[Tag 17] Karakul – Tadschikische Grenze

24. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 48 Kilometer und 580 Höhenmeter vom Karakul-See bis kurz vor die tadschikische Grenze, sowie 5,5km und 450 Höhenmeter wandern.

 

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Guten Morgen Pik Lenin

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Erneut wache ich um Viertel nach 6 automatisch auf. In der Nacht war es noch bitterkalt gewesen, ein wolkenloser Himmel, verbunden mit dem Wind und der Höhe ließ mich immer tiefer in den Schlafsack krabbeln. Wenigstens führt der noch vorhandene Wind dazu, dass ich auch beim Frühstück mich nicht um die Rückkehr der Mücken sorgen musste. Müsli schmeckt bei dem Ausblick auch gleich viel besser. Anschließend packe ich alles zusammen und mache mich erneut auf den Weg.

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Mobilfunk + Stromversorgung für den Ort.

Da ich eh durch den Ort Karakul durch muss, lade ich hier noch meinen Müll ab, so muss ich bspw. die Glasflasche und die Konserve vom gestrigen Abendessen nicht mitführen. Der Start der Tagesetappe empfing mich mit feinstem Asphalt, flacher Straße und Fernblicken zum Pik Lenin und über den ganzen See.

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Immer geradeaus
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Blick zurück

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Der nächste kleiner Pass liegt rechts hinter der Biegung.
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Blick nach China
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Wo die Berge wunderbar verschneit aussehen.

Schon bald komme ich an einem kirgisischen Friedhof vorbei, der gerade von einer größeren Reisegruppe französischer Tourist*innen angeschaut wird. Ich hingegen nutze die Zeit um mit den Guides am Auto zu sprechen.

 

Blicke auf den Karakul See! [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

Etwa 10 Kilometer weiter überholte mich die Reisegruppe wieder, nur um an einem Ausblick an einer Steigung wieder anzuhalten und die Fotogelegenheit über den Karakul-See wahrzunehmen. So konnte ich wieder zu ihnen aufschließen. Das führte zu einer surrealen Szene, denn als ich fast auf ihrer Höhe ankam waren plötzlich die Blicke und Kameras der 15 Tourist_innen auf mich gerichtet. Es fehlte nur noch der rote Teppich, denn mit Jubel und Geklatsche wurde ich empfangen. Nur gut dass ich die Röte im Gesicht auch als Sonnenbrand verkaufen konnte 😉 So war ich umringt von Leuten, die Daten von meinem Rad wissen wollten, sowie den Verlauf meiner Tour. Wenigstens konnte ich in Erfahrung bringen, dass sie vor 3 Wochen in Taschkent gestartet waren und ebenfalls aus Osh in Kirgistan zurückfliegen würden. Das Gespräch mit der Menge war eine gelungene Abwechslung (auch wenn ich gerne ihre ganzen Foto-Aufnahmen von mir hätte, wie ich mich da den Hügel hochkämpfe), schließlich springen sie jedoch in die Vans und waren nicht mehr gesehen.

Es ging anschließend den Weg zum Uy-Buloq-Pass hinauf, der trotz seiner Neigung auf gutem Asphalt zu bewältigen war. Stellenweise bin ich gelaufen, einfach um den Beinen eine Abwechslung zu geben. Um kurz vor 11 hatte ich dann auch den Pass überquert.

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Uy-Buloq-Pass
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Blick zurück. Am rechten Bildrand am See liegt der Ort Karakul

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Die letzten Meter bis zum Pass
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GESCHAFFT!

Und was macht man, wenn man 600 Höhenmeter am Vormittag mit dem Fahrrad hinter sich gebracht hat? Genau, man versteckt das Fahrrad abseits der Straße in einem Graben und entschließt sich den nächsten Berg zu Fuss zu besteigen. Dieser hier war in meiner Karte wieder als “Viewpoint” gekennzeichnet und ich erhoffte mir Blicke auf den ganzen See.

Schnell meine Kameraausrüstung, Essen und Trinken in einen kleinen Rucksack und dann ging es auf Wanderschaft. Ich hatte davor in der Karte und auf dem GPS die für mich sinnigste Route zum Gipfel mir ausgesucht, dort wo der Weg so flach war wie möglich. So blieb es ein knackiger Anstieg, aber weniger steil als damals am Kargush-Pass, dafür ein bisschen länger in der Gesamtwegstrecke.

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Na, sieht ihn wer?

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Blick zurück zur Straße im Tal.

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Immer bergauf!

Auf dem Weg hoch verärgere ich wieder einen Haufen Murmeltiere, die sich über meinen Besuch keineswegs freuen. Dafür sehe ich erstmalig einen Hasen durchs Gelände rennen, zudem viele Vögel. Nach längerem klettern kam ich an einem Grat an, der zwar einen Blick auf den See bot, jedoch noch keine 360°. Aus diesem Grund bin ich dann doch noch die letzten 80 Höhenmeter zum Gipfel geklettert. So betrug meine Wanderung etwa 480-500 Höhenmeter in 1,5 Stunden.

Am Grat:

 

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Und die Ankunft am Gipfel:

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Gipfelkreuz?

 

Blicke auf den See Karakul + 360° Ausblick [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders die Panoramen)]

Der Blick dort oben war atemberaubend. Man sieht entlang des Sicherheitszauns nach China rüber, zudem wieder der Ausblick auf Pik Lenin und seine Nachbargipfel. Und der Karakul-See leuchtet in seinem intensiven Blau mit den schneeweißen Gipfeln um die Wette.

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Blick gen China

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Noch einen extra Höhenmeter drauflegen.
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Karakul

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Hier bereits zu sehen: Die brettebene Straße, die mir nachher mit starkem Gegenwind zu Leibe rücken wird.

DSC00412Ich drehe mich immer wieder im Kreis und genieße den Rundumblick. Jedoch blies da oben ein heftiger Wind, stellenweise muss ich mich in die Böen lehnen um nicht vom Gipfel geweht zu werden, so mache ich mich nach etwa 20 Minuten und zahlreichen Fotos an den Abstieg.

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Blick von oben zur Straße

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Murmeltier-Bau

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Bergab
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zurück zum Fahrrad.

Den Abstieg gehe ich heute noch vorsichtiger an als damals am Kargush-Pass. Wenn ich mir hier oben das Bein breche, dann weiß kein Mensch, wo ich hin bin, mein Rad ist auch gut versteckt und wird vermutlich nicht so schnell gefunden. Der Berg erscheint nicht so als ob sich da regelmäßig Besucher*innen drauf verirren und der Gedanke daran, mit Verletzung bergab kriechen zu müssen, ist nicht wirklich verlockend. So hoffe ich zudem keine Blasen am Fuß zu kriegen.

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Fast unten
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Dort wartet mein Rad auf mich, nicht einsehbar von der Straße.

Nach der Rückkehr zum Fahrrad merke ich, dass der Wind nicht nur am Gipfel wehte, dieser ist auch hier in den niedrigeren Höhenlagen angekommen und weht ziemlich heftig, vor allem da ich heute Vormittag bei Windstille unterwegs war. Nach einem Mittagessen mit (Überraschung!) Ramen Nudeln und den letzten paar Pflaumen, schwinge ich mich wieder aufs Rad.

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Abfahrt vom Uy-Buloq-Pass

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Und von da an wurde es ziemlich frustrierend. Die 300 Höhenmeter Abfahrt vom Uy-Buloq-Pass konnte ich nicht wirklich genießen, der Wind zerrte an mir und ich musste ganz schön in die Pedale treten um überhaupt voran zu kommen. Dann kam ich bald an die Stelle, die bereits in meine Navigationsapp iOverlander eingezeichnet war:

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Plötzlich ist die Straße weg

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Hier ist die Straße weggebrochen und stattdessen fließt nun ein Fluss quer zum Weg. Laut Erfahrungsberichten schrumpft dieser in den Morgenstunden zu einem kleinen Rinnsal, doch am Nachmittag, und auf einem leichten Fahrrad statt in einem dicken Jeep, sah der Fluss ziemlich Ehrfurchtgebietend aus. Es war nicht so sehr die Wassertiefe, als die immense Fließgeschwindigkeit. Ich bin also von der Straße abgebogen und habe geschaut, ob ich ein wenig tiefer eine geeignete Stelle finde zum Queren, da sich dort der Fluss in mehrere Arme auffächert. Leider waren diese auch alle zu tief, so musste ich schließlich doch die Hose ausziehen, Schuhe wechseln und mein Zeug einzeln herübertragen. Es war zwar nur Knietief an Stellen, aber durch den Wasserdruck wurde es trotzdem recht abenteuerlich, zudem fühlte ich mich nicht wirklich gut ausbalanciert mit einem schweren Rad unterm Arm.

Durchschieben konnte man das Rad auch nicht, durch die Ortliebtaschen und die breiten Reifen kriegt so ein Fahrrad ganz schön viel Auftrieb, und bevor ich mich mit einer Boje in Fahrradform rumärgern muss trage ich lieber alles gleich.

Auf der anderen Seite begegnet mir ein italienisches Pärchen, welches per Rad in die Gegenrichtung unterwegs ist. Auch sie müssen abladen und tragen, queren allerdings dort wo die Straße sein sollte. Vermutlich hätte ich auch dahin zurückkehren sollen um dort die Wasserfurt anzugehen. Spannenderweise sind dies die ersten Radtourist*innen, die mir seit den beiden deutschen Mountainbikern an der Wakhan-Abzweigung begegnet sind. Und das ist nun bereits 5.5 Tage her.

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Sie dürfen auch tragen.

Anschließend ging es noch ein wenig bergab, bevor die Straße sich wieder begradigte und ich im Flachen gegen den Wind kämpfte. Damals auf meiner Tour zum Nordkapp hatte ich einen Tag mit 70km/h Wind und 90km/h Böen. Ich fahre heute noch langsamer als damals, ich würde also schätzen dass der Wind mit noch mehr Kraft gegen mich arbeitet. Hinzu kommt wieder klebriger Teer auf der Fahrbahn, alles versucht mich also an der Weiterfahrt zu behindern.

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Nicht abgebildet: Der Gegenwind!

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Gegen den Wind eine ganz schöne Tortur!

Irgendwann kommt mir noch ein Radfahrer entgegen. Chan ist in Südkorea (!!!) gestartet und radelt bis Portugal. Ost nach West über den gesamten Kontinent. Wir unterhalten uns ein paar Minuten, ich klage mein Leid über den Gegenwind, er kann nur lachen, schließlich hat er dadurch eine natürliche Unterstützung und kommt gut voran. Ich schenke ihm noch meine tadschikische SIM-Karte, da diese in Kirgisistan eh nicht mehr funktioniert und diese noch für eine Woche Nutzung freigegeben ist. Netterweise kriege ich dafür ein Twix und ein Snickers zurück, das ist genau die Energie die ich jetzt brauche. Ich gebe ihm noch meine Adresse in Berlin mit, vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen in einigen Monaten!

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Gute Reise Chan!

Mit 9 km/h und vollster Anstrengung geht es weiter, bald führt der Weg auch Bergauf in Richtung Grenzpass. Inzwischen bin ich bei 5km/h im zweiten Gang angekommen und plage mich weiter. Inzwischen ist auch der Asphalt verschwunden und auf staubiger Piste kämpfe ich mich über wellblechartige Buckel.

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Der Ausblick nach China bleibt aber phänomenal
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Auch wenn die Piste mies wird.
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Soviel zum “Sicherheitszaun” nach China…

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Immer bergauf.

Der ursprüngliche Plan sah vor, heute noch die tadschikische Grenze oben am Pass zu passieren. Der kirgisische Grenzposten liegt jedoch nicht gleich dahinter, sondern es warten 20 Kilometer Niemandsland inklusive einer Abfahrt auf mich. Gerne würde ich im Niemandsland die Nacht verbringen und morgen dann den Grenzübertritt nach Kirgistan hinter mich bringen. Doch dieser Plan verliert sich bei diesen Windgeschwindigkeiten in der Bedeutungslosigkeit. Bis zur Grenze sind es noch 12 Kilometer, bis zu den ersten geeigneten Zeltplätzen dann weitere 8 Kilometer und es ist bereits 17 Uhr. Zudem warten noch über 200 Höhenmeter auf meine müden Beine, bevor die tadschikische Grenze erreicht wäre. Also wird umgeplant. Bereits vor der Grenze komme ich an einem großen Schild vorbei, dass die entgegenkommenden Autos zur Provinz Murghab begrüßt, ziemlich verrückt, da es 3 Tage her ist, seit ich die Stadt Murghab verlassen habe.

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“Welcome to Murghab”
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Der weitere Weg: Schräg nach Links hoch zum Pass.
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Doch mir reicht es hier für heute.

Hier finde ich ein kleines Fleckchen Wiese und baue im tosenden Wind mein Zelt auf. Bloß nicht loslassen, sonst finde ich das Zelt wahrscheinlich erst am Karakul-See wieder…

Ich hoffe darauf, dass der Wind morgen früh wieder nachgelassen hat und ich so mit weniger Anstrengung zur Grenze komme, auch wenn da immer noch der Pass auf mich wartet.

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Abendstimmung am Zeltplatz

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Abends gibt es noch einen riesigen Topf Nudeln nach den Anstrengungen des Tages und ich brauche das Gemüse auf, das ich noch in Murghab gekauft habe. So schaffe ich es meine Taschen um zirka 700 Gramm zu erleichtern. Geizig bin ich heute nur beim Wasser, ich habe nur noch drei Liter übrig, muss es aber morgen bis Sary-Tash schaffen, was über 50 Kilometer entfernt ist.

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Abends fahren noch vereinzelt ein paar Autos auf der Straße in der Dunkelheit an mir vorbei. Tagsüber konnte ich nur 21 Gefährte zählen, das ist für 10 Stunden ja fast gar nichts.

Der Wind heute war unglaublich anstrengend, ich habe bis zu meiner Wanderung zur Mittagszeit bereits 600 Höhenmeter mit dem Rad absolviert, nur um dann 500 Höhenmeter zu Wandern und am Nachmittag noch mal 200 Höhenmeter gegen den Wind zu erkämpfen. Ich bin abends also wirklich fix und fertig und kann es kaum erwarten im Schlafsack zu liegen. Bereits um halb 9 krieche ich in diesen und schlafe gefühlte 2 Minuten später bereits tief und fest. Doch trotz meiner Beschwerden, mir gefiel die Strecke heute, ich war bei weitem nicht so negativ eingestellt wie bei meinen Schwierigkeiten entlang des Panj-Flusses zu Beginn der Reise.