Tag 34 – 36: Stokmarknes – Tromsø 

Tag 34: Stokmarknes – Stave

Kann mich heute früh nicht dazu überwinden, aus dem warmen Schlafsack zu kriechen, komme aber trotzdem um halb 10 los.

Schnell bin ich auf der Brücke, über die ich die nächste Insel erreiche.

Das Wetter heute ist eine Katastrophe: Kaum habe ich den Campingplatz verlassen setzt ein ekliger Nieselregen ein.
Die ersten 25km bis Sortland sind noch relativ eben, dort komme ich gut voran. Aber zum inzwischen stärker gewordenen Regen und Temperaturen um 8° kommt nun immer stärker werdender Gegenwind dazu. Hilft nichts, ich quäle mich weiter. Mir ist bitterkalt, die zahlreichen Brücken die ich queren muss haben auch ihren Reiz verloren. Diese sind sehr hoch gebaut worden, damit in der Mitte die Kreuzfahrtschiffe der Hurtigrute hindurchpassen. Aus diesem Grund bringt jede Brücke einen quälend steilen Anstieg im ersten Gang mit sich. Oben erwartet mich dann mehr kalter Wind, Regen und eine kühle Abfahrt.

Durch das Wetter ist die Sicht wieder miserabel. Es ist zum Verzweifeln, da bin ich auf Andøya, der wildesten Insel der Vesterålen, um mich herum erheben sich schroffe Berge, wartet türkises Meer und Sandstrände auf die Entdeckung und ich sehe davon absolut nichts.

Mehrere Pausenplätze muss ich überspringen, da diese nicht windgeschützt sind, oder keine Sitzgelegenheit bieten. So komme ich zum zweiten Tag in Folge erst nach 70km zu einer Pause. In einem Café wird mir erlaubt, mein mitgebrachtes Essen zu mir zu nehmen, sofern ich zumindest einen Tee bezahle. Kommt mir sehr gelegen, schließlich kann ich jede Wärme brauchen die es gibt.

Schön, dass dafür Bewusstsein geschaffen wird. 

Nach einer Stunde quäle ich mich wieder heraus in den Regen. Nach Rimsøyhamn biegen ich von der Hauptstraße 82 auf die Westseite der Insel ab. Dies ist ein Panorama Weg und verspricht weniger Verkehr, wenn ich schon nichts von den Ausblicken genießen kann.

Ich habe keine Ahnung wie es geographisch und meteorologisch möglich ist, aber egal in welche Richtung ich an diesem Tage fahre, der Wind kommt mir immer entgegen. Evtl. bricht er sich an den Bergen, evtl. will man mich einfach ärgern.

Auf den letzten 30 Kilometern hört der Regen endlich auf, dafür entscheidet sich der Wind “jetzt erst recht” und verstärkt noch mal auf über 25km/h. Jetzt ist es nur noch der pure Durchhaltewillen, der mich vorantreibt. Ich will einen Campingplatz erreichen, will eine warme Dusche und will in mein Zelt. So beflügelt kämpfe und schreie ich gegen den Wind an. Und überraschenderweise kommen sogar ein paar Details der Landschaft zu Tage, so habe ich zum Abschluss noch ein paar spektakuläre Ausblicke genießen können.

Enter the Void

Nach 118 Kilometern komme ich abgekämpft und verfroren am Platz an. Und was ein schöner Platz das ist, besonders wenn jetzt Hochsommer wäre: Weißer Sandstrand, direkt dahinter schroffe Berghänge.

Der Campingplatz hat sogar beheizte Jacuzzi-Pools, mit 38° warmen Wasser. Im Geiste sehe ich mich da schon drin treiben, bis mir Schwimmhäute wachsen. Allerdings wollen sie dafür unverschämte 30€ für 90 Minuten, da bleibt mir also nur die warme Dusche.

Wie gerne wäre ich da rein gehüpft. 

Das Zelt steht und ich kann mich meinen üblichen Abendbeschäftigungen hingeben.

Echte Walknochen als Campingplatz-Deko. 

Auch wenn heute wenig Spaß gemacht hat, so bin ich doch froh über die Erfahrungen. Zu Beginn meiner Tour hätte ich keineswegs so einen Gewaltmarsch gegen ein so feindliche Klima bestehen können. So habe ich morgen nur noch knappe 20 Kilometer bis nach Andenes, der Hauptstadt der Insel. Dort werde ich mir einen touristischen Höhepunkt gönnen, bevor ich mit der Fähre nach Senja, der nächsten Insel übersetze. Von dort sind es nur noch 135km nach Tromsø, der nächsten richtigen Stadt.

Tag 35: Stave – Ersfjorden

Der Tag beginnt früh, da ich zeitig nach Andenes kommen muss. Bereit um 9.30 Uhr sind die ersten 20km des Tages geschafft und ich kaufe mir im Supermarkt von Andenes mein Mittagessen.

Der nächste Meilenstein! 


Auf der vorgelagerten Insel gibt es jede Menge Papageientaucher, angeblich auch zahlreiche Seeadler, die Jagd auf sie machen. 

Was es hier nicht alles gibt. 

Der Grund für das frühe Aufstehen? In Andenes geht es heute auf Wal-Safari!

Dazu gibt es bei der veranstaltenden Firma zuerst eine Führung durch Ihr hauseigenes Museum. Unter anderem ist dort ein komplettes Skelett eines Pottwals ausgestellt, dem Wal, dem wir am wahrscheinlichsten Begegnen werden.

Ein Tier voller Superlative: Mit maximal 9,5kg das schwerste Gehirn aller Lebewesen. Das Echolot, dass sie zum orientieren, jagen, kommunizieren nutzen sendet Schall mit bis zu 220-230dB aus (Vergleich dazu: Startender Jet 150dB). Als Resonanzkörper für die Schallwellen befindet sich im Kopf des Wals über 3 Tonnen einer ölhaltigen Flüssigkeit! Kein Wunder also, dass sie früher exzessiv gejagt wurden und mit dem Öl in Norwegen lange Jahre die Straßenlaternen befeuert wurden.
Tauchtiefe: Bis zwei Kilometer, um Jagd auf Riesen-Kalamare machen zu können.

Nach dieser Einführung geht es aufs Boot und raus auf See. Andenes hat die idealen Bedingungen, da die Kontinentalplatte sehr nah am Ufer ins tiefe Wasser übergeht. Dort sind die Nährstoffen, also sind dort auch die Wale anzutreffen.

Nach einer halben Stunde Fahrt sind wir im Zielgebiet. Pottwale holen 5-10 Minuten lang Luft, dann gibt es einen Schlag mit der Fluke (Schwanzflosse) und sie sind weg. Also selbst wenn wir den Blas des Wals sehen können, haben wir nur wenig Zeit um ranzukommen. Das Schiff nutzt dazu Hydrophone, um die Klick-Laute der Wale zur Ortung zu nutzen. Ich verstehe wirklich nicht, wie früher der Walfang funktioniert hat, ganz ohne Hydrophone und mit einem Segelschiff, dass ersten langsamer war und zweitens nicht auf der Stelle wenden und wieder beschleunigen konnten. Ein Wunder das trotzdem alle Populationen fast ausgerottet werden konnten.

Und tatsächlich, innerhalb der nächsten Stunde gelingt es uns, an zwei Wale näher ran zu kommen.

Wal Nr. 1


Wal Nr. 2 

Es ist beeindruckend, die Größe der Tiere wahrzunehmen, besonders wenn sie die Fluke heben und abtauchen. Bei den Bullen bewegt sich da über 40 Tonnen Gewicht scheinbar mühelos im Wasser. Allerdings sieht man nie den ganzen Körper, es sind eher nur Körperteile zu sehen.

Mir gelingen trotz dem schwankenden Boot doch ein paar Aufnahmen, mit den Mitreisenden kann ich aber nicht mithalten. Was da an Kamera + Objektiven zusammenkam, hätte wohl gereicht um das Boot zu kaufen, auf dem wir gerade standen. Trotzdem habe ich die Tour sehr genossen, das schwankende Boot, die raue See. Mir hats gefallen, etwa 5 der 30 Reisenden waren eher intensiv mit der Reling beschäftigt, so blieben aber mehr Gratis-Cracker für mich übrig 😀

Im Nachgang meiner Tour hat mir Roland, den ich auf der Walsafari getroffen habe, dankenswerterweise ein paar seiner Wal-Fotos zugeschickt, die ich auf diesem Blog veröffentlichen darf. Spiegelreflex + Teleobjektiv machen halt was her.

© Roland

Landschaftsaufnahmen gelangen mir aber vom Boot ganz passabel.

Auch eine ganz ordentliche Tour. 

Nach der Rückkehr nach Andenes hatte ich noch eine Stunde für die Mittagspause, dann ging es gleich aufs nächste Schiff.

Mit der Fähre setze ich nun von der Insel Andøya auf die nächste Insel, Senja, über. Dies war die erste lange Fährfahrt seit Rostock, die Fähre braucht knapp unter 2 Stunden. Kostet dafür aber auch ein Schweinegeld, knappe 30 Euro musste ich dafür berappen.

Senja in Sicht

Um 19 Uhr bin ich auf Senja und habe heute auch erst 20 Kilometer zurückgelegt.

Um morgen Tromsø zu erreichen, muss ich heute also weiterkommen. So schließe ich mich erst zwei jungen Norwegerinnen an, die jedoch ziemlich schnell einen Zeltplatz suchen.

Anschließend schaffe ich es noch zu einem Norweger aufzuschließen, der auf Senja selbst wohnt, also gerade auf dem Heimweg einer einwöchigen Tour ist.

Größter Troll Norwegens

Dieser warnt mich noch, dass der Anstieg zum nächsten Tal es wirklich in sich hat. Und er hat wahrlich nicht gelogen.

4 Kilometer lang geht es mit 8% Steigung den Berg hoch, immer weiter Kurbel ich mich vom Fjord weg. Da ist selbst der erste Gang nicht ausreichend übersetzt, wenn die Beine müde werden, muss ich pausieren, dann geht es wieder 500m weiter, dann kommt die nächste Pause. Der Schweiß fließt in Strömen, obwohl es empfindlich kalt ist.

Vom Meer bis hoch in die Berge.

Nach 350 Höhenmeter Anstieg stehe ich neben einem noch gefrorenen See und bereite mich auf die Einfahrt in einen knapp 2 Kilometer langen Tunnel vor. Der führt zum Glück bergab, und so rase ich “Echo” schreiend durch die dunkle Röhre. Tunnel sind hier noch echte Wunderwerke, roh aus dem Stein geschlagen, teilweise läuft Wasser an den Wänden entlang. Richtig eindrücklich.
Die Abfahrt ist toll, besonders weil danach der Aussichtspunkt “Bergsbotn” kommt, wo man eine architektonisch relevante Konstruktion in den Berg gesetzt hat.

Generell bin ich fasziniert davon, wie schön die Insel ist. Senja ist noch mal wilder als Andøya oder die Lofoten.

Zudem sind die Straßen deutlich verkehrsärmer, mit den Norwegerinnen bin ich vorhin auf der vollen Breite der Straße gefahren, wir alle nebeneinander. Die Aussicht auf den anderen Inseln ist auch fantastisch, leider hatte ich wirklich erst ab Senja das Wetterglück, diese Landschaft auch genießen zu können.
Nach dieser ersten steilen Etappe geht es nach Umrundung eines Fjords noch an den zweiten Anstieg, zum Glück diesmal nur mit 150 Höhenmeter. Als ich dort wieder aus dem Tunnel geschossen komme, liegt vor mir der Ersfjorden, der einen wunderschönen Sandstrand hat. Nach der Abfahrt dort runter baue ich auf einer Düne sofort mein Zelt auf.

Es ist bereits 22 Uhr, ich seit 6 Uhr auf den Beinen und deswegen total kaputt. Abends genieße ich die Mitternachtssonne, die über den Fjord zieht, verkriechen mich wegen den Temperaturen aber schnell im Zelt.

23:30 Uhr

23:55 Uhr

Hatte ich gestern Abend noch ein leichtes Kratzen im Hals ist es inzwischen doch auf dem Weg zu einer Erkältung. Ich hoffe inständig, dies wird nicht zu schlimm und werde schauen ob ich in Tromsø ein wenig pausiere um zu Kräften zu kommen. Da ich morgen wieder eine Fähre erwischen muss, werde ich wohl zeitig aufstehen müssen.

Tag 36 Ersfjorden – Tromsø 

Der Wecker klingelt prompt um 5:45 Uhr. Absolut eklig nach den Anstrengungen des Vortages. Aber bis zur Fähre sind es noch rund 38 Kilometer und eine Fähre fährt um 9:45 Uhr, die nächste erst wieder um 14 Uhr. Erwische ich die Erste nicht, schaffe ich es heute nicht nach Tromsø.

Also bin ich um Punkt 7 wieder on the road, zuvor hat der Himmel sich überlegt, genau dann anzufangen zu regnen, als ich das Zelt zusammenpacken wollte. Also wieder ein Start in Regenklamotten.

Am Mefjorden entlang geht es durch zahlreiche kleine Tunnel, diese haben aber eine gute Infrastruktur für Radfahrer, überall gibt es Warnlichter zu aktivieren, teilweise kann man sich gratis Warnwesten aus einer Kiste nehmen, und diese nach dem Tunnel wieder in die andere Kiste packen.

Anschließend geht es wieder an einen steileren Anstieg, und auch wenn der nur 150 Höhenmeter beinhaltet, ist es nach der Tortur von gestern in jeder Muskelfaser zu spüren. Zudem ist es weiterhin kalt mit gelegentlichen Schauern.

An einer Stelle beobachte ich einen Seeadler, der sich einem Möwennest genähert zu haben scheint. Todesmutig stürzt sich die Möwe in einen Gegenangriff und treibt den Adler vor sich hin. Der Vogel hat sicher nur ein Viertel der Spannweite, jagt aber den Adler über den ganzen Fjord, immer wieder schlägt die Möwe auf den Adler ein.

Meine Zeitplanung geht auf, 25 Minuten bevor die Fähre abfährt komme ich am Hafen an. Diese Fähre dauert nun knappe 40 Minuten und bringt mich von Senja nach Kvaløya. Solltet ihr jemals nach Nordnorwegen kommen, stattet Senja auf alle Fälle einen Besuch ab, es ist absolut paradiesisch dort.

Auf Kvaløya geht es lange Kilometer einen Fjord entlang, dann geschieht auch hier der Aufstieg in die Berge.

Die Höhenmeter lohnen sich aber, denn der Blick auf die umliegenden, schneebedeckten Berghänge entschädigt. Hier treffe ich auch auf Stuart, einen schottischen Radreisenden, der gerade vom Nordkapp kommt. So können wir gegenseitig uns ein paar Tipps zur Vor uns liegenden Strecke geben. Stuart berichtet, dass er sich am Nordkapp eine zweite Regen Jacke gekauft hat, so bescheiden waren die Verhältnisse. Als ich ihm ein paar Tipps gebe, stellt sich heraus, dass er bereits die USA durchquert hat, ebenso von Schottland nach Istanbul gefahren ist. Der Typ braucht also wahrlich keine Tipps von mir, der weiß schon was er macht. Zudem will er nach Tariffa, Europas südlichsten Punkt, hat also noch gut Strecke vor sich.

Stuart

Und endlich mal wieder ein Portrait von mir, danke Stuart. 

Nach 70 Kilometern mache ich hier eine Mittagspause am Wegesrand, inzwischen hat die Sonne sich ein wenig gezeigt und es ist gar nicht so kalt. Nach 30 Minuten vertreibt mich allerdings wieder der einsetzende Nieselregen.

Jetzt liegen nur knappe 25 Kilometer bis Tromsø vor mir, die ich versuche im schlechten Wetter hinter mich zu bringen.

Die ersten Blicke auf die Stadt gefallen, schließlich erhebt sich die Stadt vor einem astreinen Bergpanorama. Nur das Tromsø auf und hinter einem Hügel liegt, dass müsste wirklich nicht sein. Da ich keine Lust auf die 8 Kilometer um den Hügel habe, nehme ich die 2,5 Kilometer über den Hügel in Kauf. Enge, steile Straßen bringen mich so endlich zu meinem Hostel.

Dort kommt als erstes meine Wäsche in die Waschmaschine, hatte ich das doch zuletzt in Kiruna vor knappen 10 Tagen gemacht. So sitze ich und schreibe diesen Blogeintrag bekleidet mit meiner Regenhose und meiner Regen Jacke 😀

Vorhin war ich noch in der “Bike Kitchen”, eine Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt, die vor 7 Tagen in Tromsø eröffnet hat. Dort kann ich in sauberer Umgebung und mit einem Montageständer mal mein Rad ordentlich putzen, ölen und ein paar Schrauben nachziehen. Deutlich angenehmer als das Arbeiten auf der Wiese neben dem Zelt. Solltet ihr in Tromsø also mal ne Werkstatt brauchen, diese ist ideal, und dankenswerterweise auch Gratis zu nutzen.

Ich bin am Überlegen morgen einen Ruhetag im Hostel einzulegen, die Erkältung zu bekämpfen und ein wenig auszuspannen. Mein norwegischer Weg zum Nordkapp ist 1100 Kilometer lang, davon habe ich jetzt in Tromsø etwa die Hälfte geschafft. Das kann man schon mal mit einem Ruhetag zelebrieren. Generell soll das Wetter sich bessern, für Samstag sind in Tromsø gar 21° angesagt!! Ich habe die leise Hoffnung, dass der Sommer langsam angekommen ist, was fantastisch wäre für den Weg zum Kapp.