Israel-Radreise 2019: Epilog

Nun, was bleibt mir zum Abschluss der Reise noch zu berichten?

Der erste Tag, am Strand von Tel Aviv.

Es war ein fantastischer Urlaub! Ich bin der Kälte in Deutschland entflohen, konnte nochmal eine richtige Radreise vor Jahresende absolvieren. Verglichen mit meiner Tour durch den Pamir war minimaler Planungsaufwand notwendig und es hat trotzdem (fast) alles geklappt.

In den Ruinen Tel-Meggidos
Ausgrabungsstätte Tel Susita

Für mich war es neu jeden Tag eine „Aktivität“ zusätzlich zum Radfahren zu absolvieren: Die vielen Besuche von Ausgrabungsstätten und Nationalparks oder der kurze Sprung ins Meer sorgte für gelungene Abwechslung. Es ist was anderes als jeden Tag stur auf der Straße zu verbringen. Da bietet sich Israel auch einfach an, wo sonst kann man auf so dichtem Raum so viele Ausgrabungsstätten besuchen?

Blick über den See Genezareth von Alons Balkon
Ankunft am Toten Meer

Dadurch dass Israel so klein ist, kann man viel vom Land in relativ kurzer Zeit sehen. Knappe 2,5 Wochen haben für eine Radreise einmal durch (/um) den kompletten Staat gereicht. Man hat also nicht das Gefühl nur einen verschwindend kleinen Teil des Landes gesehen zu haben. Auch ist Israel unfassbar abwechslungsreich, was Vegetationszonen und Klimazonen angeht. Berglandschaft rund um Safed und die Golanhöhen, touristische Großstädte am Mittelmeer, Wüstenlandschaft in der Negev, Landwirtschaft in Nähe des Gazastreifens, langweilig wurde es nie.

Wildzelten in der Wüste

Zwei Nachteile hatte diese Tour: Erstens ist Israel nicht das fahrradfreundlichste Land, sofern man nicht bereit ist auf Landstraßen unterwegs zu sein. Dadurch, dass das Land so klein ist, gibt es selten eine alternative Route zu einem Ziel, man muss sich eben auf die Landstraße begeben. Die Radinfrastruktur außerhalb der Ballungszentren an der Küste ist nahezu nicht vorhanden. Dafür hat man aber breite Seitenstreifen und auf dem Golan oder später am Toten Meer und in der Negev-Wüste ist das Verkehrsaufkommen auch mehr als erträglich. Auch die restliche Infrastruktur ist einwandfrei, es vergeht kein Tag ohne Einkaufsmöglichkeiten und bei Bedarf einem Hotel. Radgeschäfte findet man in den größeren Städten, ebenso gibt es einen effizienten Personenverkehr durch Busse, sollte das Rad doch irgendwann Schäden aufweisen.

Im Timna Nationalpark

Zweitens ist eine Radtour auf der Nordhalbkugel im Dezember ein waghalsiges Unterfangen. Ich hatte wirklich unglaubliches Wetterglück und bin mehrheitlich bei Sonnenschein und Temperaturen über 20°C durch die Gegend gefahren. Doch nur wenige Wochen nach meiner Rückkehr wurde Israel von schlimmen Stürmen gebeutelt und mehrere Menschen sind gestorben, teilweise weil sie auf Wanderungen von Flüssen fortgerissen wurden, in Sturzfluten und auch städtische Überschwemmungen gerieten. Winter in Israel ist also Wettermäßig ein Glücksspiel. Negativ für mich wirkte sich der frühe Sonnenuntergang aus. Von meinen langen Touren ans Nordkapp (Mitternachtssonne) und auf dem Pamir (auch da bis 22 Uhr hell) war ich es nicht gewöhnt, durch die Sonnenlichtstunden gehetzt zu werden. Aber um spätestens 16 Uhr musste die Übernachtungsmöglichkeit zumindest anvisiert sein, weil ab 17 Uhr war es dann auch dunkel. Normalerweise fahre ich auf Tour erst gegen 10 Uhr los, diesmal musste ich mich umstellen. Teilweise saß ich um 7, einige wenige Male sogar noch früher auf dem Drahtesel, einfach um genug Sonnenstunden zu haben, um Strecke zu machen. Verbunden mit den Zusatzaktivitäten wurde es manchmal etwas knapp. Ich hatte an einigen Tagen noch Energie übrig und hätte weiter fahren können, es war aber absehbar, dass ich dann im Dunkeln fahren würde. Dieses Problem kann ich aber nun wirklich Israel nicht als Reiseland anheften und es war mir ja auch im Vorhinein bewusst. 😉

Panorama Rotes Meer, Jordanien und Saudi-Arabien, Berg nahe Eilat (Klick vergrößert das Panorama)

Insgesamt habe ich auf der Tour 1240 Kilometer zurückgelegt und 14,5 Tage im Sattel verbracht.

Und sollte sich jemand für die Kosten interessieren:
Israel ist kein günstiges Land, besonders was Hotelübernachtungen und Restaurantbesuche angeht. Im Supermarkt sind die Preise ähnlich zu Deutschland, vielleicht ein paar Prozentpunkte teurer. Wildcamping war (außer in militärischen Sperrzonen) absolut unproblematisch, Campingplätze selber sind auch bezahlbar und auf deutschem Niveau.

Mein Flug mit Ryanair habe ich knapp einen Monat vor Abflug gekauft. Inklusive großem Handgepäck, einem Abgabegepäckstück und Radmitnahme habe ich 235€ bezahlt.

Im Land selber habe ich in 3 Wochen 580€ ausgeben.
Darin sind aber eine Simkarte (25€) und sieben Übernachtungen (190€, 2x Zelten, 5x Hostel) enthalten. Obwohl ähnlich lange wie mein Pamir-Urlaub hat somit mein Aufenthalt in Israel samt Flug weniger gekostet als die Flüge nach Tadschikistan.

Am Strand in Nitzam

Somit möchte ich nun zum Ende dieser Reise kommen: Ich kann jedem einen Trip in dieses faszinierende Land empfehlen. Macht euch selbst ein Eindruck, fernab der üblichen Berichterstattung in Deutschland und schaut euch das Land in seinen zahlreichen Facetten an. Ich hatte eine tolle Tour und habe mich sehr gefreut die Reise jetzt noch mal durch die Erstellung der Blogeinträge nacherleben zu können.

In diesem Sinne: Bis zur nächsten Reise, Kette rechts und immer genug Luft im Reifen.
Danke dass ihr virtuell mitgekommen seid!

[Tag 13]: Eilat – Nahal Zihron

[Biking] – Israel 2019

[Tag 13] Eilat – Nahal Zihron

11. Dezember 2019: 95 Kilometer, 800 Höhenmeter von Eilat bis nach Nahal Zihron.

GPX-Daten

Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:

Zeit in Bewegung: 5:53h
Tempodurchschnitt: ~16,2km/h
Maximalgeschwindigkeit: 65,3km/h (!!!)

Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)

Sonnenaufgang über Jordanien (E-M5, 30mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)
Hostel im Morgenlicht (E-M5, 14mm, f/10, 1/13sec, ISO-100)

Um 6.30 Uhr schleiche ich mit meinen Taschen aus dem Mehrbettzimmer im Hostel. Fertig gepackt auf der Terrasse, dann das Rad hergerichtet und los ging es. Nach einem kurzen Zwischenstopp beim Supermarkt lasse ich zügig die Stadtgrenze hinter mir.

Wieder auf der Route 90. Diesmal gen Norden. (E-M5, 45mm, f/10, 1/80sec, ISO-100)

Und wer wartete da auf mich? Mein guter Freund, der Wind! 5 Tage lang fuhr ich auf dem Weg nach Süden gen Eilat immer gegen den Wind an. Und nun, wo es nach Norden geht? Dreht der Wind sich einfach um 180 Grad. Das übliche Radfahrer-Glück also, da hilft kein ärgern, sondern nur stoisch weiter in die Pedale zu treten.

Immer weiter!
Meine eigene Fahrspur (E-M5, 45mm, f/10, 1/160sec, ISO-100)

So ziehen sich die ersten 20 Kilometer leider ziemlich, fluchend schlage ich mich die Route 90 hoch. Dann aber kommt die Geheimwaffe Podcasts, Hörbücher und gute Musik ins Spiel und damit tritt Erleichterung ein. Erneut fahre ich am Flughafen vorbei, danach am Eingang zum Timna Park und meiner letzten Campstelle vor Eilat.

Timna Park (E-M5, 45mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)
Timna Park (E-M5, 17mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)
Mein Zeltplatz vor Timna Park, 4 Nächte her (E-M5, 41mm, f/10, 1/160sec, ISO-100)
Hatte mich einfach mitten in die Landschaft gestellt, es wird ja früh dunkel (E-M5, 14mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)

Nach 55 Kilometern biege ich schließlich von der altbekannten Route 90 ab, die mich nun 460 Kilometer lang begleitet hat und wechsle auf die Straße in Richtung Mitzpe Ramon (Route 40). Dazu muss ich jedoch zuerst das Becken/Tal verlassen, in dem das Tote Meer und der Zugang nach Eilat liegt. Und das heiβt für mich: Klettern!

Nach mehreren hundert Kilometern geht es nun runter von der Route 90 (E-M5, 45mm, f/10, 1/160sec, ISO-100)
Nächstes Ziel: Mitzpe Ramon (E-M5, 37mm, f/10, 1/125sec, ISO-100)
Doch nun geht es erstmal… (E-M5, 26mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)
… hoch! (E-M5, 14mm, f/10, 1/160sec, ISO-100)
Blick zurück nach dem ersten Anstieg (E-M5, 14mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)

Erst geht es recht idyllisch durch ein enges Sandstein-Tal, danach auf anstrengenden Serpentinen nach oben. Inzwischen zeigt sich auch die Sonne und das Thermometer schlägt in Richtung 30 Grad aus, ich zerflieβe regelrecht.

Doch da wartet auch gleich der zweite Anstieg (E-M5, 43mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)
Endlich raus aus dem Grenztal zwischen Israel und Jordanien (E-M5, 14mm, f/10, 1/400sec, ISO-100)
Blick zurück in Richtung Eilat (E-M5, 14mm, f/10, 1/400sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/10, 1/320sec, ISO-100)
(E-M5, 34mm, f/10, 1/250sec, ISO-100)

Trotzdem schaffe ich es mit mehreren Pausen ohne Absteigen und Schieben nach oben. Nach ein paar Kilometern kommt ein Kibbutz wo ich Wasser nachfüllen kann und weil es inzwischen 12 Uhr ist, nutze ich die Gelegenheit, die sich mir in Form einer Parkbank im Schatten bietet. Diese Pause habe ich mir verdient: Ich habe schließlich bereits 65km absolviert und da ich mir 5 Tage Zeit genommen habe um Tel-Aviv zu erreichen, muss ich täglich lediglich rund 80km schaffen.

Kann ein Mittagessen besser werden? (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/30sec, ISO-136)
Vermutlich nicht! (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/30sec, ISO-140)

Nach einer ausgiebigen Pause von knapp 2 Stunden geht es weiter.

Ich fahre nun durch einen Teil der Negev, der nahezu durchgängig militärisches Übungsgebiet ist. Und hatte ich mir in der Planungsphase eingeredet, ich werde schon irgendwie einen Hügel am Straßenrand finden, oder ein paar Bäume an denen ich campieren könnte, stellt sich das schnell als Trugschluss heraus. Die Umgebung ist hier bretteben und das Übungsgelände beginnt direkt am Rand der Straße.

Obacht jetzt! (E-M5, 33mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)

Und im Gegensatz zu Truppenübungsplätzen die ich so kenne, besonders aus Deutschland, ist hier wirklich Action geboten. Alle paar Minuten hört man das Donnern von Artilleriegeschossen, die Druckwellen spüre ich, obwohl ich laut Musik höre.

Explosion! (E-M5, 43mm, f/10, 1/320sec, ISO-100)

An Schießständen stehen größere Gruppen Soldat*innen und man hört das Knattern von Schnellfeuergewehren.

(DSC-HX50, 48.77mm, f/6.3, 1/800sec, ISO-125)
Panzerübungen (DSC-HX50, 29.63mm, f/6.3, 1/400sec, ISO-80)

Ich komme an ganzen Übungsdörfern vorbei, durch die gerade Panzer manövrieren und den Stadtkampf üben. Verstörender Weise haben diese kleinen Dörfchen Minarette und arabischsprachige Graffiti, samt Bildern von arabischen Terroristen an den Häuserwänden. Skurril.

Trainingsgelände (DSC-HX50, 10.05mm, f/5.6, 1/800sec, ISO-80)
Samt passendem Graffiti (DSC-HX50, 56.19mm, f/6.3, 1/800sec, ISO-125)

Schnell ist mir also klar: Am Straßenrand campen, das wird heute nicht funktionieren. Auch weil die Panzer mehrheitlich nicht auf der Straße fahren (dies würde vermutlich den Asphalt zerstören), sondern direkt neben der Straße auf Schotterwegen unterwegs sind. Verständlicherweise möchte ich in der Nacht nicht von einem Panzer überrollt werden. Gut das nach 83km ein Dorf in der Karte eingezeichnet ist. Das Dorf stellt sich leider bei näherer Betrachtung als ein Aschram und Meditations-Retreat heraus. Nun, ich habe keine Wahl und gehe trotzdem mal erkunden.

Hippie-Farm (E-M5, 45mm, f/10, 1/20sec, ISO-100)

An der Rezeption findet sich leider niemand, schnell stellt sich aber auch raus, dass alle im Meditationskreis sitzen. Erst als dieser beendet ist, kommt leben in die Bude. Ich selbst bin wahrlich kein spiritueller Mensch und ich kann Meditation nicht viel abgewinnen, deswegen klingen die nächsten Zeilen vielleicht ein wenig hart:

Ich schildere meinen Wunsch, einfach irgendwo das Zelt aufzuschlagen, da ich ungern draußen von Panzern überrollt werden will. Doch in der Rezeption heiβt es dann, ich könnte nur dann bleiben, sofern ich zahle. Doch hey, dafür wären 3 Mahlzeiten täglich inklusive, ich dürfte an 2 Meditationen teilnehmen und heute wäre sogar Videoabend. Ich erkläre noch mal, dass ich kein Essen brauche, nicht meditieren will, und morgen um 6 Uhr mich wieder auf den Weg mache. Doch keine Reaktion, es gibt nur dieses eine Angebot, und das soll ganze 60 Euro kosten!

Hippie-Kram (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/20sec, ISO-706)

Und ab hier wird es wirklich absurd. Dann überall im Retreat hängen Buddha-Figuren und buddhistische Weisheiten rum. Die Camp-Bewohner laufen in weltweit anerkannter Hippie-Verkleidung umeinander, Batik-Shirts, Pluderhose und vielleicht einer aus acht läuft nicht barfuß durch die Gegend. Alle sind sie ja so entspannt und reflektiert und mit sich und der Umwelt im Reinen. Als Oberknaller hängt nahe der Rezeption ein “Say no to materialism”-Schild. Antimaterialistisch denken, aber bitte für 60 Euro die Nacht und ja niemandem helfen, der nur irgendwo das Zelt aufstellen will.

Frustriert mache ich mich also weiter auf den Weg, die Camp Bewohner rufen mir noch allerlei gute Wünsche hinterher und wie “gesegnet” ich doch sei, mit dem Rad unterwegs zu sein. Nach meinem Erlebnis dort gerade eben klingt dies für mich nach blankem Hohn.

(E-M5, 45mm, f/10, 1/20sec, ISO-100)

Rückblickend würde ich heute mein Zelt einfach außerhalb des Ortszauns aufstellen nach Dunkelheit und in der Früh wieder verschwinden, doch in der damaligen Situation fühlte ich mich ziemlich ausgegrenzt und war über die freche Preisforderung so sauer, dass ich doch weiter gefahren bin. Übrigens, der Ort heißt Shitim und ich empfehle ihn weiträumig zu umfahren! Ob mit oder ohne Fluch auf den Lippen und ausgestrecktem Mittelfinger, das bleibt euch überlassen. 😉

Dann eben weiter (E-M5, 33mm, f/10, 1/50sec, ISO-100)
Mehrere solcher Schilder, bisher aber kein Glück! (E-M5, 35mm, f/10, 1/50sec, ISO-100)

Doch hier kommen zum Glück die guten Onlinekarten ins Spiel, die ich auf dem Handy zur Navigation nutze. Denn 13 Kilometer weiter entdecke ich eine Lücke im militärischen Sperrgebiet. Ich schwinge mich also aufs Rad, knappe 40 Minuten brauche ich bis dahin.

Endlich eine Unterbrechung des Übungsgeländes, samt grüner Deckung für mein Zelt (E-M5, 17mm, f/10, 1/80sec, ISO-100)

Im Nahal Zihron scheinen wohl allerlei Wanderwege (unter anderem der Israel National Trail) und Offfroad-Tracks vorbeizuführen, deswegen ist hier für etwa einen Kilometer kein militärisches Übungsgelände. Und tatsächlich, hier gibt es auch ein paar Büsche und Bäume.

(E-M5, 20mm, f/10, 1/250sec, ISO-100)
Wüstenfeeling (E-M5, 16mm, f/10, 1/25sec, ISO-100)
(E-M5, 33mm, f/10, 1/25sec, ISO-100)

Nach 96 Kilometern, also deutlich mehr als ich heute schaffen wollte, reicht mir dies auf alle Fälle aus. Schnell stelle ich mein Zelt auf, wider Erwarten halten heute im sandigen Boden auch die Heringe ziemlich gut.

Der Palast steht (E-M5, 14mm, f/7.1, 1/8sec, ISO-320)

Anschließend beobachte ich einen unglaublichen Sonnenuntergang, der Himmel sieht aus, als bestünde er aus flüssiger Lava. Ich fotografiere und glotze mir die Augen aus dem Kopf.

(E-M5, 14mm, f/8, 1/100sec, ISO-400)
Feuersbrunst! (E-M5, 45mm, f/8, 1/50sec, ISO-400)

Dies ist für mich pure Erholung und eins sein mit der Natur, da kann mir ein 60 Euro Aschram echt gestohlen bleiben.

Kurze Zeit nach dem Abendessen kommt mich noch ein völlig furchtloser Fuchs besuchen, der meine übrig gelassenen Nudeln im Gebüsch ergattert, anschließend noch ein paar Mal ums Zelt stromerte und dann in die Dunkelheit verschwand. Von meiner Anwesenheit ließ er sich nicht im Geringsten beeindrucken, selbst wenn stellenweise nur noch ein Meter Abstand zwischen uns bestand.

Der nächtliche Besucher in der Ferne (DSC-HX50, 25.28mm, f/6.3, 1/60sec, ISO-1600)
Ob das Fahrrad schmecken könnte? (DSC-HX50, 34.46mm, f/6.3, 1/60sec, ISO-1600)
(DSC-HX50, 12.41mm, f/5, 1/15sec, ISO-1600)
Keine Berührungsängste (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/13sec, ISO-2212)
(ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/20sec, ISO-1633)

[Tag 9] Im Negev

[Biking] – Israel 2019

[Tag 9] Nirgendwo im Negev – Nirgendwo im Negev

7. Dezember 2019: 107 Kilometer, 750 Höhenmeter vom Wildcampingspot in der Negev Wüste nahe Ein Hatseva bis nahe Samar.

GPX-Daten

Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:

Zeit in Bewegung: 6:27h
Tempodurchschnitt: ~16,5km/h
Maximalgeschwindigkeit: 38,0km/h

Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)

Nachts überrascht mich ein kurzer Regenschauer, von dem ich schnell wach werde. Nach einem kurzen Check dass alle Besitztümer trocken verstaut sind, schlafe ich sofort wieder ein. Ich bin auf dieser Reise wirklich unglaublich froh ein freistehendes Zelt mitgenommen zu haben. Bisher gab es nur ein oder zwei Übernachtungsstellen, an denen ich alle Heringe in den Boden treiben konnte. Zumeist begnüge ich mich mit ein paar Steinen.

Sonnenaufgang am Zeltplatz (E-M5, 9mm, f/10, 1/30sec, ISO-100)
(E-M5, 9mm, f/10, 1/25sec, ISO-100)
(E-M5, 9mm, f/7.1, 1/13sec, ISO-250)
Es wird wohl wieder ein schöner Tag (E-M5, 9mm, f/7.1, 1/500sec, ISO-100)

Nach dem üblichen Prozedere in der Früh schiebe ich mein Rad zur Straße zurück. Aus Sorge vor den Akazienbaumstacheln habe ich dann noch meine Räder auf Dornen untersucht, denn gestern haben diese sogar meine Crocs durchdrungen und mir in den Fuβ gepikst. Dornen finde ich im Reifen zwar keine, dafür aber 2 dünne Metallsplitter, vom selben Typ die mir damals in Schweden das Leben schwer gemacht haben. Gut das ich diese also rechtzeitig entdecke, bevor sie sich bis zum Schlauch vorarbeiten können. So sind sie schnell entfernt. Genau wie ich mich über mein selbststehendes Zelt freue, beglückwünsche ich mich nahezu täglich dazu, mit pannensicheren Reifen unterwegs zu sein. Meine dicken Schwalbe Marathon Mondial-Reifen sind zwar schwer und sicherlich nicht die lauffreudigsten. Aber hier in Israel bin ich bereits über dutzende zerschmetterte Glasflaschen, Drähte aus Autoreifen und spitze Steine gerollt und bin pannenfrei geblieben.

(E-M5, 45mm, f/7.1, 1/320sec, ISO-100)
(E-M5, 21mm, f/7.1, 1/640sec, ISO-100)
Liebe Leute, die Suche kann aufhören, ich hab ihn gefunden… (E-M5, 37mm, f/7.1, 1/400sec, ISO-100)
… habe mir den Ort aber irgendwie beeindruckender vorgestellt. (E-M5, 34mm, f/7.1, 1/500sec, ISO-100)

Der Rest des Tages gestaltet sich sehr ähnlich zu gestern. Bis Mittag geht es nur bergauf. Immer graduell, so ist es nicht gar so anstrengend, verbunden mit dem heute erneut vorherrschenden Gegenwind zieht es sich allerdings.

Das Klettern zahlt sich aus, wieder auf Meereshöhe (E-M5, 42mm, f/7.1, 1/500sec, ISO-100)

Absolut verrückt, jedem dem ich begegne erzählt mir “nun, eigentlich solltest du den Wind im Rücken haben, das ist zumindest die vorherrschende Windrichtung”… Ich wette der Wind dreht genau dann, wenn ich mich an den Rückweg aus Eilat mache. Typische Radtour-Nebenerscheinung: Das Wetter hält sich an keinerlei Vorgaben und Normalitäten.

Ein schönes Jubileum, richtig gefeiert wird aber erst Morgen (E-M5, 45mm, f/7.1, 1/15sec, ISO-100)
Ab und an geht es wieder Hügel hoch (E-M5, 23mm, f/7.1, 1/800sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/7.1, 1/640sec, ISO-100)
Guter Seitenstreifen (E-M5, 18mm, f/7.1, 1/500sec, ISO-100)
(E-M5, 23mm, f/7.1, 1/640sec, ISO-100)
Aufgepasst! (E-M5, 45mm, f/7.1, 1/500sec, ISO-100)
Panorama in Richtung Jordanien (E-M5, 26mm, f/11, 1/320sec, ISO-100)
Ein Klick aufs Bild vergrößert dieses.

Nach 65km ist jedoch der Wendepunkt geschafft. Ich habe mich vom Schlafplatz heute Nacht auf -80m auf 260m über Null hochgekämpft. Die kommenden knapp 100km bis Eilat geht es nun ohne größere Steigungen bergab, ich hoffe also ein wenig schneller voran zu kommen.

Schwerter zu Pflugscharren, Haubitzen zu Dekohaltern? (E-M5, 45mm, f/11, 1/200sec, ISO-100)
Truckstop mit Wachturm (E-M5, 45mm, f/11, 1/250sec, ISO-100)
Wie schon erwähnt, Eis geht immer. (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/850sec, ISO-100)

Es gibt eine kürzere Pause für ein Eis an der Tankstelle, ansonsten eine Mittagspause nach 75km, wie so oft schon an einem Bushäuschen, denn das sind zumeist die einzigen Schattenspender in der Gegend.

Den restlichen Tag geht es mit schönen Ausblicken auf die Negev-Wüste, anregenden Podcasts und guter Musik weiter. Klingt vielleicht ein wenig eintönig, aber ich genieße die Wüstenlandschaft um mich herum, schließlich ist das der maximale Kontrast zu einer Radtour in Mittel-/Nordeuropa.

Blick zurück in die flache Ebene (E-M5, 28mm, f/11, 1/200sec, ISO-100)
(E-M5, 23mm, f/7.1, 1/640sec, ISO-100)
Jordanien (E-M5, 36mm, f/11, 1/250sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/11, 1/320sec, ISO-100)
(E-M5, 33mm, f/11, 1/200sec, ISO-100)
(E-M5, 31mm, f/11, 1/60sec, ISO-100)
Lange Schatten in Jordanien (E-M5, 31mm, f/11, 1/60sec, ISO-100)

Nach 110 km biege ich von der Straße ab, laufe ein paar hundert Meter ins Gelände und schlage dann mein Zelt auf. So sind es morgen nur noch ca. 30km nach Eilat, wobei ich zuvor am Nationalpark Timna halt machen will.

Erneut ein bildhübscher Übernachtungsspot (E-M5, 14mm, f/11, 1/25sec, ISO-100)
(E-M5, 9mm, f/10, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 9mm, f/10, 1/125sec, ISO-100)
Campspot Panorama (E-M5, 9mm, f/8, 1/50sec, ISO-100)
Ein Klick aufs Bild vergrößert das Panorama.

Erst gibt es aber heute Abend das aus Deutschland mitgebrachte Kartoffelpüree, eine angenehme Abwechslung nach 7x Nudeln 😉 Gruselig war Nachts das dauerhafte Summen meines Telefons. Die “Red Alert”-App, von der ich schon berichtet hatte, warnt vor zahlreichen Raketenangriffen aus dem Gazastreifen auf die benachbarten israelischen Siedlungen. Nun, die App scheint zu funktionieren, laut Nachrichten gab es keine Verletzten und ich hoffe das bleibt der einzige Angriff, besonders da ich bald in Nähe des Gazastreifens mit dem Rad vorbeikommen werde.

Abends dann noch der Schock im Zelt: Red Alert meldet Raketenangriffe nahe des Gazastreifens

[Tag 6]: Givat Yoav – Shlomtzion

[Biking] – Israel 2019

[Tag 6] Givat Yoav – Shlomtzion

4. Dezember 2019: 105 Kilometer, 740 Höhenmeter von Givat Yoav bis nahe Shlomtzion in der Westbank.

GPX-Daten

Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:

Zeit in Bewegung: 5:55h
Tempodurchschnitt: ~17,6km/h
Maximalgeschwindigkeit: 51,0km/h

Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)

In der Früh bringt mir Sara, die Hotelbesitzerin, meine gewaschene Wäsche zurück. Was ein tolles Gefühl endlich in sauberes Zeug eingekleidet zu sein. Dabei kann ich mich auf dieser Reise eh nicht beschweren, bereits am Ende des dritten Tages durfte ich bei Alon all meine Wäsche in die Maschine schmeißen. Auf dem Pamir Highway habe ich es tatsächlich nur 2 Mal in 3 Wochen geschafft meine Wäsche zu waschen, ansonsten musste ein Fluss herhalten. Geht auch, aber so wie es jetzt läuft ist es natürlich deutlich angenehmer. Ich packe zusammen, was sich trotz fehlendem Zeltabbau ziemlich langwierig gestaltet, denn ich habe mich ganz schön ausgebreitet in der Jurte.

Mit dem frisch gewarteten Fahrrad geht es dann wieder auf die Route. Die Beine haben heute Kraft, nur mein Knie tut ein wenig weh. Es widerstrebt mir, den Grund dafür zu nennen, denn der ist ganz schön peinlich: Gestern bin ich nach der Ankunft in Givat Yoav vor dem Supermarkt gestürzt, da ich mich nicht rechtzeitig aus meinen Klickpedalen befreien konnte und in Zeitlupe umgefallen bin. Nun ich war schlau genug nicht den Arm auszustrecken, und da irgendeine Verletzung zu provozieren, trotzdem bin ich aufs Knie gefallen, und habe wohl eine leichte Prellung davon gezogen. Außerdem habe ich die Coladose aufgesprengt, die ich etwa zwei Minuten davor bezahlt habe und flute damit die Tüte voller Essen. Ich ärgere mich tierisch über den unnötigen Umfaller. Nun, ich hoffe das Knie bessert sich, weiter geht’s!

Weg von der Hauptstraße, nun auf einem Nebenweg (E-M5, 34mm, f/9, 1/40sec, ISO-100)
Blick auf Sussita auf der Hügelspitze und den See Genezareth dahinter (E-M5, 45mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)

Nach 6 Kilometer biege ich von der Hauptstraße ab, denn ich nehme eine weniger befahrene Strecke ins Tal, runter zum See Genezareth: Auf einer kleinen, trotzdem asphaltierten, Straße geht es bergab. Und hält auch noch einen Besichtigungspunkt bereit: Sussita (Hippos) ist eine alte römische Stadt und liegt mitten auf einem kleinen Berg am Wegesrand.

Aufstieg zu Sussita (E-M5, 16mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)
Minenfelder neben Sussita (E-M5, 14mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)

Kein Tickethäuschen, weit und breit niemand zu sehen, nach 10 Minuten Fußmarsch komme ich an den Ruinen an. Bewohnt wurde die Stadt im 2. Jahrhundert v. Chr. bis ins 7. Jahrhundert n. Chr. und diente unter anderem wohl als eine Festung dort oben auf dem Hügel.

Paradestraße (E-M5, 41mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)
(E-M5, 45mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)

Nach der israelischen Staatsgründung und vor der Eroberung der Golanhöhen im Sechstagekrieg nutzte die israelische Armee die Anlage wieder für den verwendeten Zweck: Als Verteidigungsanlage. Verrückt, dass über zwei Jahrtausende später eine Anlage für denselben Zweck herhält.
Ein Luftbild von Wikipedia zeigt eindrücklich, wie klein die Anlage ist: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Sussita_-_Aerial_photography_April_2017.jpg
Trotzdem bin ich vom Charme der Ausgrabung sehr angetan. Sicherlich spielt es eine Rolle, dass ich mutterseelenallein hier oben wandle. Wer von uns war denn schon mal in einer Ausgrabung wo keine Tourist*innen rumlaufen, das Personal nicht am ausbessern ist und auch sonst kein Lärm die Stille zerreißt? Ich habe die Ruinen ganz für mich allein, kann die Paradestraße entlang laufen, blicke auf zahlreiche Säulen und kann mir in dem Moment lebhaft vorstellen, wie diese Stadt damals mit geschäftigen Vorgehen gefüllt sein muss.

Mir gefällt es, dass ich bisher jeden Tag eine Aktivität oder Besichtigung nebst dem Radfahren hatte. Tel Meggido – Schwimmen im Meer – Safed besuchen – Hula Nationalpark – Mount Bental – Susita. Mal sehen ob ich sich das so fortsetzt, für morgen zumindest ist was geplant… 😉 Dies ist eine gelungene Abwechslung dazu, wie ich sonst meine Radreisen durchführe, nämlich von morgens bis abends nur im Sattel zu sitzen. Auf echte Stadtbesichtigungen habe ich auf Radtouren selten Lust, dafür kosten Städte einfach zu viel Kraft: Ampeln, Verkehr, Passant*innen. Aber mal eine Ausgrabung auf dem Weg unter die Lupe nehmen, das macht Laune!

Blick auf den weiteren Weg nach unten an den See Genezareth (E-M5, 26mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)

Anschließend geht es weiterhin flott bergab. Die Reifen quietschen, die Felgen heizen sich so auf, dass ich mich daran fast verbrenne. Wie kann das denn sein, ich bin doch nur auf 50m Höhe? Nun, der See Genezareth liegt bei 200m UNTER Null, es geht also weiterhin bergab. 😉

Dann fahre ich am Ostufer des Sees entlang bis ich auf die Route 90 abbiege. Dieser werde ich nun zu 99% gen Süden bis nach Eilat am Roten Meer folgen, etwa 400 Kilometer weit. Es gibt noch ein paar knackige Steigungen, aber keine länger als 10 Minuten. Eher macht mir die drückende Hitze zu schaffen, selbst bei 24° C fühlt es sich weitaus heißer an, ich kann kaum glauben in Tadschikistan bei 45° C und mehr durch die Gegend gefahren zu sein.

(E-M5, 45mm, f/9, 1/160sec, ISO-100)
(E-M5, 40mm, f/9, 1/500sec, ISO-100)
Der Fluss Jordan ist auch hier nicht sonderlich imposant (E-M5, 14mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
Blick zurück auf das Golan-Plateau, von dem ich heute abgefahren bin. (E-M5, 25mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
Obstanbau (E-M5, 38mm, f/9, 1/60sec, ISO-100)
Jüdischer Friedhof (E-M5, 30mm, f/9, 1/320sec, ISO-100)
Mittagessen (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/400sec, ISO-100)
Zeit für Eis ist eigentlich immer! (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/470sec, ISO-100)

Nach einem kurzen Pita-Hummus-Mittagessen quere ich dann ganz problemlos die Grenze und bin nun in der Westbank. Westjordanland – Palästina – Judea und Samaria, sucht euch einfach aus was euch am besten gefällt. Zwar wusste ich, dass die Einreise in diese Richtung zumeist problemlos von statten geht, bin trotzdem erleichtert als ich die Grenzstation im Rückspiegel verschwinden sehe.

Nächstes Reiseziel: Jericho (E-M5, 38mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)
Obst- und Gemüseanbau (E-M5, 14mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)

Nachdem lange Zeit riesige Anbaugebiete für Obst und Gemüse an mir vorbei zogen, kommt nun ein sehr einheitliches Landschaftsbild auf. Rechts von mir türmen sich die Klippen und Berge auf, ich fahre auf einer ziemlich welligen Route 90 durchs Land. Links von mir kommt ein militärisch abgesperrter Korridor, dahinter liegt dann der Fluss Jordan und auf der anderen Flussseite ist bereits jordanisches Staatsgebiet. Leider quält mich seit der Abfahrt aus dem Golan ein fieser Gegenwind, der einfach nicht schwächer werden will. Ich darf ganz schön strampeln um Strecke zu machen.

Schöne Steilklippen zu meiner Rechten (E-M5, 35mm, f/9, 1/50sec, ISO-100)
Blick nach Jordanien (E-M5, 16mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
(E-M5, 18mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)

Die Grenz-Befestigungen sind schon imposant, so hätte ich mir damals den chinesischen Grenzzaun in Tadschikistan vorgestellt. Bewegungsmelder, Starkstrom, Minen-Warnschilder und sicherlich allerlei sonstiger Hightech-Kram, den ich nicht sehen kann. Nun, wenn mir das Wasser ausgeht, rüttle ich einfach am Zaun, ich wette 10 Minuten später ist die Grenzsicherheit da. 😉

Sicherheitszaun und dahinter Jordanien (E-M5, 45mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
Sicherheitszaun (E-M5, 45mm, f/9, 1/320sec, ISO-100)
Jordanien-Panorama (E-M5, 14mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)
Ein Klick auf das Panorama vergrößert dies.
(E-M5, 45mm, f/9, 1/160sec, ISO-100)
(E-M5, 36mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)

Die Route 90, auf der ich mich gerade befinde, hält den Titel als niedrigster Highway der Welt, was der Routenführung am tiefliegenden Toten Meer vorbei geschuldet ist. Sie läuft von der libanesischen Grenze ganz im Norden bis zur südlichsten Stadt Israels, Eilat. Die Straße ist im Westbank-Abschnitt als „Area C“-Gebiet kategorisiert, das bedeutet sie unterliegt nicht der palästinensischen Autonomiebehörde, sondern ist auch in der Westbank unter israelischer Kontrolle. Durch die Checkpoints nach Israel kommen nur israelische Fahrzeuge und Personen mit israelischem Pass. Palästinenser*innen, die die Grenze passieren wollen brauchen eine gültige Arbeitserlaubnis für Israel oder überführen landwirtschaftliche Produkte. Besonders unrühmlich ist der Ruf der Straße, die höchsten Unfallzahlen in ganz Israel hervorzubringen. Je nachdem wen man fragt, liegt die Schuld dafür an verschiedenen Faktoren. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Route 90 vor allem in ihrem südlichen Abschnitt durch die Negev-Wüste schnurgrade und monoton ist, es passieren also wohl viele Unfälle durch unachtsame, müde Fahrer*innen. Vielfach wurde ich auf meiner Tour vor der Route 90 gewarnt, teilweise wurde mir in den schillerndsten Farben ausgemalt, dass ich hier auf alle Fälle mein Leben aufs Spiel setzen täte. Ich entschließe mich dazu, mich nicht dadurch verrückt machen zu lassen. Aufmerksam fahren, oft in den Rückspiegel blicken und keinesfalls bei Dämmerung unterwegs sein. Wird schon klappen!

(E-M5, 39mm, f/9, 1/400sec, ISO-100)
(E-M5, 39mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Wasser kriege ich in einem kleinen palästinensischen Café am Straßenrand aufgefüllt, dann geht es weiter. Ich halte schon fleißig Ausschau nach Campingmöglichkeiten. Obwohl viele Wege am Straßenrand gesperrt sind, gibt es doch ein paar Spots, wo ich ohne größeren Aufwand meinen Palast errichten könnte.

Und nachdem ich es heute endlich schaffe die 100km zu knacken, weil zwar keine großen Steigungen, aber viele kleine, mir das Leben schwer machen, verbunden mit starkem Gegenwind, finde ich nach 104km den gesuchten Platz. Eine kleine Anhöhe, die mich aus der Sichtweite der Straße bringt. Hier beobachte ich einen fantastischen Sonnenuntergang, bevor ich mich daran mache, das Zelt aufzuschlagen. Es liegt hier sogar ein kaputter, aber noch einigermaßen stabiler Stuhl rum. Einziger Nachteil bis jetzt: Im Gebüsch neben mir sind wohl zahlreiche Mäuse versteckt, es ist ein dauerhaftes Geraschel. Ich werde wohl heute meine Taschen extra gut Verschließen müssen, ich hoffe die bleiben meinen Sachen fern.

Hinter diesem Schutthaufen stelle ich heute das Zelt auf, nahe der Hauptstraße (E-M5, 18mm, f/9, 1/50sec, ISO-100)
Der Palmenhain am Campspot (E-M5, 9mm, f/9, 1/40sec, ISO-100)
Panorama Abendstimmung (E-M5, 9mm, f/9, 1/60sec, ISO-100)

Spannend finde ich die Darstellung der heutigen Tour:

Das Höhendiagramm meiner GPS-Software, wenn man unter Null kommt.

So genieße ich einen beeindruckenden Blick rüber nach Jordanien und entspanne am Abend. Zumindest so lange, bis es über meinem Kopf auf einmal klingt, als wäre der Vesuv ausgebrochen und Metallica hätte zeitgleich Rock am Ring eröffnet. Vom nahen Herzstillstand begleitet, beobachte ich wie etwa 50-100m über mir zwei gigantische Lockheed Militärtransporter hinwegdonnern. Es sind zwei der nur 18 in ganz Israel vorhandenen Lockheed C-130. Etwas früher am Tag hatte ich sie bereits fotografiert, da aber mit voll ausgefahrenen Tele-Zoom.

Man stelle sich den Flieger 100m Überkopf vor… Die Flugzeuge sind so nah, ich hab das Gefühl das Landegestell fast greifen zu können. Da sie gegen den Wind angeflogen kamen, höre ich sie erst, als sie genau über mir sind.

Die üben wohl Niedrigflugmanöver oder fliegen aus strategischen Gründen in der Westbank so niedrig. Ich vermute ersteres, denn keine halbe Stunde später donnern sie erneut über meine Köpfe (wenn es denn nun nicht zwei weitere Flieger waren), diesmal allerdings mit weniger Herzstillstand und mehr „HOLY SHIT!“. Was ein verrückter Ausklang eines tollen Tages!

[Tag 3]: Libanesische Grenze – Nof HaKinneret

[Biking] – Israel 2019

[Tag 3] Libanesische Grenze – Nof HaKinneret

1. Dezember 2019: 50 Kilometer, 1310 Höhenmeter vom Campingplatz in die Nähe der libanesischen Grenze bis Nof HaKinneret nahe Safed.

GPX-Daten

Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:

Zeit in Bewegung: 4:50h
Tempodurchschnitt: ~11,0km/h
Maximalgeschwindigkeit: 51,8km/h

Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)

Wie gestern angenommen, bleibe ich auch in der Nacht unentdeckt, kein Auto verirrt sich auf meinen Schotterweg. Der Start in der Früh ist ein bisschen beschwerlich, aber da ich den Wecker auf eine unheilige Zeit gestellt habe, komme ich nichtsdestotrotz um 7.30 Uhr los.

Mein Camp am Morgen (E-M5, 14mm, f/6.3, 1/40sec, ISO-250)

Heute geht es zuerst nach Safed und der Weg kennt nur eine Richtung: Bergauf.

Hügelig wäre als Beschreibung für den heutigen Tag eine Untertreibung (E-M5, 16mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
Ab nach Shelomi (E-M5, 45mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 45mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
Roadkill im Straßengraben. (E-M5, 36mm, f/9, 1/10sec, ISO-100)

Vom Übernachtungsplatz auf knapp über 270m windet sich die Route immer weiter in den Himmel, Safed selbst liegt auf 800m. Dazwischen warten also einige anstrengende Kilometer, auf denen es im 2. Gang in Kriechgeschwindigkeit bergauf geht. Gut, dass hier auf dieser Landstraße, zumindest am Morgen, das Verkehrsaufkommen doch geringer ist als es gestern Abend war.

Finde ich unfair, mir mein Reisetempo so unfreundlich unter die Nase zu reiben! (E-M5, 45mm, f/9, 1/60sec, ISO-100)
Vorallem wenn es gleich steil bergauf geht (E-M5, 35mm, f/9, 1/160sec, ISO-100)
Runter-hoch-runter-hoch (E-M5, 18mm, f/9, 1/160sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/9, 1/400sec, ISO-100)

Dafür bleibt wenigstens der Ausblick fantastisch. Da ich mich grundsätzlich weiter gen Osten bewege fahre ich parallel zur libanesischen Grenze. An einer Stelle bin ich auch nur noch 200m von der Grenze selber entfernt, man sieht im Tal bereits die libanesischen Ortschaften.

Der Grenze ganz nah. Blick in den Libanon (E-M5, 45mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)
(E-M5, 45mm, f/9, 1/20sec, ISO-100)
Keine 100 Meter mehr von der Grenze entfernt.
Blick in den Libanon (E-M5, 45mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)
Die andere Talseite ist bereits libanesisches Staatsgebiet (E-M5, 45mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
Blick zum israelischen Grenzturm (E-M5, 45mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Genau die Grenze ist es ja nicht, dazwischen liegt noch eine von der UN kontrollierte demilitarisierte Zone, die sogenannten blauen Linie. Es verwundert also nicht, dass hier oben ganz schön viele Militärfahrzeuge und weiße UN-Jeeps unterwegs sind. Auch das israelische Militär patroulliert an der Grenze, schließlich werden immer wieder Angriffstunnel der Hisbollah entdeckt, womit die Terrororganisation vom Libanon aus versucht in israelisches Staatsgebiet vorzudringen.

Meinem steilen Klettern kommt zum Glück das Wetter heute entgegen. Bei relativ angenehmen 24 ° geht es mir deutlich besser als den über 45°, die ich stellenweise in Tadschikistan bewältigen musste. Trotzdem, die Höhenmeter bleiben knackig. In den ersten 15 Kilometern des Tages habe ich bereits 700 Meter davon hinter mich gebracht. Immer wenn man einen Hügelkamm mit dazugehörender Ortschaft erreicht hat, lässt sich mit fast 100%iger Sicherheit sagen, dass der Weg danach erstmal 50 oder mehr Höhenmeter wieder ins Tal schießt, nur um dann mühsam wieder empor zu klettern.

Weiter nach Safed, nun wieder auf einer “Hauptroute” (E-M5, 40mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)

Safad scheint einfach nicht näher zu kommen, auch wenn es nur 40 Kilometer Wegstrecke sind. Als ich die letzten 5 davon erreicht habe, ist die Power wirklich raus aus den Beinen, schließlich habe ich heute bereits mehr Höhenmeter geschafft, als damals am ersten, verhängnisvollen Tag in Tadschikistan.

Erster Blick auf Safed (E-M5, 28mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Und erneut geht es nun auf- und ab, ich keuche gegen die Widrigkeiten an. Da holt mich von hinten Alon ein, der erste Radfahrer mit Tourenrad, der mir im Land begegnet. Sonst waren es immer nur Menschen auf ihren (beneidenswert leichten Rennräder. Wir quatschen ein paar Minuten im Schatten eines Baumes und entweder habe ich einen interessanten Eindruck oder einen unerträglichen Geruch hinterlassen. Denn Alon bietet mir an, dass ich nach der Stadtbesichtigung in Safed bei ihm in einem nahegelegen Ort vorbeikommen kann, ich darf gerne übernachten und bei ihm die Dusche nutzen. Ein sehr nettes Angebot, ich sage ihm, ich werde mich nach dem Besuch in Safed entscheiden.

(E-M5, 14mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Safed selber ist eine schöne Stadt, malerisch auf einem Berg gelegen, dadurch aber auch ziemlich anstrengend zu erkunden. Ich lasse mein Fahrrad bei einem Restaurant zurück und gehe zu Fuss weiter. Der Ausblick vom höchsten Punkt ist phänomenal, Safed ist die höchstgelegene Stadt Israels.

Während ich vom Berg/Hügel absteige kommen mir etwa 50 Jugendliche entgegen, alle mit einer Schutzweste und einem Gewehr bewaffnet. Es stellt sich raus, dass dies wohl eine Art Spielzeuggewehr ist, wo über ein Geräusch in der Weste dargestellt wird, wenn man getroffen ist. Diese Jugendliche spielen unter Beobachtung eines Erwachsenen die Erstürmung des Bergs in Safed nach. Alles seeeeehr skurril.

Nachgespielte Gefechte (E-M5, 45mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)

Es gäbe zahlreiche religiöse Stätten zu besuchen, schließlich ist Safed die 4. wichtigste Stadt im Judentum und das Zentrum der jüdischen Mystik (Kabbala), ich entschließe mich aber für einen Bummel durchs Künstler*innenviertel.

In Safeds Künstler*innenviertel (E-M5, 24mm, f/9, 1/1000sec, ISO-100)

Die Bevölkerungszusammensetzung wirft ein spannendes Schlaglicht auf eine diverse Stadtgesellschaft, zwischen vielen (Ultra-)Orthodoxen, und Künstler*innen mischen sich noch jede Menge Tagestourist*innen. Die Stadt scheint vielfach recht arm zu sein, ich werde überaus häufig im Namen dieser oder jener religiösen Vereinigung angebettelt. Zudem scheint die Quote an verrückten (exzentrischen?) Menschen sehr hoch, nun das kenn ich ja aus Berlin auch nicht anders.

(E-M5, 14mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 45mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
(E-M5, 26mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 28mm, f/8, 1/40sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/8, 1/100sec, ISO-100)

Im Gespräch mit meinem Sitznachbarn auf der Parkbank darf ich mir plötzlich ein Loblied auf den BREXIT anhören, ergänzt durch absolutes Unverständnis, wie ich diesen nicht begrüßen könne. Zeit die Stadt zu verlassen, also Drahtesel gesattelt und weiter geht’s.

Blick zurück auf Safed bei der Fahrt aus der Stadt (E-M5, 18mm, f/8, 1/200sec, ISO-100)

Ich war unentschieden wie ich weiter verfahren sollte: Eigentlich hatte ich vor von Safed auf die Hula-Ebene hinab zu fahren, die 700 Höhenmeter unter mir liegt. Dann wäre es bretteben zum Hula-Nationalpark gegangen. Andererseits sind das alles in allem nur 20 Kilometer, von denen 5 auch noch steil Bergab gehen. Das könnte ich also auch morgen früh gut und schmerzlos erledigen und heute den Abend bei Alon verbringen.

Erster Blick auf den See Genezareth (E-M5, 19mm, f/8, 1/250sec, ISO-100)
See Genezareth (E-M5, 18mm, f/8, 1/200sec, ISO-100)

Als ich nach dem losfahren auch nur die kleinste Steigung hochfahren muss, ist die Entscheidung gefallen: Ab zu Alon und morgen erst gen Hula-Ebene. Die Beine fühlen sich einfach an wie Gummi, ich habe seit drei Tagen nicht geduscht, und ich habe keinerlei Lust wieder 10 Minuten vor Einbruch der Dunkelheit unten im Tal nach einem Campplatz Ausschau halten zu müssen.

Traumhafte Abfahrt nach all den Höhenmetern heute. Bereits im Blick: Das tieferliegende Hula-Tal und dahinter bereits die Golanhöhen (E-M5, 17mm, f/8, 1/100sec, ISO-100)
HulaTal und Golanhöhen (E-M5, 45mm, f/8, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 16mm, f/8, 1/125sec, ISO-100)

Auf dem Weg zu Alon komme ich noch an wunderbaren Ausblicken auf den See Genezareth vorbei, gut dass dieser Ausblick auch von Alons Terrasse das Panorama dominiert. Und an was für einem beeindruckenden Ort ich hier gelandet bin: 5 Schlafzimmer hat das Haus, gebaut in einem kleinen, aber anscheinend sehr wohlhabenden Dörfchen.

Mein heutiger Palast (E-M5, 9mm, f/7.1, 8sec, ISO-400)

Alons Frau lebt im selben Haus, allerdings im Erdgeschoss, da sie an Lupus erkrankt ist und seit ein paar Jahren ein 100%iger Pflegefall ist, betreut durch eine 24h Pflege, die auch im Haus untergebracht ist. Eine wirklich berührende Geschichte, die mich mitnimmt. Vor ein paar Jahren war sie noch komplett gesund, dann gab es Gleichgewichtsprobleme beim Radfahren und von da an ging es steil Bergab mit ihrem Zustand. Umso faszinierender, wie Alon mit der Situation umgeht.

All dies erzählt mir Alon nachdem ich eine wohltuende Dusche genießen konnte.

So fertig sehe ich aus nach einer Bergetappe (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/30sec, ISO-219)