, 1/160sec, ISO-100)
Mehrheitlich arabische Ortschaften in Galiläa. (E-M5, 34mm, f/8, 1/100sec, ISO-100)
(E-M5, 37mm, f/8, 1/40sec, ISO-100)

Auf den letzten Kilometern kommt es noch zum ultimativen Showdown: Immer noch auf dieser Landstraße geht es nun auf 15 Kilometern Strecke 250 Höhenmeter bergauf. Und als ob das nicht genug wäre, ist es ein Wettrennen zwischen mir und dem Sonnenuntergang. Ich hatte ja mir fest vorgenommen immer vor Einbruch der Dunkelheit einen Zeltplatz zu haben. Und jetzt sieht es aus, als weiche ich schon am ersten Abend von diesem Plan ab.

Blick auf Umm al-Fahm. Ich habe somit noch Höhenmeter vor mir (E-M5, 41mm, f/8, 1/200sec, ISO-200)
Wettrennen gegen den Sonnenuntergang. (E-M5, 17mm, f/8, 1/2500sec, ISO-200)
“Wildlife” am Wegesrand. (E-M5, 45mm, f/5.6, 1/50sec, ISO-200)
Ich steige immer höher, die Sonne sinkt immer tiefer. (E-M5, 30mm, f/11, 1/320sec, ISO-200)

So fahre ich auf Teufel komm raus und komme mit einem Unentschieden oben an.

Fast in Umm al-Fahm (E-M5, 45mm, f/5.6, 1/50sec, ISO-200)
Hügelkuppe bei letztem Licht erreicht. (E-M5, 31mm, f/7.1, 1/200sec, ISO-200)
In Umm al-Fahm geht es gleich wieder abwärts, sehr zur Freude meiner Beine! (E-M5, 20mm, f/5.6, 1/13sec, ISO-320)

Jetzt geht es nur noch 3km bergab in der stärker werdenden Dämmerung bis ich einen Abzweig nehme und in ein kleines Waldstück radle. Hier bin ich hoffentlich gut genug vor neugierigen Blicken geschützt. Ich baue in der Dunkelheit mein Zelt auf, keine leichte Aufgabe, gut dass ich inzwischen weit über 100 Nächte in diesem Zelt verbracht habe. Das ist natürlich der Nachteil an einem Urlaub Ende November, um 5 Uhr ist es dunkel.

Zum Abendessen gibt es noch 250gr. Nudeln mit Gemüse, die mein Kocher dank Gas Kartusche wunderbar hinbekommt. Die ganze Portion schaffe ich nicht, vielleicht esse ich sie zum Frühstück. Es ist nun kurz nach 9 und ich werde wohl demnächst schlafen gehen. Ich hab immer noch Schlaf nachzuholen und will meinen Rhythmus jetzt so umstellen, dass ich um 7 abfahrbereit bin. So nutze ich die kurze Tagesdauer optimal. Zudem bin ich platt vom Aufstieg am Tagesende. Wenn man sich das Höhenprofil zu Beginn dieses Beitrags anschaut, kann man das vielleicht nachvollziehen 😉

Der Tag war ein richtiges Abenteuer, viele unterschiedliche Straßen und Orte und ich hab heute so richtig Lust auf mehr gekriegt. Mit großer Erleichterung und noch größerer Vorfreude auf die kommenden Tage krieche ich in den Schlafsack!

[Tag 0]: Anreise

[Biking] – Israel 2019

[Tag 0] Anreise

28. November 2019: Anreise per Flugzeug von Berlin nach Tel-Aviv.

Die Nacht vor der Anreise wird nicht geschlafen, denn bereits um 2.45 Uhr sammelt mich ein Taxi ein.
Ja, diesmal ein Taxi, ich hab aus meinem Fehler mit dem schweren Fahrradkarton am Frankfurter Flughafen vor der Pamir-Tour gelernt.

Am Flughafen bin ich erstaunt über die Unfähigkeit so einiger Mitpassagiere einen Check-In zu absolvieren, verbringe ansonsten die meiste Zeit mit rumstehen. Spannend wird es noch als zwei herrenlose Koffer auftauchen, genau gegenüber dem Check-In nach Tel Aviv ruft das natürlich die Security auf den Plan. Diese reagieren eher BER als TXL-tauglich, in dem Sinne das sie absolut unfähig sind da eine schnelle, angemessene Reaktion zu finden. Erst wird ein Polizist mit einem Pröbchen losgeschickt um zu messen, ob da Sprengstoffreste auffindbar sind, dann wird der Koffer einfach von der Polizei händisch entfernt. Dauer der ganzen Aufgabe: über 40 Minuten. Gut dass es doch nur gedankenverlorene Mädels aus demselben Flug waren und keine anschlagswilligen Profis, ansonsten wäre der Blog hier wohl zu Ende. So hatten wir alle Glück nicht evakuiert zu werden. In Israel hätte es wohl keine 5 Minuten gedauert, bis der Koffer kontrolliert gesprengt worden wäre.

Berlin im ersten Morgengrauen (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/10sec, ISO-4400)
Erstes Sonnenlicht aus dem Flieger (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/20sec, ISO-372)

Der Flug fühlte sich lang an, daran hatte sowohl die Bestuhlung und Beschallung durch Ryanair seinen Teil, wie auch die zahlreichen plärrenden Kinder, die durch den Gang hasteten. Nun, vielleicht spielte auch meine Schlaflosigkeit eine Rolle.

Insel aus dem Flugzeugfenster, evtl. Zypern? (E-M5, 14mm, f/7.1, 1/640sec, ISO-200)
Israels Küste mit Tel-Aviv (E-M5, 14mm, f/8, 1/250sec, ISO-100)
Erster Blick auf Nord-Tel-Aviv (E-M5, 40mm, f/8, 1/200sec, ISO-100)

Am Ben-Gurion Flughafen angekommen rückte die Schlange vor der Passkontrolle wieder nur in Zentimeter-Schritten vorwärts. Als ich jedoch selber an der Reihe war, wurde ich erstaunlich schnell durchgewunken und hielt mein Entry-Visum in Händen. Sollten sie etwa gemerkt haben, dass ich bei den vorherigen 3 Besuchen im Land kein Unfrieden gestiftet habe?

Standesgemäße Ankunft am Flughafen (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/60sec, ISO-130)

Mein Gepäck wartet auch schon auf mich und sieht unbeschädigt aus, große Erleichterung macht sich breit.

Alles noch im brauchbaren Zustand – Erleichterung macht sich breit. (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/30sec, ISO-232)

Und dann erklärt sich ein Busfahrer auch noch dazu bereit mich nach Tel-Aviv mitzunehmen, trotz riesigem Fahrradkarton. So spare ich mir also so die ersten 20 Kilometer Fahrradfahren in einem durchwachten Zustand und am Schwitzen, denn Israel empfängt mich nach dem Ausstieg mit tollen 24°C, eine Abwechslung zu den 6° in Berlin.

Tel-Aviv ist immer im Wandel (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/800sec, ISO-100)
“Property is organized robbery” (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/550sec, ISO-100)

In Tel-Aviv weiß ich ungefähr wo ich raus muss, als ich einen Stadtpark genau bei einer Haltestelle sehe, nutze ich meine Chance. Im Park bau ich eine Stunde lang das Rad wieder zusammen, dann geht es zu meiner Übernachtungsmöglichkeit.

Aufbauen im Stadtpark. Erst sieht das Rad so aus… (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/120sec, ISO-111)
… einige Zeit später so. (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/120sec, ISO-163)
Und den Fahrradkarton werde ich auch gleich los (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/120sec, ISO-122)

Ich habe über die Fahrrad-spezifische Couchsurfing-Plattform “Warmshowers” eine Übernachtung bekommen bei Chen und Alison. Diese leben im Künstler*innenviertel Neve Zedek in einem schnuckligen, aber winzigen Häuschen. Umso dankbarer bin ich über ihre Einladung.

Die schnuckelige Wohnung von Chen und Alison und mein Übernachtungsdomizil für heute Abend (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/120sec, ISO-141)

Ich stelle nur schnell das Rad ab, dann geht es in die Stadt zum Einkaufen. Es ist bereits 15 Uhr, ich würde dies gerne vor Einbruch der Dunkelheit erledigt haben.

Endlich wieder an der Strandpromenade in Tel-Aviv! (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/1250sec, ISO-100)
Neu und Alt verbindet sich in dieser Stadt (E-M5, 40mm, f/8, 1/400sec, ISO-100)

Auf dem Markt flippe ich fast aus vor Warenüberangebot, vor allem die Obst- und Gemüsestände quollen über. Kopfschüttelnd denke ich darüber nach, wie ich in Tadschikistan im Magasin versucht habe, die am wenigsten verschimmelte Zwiebel zu finden.

Frisch gepresster Granatapfelsaft und Baba Ganoush. Ich bin angekommen! (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/40sec, ISO-120)

Hier ergattere ich eine gigantische Avocado für etwa einen Euro, da kann die Rewe Avocado daheim nicht mithalten. Auch Pomelos und allerlei andere Köstlichkeiten wandern in meinen Rucksack.

Im gigantischen und unübersichtlichen Dizengoff-Einkaufszentrum bekomme ich dann noch eine SIM-Karte von Golan Telefon. Kostet zwar knappe 25 Euro, was ich happig finde, aber ich brauche einen einmonatigen Prepaid Tarif, zudem habe ich damit ganze 30, ich wiederhole, 30 GB zur Verfügung. Netflix and Zelt steht also nix im Wege.

Nur eins kriege ich nicht: Gas-Kartuschen für meinen Kocher. Es ist wie verhext, 2014 suchte ich verzweifelt nach Spiritus und habe deswegen einen Gaskocher gekauft, heute finde ich keine Gas-Kartuschen. 3 Outdoor-Läden zucken nur mit den Schultern, es ist wohl ausverkauft in der Stadt. Sie empfehlen mir unterwegs an Tankstellen zu schauen, diese führen es wohl im Sortiment.
Die Tankstellen die ich auf dem Weg zurück zu meiner Warmshower-Unterkunft ansteure sind jedoch lediglich 24h-Selbstbedienungsanlagen, ich muss also auf Morgen hoffen. Ein wenig frustrierend, aber bei diesem tollen Warenangebot kann ich notfalls auch 3 Wochen lang kalt essen, ich bleibe also erstmal entspannt und optimistisch.

Den Abend verbringe ich mit Chen, wir reden über jede Menge Rad-bezogene Themen, da er und seine Frau ganz schön rumgekommen sind mit dem Rad. Aber das Gespräch berührt auch Tel-Aviv bezogene Aspekte wie zum Beispiel die verrückten Wohnkosten hier. Das Grundstück gegenüber wurde für 15 Millionen Schekel, das entspricht 4 Millionen Euro, verkauft. Dafür erhielt der Käufer 100 Quadratmeter mit einem baufälligen Haus drauf, welches er nun abreisst und neu baut. Auch waren Chen und Allison lange Jahre in Kanada und er berichtet mir von ihrem Umzug nach Israel.

Nach einer tatsächlichen “warm shower” laufe ich abends noch die 300m an den Strand, denn wer kann, der kann 😉

Anschließend geht es schnellstmöglichst ins Bett. Es ist zwar erst 10 Uhr abends, ich bin jedoch bereits 38 Stunden wach und nicht im Geringsten mehr aufnahmefähig. Das Alison um Mitternacht von einer Freundin heimkommt, das kriege ich gar nicht mehr mit.

Ist auch besser so, denn die beiden haben zwei Katzen und ich reagiere eigentlich stark allergisch auf Katzen. Da hilft nur schnelles Einschlafen. Mit Gedanken an das morgen beginnende Abenteuer geht das auch ganz schnell.

Israel-Radreise 2019: Prolog

[Biking] – Israel 2019

Prolog – Bekannt und trotzdem neu

Erste Überlegungen zur Reise

Eine kleine Zeitreise zurück zum November letzten Jahres, also 2019:

Zum Ende des Jahres läuft mein Arbeitsvertrag aus und ich habe noch genug Überstunden und Resturlaub. So bin ich in der komfortablen Lage, dass ich im Dezember überhaupt nicht mehr ins Büro muss. Schnell kommt damit verbunden natürlich die Frage auf: Daheim bleiben oder doch noch schauen, dass man den Urlaub woanders verbringt?

Der Ausblick auf einen kalten, trüben und regnerischen Dezember in Berlin lässt dann schnell den Entschluss reifen, dass ich hier weg muss. Doch wohin? Und was machen? Da ich ja versuche dem schlechten Wetter zu entfliehen, ist natürlich der Norden schnell von der Liste gestrichen. Und damit auch die meisten Wanderideen. Also noch mal mit dem Fahrrad los? Klingt gut, warum eigentlich nicht?

Kurzzeitig hatte ich überlegt, dass jetzt mit einem Monat Zeit doch auch eine größere, aufwendigere Reise möglich wäre. Doch da sprachen einige Gründe dagegen: Ich hatte nicht viel Planungsvorlauf. Um gutes Wetter zu haben, müsste ich auf die Südhalbkugel. Dies würde sich vor allem im Geldbeutel und in der Zeit bemerkbar machen, die für An- und Abreise nötig wären. Dabei hatte ich bereits beschlossen, dass ich vor Weihnachten wieder daheim sein wollte.

Doch der triftigste Grund gegen eine Reise in weite Ferne: Ich hatte mit der diesjährigen Tour auf dem Pamir Highway in Tadschikistan und Kirgistan bereits die bisher abenteuerlichste und prägendste Reise meines Lebens unternommen. Nahezu täglich denke ich daran zurück und jedes Mal huscht mir ein Lächeln über das Gesicht. Es würde sich falsch anfühlen einen zweiten so „großen/aufwendigen/teuren/weit entfernten“ Urlaub in diesem Jahr zu machen.

Nun, das klingt ein wenig, als berichte ich euch jetzt von meinem Ausflug auf dem Elberadweg, doch ganz so lokal wurde der Urlaub dann doch nicht.

Mit den Überlegungen „wo komme ich schnell und einigermaßen kostengünstig hin?“, „wo ist es noch warm genug um entspannt Rad zu fahren?“, „wo muss ich nicht lang und aufwendig eine Route planen?“ und „wo kann ich gut Rad fahren?“ kristallisierte sich schnell ein Reiseziel heraus:

Israel

Wer meine bisherigen Urlaube kennt, weiß dass es für mich kein unbekanntes Land ist. Einerseits findet sich hier eine Blogserie über meine Wanderreise dorthin im Jahre 2014. Und 2013 und 2016 war ich als regulärer Tourist im Land. Ich kenne die Gegend also, jedoch eher vom Busfenster aus. Die Möglichkeit das Land vom Rad aus zu erkunden und dabei noch einige mir unbekannte Landstriche zu sehen, klang verlockend. Zudem ist Israel klein genug um eine Rundtour durchs ganze Land zu planen. Insgesamt hatte ich inkl. An- und Abreise 20 Tage dafür zur Verfügung.

Hier ein kurzer Überblick über die Strecke, die ich mir schnell in Komoot zusammengeklickt habe:

(Am Besten ihr klickt rechts oben in der Karte auf die Vierecke und wählt statt “Open Street Map” lieber “Open Cycle Map” aus. Dann werden die Ortsnamen nicht nur in Hebräisch/Arabisch, sondern auch in Englisch dargestellt)

Flug nach Tel Aviv. Von dort aus die Küste entlang nach Norden über Haifa und Akko, bevor es an der libanesischen Grenze entlang gen Osten geht. Dort will ich mir Safed anschauen, das ich bisher nicht besucht habe und dann über die Hula-Ebene auf die Golanhöhen aufsteigen. Auf dem Golan selber geht es gen Süden, wo ich anschließend am See Genezareth auf die Route 90 treffe. Diese führt immer gen Süden an der jordanischen Grenze entlang. Dabei geht es durch die Westbank, am Toten Meer vorbei, bis nach Eilat. Die Stadt am Roten Meer hatte ich ebenfalls noch nicht besichtigt. Dort, am südlichsten Zipfel Israels fahre ich dann wieder nach Nordwesten, über Mitzpe Ramon in die Nähe des Gazastreifens und dann am Mittelmeer entlang zurück nach Tel Aviv.

Das klang erstmal wie ein brauchbarer Plan. Schnell waren günstige Flüge gebucht und da ich seit der Pamir-Reise nicht wirklich was an der Ausrüstung verändert hatte, gingen die restlichen Vorbereitungen ziemlich schnell von statten. Mit der Übung aus dem Sommer klappte selbst das Fahrrad zerlegen und verpacken erstaunlich schnell.

Also, genug der Einführung, nun heißt es: Ab nach Israel!

[Tag 24] Rückreise: Osch – Moskau – Berlin

[Tag 24] Rückreise: Osch – Moskau – Berlin

31. Juli 2019:

Zwei lange Flüge, anschließend 14 Kilometer mit dem Rad vom Flughafen Tegel nach Hause.

Kommen wir nun zum letzten Teil der Reise, der Abreise:Der Flughafen liegt außerhalb der Stadt und ich hatte keine Lust um Mitternacht mich mit dem Rad durch Osch kämpfen zu müssen. Ursprünglich hatte ich vor mir ein Taxi zu buchen, dies kostet wohl tagsüber wohl 450 Som zum Flughafen (= 5,50€). Nachts und allein reisend wird es leider ein bisschen teuer, auch weil das Auto groß genug sein muss um auch mein Rad mitnehmen zu können. Dies hätte mich 800 Som gekostet. Als ich mittags aber am Schalter im Hostel stand, bot der eine Mitarbeiter gleich an, dass er mich für 800 Som auch fahren würde.

So kam kurz vor Mitternacht der Mitarbeiter mit seinem Auto am Hostel an. War zwar ein ziemlich kleiner Hyundai, trotzdem haben wir es geschafft alles einzuladen. Nebst Rad und allen Taschen habe ich auch ein paar einzelne, große Stücke Pappe dabei. Denn sollten Felix und Yangs Fahrradkartons nicht mehr am Flughafen liegen, bin ich aufgeschmissen. So hoffe ich, dass ich dann wenigstens aus den paar Teilen Pappe etwas basteln können.

So flitzen wir durch die Stadt, was echt aufregend ist, teilweise kommen uns Autos ohne Licht entgegen. Insgesamt dauert die Fahrt etwa 20 Minuten, teilweise über stockfinstere Landstraßen ohne Seitenstreifen. Ich bin heilfroh die Strecke per Taxi und nicht auf dem Rad hinter mich zu bringen. Auch am Flughafen hilft mir der Hostelmitarbeiter sehr, er macht sich auf die Suche nach einem Gepäckwagen, während ich noch am Ausladen bin. Felix hat erzählt, dass sie die Kartons neben dem Arrival-Gebäude auf einen Haufen hinter einem Fastfood-Restaurant geschmissen haben. Zum Glück begleitet mich der Mitarbeiter noch, wir machen uns auf den Weg. Ich bin nervlich angespannt, ich hoffe ja so sehr, dass die Kartons noch da sind, das würde jetzt alles einfacher machen.

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Taaaadaaaa!

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Und tatsächlich: Hätten solche Kartons in der dunklen Ecke entweder für eine Vollsperrung samt Bombenentschärfung auf einem deutschen Flughafen gesorgt, oder wären schnellstmöglich entfernt worden, liegen hier die zwei Kartons unangetastet in einer Ecke. Ich bin sehr, sehr erleichtert! Ich verabschiede mich vom Fahrer, dann mache ich es mir direkt neben dem Arrival-Gebäude gemütlich und beginne mein Fahrrad zu zerlegen und zu verpacken.

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Und obwohl es inzwischen ein Uhr nachts ist, am Flughafen pulsiert das Leben. Hunderte Menschen scheinen entweder auf Bekannte zu warten oder warten auf ihren Flug, dazwischen laufen 12-jährige Kinder rum und verkaufen laut schreiend “Choy, coffee” und Süßwaren. Ein geschäftiges Kommen und Gehen überall.

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Ich werde, nach einer kurzen Erklärung meinerseits, von den Sicherheitskräften in Ruhe gelassen. Und so klappt es im Schein eines Flutlichtstrahlers auch gut mein Rad zu zerlegen, schnell ist alles im Karton und dieser reichhaltig mit Tape verklebt. Auf alle Seiten male ich jetzt noch “This Way Up”-Symbole und schreibe meinen Flugverlauf dazu.

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Beim Zerlegen finde ich noch heraus, dass eine Speiche am Hinterrad gebrochen ist, dies muss am letzten Tag nach Osch passiert sein, denn im Pamir habe ich die Reifen immer kontrolliert. Schon verrückt, da fahre ich 3 Wochen über schlimmste Schotterpisten und die einzigen Defekte sind der abgebrochene Fahrradständer und EINE Speiche (und mein Plastikkrokodil, schnüff!), nicht mal einen Platten hatte ich in der Zeit.

Ich habe heute auf dem Markt eine große Gewebetasche gekauft (nachdem ich die vom Hinflug noch in Kulob verschenkt habe), da kommen nun alle Ortlieb Fahrradtaschen rein. Auch wenn es nicht sonderlich ökologisch ist, diese Tasche umwickle ich noch mit 50m Frischhaltefolie. So kann ich sicher sein, dass alle Taschen es nach Hause schaffen, ohne dass eine auf dem Rollfeld zurückbleibt. Ich entdecke im Flughafengebäude später, dass wirklich ALLE Personen ihre Rollkoffer in Plastikfolien einpacken, da macht es bei mir wirklich deutlich mehr Sinn.

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Anschließend fehlt mir wieder ein Trolley, da meiner in der Zwischenzeit geklaut wurde. Nach Erklärung bei der Flughafensicherheit, lässt man mich sogar in den abgesperrten Arrivals-Bereich, bei solchem Vorgehen wird in Deutschland das ganze Terminal geräumt, hier mache ich es in Absprache mit der Security. Zentralasien ist in manchen Dingen doch deutlich entspannter.

Anschließend kaufe ich mir vor dem Check-In Gebäude noch eine Cola und mach mich dann auf den Weg durch die Sicherheitsschleuse. Das ist noch mal aufregend, mich mit diesem gigantischen Karton durch die Menschenmassen zu drängen und dann muss auch noch alles durch den Scanner geschoben werden.

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Es gibt spannende Szenen zu beobachten, Langeweile kommt nicht auf.

Ich war um 0:30 Uhr am Flughafen angekommen, inzwischen ist es 2:30 Uhr. Mein Flug geht erst um 7 Uhr, ich habe aber viel Puffer eingeplant für das Verpacken, und um möglichen Unwägbarkeiten aus dem Weg gehen zu können. Da bis 5 Uhr am Check-In nichts passieren wird, suche ich mir ein einigermaßen ruhiges Eckchen in der Abflughalle und versuche mich mit Filmen und Musik soweit wach zu halten, dass ich nicht meinen Flug verpasse.

Als um kurz vor 5 der Check-In öffnet, bin ich (absolut untypisch für mich) wieder einer der Ersten in der Schlange. Wie beim Hinflug schon konnte ich mein Fahrrad nicht im Vorhinein hinzubuchen, dies passiert erst am Flughafen. Ich will also um jeden Preis sicherstellen, dass keine 10-köpfige Gruppe Radfahrender vor mir auftaucht. Auch bin ich nach dem Check-In in Frankfurt ein gebranntes Kind. Die haben damals ja reagiert, als wäre ich die erste Person auf diesem Planeten, die ein Fahrrad in ein Flugzeug mitnehmen will. Ich will also auch hier genug Zeit haben, falls die anfangen mit mir zu diskutieren. Witzigerweise bin ich dann nicht nur die einzige Person mit Sperrgepäck, ich bin laut erstem Anschein auch der einzige Tourist an Bord später. Da ich diesmal nicht direkt, sondern via Moskau fliege, scheint der Großteil der Fluggäste Arbeitsmigrant*innen zu sein, die in Russland arbeiten. Laut einem Artikel im Katapult Magazin bestand 43% des tadschikischen Bruttoinlandsprodukts aus Überweisungen tadschikischer Gastarbeiter in Russland. (Julius Gabele und Matthias Schmidt: Postsozialismus in Zentralasien. Warum die alten Sowjetstaaten nicht demokratisch werden, in: Katapult-Magazin. Nr. 12, Jan-März 2019, S. 44) Dies sind wirklich unfassbare Werte, die Wirtschaft ist zum größten Teil von Arbeitsmigration abhängig. Dies wird für Kirgistan zwar ein geringerer Wert sein, aber auch hier verdingen sich extrem viele Personen in der Ferne, um der Familie daheim ein besseres Leben ermöglichen zu können.

Am Schalter angekommen wird diesmal weit entspannter beim Anblick des Fahrradkartons reagiert. Ich hatte im Vorhinein verschiedene Infos erhalten, teilweise wurde davon berichtet dass die Fluggesellschaft S7 Fahrräder gratis transportiert, teilweise hieß es koste 50€ pro Flug, dann wiederrum 50€ insgesamt. Ich nahm vor mich einfach überraschen zu lassen. Es folgt viel Getuschel am Schalter, schließlich wird mir jedoch eröffnet, die Radmitnahme würde mich 80$ kosten. Nun, über den Betrag will ich mich nicht streiten und willige schnell ein. Leider ist Kartenzahlung keine Option, ich muss also noch mal durchs Gebäude hasten zu einem VISA-Automaten. Während ich davor stehe schießt mir noch der Gedanke “was wenn jetzt der Automat die Karte verweigert? Dann bist du richtig geliefert…” durch den Kopf. Doch dann halte ich schon die 80$ in kirgisischen Som in Händen. Bei dem Umrechnungskurs in Kirgistan fühlt man sich noch viel reicher als es in Tadschikistan bereits der Fall war. Knappe 5500 Som halte ich nun nämlich in einem dicken Bündel in Händen. Damit eile ich nun zum Check-In Schalter zurück. Da der Betrag dort entgegengenommen wird, ohne zweite Betrachtung oder gar Zählung unter einem Klemmbrett verschwindet und plötzlich das englische Wort für Rechnung/Quittung gänzlich unbekannt ist, nehme ich an, ich habe den beiden Mitarbeitenden dort einen schönen Zusatzverdienst ermöglicht, doch bei 80$ will ich mich nicht streiten und bin einfach froh, dass mein Gepäck und Fahrrad eingecheckt sind. Und die sind sogar bis Berlin-Tegel durchgecheckt, ich habe also keinen Stress in Moskau damit, mein Gepäck vom Band holen zu müssen und einen erneuten Check-In zu durchlaufen. Nach nur 5 Minuten Check-In Procedere ging es nun in den Sicherheitsbereich. Dort gibt es nicht viel mehr zu tun als den Sonnenaufgang zu beobachten und erneut bemüht nicht einzuschlafen. Inzwischen war ich fast 24 Stunden wach.

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Als wir dann zum Flugzeug laufen (ja, so klein ist der Flughafen), sehe ich meine Fahrradkiste noch auf einem Gepäckwagen. Prompt kriege ich fast einen Herzinfarkt, als dieser Gepäckwagen wenige Sekunden später davon fährt. Doch gerade als ich mich darauf vorbereite zur Crew zu rennen, sehe ich dass der Wagen am vorderen Cargo-Eingang des Flugzeugs hält, und dort weiter einlädt.

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HILFE!

In dem Wissen, dass mein Fahrrad es zumindest bis Moskau schafft, steige ich in den Flieger, kriege dort einen angenehmen Sitzplatz am Notausgang und habe so ordentlich Platz die müden Beine auszustrecken. Schon beim durchrutschen zum Fensterplatz fragten mich die beiden Männer neben mir, wo ich denn herkäme. Das Lachen, dass meine Antwort “Germany” empfing, konnte ich nicht wirklich deuten, bis sich mein direkter Nachbar Vasily erklärte: Er selber hat über ein Jahrzehnt in Deutschland gelebt, hatte eine deutsche Ehefrau und hat einen deutschen Sohn. Auch wenn das ein paar Jahre her ist, Vasily spricht bestes Deutsch und so fragt er viel zu meiner Radreise, erzählt aber auch aus seinem Leben. Er ist nun Agrarwissenschaftler und eigentlich im Kaukasus ansässig, war nun aber mit seinem Team in Kirgistan, um hier beratend zum Anbau von Ölhaltigen Pflanzen tätig zu sein. Traurigerweise wurden seine Abschlüsse damals in Deutschland nicht anerkannt, dort arbeitete er also in einer Fabrik, heute kann er seinen Doktortitel in Agrarwissenschaft voll ausleben. Vasily übersetzt zudem für seine Kollegen auf den Nebensitzen, manchmal geht es in einem Deutsch-Russisch-Englisch Mischmasch hin und her. Der eine Kollege ist Doktor der Philosophie und spricht auch ein wenig Deutsch, das kommt wohl davon wenn man Kant und Nietzsche im Original liest. Spannender Kontakt auf alle Fälle.

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Blick zurück auf Osch und den Suleiman-Too

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Den Rest des Flugs hat es mich komatös ausgeknockt, der Schlafmangel nahm überhand. Nach viereinhalb Stunden Flug landen wir pünktlich in Moskau, dank der Zeitverschiebung ist es auch erst knappe 9.30 Uhr in der Früh. Ich verabschiede mich noch von Vasily und den anderen, dann habe ich über 3 Stunden bis mein Flieger nach Berlin abhebt. Diese Zeit hatte ich damals bewusst eingeplant bei der Flugbuchung, da ich genug Horrorstories vom Umsteigen in Moskau gehört hatte. Doch bis auf eine ziemlich pedantische und leicht feindselige Grenzbeamtin, die mich bis zum gehtnichtmehr über meine Reise ausfragt, komme ich schnell durch.

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Ich vermute fast, hierbei handelt es sich nicht um das originale SWAT-Team 😀

Der Transitbereich in Moskau ist wie ein Katapultflug vom frühen 20. Jahrhundert in die Jetztzeit. Normale Spülklos entlocken mir Begeisterungsjubel (das Flughafenklo heute Früh in Osch war tatsächlich noch ein Hockklo), zudem stehen überall Getränkeautomaten und modernste Duty-Free-Geschäfte. Swarovski, schicke Bars, was eine andere Welt.

Ich beschließe dass ich mir jetzt ein Mittagessen an der Burger-Bar verdient habe. In der Schlange zerbreche ich mir das Hirn, ob die jetzt wohl Euros nehmen, oder was ich mache wenn das nicht klappt, bis mir auf einmal einfällt “ha, jeder Laden bietet hier Kartenzahlung an”. Von Khorogh bis Gulcha war meine VISA-Karte auf Radreise nichts mehr als ein nutzloses Stück Plastik, langsam muss ich mich wieder an die technischen Möglichkeiten hier gewöhnen.

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Ich sehe beim Einstieg in den Flieger nicht, ob mein Rad eingeladen wurde, jetzt heißt es Daumen drücken, dass ich es in Berlin in Empfang nehmen kann. Im Flieger komme ich mit zwei Deutschen ins Gespräch, die wohl extra für ein Rammsteinkonzert in Moskau den weiten Weg auf sich genommen haben.

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Tschüss Moskau

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Hallo Berlin!

Nach schönen Ausblicken übers Baltikum stehe ich schon bald im mir bekannten Flughafen Tegel. Meine folierte Tasche mit all den Ortlieb-Radtaschen drin ist dann auch tatsächlich das erste Gepäckstück, das vom Band läuft.

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Erster!

Anschließend darf ich jedoch warten bis jeder sein Gepäck hat, bevor mein Fahrrad aus dem Sperrgepäcksbereich geschoben wird. Ich hatte schon beim Ausladen in Moskau gesehen, dass meine “This-Way-Up” Beschriftung und Symbole freizügigst ignoriert worden waren, dasselbe passiert dann auch in Tegel. Das ganze Rad steht Kopf. Dadurch, dass der Karton Kopf steht, waren auch die Haltegriffe nicht mehr erreichbar, alle Flughafenmitarbeitenden haben also am Deckel gezogen, dieser ist schließlich aufgegangen. Hoffentlich ist nichts kaputt oder rausgefallen.

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Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen draußen vor dem Flughafengebäude und beginne mit dem Auspacken und Zusammenbau. Zum Glück ist wirklich nichts am Fahrrad kaputt. Damals beim Rückflug aus Schweden haben sie nur eine kleine Plastikverkleidung am Bremsgriff zerstört, diesmal ist das Rad komplett heile. Ich bin sehr erleichtert, besonders nach den Erzählungen vom Fahrradtransport am Flughafen Moskau. Das war ja überhaupt der Grund weshalb ich den viel teureren und weit umständlicheren Direktflug von Frankfurt nach Duschanbe gebucht hatte. Ich wollte sichergehen dass mein Rad auf alle Fälle rechtzeitig und fahrbereit in Duschanbe ankommt und ich nicht eine Woche auf die Nachsendung des Rads aus Moskau, oder auf Ersatzteile aus Deutschland warten müsste, bevor der Urlaub überhaupt beginnt. Somit hat sich das Fahrrad wunderbar geschlagen auf dieser Tour. Ich suche dann noch eine Möglichkeit meinen Karton in Tegel zu entsorgen, wie bereits heute früh erwähnt, ich habe keine Lust auf den Bombenräum-Roboter 😉

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Abfahrtbereit in Tegel

In Berlin setzt leichter Nieselregen ein, dafür hat es unglaublich angenehme 20°C, eine Wohltat nach der Hitze in Osch. So schwinge ich mich für das letzte Stück aufs Rad und fahr nach Hause. Vier Veränderungen fallen mir auf der Rückfahrt auf:

1) Obwohl mich hunderte Autos überholen, sterbe ich nicht in den Abgasen. Lange lebe Partikelfilter und Katalysator.

2) Gefühlt alle 30 Meter stehe ich an einer Ampel. Von Khorogh bis Gulcha hatte ich auf hunderten Kilometern keine einzige Ampel gesehen.

3) Es gibt Fahrbahnmarkierungen, diese habe ich außerhalb Duschanbe, Khorogh und Osch auch überhaupt nicht gesehen.

4) Niemand interessiert sich für mich. Das klingt jetzt wehleidig, ist aber nur eine Feststellung. Wenn ich vollbepackt an der Ampel warte stehen neben mir dutzende Familien auf dem Gehsteig und warten auf die Grünphase. Man würdigt mich keines Blickes. Was ein Unterschied zu den kleineren Orten am Pamir, wo die Kinder angeflitzt kamen, nur um mir die Hand zu schütteln und “HellohellohellohelloHEEEEELLLO” zu rufen.

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Daheim!

Nach insgesamt 1050 Kilometern (laut GPS, mein Tacho spricht gar von 1083km) und 17700 Höhenmeter auf dem Fahrrad stehe ich dann wohlbehalten, wenn auch sehr, sehr müde und abgekämpft vor meiner Wohnungstür. Und weil ich oft gefragt wurde, was das Beste an der Rückkehr war: Nicht mein Bett, nicht meine Dusche, nicht meine Küche oder mein eigenes Klo, dass kein Loch im Boden ist. Für mich ist es die Möglichkeit, frisches Trinkwasser aus der Leitung zu bekommen. 3 Wochen lang habe ich zum Zähneputzen Flaschenwasser genutzt, 3 Wochen lang habe ich beim Duschen aufgepasst kein Wasser zu schlucken, alles aus der Angst vor einer Erkrankung heraus. Jetzt einen tiefen Schluck direkt vom Wasserhahn zu nehmen erscheint mir wie ein unglaublicher Luxus.

So kommen wir nun zum Ende der eigentlichen Reise. Ich werde in einem weiteren Eintrag noch ein Fazit zur Reise geben und einige Statistiken hinzufügen, aber ansonsten ist hier Ende. Wenn ihr es bis hierhin durchgehalten habt, dankeschön! Dieser Reiseblog war mit Abstand der aufwändigste bis jetzt. Die Texte haben zum Ende hin die 100 Seiten Umfang in Word geknackt, auch bin ich ursprünglich mit über 2500 Fotos gestartet und musste mühsam aussortieren, bearbeiten und zuschneiden. Einen Reisebericht mit einem solchen Detailgrad wird es von mir nicht nochmal geben, das war mir eindeutig zu aufwendig, geschätzte 100 Stunden sind dafür drauf gegangen, länger als ich im Sattel saß. Nun hoffe ich ihr freut euch auf den Abschlusseintrag und danke euch jetzt schon einmal fürs Lesen und die vielen Rückmeldungen, freut mich wenn es euch gefallen hat.

[Tag 23] Osch

30. Juli 2019:

TES Guesthouse – Impressionen

Der Tag beginnt wieder mit einem entspannten Frühstück. Heute sitze ich mit den zwei deutschen Motorradfahrern zusammen, die ich vorgestern bei meiner Abfahrt nach Osch auf der Straße getroffen habe. Sie hatten an einem Motorrad eine defekte Benzinpumpe, sind also nach Osch zurückgekehrt und haben den letzten Tag in einer Werkstatt verbracht. Nun sitzen sie hier im Hostel und warten bis DHL Express eine Lieferung von Bayern nach Kirgistan bringt, damit sie das Ersatzteil einbauen können. Sie erzählen mir mehr von ihrer Reise und ihren Plänen. Sie haben ihre Motorräder per Spedition in die Mongolei bringen lassen, sind also bisher die ersten motorbetriebenen Reisenden, mit denen ich spreche, die nicht an der eigenen Haustür gestartet sind. Nach dem Pamir wollen sie nach Turkmenistan und dann in den Iran. Für Turkmenistan kriegt man wohl nur ein Transitvisum, muss also schnell durchreisen. Dann wird man an der turkmenischen Grenze ausgestempelt und steht an der iranischen Grenze und wartet auf Einlass. Und hier kommt ein Problem ins Spiel, von dem mir bereits viele Motorradreisende erzählt haben: In Iran ist offiziell die Einreise mit dem Motorrad nur bis 250 Kubik Motorgröße erlaubt. Lange wurde das wohl ziemlich lasch gehandhabt, nun hat man aber die Daumenschrauben angezogen. Die iranische Grenzkontrolle hat wohl verstanden, dass die Reisenden ihnen vollkommen ausgeliefert sind, dank ausgestempelten turkmenischen Visums kommen die Reisenden nicht wieder zurück. Vermutlich wird also eine Menge Schmiergeld an der iranischen Grenze fällig. Und wenn das nicht klappt und man wirklich zurückgeschickt wird, dann hat man wohl einen ganzen Haufen Probleme an der turkmenischen Grenze, um wieder ein Visum beantragen zu können. Ist ja jetzt auch nicht das freiheitlich-demokratischste Land auf diesem Planeten (Siehe dazu diesen genialen Beitrag von Last Week Tonight zum autokratischen Herrscher in Turkmenistan). Auf jeden Fall bleibt der Rückweg nach Europa also spannend für diese beiden Biker, ich drücke die Daumen dass es schnell klappt mit der Benzinpumpe.

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Erste Aufbrüche am Morgen, es geht gen Pamir!

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Ebenfalls treffe ich beim Frühstück die beiden Mountainbike-Fahrer*innen, die ich an der Abbiegung M41/Wakhan getroffen habe, die mit einem Begleitfahrzeug unterwegs waren und mich damals zu ihrem luxuriösen Mittagessen eingeladen haben. Das ist jetzt bereits über 10 Tage her, sie waren in der Zwischenzeit mit dem Auto am Pik Lenin Basecamp, dort wandern und haben jetzt auch ihre Radtour hier beendet. Sie erzählen mir, dass am Pik Lenin gerade die Vorbereitungen für einen Marathon laufen. Zwar läuft man keine 42 Kilometer, laut Website (www.lenin-race.com/marathon#) aber in Rekordzeit auf den Gipfel. Rennen bei über 7000m Höhe, was für irre Menschen!

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Don’t Dead, open inside? 😉

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Der deutsche TÜV bekäme vermutlich einen Herzinfarkt!

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Flaniermeile

Mit meiner Bekanntschaft Wolfgang (war vorgestern mit ihm Abendessen) geht es anschließend auf den Markt. Dieser ist über einen Kilometer lang, dabei sind die Bilder an den winzigen Containermarkt in Murghab noch frisch im Gedächtnis. Zuerst kommen endlose Stände mit Klamotten, alles billigste China-Ware.

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Gruselig…

Doch anschließend kommen wir zu einem Bereich, wo das örtliche Metallhandwerk ansässig ist. Diese nutzen mehrheitlich Betonstahl-Stäbe, um daraus sowohl Hufeisen, aber auch Messer und sogar landwirtschaftliche Utensilien (Sensen etc.) herzustellen. Beeindruckend, mit welcher Präzision und Geschwindigkeit sie dies anfertigen. Beneiden tu ich sie nicht um den Job, in ihren winzigen Läden bollert die Esse, und das bei über 35°C Außentemperatur.

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Alles wird aus Betonstahl gefertigt.

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Was mich danach fasziniert sind 20 Stände, die sich mit Fahrrädern beschäftigen. Diese haben sowohl fertige, neue Räder (zumeist günstige Stadträder aus chinesischer Herstellung), aber auch gebrauchte Mountainbikes älteren Jahrgangs. Und an jedem Stand finden sich kistenweise, tausendfach verschiedene Fahrradgegenstände. Hunderte Fahrradklingeln, Lichter, Speichen, Fahrradreifen usw. Alles billigste China-Qualität, trotzdem beeindruckend, da ich in ganz Tadschikistan kein Fahrrad-Zubehör gesehen habe.

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Mir wird auf solchen Märkten immer ein wenig schummrig. Klar, in Deutschland existiert ein gigantisches Warenangebot, es ist aber aufgeteilt auf hunderte, tausende Supermärkte und Läden. Wenn man hier plötzlich auf 20 Quadratmeter mehrere tausend Fahrradklingeln sieht, wird mir erst bewusst, wie viele dieser Güter weltweit im Umlauf sein müssen, wie viele Ressourcen dafür verwendet werden diese herzustellen und in die Welt zu verschiffen. Klar, an sich weiß ich das auch, aber bei solchen Gelegenheit trifft mich die Erkenntnis besonders.

Doch die Radfahrenden die ich nun im Hostel kennengelernt habe wollen, wie gestern erwähnt, lieber mein Rad in Einzelteilen kaufen, als das sie hier auf dem Markt China-Gegenstände kaufen, die in 1000 Kilometer wieder zerbröseln. Würde ich mit einem Overlander-Wohnwagen herfahren, ich glaube ich würde in Europa eine Kiste mit Fahrradersatzteilen einladen. Damit könnte man vermutlich den Sprit bis nach China finanzieren 😉

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Ich hätte diese Flagge kaufen sollen…

Ich suche bereits auf dem ganzen Markt nach einer kleinen kirgisischen Flagge, die ich daheim an die Wand hängen will. Doch bisher gibt es nur welche mit mehr als einem Meter Größe. Ich entdecke schließlich in einem kleinen Laden in einer Seitengasse einen kleinen Ständer auf dem Schreibtisch, der zwei kirgisische Flaggen hält. Der Angestellte versteht wenig bis kein Englisch, durch viel deuten versteht er aber wohl schnell was ich will. Er überreicht mir dann gleich den ganzen Fahnenständer. Da kann ich abwinken und schaffe es, eine einzelne Flagge davon zu entfernen. Doch als ich dann den Geldbeutel aus der Tasche hole, besteht er energisch darauf, dass er kein Geld will. Ich versuche es mehrmals, er ist nahezu empört das ich dafür zahlen will. Ich fühle mich unglaublich schlecht. Da bin ich in seinen Laden gekommen, habe seine Tischdeko zerpflückt und nun nimmt er kein Geld an. Ich würde ihm ja gerne etwas anderes abkaufen, leider verkauft dieses Geschäft nur Fensterrollos, die kriege ich wohl kaum im Flieger transportiert. Rückblickend ärgere ich mich, dass ich nicht in einen nahen Kiosk gegangen bin und zumindest ein paar Flaschen Cola und Schokolade gekauft habe als fairer Tausch, die Idee fiel mir allerdings erst später ein. So schlecht ich mich dabei fühle, ich spürte eine gewisse Form des Stolzes beim Ladenbesitzer. Das jetzt ausgerechnet ein Tourist eine kirgisische Flagge will, das scheint ihn zu freuen. Nun habe ich es nicht so mit Nationalstolz und Patriotismus, kann es in seinem Fall aber nachvollziehen. Glücklich, verdattert und leicht beschämt dass ich einen Ladenbesitzer so “bestohlen” habe, ziehe ich weiter.

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Auf dem Markt gibt es noch einen größeren Abschnitt mit Lebensmittelständen. Ich kaufe noch guten Honig für daheim (die Biene soll mich nicht umsonst gestochen haben), dies wird standesgemäß in alten Coca Cola Flaschen verkauft. Die Lebensmittelbereiche sind auf alle Fälle gewöhnungsbedürftig, an aufgehängten Fleischstücken ohne Kühltheke werde ich mich vermutlich nie gewöhnen können. Angenehm an diesem ganzen Markt ist, dass ich in Ruhe gelassen werde. Anders als ich es aus Nordafrika oder Israel kenne, versucht dich nicht jede_r an seinen_ihren Stand zu zerren, sondern man kann in Ruhe bummeln und auch mal was anschauen, ohne das gleich die große Verkaufsschiene einsetzt.

Anschließend geht es erneut zum Café Brio, für mich gibt’s erneut einen Burger, danach schlagen wir uns zum Hostel zurück, es ist einfach zu heiß. Wir sind mittags wieder am Hostel, alle Traveller dort liegen im Schatten oder unter der Klimaanlage. Ich tue es ihnen gleich, denn bis 17 Uhr ist an ein Verweilen in der Sonne nicht mal zu denken.

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Rumliegen im kühlen Zimmer

Als es wieder ein bisschen abgekühlt ist, geht es zum Wahrzeichen Oschs, den ich bereits in einzelnen Fotos der vergangenen Tage gezeigt habe: Dem Suleiman-Too – Berg in der Stadtmitte.

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Der 1100m hohe Berg ist das erste kirgisische Weltkulturerbe und hat allerlei Kultstätten in verschiedenen Höhlen am Berg. Man hat Petroglyphen (Felsritzungen) gefunden, die wohl bis zur mittleren Bronzezeit sich zurückverfolgen lassen. Von den 17 Kultstätten sind noch einige heute im Gebrauch bei der Bevölkerung, Besuche helfen gegen Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Unfruchtbarkeit.
Es vermischen sich hier am Berg verschiedene Glaubenssysteme. So soll in vorislamischer Zeit ein Herrscher der indischen Moguldynastie erst hier Zeit verbracht haben, bevor er aufbrach um Indien zu erobern.
Der muslimische Narrativ ist, dass hier Salomo, laut Bibel der König der Juden, laut Koran ein Prophet am Fuße des Berges begraben liegt.
Allerlei spannende Geschichte, verbunden mit einem wunderschönen Ausblick.
(Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Suleiman-Too )

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Unten noch ein Friedhof

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Kommen oben die spannenden Felshöhlen.

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Nun, diese “Petroglyphen” scheinen alle moderner zu sein… 😉

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Der Ausblick ist aber schick

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Der Anstieg ist schweißtreibend bei den Temperaturen, doch die Befriedigung als ich oben ankomme dafür umso größer. Auch wenn der Berg nur hundert Meter über die Stadt herausragt, der Ausblick ist phänomenal. Ich kann die Stadt zu 360° überblicken und merke erst, wie viel davon ich noch nicht gesehen habe. Meine Erkundungsspaziergänge der letzten beiden Tage haben mir vielleicht 2% der Stadt im Umkreis meines Hostels gezeigt, die Stadt erstreckt sich jedoch fast bis zum Horizont.

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

So fotografiere ich dort oben viele verschiedene Ausblicke und sitze mit dem Kindle am Gipfel und warte bis die Sonne sich auf ihren Untergang vorbereitet.

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[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

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[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Leider habe ich die Zeit unterschätzt, die ich zum Fuße des Berges brauchen würde. Es warten hunderte Stufen auf mich, zudem ist der Berg gut besucht, ich darf mich also an zahlreichen Familien vorbeischlängeln. Auf dem Weg nach unten komme ich noch an einer Moschee auf dem Suleiman-Too vorbei.

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Ab zur Moschee

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Blick zurück

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Der Abstieg enthält ein gutes Workout!

Als ich es endlich vom Berg runtergeschafft habe, eile ich wieder zum Borsok-Restaurant, diesmal eine andere Filiale. Der Grund für die ganze Eile? Ich bin heute Abend verabredet. Über die Facebookgruppe “Cycling Pamir Highway” bin ich mit einem Pärchen aus der Schweiz und China in Kontakt gekommen, die heute erst aus der Schweiz eingeflogen sind und hier die Tour in Richtung Pamir starten wollen. Wir hatten Kontakt, da ich ihren Fahrradkarton für meine Rückreise verwenden will. Den haben sie direkt am Flughafen gelassen, ich muss also darauf hoffen, dass ich ihn dort noch vorfinde, denn sie sind heute früh bereits um 5 Uhr am Flughafen angekommen. Wir nutzen das Essen so für einen zwanglosen Austausch und ich kann ihnen ein paar Erfahrungen über meine Reise mit auf den Weg geben. So quatschen Felix, Yang und ich noch ziemlich lange.

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“Und dann geht es da hoch und hier runter und dann nach links…”

Aanschließend mache ich mich auf den Rückweg zum Hostel, um dort noch meine letzten Sachen zusammenzuklauben und noch ein wenig mit Moritz, Flo und Wolfgang zu quatschen.

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Langsam bin ich abmarschbereit…

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[Tag 22] Osch

29. Juli 2019:

Ich steh um 8 auf und geselle mich in den Frühstücksraum. Das Frühstück finde ich nun nicht so überragend wie alle anderen um mich rum, schlecht ist es aber keinesfalls. Ich sitze an einem Tisch mit Moritz und Flo, die beide alleine von Deutschland aus mit dem Rad unterwegs sind. Für sie bin ich natürlich nur der “Kurzzeitreisende”, der sich mal 3 Wochen Urlaub hier in der Gegend vorgenommen hat. Flo kommt sogar aus Berlin und ich kenne ein Fahrrad-Camp, das er dort organisiert, so kommen wir über das Radfahren in Berlin ins Gespräch.

Ich bin gerade dabei mich anschließend fertig zu machen um die Stadt zu erkunden, als Moritz mich fragt ob ich meinen Sawyer Wasserfilter verkaufen will, ein Brite sucht wohl noch dringend nach einem und müsste ihn ansonsten irgendwie in die Stadt liefern lassen, was sicherlich ein teures und zeitaufwendiges Verfahren wäre. Ich bin froh meinen Verkaufen zu können, von der Fließgeschwindigkeit beim Filtern war ich nicht wirklich überzeugt und zweitens wird so die Tasche für den Rückflug leichter. Zudem weiß ich nicht, wann ich wieder einen solchen Filter brauche, die bisherigen Wandertouren in Schweden konnten ja mit kristallklarem Wasser aufwarten.

Der Berliner Flo gibt mir dafür eine alte Bremse von sich mit, die er gerne nach Berlin transportiert haben möchte. So ist das gerade gewonnene Gepäckgewicht gleich wieder verloren. Schließlich hört er allerdings, dass ich noch einen komplett ungenutzten Fahrradmantel dabei habe. Da es hier in der Gegend nur billige Fahrrad-Ramschartikel aus China gibt, ist ein deutscher Reifen der Marke Schwalbe so etwas wie der Hauptgewinn. Er Verspricht mir also gleich den Neupreis dafür zu zahlen, sofern ich ihm diesen überlasse. Da der Reifen nicht genutzt wurde, ist das auch komplett fair, ich kann mir ja dann in Deutschland einen nachkaufen. Wird das Gepäck also doch leichter, ganze 700gr.

Theoretisch könnte ich hier mein ganzes Rad in Einzelteile zerlegen, ich würde diese sicherlich verkauft kriegen. Im Hostel sind dutzende Langzeitreisende untergebracht und nach über einem halben Jahr auf Tour gibt es so einige mechanische Auflösungserscheinungen an ihren Rädern. Nun, ich will in zwei Tagen vom Tegeler Flughafen nach Hause radeln, daher bleibt das Rad heil und in einem Stück, ich kann es den Ersatzteil-Geiern gerade so entreißen. 😉

Auch in den letzten Wochen wurde ich immer wieder von Einheimischen gefragt, was denn mein Rad kosten würde und ob ich es ihnen nach Beendigung meiner Tour verkaufen würde. Ich habe bei den Kosten immer gelogen und die Kosten auf 200-300$ beziffert. Es kam mir einfach falsch und schäbig vor, ihnen zu berichten dass mein Rad etwa ein tadschikisches Jahresgehalt kostet. Verkauft hätte ich es eh nicht, dafür liebe ich meinen Drahtesel viel zu sehr und will noch einige Touren damit unternehmen.

Zudem sehe ich der Früh noch mal die Motorradgang, die sich nun auf nach China macht:

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Nach dem Ersatzteile-Bazar in der Früh mache ich mich nun auf in die Stadt. Erst laufe ich zurück zu Lenin, anschließend geht es in den angrenzenden Park. Dort sind Mahnmale zur Erinnerung an die Gefallenen der Roten Armee, neben den Kriegsopfern wird dort aber auch den Opfern von Tschernobyl gedacht. Was ich nicht wusste, bei den Aufräum- und Versiegelungsarbeiten am Reaktor in der Tschechoslowakei waren auch etwa 4500-5000 kirgisische Helfer beteiligt, die dort auch umgekommen sind, beziehungsweise an den Spätfolgen verstorben sind.

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Weltkriegsdenkmal

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Die “ewige Flamme” ist leider aus, ein leicht skurriler Sachverhalt

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Tschernobyl-Mahnmal

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Ein weiteres Mahnmal gedenkt kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Usbekistan und Kirgistan im Jahre 2010. Bildhauerisch wurden zwei trauernde Frauen in usbekischer und kirgisischer traditioneller Kleidung dargestellt. Bei den Auseinandersetzungen starben je nach Quelle zwischen 174 und 2500 Menschen, 400.000 – 1.000.000 Menschen flüchteten, es gab Massenvergewaltigungen, Plünderungen und Brände.
Unglaubliche Zahlen für einen Konflikt, von dem ich noch nie gehört habe.
Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/Unruhen_in_S%C3%BCdkirgisistan_2010

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Eine tolle bildhauerische Umsetzung, welche die verschiedenen Kleidungsstile und Muster betont. Beide Frauen vereint im Schmerz und in Trauer.

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Weitere Mahnmale und Statuen:

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Als Gegenprogramm steht nebenan der “Love-Park”, der wohl ein beliebtes Fotomotiv bei Hochzeitspärchen ist. Mir kommt in diesem kitschigen Setting eher die Galle hoch, für ein paar skurrile Fotos ist der Park aber geeignet.

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Wenn Lenin das gewusst hätte…

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… hätte er sich wohl bequemeres Fußwerk angezogen.

Zum Mittagessen geht es zu “Brio”, einem westlichen Café in der Innenstadt. Dort treffe ich auch den Käufer meines Wasserfilters wieder, wir sitzen also zum Mittagessen zusammen. Für einen Cheeseburger mit Pommes und Getränk zahlt man keine 4€, der Aufenthalt in Osch am Ende wird wohl kein zu großes Loch in den Geldbeutel reißen.

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Spannend, die nationale und sowjetische Gegenüberstellung

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Selbst dem Reiseführer ist aufgefallen, das Lenin anklagend auf die Flagge schaut

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Erinnert ihr euch noch an meine Ausführung zur Flagge und dem Dach einer Jurte?

Es ist wieder unglaublich heiß, wie ein verschwitztes Monster schlurfe ich durch die Straßen. Keine Ahnung was sich die Einheimischen dabei denken, denn diese sind adrett gekleidet und scheinen durch die Hitze nicht im Geringsten gestört zu werden.

Nach dem Mittagessen gehe ich zum Fine Arts Museum, das ist klein aber fein. Wobei, “nett & skurill” trifft es vielleicht besser: Das Gebäude ist heruntergekommen und die Bilder sind teilweise zerrissen und zerknickt in uralten Bilderrahmen, die fast von der Wand fallen. Da investiert das Louvre in Paris wahrscheinlich monatlich eine sechsstellige Summe, dass ihre Meisterwerke wohlig temperiert, bei genau der richtigen Luftfeuchtigkeit hinter Panzerglas verschwinden. In Osch wird wohl eher alle 6 Monate mal staub gesaugt oder feucht durchgewischt. Ich finde das regelrecht charmant. Die Aufnahmen, meistens aus der Sowjetzeit sind spannend. Zwar wird das ländliche, traditionelle Leben in Kirgistan portraitiert, weit mehr werden aber industrielle Entwicklung oder die Erziehung nach marxistisch-leninistischen Grundzügen bildlich festgehalten. Ein Raum, in dem ein paar Bilder noch hängen sieht aus wie ein gut erhaltener Originalschauplatz, an dem sich jeden Sonntag die KPdSU getroffen hat. Sehr skurril also. Da der Eintritt ins Museum mich aber 60 Cent gekostet hat, nehme ich an, das auch wirklich nur beschränkte finanzielle Mittel dem Fine Arts Museum zur Verfügung stehen.

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Industrialisierung

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Ein kleiner Einblick ins Museum. Man beachte die hochtechnologische Beleuchtung der Meisterwerke, sowie die vorsichtig verteilten Bilder im Raum… 😉

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Einmarsch der Roten Armee

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Es wird marxistisch-leninistisch instruiert…

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Sitzungssaal der KP oder doch Museum?

Anschließend kapituliere ich vor der Hitze. Auch wenn ich mich bei der Radtour weitergequält habe, hier in der Stadt kocht mich der Asphalt von unten und es weht mir kein Fahrtwind mehr um die Nase. So entschließe ich mich für die Rückkehr ins Hostel. Dankenswerterweise gibt es hier überall kleine Spätis und Minimärkte, wo man für knapp 30 Cent einen Liter Wasser kaufen kann, wenigstens verdorre ich also nicht.

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Suleiman-Too

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Angeblich die weltweit einzige “dreistöckige Jurte”

Erst als die Sonne wieder verschwindet fühl ich wieder ein Fünkchen Energie in mir, erst dann kann ich mich aufraffen das Hostel wieder zu verlassen.

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Überall blüht es in der Stadt

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Theater

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1GB = 1 Som. (Hilfestellung: 80 Som = 1€) Wir werden abgezockt bei deutschen Mobilfunktarifen…

Abends gehe ich erneut zum Borsok-Restaurant. Eine gute Linsensuppe und ein Hähnchen in Brokkoli-Sauce später taumele ich glücklich und satt zum Hostel zurück. Zahlreiche Gespräche auf der Veranda folgen. Ich freue mich sehr heute so viele nette Gesprächspartner gefunden zu haben im Hostel. Auch wenn ich keine so extreme Tour abliefere wie die meisten anderen Gäste, gibt es doch einen regen Austausch. Und ich freue mich auch unglaublich endlich wieder ausführlich mit Leuten in Deutsch und Englisch reden zu können, es war teilweise doch unbefriedigend mit den Einheimischen nur in Bruchstücken zu kommunizieren.

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80 Som = 1€, ein Ribeye kostet also keine 4€

Verändert hat sich auch mein Schlafrhythmus, nach all den Gesprächen falle ich erst in Mitternacht ins Bett. Da hatte ich an manchen Abenden auf der Tour bereits 3 Stunden Schlaf intus, somit ist das Stadtleben doch wieder deutlich anders als die Einsamkeit im Zelt.

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[Tag 21] Gulcha – Osch

28. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 77 Kilometer und 840 Höhenmeter vom Campingspot hinter Gulcha bis Osch.

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

In der Nacht werde ich noch mal mit rumorendem Magen wach, ich tippe ja auf Spätfolgen vom Schaschlick gestern Mittag. Nun, ein verdorbener Magen ist zwar unangenehm, aber da ich ab heute Abend sowieso in einem Hostel eingebucht sein werde, sind sie verschmerzbar. Besser als auf der Pamir Hochebene.

Ich schaffe es jedoch bis 7 Uhr weiterzuschlafen, das anschließende Zusammenpacken ist dann ein wenig langsam und beschwerlich. Ich wollte mich auch nicht von diesem wunderschönen Campingplatz verabschieden.

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Ein etwas trockenes Frühstück. Das Nutella-Glas fahre ich seit Duschanbe spazieren, ich werde es wohl nie lernen…
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Wieder zurück auf die Straße.
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Ein sehnsüchtiger Blick zurück auf den Traum-Campingspot.

Ich habe das Fahrrad zurück zur Straße geschoben, schwinge mich drauf, schalte in den zweiten Gang und mach mich auf den Weg. Daran sollte sich die kommenden 3 Stunden auch nicht wirklich viel ändern. 700 Höhenmeter warten auf mich und mein schweres Rad, verteilt auf nur knappe 9km. Die Temperaturen sind zwar noch angenehm, doch in der Sonne steigen diese rapide an, schnell klettert das Thermometer von 17 auf 30°C. Auf der Straße ist schon deutlich mehr Verkehr unterwegs als die letzten Tage, zwischen Osch und Gulcha wird wohl viel gependelt.

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Nach 3 Kilometern fahre ich um eine Kurve und sehe dann den weiteren Weg vor mir. In Serpentinen schlängelt sich die Straße bis hoch zum Pass, ich habe noch einiges vor mir. Vor ein paar hundert Metern stand eine ganze Familie am Straßenrand neben ihrem Auto und wartete auf mich. Der Familienvater hatte bereits ein Seil in der Hand und bot an, dass er mich gerne zum Pass mit hoch schleppt. Ich freue mich sehr über das nette Angebot, entscheide mich jedoch dafür, mich der letzten Herausforderung der Radtour zu stellen und es mit Muskelkraft bis oben zu schaffen.

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Erster Blick auf die Passquerung, links muss ich hoch.
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Nahaufnahme vom Pass.

Stattdessen mache ich lieber zahlreiche kurze Pausen, vorallem dann wenn der Akku in Knie und Beinen leer ist. Einerseits ist es demotivierend auf die weitere Straße bis zum Pass blicken zu können, andererseits sieht man bei einem Blick zurück auch wirklich, was bisher geleistet wurde, das reicht als Motivator für den nächsten Kilometer. Ich passiere beim Aufstieg irgendwann erneut die 2000 Meter Grenze und kurble mich bei immer wärmeren Temperaturen dem Himmel entgegen.

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Blick zurück auf das bisher geleistete.
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Das Ziel zum Greifen nah!

Schließlich, nach drei Stunden kämpfen ist der Anstieg absolviert.

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Geschafft!
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Blick zurück.
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Und Blick voraus.

Am Pass ist ein Denkmal gebaut worden und da von dort oben der Ausblick fantastisch ist, zudem befindet sich dort auch ein Parkplatz. Hier quatsche ich erst mit einem britischen und einem amerikanischen Motorradfahrer. Der Brite ist für einen Tagesausflug unterwegs und ist in Osch im Hostel untergebracht, dass ich auch anvisiert habe. Er bietet daher an, mir Gepäck abzunehmen und für mich nach Osch zu transportieren. Doch nun, da ich den höchsten Punkt überschritten habe, ist das keinesfalls nötig. Im Gegenteil, das Gewicht wird nun helfen mich ins Tal zu befördern, da will ich nicht darauf verzichten.

Anschließend treffe ich noch zwei Züricher in einem Camper-Van, diese habe ich bereits vor Wochen nahe Khorogh getroffen. Mit denen rede ich eine knappe halbe Stunde, gemeinsam lassen wir die Erlebnisse des Pamirs revue passieren.

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Anschließend klettere ich noch zur Ausblicksplattform und genieße den 360° Panoramablick. Ich bin sicherlich anschließend auf dutzenden Fotos der angereisten Kirgisen und Kirgisinnen abgebildet, irgendwann beginne ich einfach zurück zu fotografieren 😉

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Noch einmal der Blick zurück
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Hier oben ist großes Sightseeing angesagt
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Nach dem anstrengenden Anstieg zittern meine Beine, ich eiere da oben ganz schön rum. Nun beginnt aber der spaßige Teil der heutigen Fahrradtour. Auf knappen 60 Kilometern habe ich nun 1400 glorreiche Höhenmeter abzubauen.

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Nun also Bergab, und zwar volles Karacho!
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Nun beginnt die Abfahrt.
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Verkehrsteilnehmer
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und Zuschauer

Zu Beginn kam ich noch an zahlreichen Verkaufsständen und Jurten vorbei, hier gab es auch die gestern erwähnten Käsekugeln in Hülle und Fülle zu kaufen. Auch Kumys, die fermentierte Milch in Schafshülle wird angeboten, die Aussicht darauf verhilft meinem Fahrrad zu 5km/h zusätzlich. Bloß weg davon! 😉 Der Beginn war auch relativ steil, wie immer in Pass-Nähe. Ich brettere mit 50km/h und mehr den Berg hinab. Der restliche Weg ist graduell flacher, trotzdem komme ich noch auf 25-30km/h, für mich nach den entbehrungsreichen Wochen ein unglaubliches Tempo!

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Auch hier, Kriegerdenkmäler
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Rosengarten, eine nahezu abstruse Erfahrung nach dem kargen Pamir
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Grün, bergab und guter Asphalt.

Unterwegs treffe ich noch zwei deutsche Motorradfahrer, die eigentlich in die Gegenrichtung unterwegs sind, jedoch spinnt bei einem Rad die Benzineinspritzung, sie müssen vermutlich nach Osch zurück. Wir begegnen uns dann auch tatsächlich am Tag darauf im Hostel in Osch wieder, sie warten auf ein Ersatzteil, dass aus Deutschland eingeflogen werden muss. Hier am Straßenrand kann ich ihnen wenigstens meine Benzinflasche vermachen, so schleppe ich nicht unnötigerweise 700ml Benzin mit mir rum. Und vor dem Rückflug hätte ich diesen ja eh verschenken müssen.

Bei der weiteren Abfahrt verändert sich die Landschaft weitreichend. Die meisten Felder sind abgeerntet, Gelb und vertrocknet dominiert über das fruchtbare Grün der letzten Tage. So spannend fürs Auge finde ich es nicht mehr, mir fehlen die grünen Hügel und die vielen Pappeln.

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Langsam verändert sich die Landschaft
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Ich war um kurz vor 13 Uhr am Pass losgefahren, doch die 60 Kilometer bis ins Stadtzentrum von Osch ziehen sich selbst bei 25km/h doch ganz schön in die Länge. Ich beschließe keine richtige Mittagspause mehr zu machen, es ist einfach zu heiß und ich will in der Stadt ankommen. So gibt es außer einer kurzen Schokoriegel-Pause keine wirklichen Stopps mehr.

Bei voller Fahrt fühlt es sich erneut so an, als würde ich geföhnt werden und die Erinnerungen an den unerträglich heißen Start meiner Radreise blitzen wieder auf. Es bleibt jedoch weitaus erträglicher, denn erstens sind es keine 42-43°C wie damals in Kulob, zudem habe ich nun Fahrtwind und fahre entspannt bergab, statt mich bergauf zu quälen.

Wobei, die Entspannung bricht sich noch ein wenig auf. Ich höre über einen Kilometer lang einen flatternden/summenden Ton am linken Ohr. Ich vermute ja, dass es einfach das Tuch ist, welches ich als Sonnenschutz unter dem Helm trage, und welches nun im Fahrtwind flattert. Doch irgendwann erscheint es mir logischer, dass doch eine Fliege sich irgendwie darunter verfangen hat. Ich klopfe ein paar Mal aufs T-Shirt und bemerke den Denkfehler erst, als sich bei 30km/h bergab ein brennender Schmerz wie Feuer auf meiner Schulter ausbreitet. Nun, es war weder das flatternde Tuch im Fahrtwind, noch eine Fliege. Sondern eine herzallerliebste Biene, die nun tot ist und mir zum Abschied noch einen Stachel hinterlassen hat.

Ich lege eine Vollbremsung ein und stehe dann am Seitenstreifen einer viel befahrenen Straße und reiße mir vor den entgeisterten Autofahrern das T-Shirt vom Leib. Die denken vermutlich ich bin absolut bekloppt, wie ich da fuchtelnd und fluchend auf und ab hüpfe. Viel tun kann ich gegen den Schmerz nicht, also geht es weiter.

Nach 10 Kilometern begegnet mir ein belgisches Pärchen, die mit Rädern in die Gegenrichtung unterwegs sind. Nach 2 Minuten netten Plausch frage ich dann das mir unbekannte ältere Paar, ob sie mal meinen Rücken anschauen können. Die halten mich vermutlich für ähnlich bekloppt wie die kirgisischen Autoinsassen, schaffen es aber immerhin mir den Stachel aus der Schulter zu ziehen. Hätte jetzt auf den letzten paar Kilometern dieser Tour auch nicht mehr sein müssen.

Es geht weiterhin bergab, man merkt aber wie vor Osch der Verkehr nun deutlich zunimmt, leicht geschockt fahre ich durch die Vororte. Es ist weiterhin heiß, die Abgase mischen sich mit dem Staub der Straße und plötzlich reihen sich die Orte so aneinander, dass man nur noch durch besiedeltes Gebiet fährt. Da hilft nur noch durchhalten, ich hatte bereits 65 Kilometer von geschätzten 75 Kilometer Tagespensum hinter mir, also Zähne zusammenbeißen und weiter geht’s. Ein paar Schluck Wasser habe ich noch übrig, mit geschätzten 45°C Temperatur in der Trinkflasche bleibt der abkühlende Effekt allerdings aus.

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Die ersten Blicke auf Osch

Es geht zwar zügigst voran, der Verkehr nimmt allerdings deutlich zu.

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Verkehr, Menschen, Verkaufsstände… die Eindrücke prasseln auf mich ein.
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Braucht irgendjemand eine chinesisch-gefertigte Billigjurtenkonstruktion?
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Fast da.
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Groß, aber nicht ganz so imposant wie der Flaggenmast in Duschanbe
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Nicht mehr weit, dann plötzlich….
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… bin ich an der letzten Station für diese Reise angekommen.

Die Einfahrt nach Osch war relativ unspektakulär, irgendwann stehe ich am Ortsschild, dahinter ein schöner Torbogen, schnell verschmelze ich aber mit der Blechlawine und der Hitze. Überall sind Taxis die wild umherkurven, keiner achtet mehr auf Ampeln und Verkehrsregeln. Ich fahre ziemlich defensiv, langsam und achte auf die Umgebung, fände es jetzt doch schade auf den letzten Kilometern überfahren zu werden. 😉

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Torbogen als Stadteintritt
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So große Gebäude habe ich seit Duschanbe nicht mehr gesehen.

Ich weiß bereits, dass ich zum TES Guesthouse will, dies ähnelt wohl dem Green House Hostel aus Duschanbe und wurde mir von zahlreichen Reisenden der letzten Tage empfohlen. Auf dem Weg dahin nehme ich noch einen Umweg in Kauf, um einen Bekannten zu treffen, den ich zuletzt in Murghab grüßen durfte:

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERADie größte bestehende Lenin Statue Zentralasiens.

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7-spurige Straße! Nimm das, Pamir-Buckelpiste!

Nach dem würdigen Empfang durch diesen Genossen ging es dann weiter zum Hostel. Dies war eine gigantische Anlage, viel Platz für Zelte, überdachte Carports für die Reisemotorräder und ein paar große Overland-Fahrzeuge. Das Hostel ist voll mit Fahrradreisenden und der motorisierten Abenteuer-Schar. Ich hatte die Wahl zwischen einem Zeltplatz für 6€ und einem Bett im klimatisierten Dorm für 9€. Bei der Hitze war kein Nachdenken notwendig, schnell bin ich mit meinen Taschen in die klimatisierten Räumlichkeiten verschwunden. Da ich hier nur zwei Nächte bleibe, ist der Preisunterschied von 6€ zum Ende der Tour keine Erwähnung wert. Zudem liege ich dann nicht nachts im heißen Zelt auf der heißen Isomatte und kann nicht schlafen.

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Zeit für die Dusche nach einem sehr heißen Tag!

Apropos Ende der Tour: Ich werde natürlich noch ein ausführlicheres Fazit mit meinen Eindrücken schreiben, wie ich jetzt aber im Dorm-Room liege, überkommt mich eine Welle der Gefühle. Die Radtour ist zu Ende. Alle Strapazen, alle unglaublichen Eindrücke, die fantastische Landschaft, all das fliegt am geistigen Auge vorbei. Ich glaube, es wird noch ein paar Tage brauchen, bis ich verarbeitet habe, dass ich nicht mehr täglich aufs Rad springen werde.

So genieße ich erstmal eine Dusche um mich vom Staub der Straße zu befreien. Anschließend geht es mit einem weiteren Deutschen aus meinem Dorm zum Abendessen ins Restaurant „Borsok“, ich hatte im Reiseführer gelesen, dass es dort Pizza gäbe. So blöd es auch ist, wenn man in ein paar Tagen wieder in die Heimat zurück fliegt und dort wieder reguläres Essen kriegt, ich hatte jetzt einfach unglaublich Lust auf eine Pizza und mir bekanntes Essen. Die Qualität hielt sich dann zwar leider im Rahmen, aber bei 3€ für die Pizza und 1,50€ für einen Liter Limonade werde ich mich nicht beschweren. Mein Tischpartner Wolfgang bestellt sich gar das Ribeye Steak für nahezu unbezahlbare 4€… Hier kann man also schön günstig schlemmen.

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Was ein Festessen!

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Suleiman-Too, der Hausberg Oschs wird die nächsten Tage eine Rolle spielen…
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Stadtbad
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Abends rede ich noch länger mit zwei Motorradfahrern, wobei einer davon die britische Bekanntschaft vom Pass heute Mittag ist, der angeboten hatte mein Gepäck zu transportieren. Er ist zusammen mit einer größeren Gruppe auf dem Weg von London nach (aufpassen jetzt:) Australien, wobei er gar bis Tasmanien weiterfährt, wo er derzeit wohnt. Bis Kirgistan haben sie von Europa aus nur 1,5 Monate gebraucht, über 11.000 Kilometer sind sie im letzten Monat gefahren. Diese Distanzangaben erscheinen mir, dessen Gehirn noch im Rad-Modus steckt, geradezu unmöglich und fantastisch. Auch im weiteren Gespräch kriege ich viele Infos, dabei hat der Motorradfahrer die klassischen Fragen sicherlich hunderte Male beantwortet im letzten Monat. Ich bin dafür sehr dankbar, eine kleine Flamme der Erkenntnis, ein kleines “Hmm, vielleicht könnte ich das ja auch mal machen”, lodert anschließend in mir. Ist zwar bisher nur ein Teelichtlein, doch mal schauen was da die Zukunft bringt. Er erzählt mir zumindest viel über seine gigantische BMW Reiseenduro und ich höre begeistert zu.

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Nun, es könnte sein, dass ich ganz schön begeistert bin…. 😉

Anschließend falle ich endlich ins Bett. Ich bin sicher, wäre meine Abenteuer noch eine Woche oder zwei länger, würde ich dieser Zeitspanne mit Freude entgegensehen. Doch ich muss gestehen, ich bin nicht sehr enttäuscht dass es nun zu Ende ist. Bei den jetzigen Temperaturen freue ich mich wieder zum Fußvolk zu gehören und nicht jeden Tag auf dem Rad strampeln zu müssen. Ich bin froh und auch stolz die für mich größte sportliche Herausforderung meines Lebens erfolgreich absolviert zu haben. Wie oft hatte ich in der ersten Woche davon fantasiert auf einen LKW aufzuspringen und mich bis Osch mitnehmen zu lassen. Und nun habe ich es doch aus (zumindest überwiegend 😉 ) eigener Muskelkraft allein bis hierhin geschafft. Mein Trip war 1069 Kilometer lang, außer der Rückfahrt von Berlin-Tegel aus werden da wohl keine größeren Strecken mehr dazu kommen. Ich habe gut mit meiner Zeit gehaushaltet, denn trotz Jeep-Fahrt durch den Wakhan und einigen kürzeren Tagen habe ich nun noch zwei volle Tage in Osch um die Stadt zu erkunden. Ich freu mich bereits drauf!

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Vorzeitiges Ergebnis der Tour
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Mein Tacho ermittelt auch den eingesparten Sprit, rechnet allerdings mit 7L/100km, was wohl im Pamir mit einem Jeep hinten und vorne nicht gereicht hätte. Da dürfte der Benzinverbrauch glatt das doppelte betragen. Brave Beine!

[Tag 20] Kichi-Karakul – Gulcha

27. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 67 Kilometer und 700 Höhenmeter von meinem Camp am Fluss bis hinter Gulcha.

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Ich komme in der Früh nicht aus dem Knick, selbst um 7 Uhr kann ich mich nicht losreißen und Frühstücken. Doch da ich für heute nicht ganz so viel vor habe, darf ich auch ein wenig trödeln. Bis Osh sind es noch 130 Kilometer, bis zur Stadt Gulcha 50 Kilometer. Hinter Gulcha kommt noch ein ziemlich heftiger Pass, den ich keinesfalls heute fahren werde, also will ich irgendwo in der Nähe von Gulcha einen Zeltplatz finden, von dem ich mich dann morgen an den Aufstieg zum letzten (!!!) Pass machen kann. Da es anschließend 1500 Höhenmeter nach Osh auf 60 Kilometer Wegstrecke runtergeht, sollte das übermorgen dann auch zu schaffen sein, ich kann es heute also ein bisschen ruhiger angehen lassen.

Die Nacht wird wieder kälter, dafür scheint in der Früh die Sonne aufs Zelt und es wird angenehm warm. Ich schlafe so gut, dass ich mehrmals meinen Wecker nach hinten verschiebe, ganz anders als mein verrückter Schlafrhythmus im Pamir. Jetzt gibt es erstmal das letzte Müsli zum Frühstück, damit ist auch die zweite Müslipackung aufgebraucht, die ich damals in Duschanbe gekauft habe. Weit gereistes Müsli (und ich hätte es mir sparen können, 400gr über jeden Bergpass zu schleppen…).

Beim Zusammenpacken fällt mir auf, dass im morgendlichen Sonnenlicht die Berge nun überhaupt nicht mehr Rot aussehen, bei Gegenlicht glänzen sie eher Orange.

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Ich schwinge mich wieder aufs Rad und komme nach 5 Kilometern an einem Magasin vorbei, die draußen ein großes Werbeschild von beeline, meinem SIM-Kartenanbieter, hängen haben. Aufladen können sie mir die SIM-Karte jedoch trotzdem nicht. So gibt es nur einen Eistee für den Tagesstart.

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Das ist mal ne Webadresse.

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Im nächsten Ort wiederholt sich das Spiel, schließlich frage ich am Ortsausgang in der Tankstelle nach. Ein uralter Mann, mit dem ich nicht im geringsten kommunizieren kann, zückt sein Handy, ruft irgendeine Hotline an, und nach zwei Minuten kriege ich die Bestätigung-SMS aufs Telefon, dass das Aufladen geklappt hat. Zwar funktioniert aus irgendeinem Grund die Datenübertragung immer noch nicht, aber hey, wenigstens ist das Geld nun auf dem Telefon. Verrückt dass der Tankstellenbesitzer das hinkriegt, all die spezialisierten Shops davor aber nicht, ich vermute da fehlte es am Willen.

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Während ich noch an der Tankstelle warte, kommen Markus und sein Sohn Adrian aus der Gegenrichtung angeradelt. Sie sind gestern in Osch gestartet und haben etwa einen Kilometer vor der Tankstelle ihr Zelt aufgeschlagen. Somit sind sie recht frisch auf ihrer Radtour unterwegs und wissbegierig schnappen sie alle Pamir-Infos auf. Ich nehme mir noch zwei Tage für den Weg nach Osch, bin also fasziniert dass sie es in einem Tag geschafft haben. Sie erzählen aber von fantastischem Rückenwind, sie hätten 1500 Höhenmeter mit 15km/h dadurch hingekriegt. Nun, das erklärt ihre absolvierte Strecke. Ich fahre wohl den Rest der Tour gegen den Wind, kann also nicht auf die Unterstützung zählen. Auch erzählen sie von ihren ersten kirgisischen kulinarischen Erkenntnissen. Neben Käsebällchen, die überall am Straßenrand verkauft werden und wohl recht streng schmecken, gibt es den Hinweis auf Kumys. Dazu wird Stutenmilch in eine auf “links gedrehte” Schafshaut eingefüllt und in der Sonne zum fermentieren gelassen, bis es sauer und Alkoholhaltig ist. Nun, ich kotze fast an der Tankstelle, nur durch die Erzählung davon. Wenigstens weiß ich jetzt, was ich keinesfalls probieren muss in diesem Urlaub.

Zu guter Letzt kaufen sie mir noch meine übrig gebliebenen tadschikischen Somoni ab. Ich kriege noch 70€ dafür, was wohl ein weit besserer Kurs ist, als wenn ich in Osch versucht hätte zum Geldumtauschen zu gehen. Und in Berlin hätte ich es sicher nicht mehr gewechselt gekriegt. Mit Markus gibt es einen 1:7,7 Wechselkurs, gestern in Sary-Tash bot mir die Besitzerin des Hostels 1:6 an, gut dass ich es mir also aufgespart habe. Wir quatschen eine halbe Stunde, dann gehen wir getrennte Wege.

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Friedhof

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Gut bewässert sind sie, die Pappeln.

Im nächsten Ort frage ich im Shop noch mal nach, ob mir wer mit den mobilen Daten helfen kann. Doch selbst als ich die Anwendersprache des Telefons auf Russisch umstelle kriegen wir das gemeinsam mit den Daten nicht hin. Dafür schenkt mir der Shop-Besitzer netterweise eine Süßigkeit und ich stocke dort noch ein paar Sachen auf. Interessanterweise sind die Lebensmittel in Kirgistan noch günstiger als in Tadschikistan, was ich kaum nachvollziehbar finde. So kostet die Packung Kekse, die in Tadschikistan 1,50€ kostete hier nur noch 50 Cent.

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Keine Datenverbindung, aber was zu naschen.

Anschließend geht es fast nur bergab bis zur größeren Stadt Gulcha. Wenn mal bergauf, dann nur für 50-60 Höhenmeter und gleich danach flitze ich wieder bergab. So fahre ich die meiste Zeit 18-25km/h. Auch in Kirgistan erwarten mich allerlei winkende Kinder am Straßenrand, die begeistert abklatschen wollen. Nur ein Kind verarscht mich heute, zieht in letzter Sekunde die Hand zurück und hält stattdessen einen Stock hin, weshalb ich die nächste Minute fluchend weiterfahre und meine Hand ausschüttele. Auch bin ich heute auf eine Gruppe Kinder getroffen, die weder winken noch abklatschen, sondern unter lautem Gejohle lieber versucht haben mich mit Steinen zu bewerfen. Ich bin jedoch zu schnell und zu weit weg als das sie getroffen hätten, und ich fokussiere mich lieber auf die mehreren hundert fröhlichen Kinder, die ich bisher auf dieser Reise getroffen habe.

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Während der Fahrt versuche ich ein Video von der Landschaft aufzunehmen, nur um just in dem Moment von zwei Hunden attackiert zu werden, die aus einer Seitenstraße geschossen kommen. Zum Glück geht es bergab und ich kann schnell beschleunigen und davon fahren, ansonsten wäre dies bei den aggressiven Hunden wohl nicht so glimpflich ausgegangen, denn diese hingen mir quasi am Hinterrad.

Die Landschaft zieht mich heute vollends in ihren Bann. Es ist einfach so GRÜN! Fantastische Felsformationen erblickt man überall, auch jeder Blick in die Nebentäler zeigt nur noch mehr Wiesen und Berge. Zahlreiche Tiere laufen hier frei umher und ich weiche öfters trägen Kühen aus, die mitten auf der Fahrbahn Stellung bezogen haben.

Der Bach, dem ich gestern seit dem Taldyk-Pass folge, und an dessen Ufern ich die Nacht gezeltet habe, ist nun zu einem breiteren Fluss angeschwollen und fließt mal stärker, mal schwächer neben mir ins Tal.

Ursprünglich hatte ich geplant einen Zeltplatz 3 Kilometer vor Gulcha anzusteuern und dort zu bleiben. Doch ich habe Lust die Stadt zu sehen und dort ein paar Einkäufe zu tätigen. Und anschließend wieder 3 Kilometer zurück zu fahren zu einem Zeltplatz, nur um morgen erneut nach Gulcha rein zu fahren? Erscheint mir widersinnig, so werde ich mir heute Nachmittag Gulcha anschauen und anschließend noch ein paar Kilometer danach in die richtige Richtung hinter mich bringen, damit ich morgen außer einem hohen Pass keine Anstrengungen mehr habe.

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Ausblicksplattform

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Gulcha

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Am Ortseingang kommt man an einer Sehenswürdigkeit vorbei, von derer aus man die ganze Stadt überblicken kann. Anschließend geht es auf kleineren Nebensträßchen in die Stadt. Die Häuser sehen hier immer noch aus wie Bauernhäuser und auch die Straßen sind nicht geteert. Ich umkurve und fahre mitten durch Schafsherden, die auf dem Weg stehen. Und das sind jetzt keine ländlichen Vororte von Gulcha, das IST Gulcha, zumindest wenn man von den Hauptstraßen weg kommt.

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Ich hatte in Google Maps gesehen, dass beeline, mein SIM-Provider einen Laden in Gulcha hat, die werden mir ja hoffentlich helfen können mit meinem Daten-Problem. Der Laden ist jedoch leider nicht dort, wo er bei Maps eingezeichnet ist. Eine kurze Nachfrage bei jemanden am Straßenrand, schon springt der Mann zu seiner Familie ins Auto und fährt die ganze Strecke zum Laden vor, ich hinterher. Sehr hilfreich und freundlich und deutlich erfolgsversprechender als wenn er mir jetzt auf Russisch den Weg erklärt hätte. 😉

Der Beeline-Shop ist leider geschlossen, doch scheinbar nur zur Mittagszeit. Bereits nach 15 Minuten kommt ein Angestellter wieder angehastet. Ich habe das Telefon erneut auf Russisch umgestellt, der Mann drückt 10 Mal in irgendwelchen Sub-Menüs rum und schon habe ich Datenempfang auf dem Handy. Keine Ahnung wie, aber jetzt klappt es 🙂 Nun wäre vielleicht der richtige Zeitpunkt um zur Kostenauflösung dieser SIM-Karte zu kommen. ich habe nun dank der Aufladung für die nächsten 7 Tage täglich (!!!) 8GB Daten zur Verfügung, dabei habe ich für die Karte selber 30 Som gezahlt, für die Daten 100 Som. Das sind alles in allem zirka 1,50€! Und zudem gibt es hier Datenempfang etwa an jeder Milchkanne, zumeist mit 3G, manchmal auch mit 4G. In den Städten sowieso nur einwandfreies 4G. Da kann sich Deutschland nur verwundert die Augen reiben, wo nach einem Jahrzehnt immer noch keine flächendeckende Datenmobilität gegeben ist und wir für 3GB im Monat über 10€ zahlen.

Ich verbringe dann noch einige Zeit in dem Mobilfunkladen, denn inzwischen ist es draußen wirklich kochend heiß (ich merke, dass ich nicht mehr auf über 3000 Meter unterwegs bin) und der Laden hat eine wunderbare Klimaanlage.

In Gulcha begegnet mir die erste Ampel seit ich in Khorogh los bin. Der komplette Pamir war ohne eine einzige Rotphase zu überqueren.

Anschließend grase ich die Einkaufsstraße noch ab, wo hunderte kleine Lädchen sich aneinander reihen. Endlich gibt es hier wieder Obst in allen Variationen, ich zahle 60ct für ein Kilo Nektarinen und dasselbe für die gleiche Menge Aprikosen. Auch sichere ich mir genug Wasservorräte, damit ich heute Nachmittag früh zelten kann und mir keine Gedanken über Wasser machen muss. Gestern hatte ich zu wenig dabei, dabei verlangt jede Faser meines Körpers nach dem Radfahren nach Wasser, da macht es keinen Spaß sich limitieren zu müssen. So habe ich nun gleich einen 5 Liter Kanister besorgt, der hinten aufs Rad kommt.

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Maximale Beladung

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Es gibt ein kleines Restaurant und davor brutzeln Schaschlik-Spieße so verführerisch auf dem Holzkohle-Grill, da kann ich mich nicht zurückhalten. Und während der jugendliche Sohn keine Schwierigkeiten hat mir alles auf Englisch zu erklären und meine Bestellung aufzunehmen, scheint die Tochter Mitte 20 völlig überfordert zu sein. Vor Nervosität kann sie sich scheinbar an ihr Schul-Englisch überhaupt nicht mehr erinnern.

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2,50€ für ein Mittagessen

Ich höre hinter mir viel Geflüster, als das Essen endlich auf dem Tisch steht, die Tochter fragt noch 3 Mal nach wie man das jetzt richtig sagt, dann läuft sie schnell an mir vorbei, wirft mir ein “Bon Appetit” entgegen und zieht sich wieder kichernd und leicht errötet zu ihren Freundinnen zurück. Und ich mach mich lachend daran mein Essen zu mir zu nehmen.

Schaschlik mit Brot und eine Kanne Tee kostet mich knappe 2,50€ und danach bringe ich keinen Bissen mehr herunter. Die Preise hier sind für mein Verständnis immer noch unverständlich niedrig. Der Lebensstandard in Kirgistan ist um Welten höher als in Tadschikistan, trotzdem bleiben Lebensmittel unglaublich günstig.

Habe ich schon die Tochter vollkommen aus dem Konzept gebracht erschrecke ich nun noch die Mütter, als mich der Sohn durch die Küche begleitet um mir die Toilette zu zeigen. Die Mütter in der Küche kriegen sich gar nicht mehr ein, kreischen und kichern und verstecken ihre Gesichter spaßeshalber vor mir, während der Sohn und ich uns ganz schön beömmeln. Das Klo ist dann ein sehr dreckiges Plumpsklo im Hinterhof, die Erinnerung daran verdränge ich lieber schnell.

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Aber euch verschone ich nicht damit, wundervollste Restauranttoiletten 😉

Auch gehe ich in Gulcha zum Geldautomat, um mir die ersten kirgisischen Som abzuholen, bisher habe ich meine bisherigen Ausgaben mit tadschikischen Somoni noch beglichen. Bei einem Wechselkurs Euro – Som von 1:80 komm ich mir ganz schön reich vor, auch wenn ich unter 40€ abhebe.

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Ich schwinge mich nach der Mittagspause wieder aufs Rad. Um aus der Stadt raus zu kommen habe ich eine Brücke entdeckt, die mich schnell zurück auf die Hauptstraße bringt. Nun, erst als ich davor stehe erkenne ich meinen Fehler. Eindeutig eine Fußgängerbrücke, hier schiebe ich ganz sicher nicht mein Rad drüber.

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Die Fußgängerbrücke

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Nichts für mein schwer beladenes Fahrrad

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Die Polizisten hängen hier den ganzen Tag nur rum.

Als ich Gulcha hinter mich gelassen habe, suche ich aktiv einen Platz für mein Zelt. Ich habe morgen einen hohen Pass vor mir, der wohl viel Kraft kosten wird, danach geht es aber immer nur bergab bis Osch, das wird also schätzungsweise gut zu schaffen sein. So habe ich beim Mittagessen geplant heute nur 50 Höhenmeter noch zu fahren und dann das Zelt aufzuschlagen.

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Doch die nächsten 2, 3, 5 Kilometer kommt kein Platz der mir gefällt. Es wird die letzte Nacht im Zelt, da liegen die Ansprüche doch ein wenig höher. Ich komme durch einen Ort, der am Ortsschild als “Ressort” ausgeschildert ist, leider bedeutet dies wohl nur, dass die laute Technomusik hinzunehmen ist, die durch den Ort schallt. Also weiter. Neben der Straße begleitet mich wieder ein Fluss und es wäre toll einen Platz zu finden, der nah am Wasser ist, ich will bei den heißen Temperaturen doch noch mal die Füße in den Fluss halten.

Es ist heiß, das Rad ist nach dem Wassereinkauf schwer beladen und ich schwitze mir ordentlich einen Ab. Doch dann, nach neun Kilometer Wegstrecke und 180 Höhenmeter, nachdem ich fast alle Hoffnungen auf einen schönen Platz aufgegeben habe, finde ich die perfekte Wiese. Abseits der Straße nach einer kurzen Fahrt auf einem Schotterweg, versehen mit weichem, grünen Gras und schattenspendenden Bäumen liegt hier eine ideale Zeltwiese direkt am Fluss. Samt allerlei Gumpen um Getränke zu kühlen und dutzenden großen Steinen, damit man am Ufer sitzen kann und die Beine ins Wasser halten kann.

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Angekommen am Traum-Campingplatz

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Kühlschrank…

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… und Badewanne in Einem.

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Hier lässt es sich aushalten.

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Es ist auch erst 16 Uhr, ich habe also eine Menge Zeit bevor es dunkel wird. Am Nachmittag kommen mich noch ein paar Kühe besuchen, sofern diese aber heute Nacht nicht über mein Zelt trampeln kann ich damit gut leben. Witzigerweise sind hier überall Aprikosenbäume, ich hätte also nicht das Kilo Aprikosen vorher in Gulcha kaufen sollen. Nun, bei bereits erwähnten Preisen lässt sich das alles verschmerzen.

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Abends gehe ich noch schwimmen im Fluss, das funktioniert trotz Strömung einigermaßen, sofern ich mich hinsetze und die Füße gegen Felsen stemme. So bin ich frisch gewaschen, meine Klamotten sind einigermaßen sauber und ich verbringe die Zeit mit Lesen, Filme schauen und kann hier auch ein wenig Surfen, dank funktionierender SIM-Karte 😉

Zum Abendessen gibt es dann auch was Besonderes: Seit Deutschland schleppe ich nun 2 Packungen Kartoffelbrei und eine Packung Kartoffelknödel mit mir rum. Diese waren ursprünglich dazu gedacht, Trost zu spenden wenn ich mir vollkommen den Magen verdorben habe oder keine Lust mehr auf einheimisches Essen habe. Doch der Fall ist so nicht eingetreten, weshalb ich in Gulcha kein neues Abendessen gekauft habe, sondern stattdessen mir Knödel zubereiten werde.

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Weit gereist.

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Knödel müssen ja relativ lange im kochenden Wasser verbringen, leider spinnt heute mein Kocher ganz schön. Der zweite Benzin-Einsatz verläuft nicht so versprechend wie ich es gerne hätte, der Kocher lodert, produziert aber nur eine einzelne, stehende Flamme, die nicht reicht um den Topf zu erwärmen. Ich versuche mehrmals das Ventil und andere Teile am Kocher zu säubern, kriege es aber nicht hin. Zum Glück habe ich heute früh nicht die Gas-Kartusche in Gulcha entsorgt, so nutze ich die letzten Reste der Kartusche, um die Knödel fertig zuzubereiten. Ich werde in Deutschland den Kocher im Benzin-Einsatz auf alle Fälle noch mal testen müssen. Ich bin einfach froh diese Probleme nicht mitten im Pamir gehabt zu haben, am Ende der Reise ist dies ja einigermaßen erträglich und vorallem folgenlos. Die Knödel sind dafür unendlich lecker. Verbunden mit einem Eistee ist es ein Wohlfühlessen, welches auch schon allein dadurch besser wurde, dass ich mich seit einer Woche darauf freue.

 

 

Ich bin heute seit Gulcha bereits 180 Höhenmeter geklettert, morgen geht es direkt vom Zeltplatz weg erstmal von 1730 Meter auf 2400 Höhenmeter, ich habe also noch mal knappe 700 Höhenmeter vor mir. Das wird anstrengend, aber so komme ich wenigstens noch mal auf über 2000 Meter Höhe. Osch hingegen liegt auf unter 1000 Meter, d.h. ich hab nach der Passquerung eine knapp 65km lange Abfahrt, bei der ich über 1400 Höhenmeter abbauen darf. Die letzten Tage habe ich überlegt, ob ich wieder einen Laster anhalte und mich nach oben mitnehmen lasse, inzwischen bin ich aber überzeugt es aus Muskelkraft bis nach oben zu schaffen. Das dauert sicherlich 2-3 Stunden, aber dann genieße ich die letzten Stunden meiner Radreise und die Abfahrt nach Osch.

Generell ist es hier wieder deutlich heißer. Nicht so warm wie zu Beginn meiner Tour in Kulob, dennoch warm genug, dass ich nur in Unterwäsche auf der Isomatte liege und der Schlafsack unausgepackt in der Tasche verbleibt. Ich bin mir sicher, in Osch werde ich wieder zerfließen…

Ich freue mich nun über eine Nacht am perfekten Zeltplatz und bin sehr dankbar, diesen für die letzte Übernachtung gefunden zu haben.

 

[Tag 19] Sary-Tash – Kichi-Karakol

26. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 52 Kilometer und 770 Höhenmeter von Sary-Tash ins Tal hinein, am Gulcha-Fluss entlang..

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Habe gut geschlafen, auch wenn es ziemlich kalt wurde. Nun, dass dürfte das letzte Mal sein, dass es nachts frostig wird, denn dies ist auch das letzte Mal, dass ich bei über 3000m Höhe mein Camp aufschlage.

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Das Frühstück ist simpel aber lecker, erstmalig seit Tourbeginn gibt es Käse zum Frühstück, welch vergessene Leckerei. Während ich anschließend mein Zeug fertig packe, macht sich auch die deutsche Mountainbike-Gruppe an das Verpacken ihrer vielen Fahrräder und den Tonnen an Equipment. Denn sie fahren heute noch weiter zum Basecamp des Pik Lenin für den Tag, bevor es am Folgetag in die Großstadt zurückgeht. Auch die 3 deutschen Kletterer zieht es heute in die Berge, sie haben einen 5000er auserkoren auf den sie raus wollen. (Per Whatsapp erfahre ich Tage später, dass sie es heil zum Gipfel und wieder zurück geschafft haben.)

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Ich bin noch mal zum kleinen Supermarkt, um dort mir eine kirgisische Sim-Karte zu kaufen. Diese kostet 20 Som, was etwa 30 Cent entspricht. Jedoch erfahre ich zurück am Hostel, dass ich noch mal Geld für den Datentarif draufladen muss. Also belade ich nun das Fahrrad endgültig und fahre auf meinem Weg durch den Ort wieder am kleinen Magasin vorbei. Doch der Zehnjährige von gestern gibt nun an, man könne hier kein Geld auf die Karte laden, so ziehe ich unverrichtete Dinge weiter. Vor dem Supermarkt treffe ich noch den britischen Radreisenden Robin, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Gestartet ist er in Peking und verglichen mit meinem vollbeladenen Fahrrad hat seins eher eine Essstörung. Zwei Hinterradtaschen und eine kleine Lenkertasche, mehr hat er nicht dabei. Und trotzdem bejaht er auf meine Nachfragen hin, dass er Kocher, Zelt, Schlafsack und auch sonst alles dabei hat. Ich bin fasziniert. Er erzählt mir von seiner Zeit in Kirgistan und der Mongolei, ich informiere ihn über die Strecke durch den Pamir. Er hat für heute ganz schön was vor, will er doch bis hoch zum Plateau kommen. Robin schenkt mir noch seine kirgisische SIM-Karte, die angeblich noch Geld fürs Datenvolumen drauf hat, doch trotz einigen Versuchen kriegen wir es nicht zum Laufen. Da hilft es nicht, dass alle Support-SMS in kyrillischer Schrift erscheinen. Nun, dies ist ein Problem für einen anderen Moment, ich mache mich an die Weiterfahrt.

Den Morgen habe ich so wirklich vertrödelt, erst um 12 Uhr mittags trete ich vor dem Magasin wieder in die Pedale. Wenigstens ist es hier nicht so heiß, zudem ist heute eine schattenspendende Bewölkung am Himmel.

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Der Plan gleich zu Beginn: Hoch zum Pass (links der Mitte)

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Hier noch mal gezoomed.

Die Landschaft hinter Sary-Tash erinnert mich sofort an die (Vor-)Alpen. Grün und mit Kühen, es fehlt nur noch eine Almhütte und Heidi. Der Weg steigt auch gleich an, von 3100m (Sary-Tash) geht es auf 3550m zum „40 Let Kyrgystan“-Pass.

Doch der Anstieg geht erstaunlich gut, mit motivierender Musik im Ohr kurbele ich mich im zweiten Gang der Anhöhe entgegen. Es hilft, dass ich weder mit Gegenwind noch Wellblech-Schotterpiste zu kämpfen habe, sondern es auf feinstem Asphalt dahin geht. Übrigens habe ich gestern mit Erreichen der Weide-Hochebene die Schotterstraßen hinter mich gelassen, in Kirgistan erwartet mich nun nur noch Asphalt.

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Dolomiten?

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Blick zurück, rechts hinter der Kurve liegt Sary-Tash

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Das Ziel im Blick

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Oben!

Oben am Pass genieße ich den Blick zurück, immer ein schönes Erfolgserlebnis, wenn man erkennt was man geleistet hat in der letzten Stunde oder zwei.

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Blick zurück

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Im Tal sieht man noch den Start der Straße

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Ausblick auf die weitere Strecke

Anschließend kam eine richtig geile Abfahrt. Auf dem neuen Teer kann ich das Rad laufen lassen und so flitze ich mit 50 km/h bergab. Was ich allerdings nicht wusste: Nach 2 Kilometern geht es wieder steil bergan, der erste Pass war nämlich nur die halbe Miete. Wenigstens erblicke ich nun bei der Kletterpassage einzelne Jurten, die jeweils am Zugang zu verschiedenen Tälern stehen, zumeist mit Ziegenherde in der Nähe. Die Behausungen sehen sehr ärmlich aus, ich bin mir sicher das ist ein anstrengendes Leben hier oben in den Bergen.

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Jurtencamps in den Seitentälern

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Der zweite Aufstieg

Ich kämpfe mich weitere 200 Höhenmeter zum Gipfel, dann habe ich aber auch den Taldyk-Pass absolviert. Was jetzt folgte war ein überwältigender Blick auf 3615m.

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Oben!

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Der Pass oben scheint nicht sonderlich spektakulär, aber dann kommt man zur Kante und erblickt dies:

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Ich kann mein Glück kaum fassen.

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Über die Kante blickte man ins 600m tiefer gelegene Tal, und dazwischen warten feinste Serpentinen auf mich. Ich werde noch von einer kirgisischen Familie am Pass angesprochen, die zwar kein Wort Englisch sprechen, trotzdem kommen ein paar lustige Fotos zu Stande.

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Doch dann kann ich das Rad endlich laufen lassen.

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Die Serpentinen von Unten gesehen.

In manchen Kurven hörte zwar der Asphalt auf, oder wurde ziemlich brüchig, trotzdem machte die Abfahrt ungeheuren Spaß. Dabei muss die Konzentration der Straße gelten, aber ich genieße es immer wieder mal auf 20 km/h abzubremsen, nur um danach wieder aus der Kurve heraus auf 50km/h zu beschleunigen. So hätten die Abfahrten im Pamir-Gebirge sein sollen, dort war man immer beschäftigt auf buckliger Straße nicht zu schnell zu werden, da ansonsten sich das Rad in seine Einzelteile zerrüttelt hätte. Viel zu schnell ist der Spaß bei dieser Abfahrt zu Ende, dabei mache ich nach 400 Höhenmetern bereits eine Fahrpause um meine Bremsen und Felgen abkühlen zu lassen, diese sind nämlich empfindlich heiß geworden. Die Hand kann man nicht mehr dran halten, so schätze ich das Metall auf über 80°C.

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Es geht weiterhin Bergab.

Der weitere Weg verläuft in einem engen Tal, wo auf der einen Hangseite allerlei kleine Jurten-Ansiedlungen auf Grasflächen stehen, zudem fließt ein Bach neben der Straße ins Tal. Das bereits beschriebene Alpenfeeling wird durch den roten und orangenen Sandstein ergänzt, ebenso grüne, eisenhaltige Berge. Wie gestern schon beschrieben ist dies nach den Wochen im Pamir ein unglaublich farbenfroher Lichtblick. Ich liebe die karge Umwelt der Hochebene, freue mich aber jetzt über die zahlreichen Farbkleckse. Bäume und wunderschöne Blumen ergänzen die Berge in allerlei Farben.

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Leben an der Hauptstraße

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Malerische Seitentäler

Das es nun bergab geht kommt mir zugute, denn in der Zwischenzeit hat ein richtig starker Wind eingesetzt, der mich in Pausen fast vom Rad weht. So komme ich teilweise selbst Bergab nur auf 18km/h, obwohl ich in die Pedale trete. Ich komme durch mehrere kleine Dörfer, ich versuche ohne Erfolg in mehreren Läden Geld auf meine SIM-Karte einzuzahlen.

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Der letzte Anstieg des Tages (Blick zurück)

Zum Tagesabschluss geht es noch mal 50-80 Höhenmeter hoch, dabei kämpfe ich immer noch gegen die Böen an. So entschließe ich mich relativ kurz danach mein Lager aufzuschlagen, diesmal auf einem Zugang zum Fluss direkt neben der Straße. Eigentlich wollte ich heute nur einen kurzen Tag auf dem Rad machen, doch als ich nach 30 Kilometern beide Pässe überquert hatte, lies ich es dann noch 20 Kilometer laufen.

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So habe ich nun den Zeltplatz direkt an der Klippe zur Straße hin, bin also von der Straße aus nicht sichtbar. Zudem funktioniert ein Geröllhaufen als effizienter Windschutz. Nur Erde gibt’s hier nicht, ich muss zahlreiche Steine nutzen, um das Zelt und die Heringe zu fixieren. Abends flaut der Wind jedoch bald ab und wird in der Nacht durch Windstille ersetzt, das hilft natürlich meiner prekären Zeltbefestigung.

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Ich sitze anschließend lesend am Fluss und halte die Füße ins Wasser. Nebenbei experimentiere ich weiterhin mit meiner SIM-Karte, außer dem Empfang zahlreicher russischsprachiger SMS kann ich jedoch keinen Erfolg verbuchen. Abends gibt es noch eine kurze Katzenwäsche am Fluss, bevor ich mich ans Abendessen mache.

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Entspannung am Fluss

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Tolle Gesteinsfarben

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Hier beschließe ich erstmalig die Benzinflasche an meinen Kocher anzuschließen. Dieser ist ein sogenannter Multifuel-Kocher und kann neben Gas auch allerlei andere Flüssigbrennstoffe nutzen. Ich kann also mit Autobenzin, Diesel oder gar Kerosin kochen. Da ich nicht wusste ob ich in Tadschikistan an Gas komme, wollte ich auf der sicheren Seite sein um im Notfall Benzin kaufen können. Da ich (seit Murghab vor 5 Tagen!) immer noch einen Liter ungeöffnetes Benzin mit mir rumschleppe, beschließe ich nun ein wenig Gewicht abzubauen.

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Was macht das Werkzeug da?

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Tja, so macht man das ohne Lasche zum Öffnen!

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Heute Abend funktioniert der Kocher mit Benzin gut, es gibt ein Linsengericht mit Erbsenkonserve. Diese ist seit einem Jahr abgelaufen, das Essen schmeckt trotzdem. Zudem hat der Kocher hier auf der Höhe wieder ordentlich Power, das Kochen auf über 3500 Metern im Pamir war ja eher anstrengend und mit langen Kochzeiten verbunden.

Ich bin hier nämlich auf 2700 Metern angekommen und habe somit auch endgültig die 3000er Höhen hinter mir gelassen. Spannend finde ich, dass ich die Höheneffekte am stärksten beim Kochen gemerkt habe. Im Vorhinein der Reise ging es viel um Höhenakklimatisierung, auch mit einer Ärztin habe ich darüber im Detail gesprochen. Rückblickend hatte ich wirklich sehr wenige Probleme mit der Höhe, die kribbelnden Beine hoch zum Pamir waren wohl das Schlimmste. Aber keine tagelang anhaltenden Kopfschmerzen oder andere Horrorstories, die ich davor erzählt bekommen habe oder in Blogs lesen konnte. Es bewahrheitet sich, dass die langsame Akklimatisierung mit dem Fahrrad hilft, mehr als 600 Höhenmeter am Tag habe ich fast nie geschafft, da kann sich der Körper langsam an die Höhe gewöhnen.

[Tag 18] Tadschikische Grenze – Sary-Tash

25. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 50 Kilometer und “nur” 340 Höhenmeter zur tadschikischen Grenze, dann zur kirgisischen Grenze und nach Sary-Tash.

 

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Diese Ausblicke beim Frühstück werden mir fehlen… Also, jetzt nicht die Füße, die sind immer noch befestigt 😉

Das war jetzt die dritte Nacht in Folge, wo es empfindlich kühl wurde im Schlafsack. Ich habe zum Glück meinen dicken Daunen-Schlafsack dabei, von daher friere ich nie, aber was Dünneres möchte ich nicht dabei haben. Dafür heizt sich das Zelt in der Früh bei Windstille und Sonnenschein in Windeseile wieder auf.

Nach den üblichen Startvorbereitungen am Morgen steht als erste sportliche Leistung des Tages gleich der Pass zur tadschikischen Grenze auf der Agenda. Und während ich mich da hoch quäle kann ich nur dankbar sein, dies gestern Abend nicht mehr bei starkem Gegenwind versucht zu haben. Auch bei kühleren Temperaturen heute Morgen und Windstille ist es eine echte Plackerei, auch weil der Schotter/Sandbelag wirklich nicht zu einer entspannten Fahrt beiträgt. Und doch bin ich positiv eingestellt. Wenn ich es erstmal zur tadschikischen Grenze oben am Pass geschafft habe, sind im weiteren Tagesverlauf nur noch 80 Höhenmeter bergauf zu absolvieren. Sary-Tash, wo ich heute Nacht übernachten will, liegt gar ganze 1200 Höhenmeter UNTERHALB des Pamir Hochplateaus. Ich hoffe also auf eine entspannte Abfahrt.

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Der weitere Weg geht bergauf zum Pass…

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Sitzt plötzlich abseits der Straße und lässt sich in Seelenruhe fotografieren.

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Blick zurück, meine Übernachtung lag ein wenig links hinter der Biegung.

 

Auf dem Weg hoch werde ich von den ersten zwei Autos des Tages überholt. Generell sehe ich heute nur 19 Autos, das wird sich die kommenden Tage in Kirgistan radikal verändern. Oben am Pass geht es um die Kurve und dann steh ich da, die tadschikischen Grenzanlagen direkt vor mir. Dies ist der zweithöchste Grenzübergang der Welt, bei 4282m. Im Vorausgang der Reise hatte ich viel über den Grenzübertritt gelesen, da waren teilweise auch Horrorstories dabei. Doch in den letzten Jahren scheint sich das Training der dort oben stationierten Soldaten verbessert zu haben. Es gibt wenige Korruptionsvorwürfe und auch sonst scheinen sie mit Tourist*innen relativ glimpflich umzugehen. Dies trifft vorallem auf Radreisende zu, inwiefern Schmiergeld gezahlt werden muss, wenn man in einem Jeep unterwegs ist weiß ich nicht.

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Ankunft an der Grenze, mehr gibt es dank Fotoverbot nicht zu zeigen.

Am ersten Gebäude wird mein Visum kontrolliert und in ein Buch eingetragen. Anschließend darf ich die erste Sperre durchqueren und fahre 200 Meter weiter zum nächsten Gebäudekomplex. Dort findet erst die gesamte “Ausbuchung” statt, das Visum wird de-validiert und einbehalten. Wieder wird alles in große Bücher händisch eingetragen, einen Computer sucht man hier oben vergeblich. Die Wartezeit hält sich in (ha,ha!) Grenzen, da vor mir noch zwei junge Franzosen im Mietwagen unterwegs sind, habe ich wenigstens Gesprächspartner.

Vor der Ausbuchung halte ich vor dem falschen Gebäude und frage den davor stehenden Beamten, ob ich hier den Exit-Stempel bekomme. Die Antwort bringt dann kurz den Puls in Wallung: “No, I work for the Anti-Narcotics agency. You got narcotics?” Jetzt heißt es cool bleiben. Ich deute auf meine Oberschenkel und antworte mit einem versucht lässigen “no narcotics, just muscles”. Nach zwei Bedenksekunden winkt er mich dann weiter zum nächsten Gebäude. Puh, das ist ja wirklich glimpflich abgelaufen. Bevor mich jetzt wer missversteht: Nein, ich hatte absolut keine Drogen dabei. Aber Tadschikistan ist mit das größte Heroin-Transitland der Erde, Opium und Heroin wird aus Afghanistan über den Panj nach Tadschikistan verbracht und dann von dort ins weitere Ausland transportiert für die Weiterverbreitung. Diese Schmuggelaktivitäten sind der Hauptgrund für die starke Militärpräsenz am Panj, die ich ja oft genug mitgekriegt habe. Die Furcht vor den Taliban ist da vermutlich sogar zweitrangig. Auch gibt es wohl in Khorogh auch einige Menschen, die sich an den Schmuggelaktivitäten eine goldene Nase verdienen, zumindest hat man ab und an doch einige Luxuskarossen in der Stadt gesehen, die wirklich ins Auge stechen. Aus diesem Grund hatte ich doch eine berechtigte Sorge vor der Drogenkontrolle an der Grenze. Ich habe von Wohnwagen-LKWs gehört, die aufgefordert wurden alle 6 Doppelreifen abzumontieren, um dann noch den Reifen von der Felge zu nehmen. Nur damit die Grenzer schauen können, das nichts im Reifen geschmuggelt wird. Die Innenräume von Jeeps und Wohnwägen werden wohl regelmäßig bis in die letzte Ecke gefilzt. Ich hatte absolut keine Lust meine 6 Ortliebtaschen komplett leeren zu dürfen. Zudem hatte ich Sorge, dass man ewig über jedes Medikament in meinem Erste-Hilfe-Beutel diskutieren würde. Und am heikelsten wäre wohl mein Sport-Drink gewesen. Da führe ich weißes Pulver mit, aufgrund der Sperrigkeit habe ich auch die Originalverpackung weggeschmissen und das Pulver in einen Zip-Beutel umgefüllt. Ob mir der Grenzer dann glaubt, dass es ein isotonisches Getränkepulver ist, oder ob ich eine tadschikische Arrestzelle von innen kennenlernen darf, stünde wohl in den Sternen. So bin ich also sehr erleichtert, als meine ganze Interaktion mit der Anti-Drogenbehörde nur knappe 30 Sekunden dauert.

Nach dem Exit-Stempel im Pass darf ich dann auch den Schlagbaum passieren und verlasse somit tadschikisches Staatsgebiet. Das Prozedere hat etwa eine halbe Stunde gedauert und ich bin nun im Niemandsland zwischen Tadschikistan und Kirgistan. Doch auch wenn ich jetzt ein bisschen Zeit hatte zum Verschnaufen, ist es noch nicht vorbei. Denn der Pass zieht sich noch ein wenig den Berg hoch, bevor ich endlich oben am Pass ankomme.

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Begrüßungsstele Kirgistan

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Verabschiedungsstele Tadschikistan.

Dort steht ein Steinbock als Statue auf tadschikischer Seite, zudem sind die Umrisse Tadschikistans und Kirgistans auf weiteren Statuen zu finden. Ich nutze die Gelegenheit für Fotos und einen Schokoriegel.

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Hallo Kirgistan!

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Und Tschüss Tadschikistan!

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Schön war’s!

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Das Rad hat sich tapfer geschlagen, da kann man schon mal dankbar sein…

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Oder es verehren!

Ich bin hier oben nun auf 4300m Höhe angekommen und den Rest des Tages geht es b-e-r-g-a-b-!-!-! Die kirgisische Grenze, weniger als 20 Kilometer entfernt, liegt auf 3500m.

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Es…

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geht…

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bergab!

Nun hätte ich wunderbare 800m dahingleiten können, beflügelt durch die Schwerkraft. Dem war aber leider nicht so. Die Piste, die nun folgte, war von Schlaglöchern und faustgroßen Steinen durchsetzt, hinzu kamen Bodenwellen und Schotter. Sobald das Rad nur ein wenig beschleunigte, fühlte es sich an als ob mein Fahrrad sich von alleine desintegriert, und mir klapperten die Zähne in einem solchen Maße, dass ich mich vielleicht gleich mit desintegriert hätte. Also fahre ich so vorsichtig, dass die Hände an den Bremshebeln krampfen. Selbst um die Landschaft zu betrachten halte ich lieber an, aus der Sorge heraus dass ich sonst wohl einen Abflug über den Lenker mache.

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Der Weg ins Tal.

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Leider auf miserabler Piste!

DSC00424DSC00425Und was für eine Landschaft ich hier zu sehen kriege: Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich nicht das Gefühl eine Landesgrenze ist nur ein willkürlicher Strich auf dem Papier. Denn seit ich den Pass erreicht habe, hat sich die Landschaft radikal verändert. Die Berge sind noch rötlicher und aus jeder Richtung erstrahlen grüne Hänge. Wiesen und Büsche! Ich hatte gar nicht gemerkt wie sehr diese auf der Pamir Hochebene gefehlt haben, aber jetzt erschlägt mich der Anblick fast. Auch finde ich mitten im Nirgendwo ein Haus, wo die Familie ein Homestay anbietet. Gerne hätte ich gewusst, welche Staatsbürgerschaft sie haben und wie es sich im Niemandsland lebt.

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Der Homestay im Niemandsland

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Blick zurück auf die Serpentinen vom Pass

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Kurzzeitig gibt es wieder ein bisschen Asphalt, länger als hundert Meter hält der allerdings nie.

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Ein letztes Mal 4000m. Verrückt, dass mir dies gar nicht mehr so hoch vorkommt.

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Farbenspiel – Vermischung

Bei der weiteren Abfahrt öffnet sich das Tal auf einmal und ein breites Tal mit einzelnen Flussläufen wird erkennbar. Ein massiver Gletscher speist hier wohl die Wassermassen zu Beginn des Sommers. Hier kommt bald auch der Asphalt wieder und so brause ich mit 25km/h ohne treten zu müssen dem Tal entgegen.

Asphalt might just be the clearest evidence there is a God.” – unbekannte_r Autor_in

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Der Gletscher aus dem sich alles speist.

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Wieder eine vertikale Schichtung, spannend!

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Stellenweise bleibt der Weg aber Mist.

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Das Tal weitet sich auf.

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Blick auf die kirgisische Grenzstation.

 

Rundumblick in dem breiter werdenden Tal kurz vor der kirgisischen Grenze. [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

Die kirgisische Grenze kommt in den Blick und dort werde ich verhältnismäßig freundlich empfangen. Ohne einen langen bürokratischen Aufwand bekomme ich einen Stempel in den Pass. Kirgistan ist für europäische Reisende Visa-frei, hier musste ich mich also im Voraus nicht drum kümmern. An der Grenze begegnet mir noch ein Vater-Sohn-Gespann aus Frankreich, die in die Gegenrichtung unterwegs sind. Der Vater besitzt das exakt selbe Fahrradmodell mit dem ich unterwegs bin und so kommen wir ins Gespräch. Sein Fahrrad sieht meinem auch dahingehend ähnlich, dass es unter 6 Taschen begraben liegt. Sein ca. 20-jähriger Sohn hingegen hat ein Rennrad, das mit einer leichten Rahmentasche ausgestattet ist. Darauf hingewiesen, dass sie jetzt 800 Höhenmeter rauf müssen und sein Sohn ihn mit diesem leichten Rad wohl ganz schön versägen wird, kommt eine tolle, schlagfertige Antwort (den französischen Akzent denkt ihr euch bitte einfach dazu): “My son is joining me for 3 weeks in the Pamir, but I started in Vietnam 6 months ago.” Sprach‘s, schwang sich aufs Rad und brauste davon. Nun, in diesem Sinne darf wohl Sohnemann hinterherhecheln für die kommenden 3 Wochen, ich wünsche gutes Gelingen. 😉

Kurz hinter der Grenze öffnet sich das Tal in die Alai-Hochebene.

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Alai Hochebene, samt ersten Blick nach Sary-Tash (Bildmitte, direkt an den Bergen)

Dies ist eine gigantische Fläche mit Weideland, die sich im Osten bis China und dann hunderte Kilometer nach Westen ausdehnt. Dabei bleibt die Nord-Süd-Ausdehnung gering, ich habe nur 20 Kilometer vor mir bis zum Dorf Sary-Tash, das bereits an den Bergen auf der gegenüberliegenden Seite liegt. Zwar habe ich auf diesen kommenden 20 Kilometern nur 70-80 Höhenmeter bergab, aber dafür geht es auch überhaupt nicht bergauf. So komme ich gut voran, es ist nicht sonderlich anstrengend.

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Blick zurück auf das Bergmassiv

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Erste Jurten

Wenn überhaupt ist es frustrierend, denn Sary-Tash erblicke ich wie gesagt bereits an der Grenze, und die kommenden 20 Kilometer hat man auch nicht wirklich das Gefühl die Stadt käme näher.

Doch langweilig wird es keinesfalls, der Blick wandert über die Weide. Überall stehen Jurten und die ansässigen Familien hüten große Herden Schafe, Ziegen, Yaks und Pferde. Spannenderweise hatte ich in ganz Tadschikistan kein einziges Pferd erblickt, hier sind es am ersten Tag bereits hunderte. Als ich eine Pause machte kam ein Zehnjähriger auf seinem Pferd angerast und sprang elegant von seinem Ross hinunter. Erwartete ich hier die üblichen tadschikischen Fragen nach Name und Herkunft, wurde ich hier sehr schnell mit “Chocolate! Give me chocolate!” empfangen. Nachdem ich dies verweigerte, deutete er willkürlich auf Sachen an meinem Fahrrad, die ich ihm nun auszuhändigen hätte. Ein ganz schöner Shock nach all den erfüllenden Begegnungen mit Kindern bisher auf dieser Reise. Irgendwann gab er auf und ritt wieder davon. Dies passiert mir später noch mit zwei Mädchen, die aus einer nahen Jurte angerannt kommen und wieder auf Schokolade hoffen. Am Ende wollen sie noch meine leere Plastikflasche, die ich ihnen gerne überlasse. Das Leben hier in den Jurten scheint sehr ärmlich zu sein, die Reisenden die einzige Ablenkung vom Alltag.

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Jurtencamps, verstreut über die ganze Hochebene

Auch wenn nun Gegenwind Einzug hält, ich komme weiterhin mit rasenden 17-18km/h (ja, man verliert das Verständnis, was schnell ist und was nicht auf dem Pamir) Sary-Tash näher.

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Und immer wieder, der Blick zurück in Richtung Pamir.

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Das Massiv rund um den Pik Lenin sehe ich nun von der Rückseite, verglichen mit den Aufnahmen über den Karakul-See gestern/vorgestern

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Die Alai-Hochebene zieht sich über 100 Kilometer relativ flach. Nur am Rand ist das Becken von Bergen umschlossen.

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Sary-Tash kommt näher…

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und näher.

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Am Ortseingang wurde mir bereits die vergangenen Tage das “Hostel Mara” empfohlen. Hier haben sie keine Zimmer frei heute Nacht, aber nach ein wenig hin und her darf ich im Garten mein Zelt aufstellen.

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Hostel Mara

Schnell komme ich mit den 3 Deutschen neben mir in Kontakt, die in einer Jurte schlafen und am kommenden Tag zu einem 5000er Gipfel aufbrechen wollen. Diesen Gipfel kann man vom Hostel aus auch sehen, denn beim Blick zurück über die Hochebene sieht man nun alle hohen Gipfel der vergangenen Tage (Pik Lenin etc.) nun von der “Rückseite”.

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Rechts im Bild: Pik Lenin

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Die gesamte Bergkette spannt sich auf der anderen Seite der Alai-Hochebene auf.

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In die Richtung wollen die anderen Drei morgen aufsteigen.DSC00429

Gemeinsam mit den Deutschen breche ich zum örtlichen Mini-Market auf. Nach Eintritt in das kleine Kabuff fallen mir fast die Augen aus dem Kopf. Die Auswahl ist verglichen mit jeglichem tadschikischen Magasin grenzenlos. Mehrere Frucht- und Gemüsesorten, Süßigkeiten, verschiedene Nudelsorten usw. Ich kaufe mir endlich eine Wassermelone. Auf diese hatte ich bereits den ganzen Trip über Lust, aber alleine bleibt immer die Hälfte übrig. Zusammen mit den drei Deutschen war ich aber guter Dinge endlich mal eine Wassermelone verzehrt zu bekommen. Der Laden wurde von einem ca. 10-jährigen Kind geführt, vielleicht während sein Vater eine Mittagspause machte. Doch der Kleine war patent, wog verschiedene Waren und rechnete uns die Kosten aus. Als ein paar Locals reinkamen und der Junge ihnen halb-heimlich ein paar Kügelchen in Plastikfolie über den Tisch schob und das Geld nahm, war klar das der Junge zeitgleich noch als örtlicher Drogendealer fungiert… Nicht schlecht!

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Den Nachmittag verbringen wir damit die Wassermelone zu Essen, ich höre mir Geschichten aus Kirgistan an, wir blicken auf das wunderschöne Bergpanorama und lassen es uns gut gehen. Ich gebe hier noch all meine Klamotten in die Wäsche, und anders als in Murghab hat das Hostel hier selbstverständlich eine reguläre Waschmaschine im Badezimmer stehen.

Gegen 16 Uhr erreichen drei Jeeps das Hostel und laden die nächste Dreiviertelstunde Gepäck aus. Dutzende Taschen, Radkartons, Ikea-Taschen und so weiter. Es stellt sich raus, dies waren die Begleitfahrzeuge für 14 deutsche Radreisende, die nach und nach am Hostel ankamen. Sie waren auf leichten Mountainbikes unterwegs, nur bepackt mit einem kleinen Rucksack, ein bisschen Wasser und einem Ersatzschlauch. Da wurde ich kurz neidisch, sie hatten auch meine Etappen der letzten beiden Tage an einem Tag absolviert. Neidisch war ich auch, weil sie mit diesen vollgefederten Mountainbikes sicherlich einen Heidenspaß bei der Abfahrt vom Pass gehabt haben, ich konnte da nirgends schneller als 11km/h fahren aus Sorge um mein Rad.

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Das wären die richtigen Räder für die heutige Piste gewesen!

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Auch wurde für sie groß aufgetischt, es gab Sekt, Bier und Softdrinks. Hinterher habe ich erfahren, dass sie von Duschanbe aus mit den Rädern unterwegs waren und hier in Sary-Tash ihre letzte Etappe zu Ende ging. Trotzdem, allzuviel Neid entstand bei mir nicht, weder will ich 2-3 Wochen lang mit den gleichen 13 Menschen unterwegs sein, noch hätte ich dafür über 3000€ (exklusive Flüge!) gezahlt. Dann lieber mein Low-Budget-Ansatz alleine.

Kein Wunder also, dass das Hostel heute voll ausgebucht war, Abendessen gibt es zusammen mit den drei deutschen Kletterern in ihrer Jurte. Das Essen ist reichhaltig und lecker, lediglich mit dem Knoblauch hat es die Hausherrin und Köchin übertrieben. Nur gut dass ich später alleine im Zelt liege.

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Traumhaftes Innendekor in der Jurte 😀 Wer aber genau die Decke einer Jurte betrachtet, wird eine Gemeinsamkeit mit der kirgisischen Flagge entdecken. Also, im Hinterkopf behalten für die nächsten Tage.

Morgen werde ich einen gemütlichen Start hinlegen. Direkt hinter Sary-Tash muss ich erneut einen Berg hoch, von dem her weiß ich noch nicht wie weit ich komme, es sind bis Osh sowieso nur noch 180 Kilometer und mein Rückflug ist erst in fünf Tagen.