Tag 31 – 33 : Narvik – Stokmarknes 

Tag 31: Narvik – Moskenes

Die Nacht am Campingplatz bleibt ruhig, keiner kommt vorbei. So packe ich in der Früh meine Ausrüstung zusammen und mache mich auf den Weg zum Busbahnhof. 
Dort besteigen ich einen Bus, der mich an die entfernteste Insel der Lofoten Inselgruppe bringen soll. Da die Lofoten eigentlich nur von einer Hauptstraße durchquert werden, spare ich mir so, diese Straße bis ans Ende der Inselgruppe zu radeln, nur um dann umzudrehen und auf der selben Straße zurück zu fahren. 

Die Busfahrt ist sehr angenehm. Knappe 8 Stunden braucht der Bus, ich verbringe die Zeit mit Lesen und aus dem Fenster schauen. Dank Studentenausweis zahle ich auch knappe 21 Euro für die Reise, finde ich einen ziemlich gerechtfertigten Preis. Die Lofoten haben einen ganz besonderen Charme, da sie so bergig sind. Nun, nicht bergig in dem Sinne, wie meine bayrische Herkunft Berge definieren würde. Die lofotischen Erhebungen sind maximal 1000 Meter hoch. Aber da die Bergflanken sich direkt aus den Fjorden erheben, erscheinen diese Berge weitaus höher, massiver und beeindruckender. Dies ist auch das fesselnde an der Busfahrt, die Straße direkt am Meer entlang und ringsum die zerklüfteten Berge, die in den Himmel jagen. Infos zu den Lofoten gibt es bei Wikipedia

Mir fällt auf, dass dies seit Göteborg das erste Mal ist, dass ich wieder in einem öffentlichen Verkehrsmittel sitze. Wenn man die 30km PKW-Fahrt nach Mora ausblendet (die ja nur dazu diente, mein kaputtes Rad zum Radhändler zu bringen), ist dies also meine erste motorisierte Fahrt seit über 20 Tagen. Völlig verrückt wie ich mich an die Geschwindigkeit des Rades angepasst habe, mit 80 oder 100 km/h zu fahren erscheint mir schwer greifbar und auch wie mühelos es Anhöhen hoch geht passt nicht mehr in meine Wahrnehmung. 

Dies ist tatsächlich das Einzige, was mir an dieser Bustour nicht gefällt: Das Bewusstsein, dass ich nun die Straße erkunde, die ich die folgenden Tage wieder zurückfahren muss. Bei jeder Steigung denke ich mir “oh, das wird hart mit dem Rad”, bei jedem Tunnel suche ich nach dem Seitenstreifen für Radfahrer. Es gefällt mir deutlich besser ins Ungewisse zu fahren, als einen Überblick über die beschwerlichen Stellen der nächsten Tage zu haben. 

Nach einer langen Busfahrt steige ich in Å aus dem Bus. (Übrigens ein toller Ort für eine Partie “Stadt, Land, Fluss” und generell wohl einer der kürzesten Ortsnamen der Welt 😉   ). Was ich nicht bedacht hatte: Der Radhalter am Heck des Busses ist zugleich auch am Auspuff dran. Mein Rad ist von oben bis unten in Feinstaub bedeckt. Das zeigt mal die Proportionen auf, was da täglich rausgeblasen wird. Ich muss jedenfalls erstmal mein Rad säubern bevor ich aufsatteln kann. 

Nun hätte ich zwei Optionen: Der Campingplatz in Moskenes ist nur 5km entfernt, der Nächste in 33km. Da es aber bereits 18 Uhr ist, ordentlich regnet und auf dem nächsten Abschnitt einige Sehenswürdigkeiten liegen, die ich in Ruhe betrachten will, entscheide ich mich für den näheren Campingplatz. 

So habe ich heute tatsächlich nur 8km zurückgelegt, als ich am Platz ankomme. Dieser liegt direkt an der Fähranlegestelle für die Bødø-Fähre. Und das macht einen riesen Unterschied – Der Campingplatz ist voll! War ich die vergangen Wochen zumeist das einzige Zelt am Platz stehen hier nun mehrere Dutzend und endlos viele Camper. Nachts muss der Platz sogar wegen Überfüllung schließen. 

Miserables Wetter! 

Ich baue im Regen mein Zelt so schnell auf wie es geht und flüchten dann endlich unter die Dusche. Nach 2 Nächten und 3 Tagen ohne Waschmöglichkeit ist es wirklich herrlich endlich massenhaft warmes Wasser zu haben. Auch die Küche nutze ich danach, auch wenn da wirklich Akkordbetrieb vorherrscht, aber so kann ich wenigstens im Warmen sitzen und führe ein paar nette Gespräche mit anderen Gästen. 

Beim Schlafengehen prasselt der Regen aufs Zelt. Leider steht zu befürchten, dass sich das morgen nicht ändern wird, es ist weiterhin schlechtes Wetter angesagt. 

Tag 32: Moskenes – Malnes

Wie erwartet ist der Soundtrack beim Aufwachen der Selbe – das beständige Trommeln des Regens auf dem Aussenzelt. So bleibe ich noch ein wenig länger liegen, frühstücke in der Küche und mache mich schließlich um halb 10 auf den Weg. 

Habe in der Küche noch eine nette Britin getroffen, die in die selbe Richtung wie ich mit dem Rad unterwegs ist. Allerdings hat sie einen Anhänger samt Hund dabei. Sie spricht davon, dass die “Lofoten ja ziemlich flach seien.” Ich will sie nicht beunruhigen und lasse sie in dem Glauben. 

Etwa 10 Minuten nach dem Start hole ich sie ein, sie kämpft sich gerade einen Hügel hoch und muss schieben. Unsere Geschwindigkeiten unterscheiden sich so gravierend, dass zusammen fahren keinen Sinn machen würde, deswegen Grüße ich sie nur kurz und ziehe dann vorbei. Der Beginn der Strecke heute ist alles, nur nicht “ziemlich flach”. Ständig geht es hoch und runter, die Dörfer scheinen auf jeden kleinen Vorsprung positioniert zu sein, die die ursprünglichen Erbauer finden konnten. Schnell bin ich in Reine angekommen. 

Vor 3 Jahren bin ich den dortigen Hausberg Reinebringen hochgeklettert und habe fantastische Aufnahmen machen können. Heute hingegen ist die Bergspitze nicht mal sichtbar im Nebel, es ist kalt und der Regen kommt fast horizontal. Also schnell weiter. 

Aufstieg zum Gipfel

Reine und der Reinebringen in den Wolken. 

Habt ihr euch mal gefragt, wo eure wunderbaren, antibiotikagefüllten Lachse herkommen? Bitteschön:

Die Fjorde sind wunderschön, allerdings auch ziemlich frustrierend zu fahren. An einer Stelle müsste ich etwa 400m Wegstrecke zurücklegen, gäbe es eine Brücke über den Fjord. Stattdessen geht es über 9 Kilometer am Fjord entlang bis ich auf der Gegenseite stehe. Das schlaucht ganz schön, aber wenigstens hat man so viel Zeit sich die Landschaft anzuschauen. 

Selbst die Schafe sind schlauer als ich und verstecken sich vor dem Regen. 


Die Lofoten sind schon seit Jahrhunderten am Meisten für ihren Fischfang berühmt. Jedes Jahr ziehen hier große Mengen Dorsch an den Inseln vorbei. Die gefangenen Fische werden auf gigantischen Holzgestellen Luftgetrocknet, eine uralte Methode zur Konservierung. Mein Reiseführer erzählt mir, dass im 11. Jahrhundert die Erträge aus den lofotischen Fischfängen größer waren, als der gesamte Staatshaushalt der norwegischen Regierung. Sind also gewaltige Dimensionen und zeigt, weshalb Fischfang hier noch eine so gewichtige Rolle spielt. 

Auf einem steilen Anstieg treffe ich einen weiteren deutschen Radfahrer, der seit zwei Wochen von Oslo aus unterwegs ist. Zusammen fahren wir in den ersten Tunnel meiner bisherigen Tour. Es hätte zwar heute einige Tunnel gegeben, zumeist führen die allerdings durch Berge hindurch und Radfahrer und Fußgänger müssen die Umfahrungsstraßen nutzen, die an den Berghängen entlangführen. Dieser Tunnel jedoch führt unter dem Meer zwischen zwei Inseln hindurch, da gibt es keine Umfahrungsstraßen 😉

Also Licht an und ich wage mich als Erster in den Tunnel. Es gibt einen Gehweg, auf dem wir fahren können. Erst geht es 800m steil bergab. Ich kann leider nicht so Rollen lassen, wie ich gerne möchte, dafür ist der Belag zu schlecht und zu wenig Licht vorhanden. Trotzdem geht es mit gut 40km/h hinab. Unten dann der Richtungswechsel, nun geht es quälend steil bergauf. Alles in allem ein guter, erster Test, die Kür erwartet mich dann an dem Tunnel, der zum Nordkapp führt, mehr dazu aber in gegebener Zeit. 

Nach 60km bin ich über die Inseln Moskenesøya, Flakstadøya nun endlich auf Vestvågøya und komme in der Stadt Leknes an, erledige meinen Einkauf und verschwinde dann in eine Imbissbude:

 Es hat nun die vergangenen 4 Stunden nicht einmal aufgehört zu regnen, der Gegenwind peitscht mir ins Gesicht und es ist wieder so kalt, dass man seinen Atem sehen kann. In dieser Situation brauche ich was Warmes zu essen und die Möglichkeit mich aufzuwärmen. Über eineinhalb Stunden sitze ich dort, bis ich mich zur Weiterfahrt aufraffen kann.  

Ich biege von der Haupt Route E10 auf die Straße Nr. 815 ab. Ich erhoffe mir davon weniger Caravan-Verkehr, Kilometer mäßig schenkt sich das nichts. Dafür erkaufe ich mir diese Einsamkeit durch einen steilen Aufstieg ins Nebental. Knappe 150 Höhenmeter am Stück kurbele ich mich nach Oben. Die Abfahrt ist wenigstens eine gebührende Belohnung.

Treffe dabei auf einen suizidalen Vogel: Der kommt plötzlich aus dem Gebüsch gelaufen und rennt direkt auf mich zu. Ich versuche noch auszuweichen, doch er läuft mir voll gegen das Rad. Als ich anhalte, erblicke ich ihn auf dem Rücken liegend und ein Bein zuckt noch. Es tut mir wirklich schrecklich leid, aber ich hab keine Ahnung warum er gerade auf mich zu kam. Ich suche mir einen Stein um das arme Tier zu erlösen, plötzlich springt der Vogel auf und humpelt davon. Sieht eindeutig lädiert aus, ich frage mich aber, ob nicht alles Show war und er vielleicht versuchte, von einem Nest in der Nähe abzulenken. Auf alle Fälle ein gruseliges Erlebnis. 

 Die hier waren zum Glück schlauer. 

Nach knappen 80km komme ich an einem Campingplatz an, wo auch der andere deutsche Radfahrer übernachten wollte. Ich allerdings bin noch einigermaßen fit, entschließe mich also nur das Wasser aufzufüllen und dann weiter zu fahren. Generell habe ich dadurch ein gutes Gefühl: Ich konnte dem anderen Radfahrer an den Hängen und im Flachen locker davon fahren, und das obwohl ich 30km früher angefangen habe als er und mein Rad schwerer bepackt war als seins. Die tägliche Verbesserung der Kondition merkt man nicht wirklich, aber in solchen Situationen wird es sichtbar. 

Ich will noch 10km weiter und mir auf dieser Strecke einen Platz zum Wildzelten suchen. Leider kommt da sehr viel Sumpf und so fahre ich dann doch weiter, auch gegen den starken Wind und Regen. 

Schließlich ist der einzige windgeschützte und sumpf-freie Stellplatz der Parkplatz eines Friedhofs, und ich habe damit wohl den bisher seltsamsten Campingplatz gefunden. Aber da ich nun nach 94 Kilometern wirklich genug habe, muss dies wohl reichen und ich stelle das Zelt auf. 
Bin relativ stolz über die heute erbrachte Leistung, obwohl es so hügelig und wettertechnisch grauenhaft war, habe ich ordentlich Strecke machen können. Heute Nacht soll endlich der Regen abflachen, mal schauen ob es morgen angenehmer wird.  

Tag 33: Malnes – Stokmarknes


Komme heute zwar schwer aus den Federn, die Geister des Friedhofs haben mich aber in der Nacht nicht gestört 😉 

Nach einem leckeren Frühstück:

Mache ich mich auf den Weg. Das Wetter heute ist deutlich besser als gestern. Zwar immer noch ziemlich grau, aber ohne Regen. Der Wind allerdings hat seine Intensität beibehalten. 
Schon bald muss ich über diese bemerkenswerte Brückenkonstruktion. 

Der Querwind oben ist ziemlich stark und auch im Wasser ist die Strömung deutlich wahrzunehmen, wie sie unter der Brücke hindurch die Wassermassen presst. Über die Inseln Gimsøya und Austvågøya komme ich anschließend auf abwechslungsreichen und teilweise sogar sonnigen Abschnitten nach Svolvaer.

Bis fast ans Nordkapp geht es nun auf der Fahrrad Route 1.

Lofoten Kathedrale in Kabelvåg 

In Svolvaer stürme ich den örtlichen Supermarkt und gönne mir sogar noch Eis, welches ich verdrücke, während ich versuche ein wenig Photosynthese auf dem Parkplatz zu betreiben. 

Weiter geht es an der Küste entlang am wunderschönen Austnesfjorden. Der Abschnitt kostet viel Kraft, schließlich geht es gefühlt in Achterbahnmanier auf und ab, zudem drückt mich der starke Gegenwind zurück. 

Ich beschließe heute eine späte Mittagspause einzulegen und erst den Fährhafen in Fiskebøl zu erreichen.

 Als ich dort schließlich nach 70km Wegstrecke ankomme, wartet die Fähre gerade auf mich. Schnell an Bord gefahren, legt diese nach 4 Minuten auch schon ab. 

Ich verlasse nun schon die Lofoten und begebe mich auf die nächste Inselkette, die Vesterålen. Trotz schlechtem Wetter freue ich mich, die Lofoten mitgenommen zu haben. Sie haben ihren eigenen Charme, sind landschaftlich wunderschön anzuschauen und auch der dauerhafte Geruch von Salzwasser und nassen Algen, teilweise auch von dem trocknenden Fisch, den ich die letzten zwei Tage in der Nase hatte, ist etwas ganz Besonderes. 

Die Fähre von Fiskebøl nach Melbu braucht keine 20 Minuten. In Melbu selbst gönne ich mir nun endlich mein Mittagessen, der Magen hängt schon in den Kniekehlen. Dabei gibt es heute eine besondere Leckerei, die ich seit Kiruna mit mir mitschleppe:

Ich bin ein riesiger Avocado-Fan und unerwarteter Weise waren Avocados in Schweden sogar eins der wenigen Lebensmittel, die tatsächlich billiger als in Deutschland sind. Leider reifen Avocados bei 2° und in einer Tupper Dose ziemlich langsam, und so habe ich sie seit Kiruna in der Tasche gehabt. 

Nach diesem gelungenen späten Mittagessen gehe ich den letzten Teil des Tages an. Bis zum nächsten Campingplatz sind es entspannte 17 Kilometer. Den Übernächsten werde ich nicht erreichen können, die 40 Kilometer bis dahin packe ich nach dem vielen fahren heute nicht mehr. Also ganz entspannt ab zum näheren Platz. 

Die jetzige Insel Hadseløya ist weit weniger wild und schroff als die Lofoten, jedoch auch wunderbar grün und voller Leben. Zudem habe ich auf der Küstenstraße tolle Blicke zurück auf die Lofoten. 

Tolle Idee

In Stokmarknes angekommen fahre ich zum schnuckelige Campingplatz, der sogar über einen eigenen Bach verfügt, welcher sich durch das Gelände zieht. 
Nach insgesamt 84km baue ich dort also mein Zelt auf, genieße eine warme Dusche, wasche meine Wäsche und verbringe einen angenehmen Abend.