[Tag 14] Murghab

21. Juli 2019:
Ruhetag in Murghab

Nun, nachdem ich gestern all die Wäsche abends noch weggebracht habe und nur noch eine Vollplastik-Regenhose besaß, habe ich die Nacht dann doch lieber nackig im eigenen Schlafsack als mit dem Homestay-Bettzeug verbracht. Und natürlich habe ich mir im dicken Daunenschlafsack ordentlich einen Abgeschwitzt. Wenigstens ging das Schwitzen nicht sonderlich lang, denn mein Schlafrhythmus ist immer noch kaputt. Selbst als ich gestern um 23 Uhr ins Bett ging, um kurz vor 6 war ich heute wieder wach. Nun, wenigstens konnte ich so entspannt dösen und am Handy rumdaddeln, ich musste ja heute nicht aufs Rad.

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Das Frühstück im Homestay war ziemlich mager, es gab das übrig gebliebene, angetrocknete Brot vom Abendessen mit Marmelade, dazu noch einen ungenießbaren Haferbrei/Milchreis-Mix. Nun, wie gestern schon erwähnt, ich freue mich einfach nur darüber für Übernachtung + Mahlzeiten knappe 8€ zu zahlen, da werde ich keine großen Ansprüche stellen.

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Der Hinterhof des Homestays. Hier wird noch allerlei selbst gebastelt, gebaut und repariert.

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Den Morgen habe ich lesend im Zimmer verbracht, darauf wartend, dass ich um 11 Uhr endlich meine Wäsche vom Pamir Hotel abholen kann. Als ich dann endlich zum Hotel gelaufen bin, hatte ich ein seltsames Gefühl. Und nein, ich rede nicht davon schon wieder bei den Temperaturen in der Regenhose unterwegs zu sein. Haben sie meine Wäsche gewaschen? Wurde diese bei 90°C auf Kleidergröße S zusammengeschrumpft? Ist was verloren gegangen?

Glücklicherweise stellten sich alle Bedenken schnell als unbegründet heraus. An der Rezeption wartet mein Kleiderstapel ordentlich gefaltet und wohlig duftend auf mich. Und das für 4€. Zurück am Homestay wechsle ich endlich aus meiner Plastikverkleidung in normale Klamotten.

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Zum Glück hat das geklappt mit den Klamotten, sonst hätte ich den Rest der Reise in dem schicken Outfit verbracht.

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Frische Wäsche

Anschließend mache ich mich auf den erneuten Weg zum Container-Markt. Viel will ich da nicht kaufen, weil ich herausgefunden habe, dass das Pamir Hotel ein eigenes kleines Magasin betreibt, und dies weit reichhaltiger ausgestattet ist als der Markt.

So war der Plan für den Markt eher, ein reichhaltiges Mittagessen zu finden. Das kleine Restaurant von gestern hatte leider zu, so verschlägt es mich in einen weiteren Laden, der genau ein Gericht anbietet: Frisch frittierte Teigtaschen, dazu eine Chilisauce zum Dippen und einen Pott Tee. Als ich nach zwei Teigtaschen gesättigt mich ans Bezahlen mache, fällt mir die Kinnlade runter. Ganze 40 Cent soll dieses Mahl kosten und plötzlich wünsche ich mir, die nette Köchin samt Küchenanlage hinten auf dem Fahrrad mitnehmen zu können. Bei den Preisen lohnt es sich nicht selbst zu kochen und ich wäre gut versorgt die nächste Woche. 😉

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Im Anschluss geht es zurück zum Pamir Hotel, ich stelle fest dass ich da gestern und heute bereits 6 Mal hin und 6 Mal zurück gelaufen bin. Werde wohl Stammgast, obwohl ich da nicht übernachte. Dort im Shop finde ich alles, was ich die kommenden Tage brauchen werde. Ob ich im nächsten Dorf Karakul einkaufen kann weiß ich nicht genau, der nächste Shop liegt dann erst in Kirgistan, ich kaufe also für 5-6 Tage essen ein.

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Anschließend mache ich mich noch an die Fahrradreparatur. Die Kette gesäubert und neu geölt, sowie alle Schrauben nachgezogen. In den vergangenen Wochen habe ich das fast jeden Abend nach der Fahrt gemacht. Die Pisten des Pamir und entlang des Panj schaffen es nämlich effizient die Schrauben los zu rütteln und ich will mögliche böse Überraschungen verhindern. Auch die Befestigungen der Ortliebtaschen werden nachgezogen.

Der Rest des Ruhetags ist dann auch wirklich von Ruhe gekennzeichnet. In meinem Zimmer schaue ich Filme, schreibe mit Freunden und lese viel. Abends hole ich bei der Tankstelle noch Benzin. Tankstelle klingt nach Zivilisation und Technik, jedoch wird mit einer PET-Flasche einfach aus einem Öl-Barrel geschöpft, eine Zapfsäule wird man hier lang suchen. Ein Liter feinstes 92er-Benzin (in Deutschland kriegt man mindestens 95 Oktan) in einer PET wandert so in meinen Besitz. Sollte ich also in den nächsten Tagen auch die letzte Gaskartusche aufbrauchen, kann ich meinen Kocher auf Benzinbetrieb umbauen und weiter Essen zubereiten. Da ich in diesen Höhen deutlich gestiegenen Brennstoffverbrauch habe, bin ich so auf der sicheren Seite.

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Benzin-Einkauf

Abends packe ich noch mein Zeug zusammen, spiele Tetris um auch alle Einkäufe des heutigen Tages zu verstauen. So muss ich morgen die Taschen nur zum Fahrrad tragen und kann dann schnell in den Tag starten.

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Großes Packen
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mit Missgeschicken

Zum Abendessen gibt es Kartoffeln mit Fleisch, wenigstens sind dies nicht so große Brocken fettiges Yak-Fleisch wie gestern beim Mittagessen. Kurz nach dem Abendessen trifft eine ganze Meute russischer Tourist_innen ein, 15 Personen in 4 Jeeps. Trotzdem bleibe ich alleine in meinem kleinen Zweibettzimmer, worüber ich mich sehr freue.

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Abends teste ich die ziemlich karge Dusche, wenigstens ist dank Solar-Anlage auf dem Dach das Wasser angenehm warm. Anschließend geht es schnell ins Bett.

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Die 1,5 Pausentage waren angenehm, trotzdem merke ich wie es mir in den Beinen juckt. Ich will raus aus dieser kargen und ärmlichen Stadt und schnell wieder in der Natur verschwinden. Und von hier aus geht das Abenteuer steil bergauf…

 

[Tag 13] Kurz vor Murghab – Murghab

20. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 30 Kilometer und 230 Höhenmeter bis nach Murghab.

 

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Im Anschluss an meine Fotosession habe ich gut geschlafen, heute mit Wasserfilter im Schlafsack als Frostschutz. Auch wenn ich es heute ruhig angehen lassen wollte und mir keinen Wecker gestellt habe, so bin ich doch um 6.30 Uhr wach, mein interner Wecker scheint also fest installiert zu sein.

Zusammengepackt, Müslifrühstück runtergeschlungen, durch den vorbeiziehenden Wind ziemlich eingestaubt worden und dann wieder zurück zur Straße. Es sind nur 26 Kilometer bis Murghab und mehrheitlich geht es, wie gestern bereits dargelegt, schön bergab. Das Durchschnittstempo dürfte so heute das bisher höchste auf der Tour sein. Heute wiederholt sich meine Reisetradition, 2 Kilometer nach dem Start komme ich am idealen Zeltplatz vorbei, mit fließendem Gewässer und saftig grüner Wiese. Ich tröste mich damit, dass dort sicherlich der Sternenhimmel nicht so schön gewesen wäre. 😉

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Erneut: Der perfekte Zeltplatz

An einigen Stellen ging die Straße aber wieder knackig bergauf, dabei begegne ich zwei französischen Radfahrern, die in die Gegenrichtung unterwegs sind. Ich lasse Grüße an Benjamin ausrichten, der ja inzwischen im Wakhan-Tal unterwegs sein dürfte.

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Das Straßenschild hat auch schon bessere Zeiten gesehen.

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Weiter geht’s mit guter Musik im Ohr und heute läuft das Rad gefühlt von alleine, es war heute weit weniger anstrengend als die Tage davor. Kurz vor Murghab kam ich an den ersten Militär/Polizei-Checkpoint seit Khorogh, anschließend komme ich endlich nach Murghab.

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Ankunft in der grünen Flußlandschaft. Links hinter der Kurve liegt Murghab
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Nun kommt Murghab in den Blick, davor noch ein Checkpoint

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Ein kleines Städtchen, und doch die größte Ansiedlung hier auf dem Pamir.

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Murghab ist das Verwaltungszentrum der Region, wurde erst 1892 im Auftrag der russischen Krone als ein militärischer Außenposten errichtet, auch hier spielt wieder der Kampf Russland gegen Großbritannien im Great Game eine Rolle.

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Der Fluss Murghab

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Murghab war die “Höchste Stadt der Sowjetunion” wie in Alichur gestern fühlt es sich jedoch keineswegs wie eine Stadt an. Eine verdichtete Ansammlung von ärmlichen Behausungen im zusammengewürfelten Stil trifft es vielleicht besser, schließlich wohnen hier auch nur knapp 6000 Menschen. Und die leben mit einer beeindruckenden Temperaturamplitude. Im Sommer kann es gut 40°C heiß werden, im Winter warten -50°C auf die Bewohner, all das bei einer Niederschlagsmenge von nur 72 Millimeter/Jahr. Der Fluss Murghab, der an der Stadt vorbei fließt, mündet irgendwann im Panj. Kaum zu glauben, dass das Wasser hier irgendwann auf den Baumwollfeldern in Usbekistan ankommt, welch weite Reise.

In Murghab selber fahre ich erstmal diesen werten Herrn hier besuchen.

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Der Photoshop-Präsident schaut wohl ein bisschen grimmig, das er nicht im alleinigen Rampenlicht steht.

Nach einem kurzen Plausch über den dreckigen Imperialismus und Kapitalismus mache ich mich anschließend auf die Suche nach einer Unterkunft.

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Weltkriegsdenkmal
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Die “Hauptstraße”
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Der Photoshop-Präsident auf seinem Marsch durch die Berge 😉

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Die Ziele der nächsten Zeit sind klar…
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Alle 3 Orte liegen bereits in Kirgistan. Sary-Tash werde ich in 4 Tagen erreichen, Gulcha 2 Tage später und Osh am darauffolgenden Tag.

Das einzige Hotel der Stadt ist das Pamir Hotel, dies war mir jedoch zu heruntergekommen und teuer um dort Abzusteigen. Stattdessen fuhr ich zum Homestay Tulfabek, dort bekam ich ein kleines Zimmer mit zwei Betten angeboten, heute Nacht war sowieso nur eine weitere Person zu Gast im Homestay.

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Nach der Ankunft und einer kurzen Erholungspause bin ich noch zum nahen Markt gegangen. Dieser besteht in Murghab aus dutzenden Hochseecontainern, die zu kleinen Shops umgebaut wurden. Das Warenangebot ist ziemlich dürftig und unterscheidet sich zwischen den Shops fast gar nicht, sofern man nicht plötzlich im Metzger-Container steht und von Bergen an ungekühltem Fleisch in der Auslage begrüßt wird.

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Blick auf den Markt
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und den Rest Murghabs

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Die Rückseite der Marktstände

Doch finde ich auf dem Markt zur Mittagszeit eine winzige Garküche, wo es Kartoffeln, Kohl und Yakfleisch gibt. Das Fleisch ist wirklich sehr zäh und nahezu ungenießbar, der Rest ist aber sehr lecker. Zudem gibt es frisch gebackene Teigtaschen mit Gemüsefüllung dazu. Die Bestellung funktioniert in Zeichensprache, auch mit den zwei älteren Damen am Nebentisch kann ich nicht wirklich kommunizieren. Trotzdem ein leckeres und gehaltvolles Mittagessen. Der Schock kommt beim Zahlen, da will man ganze 2,10€ von mir, inklusive der Kanne Tee. Das dürfte die bisher günstigste Speise gewesen sein.

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Auf dem Markt stocke ich danach noch Lebensmittel für die weitere Reise auf, im Gegensatz zu den kleinen Dörfchen durch die ich die letzte Woche kam gibt es hier sogar eine bescheidene Auswahl an Obst und Gemüse.

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Der erste Einkauf

Man erkennt seit Ankunft in Alichur, dass die Bevölkerungsmehrheit kirgisischer Abstammung ist, auch der Kleidungsstil hat sich verändert. Spannend diese Unterschiede mitzukriegen, vorallem da sie so abrupt stattfinden, in Khorogh fiel mir dies gar nicht auf, jetzt mit Erreichen der Hochebene hat ein kompletter Wandel stattgefunden.

Da passt es, das meine Gastgeber im Homestay mich bereits morgens informiert hatte, dass heute am Stadtrand ein Festival der kirgisischen Volksgruppen des Pamirs stattfindet.

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Blick auf das Festivalgelände außerhalb der Stadt

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Kann ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Für eine Stadt mit 6000 Einwohnern ist es verrückt plötzlich diese Menschenmassen zu sehen. In einem großen Halbkreis haben sich diese um eine Bühne und ein Stück Wiese gescharrt.

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Viele Menschen sind in Tracht erschienen.

Es ist mir nicht ganz klar, was hier passiert, auch weil ich die Ansagen nicht verstehe. Aber es scheint wohl ein sportlicher und kultureller Wettkampf zwischen verschiedenen kirgisischen Gruppen aus verschiedenen “Ansiedlungen/Tälern” der Pamir Region zu sein. So schlägt das Team des Bartang-Tals das Sarez-Tal beim Sackhüpfen, beim Armdrücken steht es unentschieden und später kommen auch noch schulische Tanz- und Chorgruppen auf die Bühne.

Das mit der Synchronität üben wir aber noch mal 😉

Ich finde mich bald in der Gesellschaft eines tschechischen Pärchens wieder, die per Anhalter nach China unterwegs sind. Gemeinsam genießen wir dieses uns fremde Spektakel, ich versuche einen Überblick zu erhalten und beobachte die Freizeitgestaltung der anwesenden Personen.

Im folgenden ein paar Impressionen vom Festival:

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Das Zelt wurde mal von der EU als humanitäre Hilfsleistung geliefert.
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Coole Flitzer
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“Anti Social Social Club”, schätzungsweise wieder ein Fall von Klamotten aus Europa/USA, die hier ohne Textverständnis getragen werden 😉

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Auch die Kinder werden schick angezogen.
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Gesang auf der Bühne

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Tanz

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Ein paar Ortsansässige, mit denen ich ins Gespräch komme.

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Ein paar findige Verkäufer_innen haben ein paar Marktstände aufgestellt und verkaufen ihre Ware. Man beachte den Aufdruck des Sonnenschirms 😀

Auf dem Rückweg zum Homestay verwickelt mich noch eine Gruppe Jugendliche in ein Gespräch. Reihum werden mir ihre Namen genannt, doch als nach jedem Namen großes Gekicher einsetzt, beschleicht mich doch das Gefühl hier nur ein Sortiment tadschikischer, pamiri und kirgisischer Schimpfwörter zu lernen. Ich bin doch nicht von Vorgestern, so leicht kriegt ihr mich nicht verarscht. Und zudem war ich auch mal 13… 😉

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Den Nachmittag und Abend genieße ich mit Filmen und einem guten Buch. Auf dem Bett liegend kommt so wirklich ein wenig Entspannung auf. Zum Abendessen gibt es Reis und Buchweizen mit Gemüse. Ein wenig trocken und langweilig, aber auf alle Fälle sättigend. Zudem zahle ich hier im Homestay für die Übernachtung + Abendessen + Frühstück genau 8€, da freue ich mich über die Ersparnis.

Leider hatte das Homestay keine Waschmaschine, man bat mir zwar an, dass die Schwiegertochter eine Ladung Handwäsche übernehmen könnte, das wollte ich allerdings vermeiden. So bin ich tagsüber mit meiner Wäsche zum einzigen Hotel in der Stadt gefahren, die haben zwar selber nur eine semi-automatische Waschmaschine, aber besser als nichts. Jedoch wurde ich, aufgrund der Kapazitäten der Waschmaschine, auf heute Abend vertröstet. Teilweise musste ich mich mit dem Hotelchef anlegen, schließlich klappte es aber um 21 Uhr, da nahmen sie dann meine Wäsche doch noch an. Nun heißt es Daumendrücken, dass ich meine Wäsche morgen in Empfang nehmen kann, da ich fast jedes Kleidungsstück abgegeben habe. Ich besitze noch ein Hemd und meine Regenhose (Vollplastik bei den Temperaturen, lecker-lecker!), sonst ist alles Weitere in der Waschmaschine.

Nachdem ich die Wäsche zum Hotel gebracht habe bleibt nicht mehr viel zu tun außer zu entspannen und zu hoffen, dass ich morgen meine Klamotten wieder in Empfang nehmen darf.

Ich werde morgen noch in Murghab bleiben, ein wenig am Rad basteln und mich ansonsten entspannen. Ich liege für meine Tour gut in der Zeit, da kann man sich solche Tage zur Erholung mal leisten. Zudem heute ja eher nur ein halber Pausentag war.

 

[Tag 12] Sassikul-See – kurz vor Murghab

19. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 89 Kilometer und 900 Höhenmeter vom Sassikul See bis 20 Kilometer vor Murghab.

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Nach dem Aufwachen erstmal ein kleiner Schock. Das gestern auf 80% geladene Smartphone hat plötzlich nur noch 3% Akku. Da ich aber bereits in Schweden dachte “jetzt ist das Ding hinüber”, erstmal beruhigen. Und siehe da, nach 10 Minuten im Schlafsack hat der Akku plötzlich wieder 50% Ladestand. Nun, ein Beweis dafür, dass es hier oben auf dem Plateau doch ein wenig kälter ist nachts. 😉 Vorbei ist die Zeit, wo ich nur im Schlafsack-Inlay auf der Isomatte lag, und diese auch noch so viel Körperwärme zurückstrahlte, dass ich am Ende mich auf den kühleren Boden gelegt habe. Aber die Kälte ist auch eine gute Warnung für mich: Ab heute Abend nehme ich meinen Wasserfilter mit in den Schlafsack. Mein Sawyer-Wasserfilter funktioniert nämlich mit einer Membran, die Mikrometer-dünne Löcher enthält, durch die gefiltertes Wasser entweichen kann, Schmutzpartikel und Bakterien allerdings drinnen behält. Sollte in dieser Membran nun Restwasser gefrieren, kann die Membran platzen und der Filter wird unbrauchbar. Also nachts gut warm halten mit Körperwärme.

Gefrühstückt habe ich nach der traumatischen Mückenjagd von gestern Abend dann doch lieber im Zelt. Dabei habe ich es geschafft die erste von zwei Müsli-Packungen aufzubrauchen, die ich seit Duschanbe (!!!) mit mir rumschleppe. Nun, wieder ein Beweis dafür wie wenig ich in der ersten Woche gegessen habe, schließlich handelt es sich um lediglich 450gr Packungen.

Ich war mir sicher, nach dem ersten Schritt aus dem Zelt heraus, holen mich die Moskitos wieder ein, daher habe ich, so weit wie möglich, alles im Innenzelt gepackt. Das ist zwar immer recht eng und unbequem, aber besser als lebendig ausgesaugt zu werden. Zum Glück waren die Mücken dann doch ein wenig träger als gestern Abend beim Zeltaufbau, so geht der Abbau und das Verstauen am Fahrrad einigermaßen glimpflich über die Bühne. Anschließend muss ich das Rad wieder zur Straße zurück schieben, ziemlich anstrengend, da es in den Sand einsinkt, zudem sind ein paar hundert Meter zurückzulegen. Auch merkt man in diesen Momenten die dünne Höhenluft am stärksten. Sitze ich regulär auf dem Rad und strample vor mich hin, erscheint alles normal. Aber bei körperlicher Anstrengung wie dem Schieben bin ich nach 10 Schritten außer Atem und nur noch am keuchen.

Wieder auf der “leicht” renaturierten Straße von gestern komme ich an einigen Unterbrechungen an. Hier scheint die Straße durch Bäche oder Schneeschmelze weggeschwemmt worden zu sein. Es erklärt zumindest, warum dies nicht mehr die offizielle Route ist, mit dem Rad lassen sich diese Hindernisse aber gut umgehen, beziehungsweise um-schieben.

Bald schon bin ich zurück auf der Hauptstraße und etwa 5-6 Kilometer nach dem Start komme ich am perfekten Zeltplatz vorbei. Das ist doch mal wieder TYPISCH! Hatte ich mich gestern über die Zooplankton-Brühe im See geärgert, fließt hier ein etwa 1,5m breiter, kristallklarer Bach ins Tal, daneben saftige Wiesen, genug Erhebungen und große Steine, die als Freilufttoilette herhalten können. Nun, hätte ich mal besser auf die Karte geschaut, da ist dieses Rinnsal nämlich eingezeichnet gewesen.

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Das wäre er gewesen, der perfekte Übernachtungsplatz.

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Einziger Nachteil: Dieser Bach fließt genau unter der Hauptstraße durch und trotzdem lass ich es mir nicht nehmen: Ich geh jetzt erstmal baden. So stehe ich keine 3 Minuten später splitterfasernackt bis zu den Knien im Wasser neben der Hauptverkehrsader im östlichen Tadschikistan. Nun, im Gegensatz zu Deutschland kommt hier in meinen 5-10 Minuten Badevergnügen auch kein Auto oder Laster vorbei, ist vielleicht auch besser so. Das Wasser kam direkt aus den schneebedeckten Gletschern, und auch wenn es nicht ganz schwedisch-kalt war, es reichte für ein paar quietschende Äußerungen und Flüche, die durch zusammengekniffene Zähne gepresst wurden.

Dieses Bad konnte ich mir auch wirklich genehmigen, ich lag super in der Zeit, da ich um kurz nach 8 bereits mit dem Rad aufgebrochen war. Und auch wenn man bei dem ganzen Sport schnell wieder ins Schwitzen kommt, es tut doch unendlich gut sich den Dreck der letzten Tage abzuwaschen.

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Alichur in der Bildmitte

Nach der Erfrischung ging es noch ein wenig bergauf, dann aber direkt wieder bergab die letzten 4-5 Kilometer nach Alichur. Der Ort selber ist winzig, hat knapp über 1000 Einwohner_innen und wirkt völlig deplatziert.

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Aber ein tolles Panorama hat diese Stadt
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Alichur ist winzig

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Der Ort schlängelt sich entlang einer Kurve der M41. Da zwischen den Häusern unglaublich viel Platz gelassen wurde, erscheint der Ort größer als er ist, zusammengeschoben würde er wohl auf eine Fläche von 500x500m passen. Die Häuser sehen sehr ärmlich aus, fallen stellenweise auseinander und ab und an findet sich ein Autowrack an eine Hauswand gelehnt. Nun, ich bin mir ziemlich sicher, das Leben in Alichur ist nicht einfach, im Sommer knallt die Sonne, im Winter wird es hier empfindlich kalt und es bleibt wochenlang bei zweistelligen Minusgeraden.

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Ich finde in der Ortsmitte dank der Hilfe zweier Bauarbeiter einen kleinen Shop, dort gibt es Wasser, Cola und Snickers, was in diesen Breitengraden für ein vergleichsweise gut ausgestattetes Magasin spricht. Der alte Besitzer ist sehr nett und zeigt mir stolz seinen Laden. Ich kauf viel zu viel Wasser, auch die Cola hätte es nicht gebraucht, aber wenn es schon mal eine gute Coca Cola gibt, dann sage ich nicht nein. So verpacke ich 6,5 L Wasser + 1 L Cola aufs Rad, ein ziemlich schwerer Irrsinn. Nun, wenigstens ist es hier flach und dann kann ich später das Camp aufschlagen wo ich will, brauche nicht auf Wasservorräte zu achten.

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Mal ein Einblick, wie diese “Magasin” immer aussehen.
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Das Warenangebot ist minimal.

Draußen vor dem Laden begrüßen mich noch ein paar Kinder, die sehr interessiert am Fahrrad waren und sich schließlich sehr über ein Foto von sich freuten. Auch hier ist die Armut sichtbar, die Klamotten sind ziemlich heruntergekommen und mit ihren Rotznasen machen die kleinen Kids einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Doch bei meiner Losfahrt rennen sie fröhlich hinter mir her, winken, wollen abklatschen. Reich an Lebensfreude sind die Kleinen also allemal.

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Da ich im Ort noch eine Internetverbindung herstellen kann, gibt’s ein kurzes Telefonat mit meiner Mutter, und dann geht es wieder zurück auf die M41.

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Mama meinte während des Telefonats: “Ich hab gerade auf Google Alichur eingegeben, da gibt es ein Café Goldenfish, geh doch da jetzt schön was Essen. Ich glaube ihre Erwartungen übersteigen eher die Realität. Ich passe, danke!

 

Die Straße läuft jetzt 15 Kilometer schnurgerade. Das heißt, man sieht die ganze Zeit die Stelle wo die Kurve beginnt, aber man kommt einfach nicht näher. Mir persönlich gefällt das gerade super: Der weite Blick über das Plateau, die schneebedeckten Berge und ein kleiner Bach der parallel neben der Straße verläuft. Auch wenn ich noch nie da gewesen bin, die Landschaft erinnert mich an Erzählungen meiner Mama aus Montana. Wobei es da vermutlich mehr Bäume gibt. Es ist auf alle Fälle eine schöne Abwechslung zum (trotzdem sehr piktoresken) Panj-Fluss der ersten Woche.

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Ortsausgang Alichur. Ab jetzt immer geradeaus.
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Begleitet von einem kleinen Flüsschen

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[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

Manchmal habe ich Rückenwind, stellenweise wieder Gegenwind, eine einzelne Regenwolke hängt über mir, mehr als ein paar Tropfen kriege ich aber zum Glück nicht ab. Es geht nur sehr graduell hoch und runter, auf 10 Kilometern steigt man vielleicht 30 Höhenmeter, sprich endlich kann ich im 11. Gang mit 15-20 km/h dahin fahren, bei Bergab-Passagen geht es natürlich noch schneller. Dazu noch gute Musik in den Ohren und es macht einfach nur unendlich Spaß, ab-und-zu kann ich mir einen Freudesjauchzer gar nicht verkneifen.

Kurz nach der Kurve kam dann der Al-Balik-See, der von der Größe her eher einem Tümpel entspricht. Das Besondere ist aber das kristallklare und tiefblaue Wasser. Völlig verdattert von der Farbe stehe ich minutenlang am Ufer, man sieht kleinere Fischschwärme vorbei ziehen und kann bis auf den Grund blicken. Der See ist den Einheimischen heilig, wer darin badet soll angeblich verschluckt werden, und kommt an einem anderen See im Pamir wieder raus. Klingt zwar wie die altertümliche Version des Beamens, ich bin trotzdem nicht bereit für ein Star Trek Erlebnis. Es fehlen noch Palmen, dann wäre absolutes Karibik-Feeling am See.

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Al-Balik-See
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Nein, die Farbe ist nicht Photoshop
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So kristallklar…
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Man sieht die Fischschwärme vorbeischwimmen

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Auf den Weg zum Mittagessen sehe noch zahlreiche Murmeltiere. Die graben ihren Bau öfters in Straßennähe und dümpeln dann in der Nähe in der Sonne. Immer wieder hört man ihre hochfrequenten Warnschreie, dann laufen die Murmeltiere in alle Richtungen und versuchen ihren rettenden Bau zu erreichen. Besonders schlau stellen sie sich dabei nicht an, wäre ich ein Jäger oder ein Greifvogel gäbe es wohl Murmeltier zum Mittagessen, so habe ich wenigstens mehr als genug Zeit zum Fotografieren. In diesen Momenten bin ich froh eine kleine Kompaktkamera mit ausreichend Zoom mitgenommen zu haben, die hat sich gelohnt für die Reise. Insgesamt sehe ich im Laufe des heutigen Tages sicherlich 100 oder gar 150 Murmeltiere, manchmal einzeln, manchmal in ganzen Gruppen. Unfassbar süß!

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Schnell ab ins Erdloch

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Pause mache ich nach 45 Kilometern auf einer schönen, grünen Wiese. Sofern man den Yak-Haufen ausweichen kann wird es nicht viel bequemer als dieser Pausenplatz. Zwar hatte ich laut Karte die Hoffnung, dass hier ein Fluss fließt, der ist jedoch eingetrocknet und so genieße ich die Wiese. Schon angenehm, wo ich doch die letzten Tage immer verzweifelt einen Schotterplatz im Schatten suchen musste. So ohne Schatten wird die Mittagspause heute trotzdem ganz schön warm, es hat zwar nur 18-20°C Lufttemperatur, aber bei Windstille und mit der alpinen Höhensonne knallt es bei knapp 4000m Höhe schon ganz schön runter. So lege ich mich unter mein Badehandtuch, baue mir so also einen provisorischen Schatten. Da gestern das Mittagessen ja ausfiel, gibt es heute gar eine doppelte Portion Ramen-Nudeln, die bis aufs letzte Gramm vertilgt werden. Wunderbar, wenn der Hunger endlich wieder da ist und man das Essen genießen kann.

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Kein Schatten weit und breit, ansonsten ein genialer Spot.
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Heute schmecken gar die Ramen Nudeln.

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Anschließend liege ich unter dem Handtuch und schaue Serien. Im flachen Gelände muss ich mich auch weniger über den Akkustand des Handys sorgen, das lädt an meinem Dynamo-Lader ganz wunderbar. Teilweise habe ich schon telepathische Kräfte, ich weiß wann der Lader mit eingebauter Powerbank voll ist. Gestern und heute habe ich zwei Mal genau rechtzeitig drauf geschaut, vielleicht werde ich hier oben in der Einsamkeit ja langsam verrückt und kann mit meinem Fahrrad kommunizieren. 😉

Anschließend sattele ich wieder mein Fahrrad.

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Ich komme an der nächsten Besiedlung nach Alichur vorbei
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Die allerdings winzig ist und fernab der Hauptstraße liegt.

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Ich komme an der tadschikischen Version des Ayers Rock vorbei, zumindest sieht er ihm zu verwechseln ähnlich, auch wenn es nur eine Miniatur-Version ist.

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Ayers Mini-Rock

Andere Reisende hatten mir schon erzählt das Rotel-Tours im Pamir aktiv ist. Das ist eine deutsche Firma, die quasi ein “Hotel auf Rädern” betreibt. Ich erinnere mich daran als Kind selber den Katalog der Firma durchgeblättert zu haben und mich in die endlosen Weiten der Welt hinausgewünscht zu haben. Nun, plötzlich kommt mir der Rotel-Bus entgegen und ich habe gerade noch genug Zeit die Kamera zu zücken und den (mehrheitlich älteren) Insassen zu winken. Schon ein schickes Stück Technik, heute bin ich aber froh nicht dort eingesperrt zu sein, sondern die Freiheit auf dem Fahrrad genießen zu können.

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Da kommt was auf mich zu.

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Man beachte das Kennzeichen.

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Es ging erst auf den Neizatash Pass (4137m) hoch, der ist von meiner Seite kommend kein wirklicher Pass, trotzdem kurbelt man sich 20 Kilometer langsam aber beständig in die Höhe, auch wenn es nur 200 Meter Höhenunterschied sind. Dann ist auch die höchste Stelle bis Murghab (die nächste Stadt, wo ich morgen hinkomme) erreicht. Zudem sieht der Pass wirklich wunderschön aus, eingerahmt von hohen, schroffen Bergen. Die Berge sehen hier nicht mehr wirklich hoch aus und sind weniger schroff.

Blick in Richtung Neizatash-Pass [Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

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Neizatash-Pass erreicht, ab jetzt geht es bergab!

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Mamazair…
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…auch hier eine winzige Ansammlung von Häusern

Der deutsche Offizier Wilhelm Filchner kam im Jahr 1900 mit seinem Pferd hier durch und schrieb dazu: „Die Nivellierungsarbeit der Witterungseinflüsse macht sich stark geltend. Die scharfen Bergformen sind vollkommen verschwunden, alles ist abgerundet, die relativen Höhen sind ganz gering geworden. Geröll und Sand hat die ehemaligen Täler ausgefüllt, die scharfen Bergkämme abgeschnitten und verschwinden lassen. Der Eindruck ist einem von Schneewehen ausgeglichenen, scharf coupierten Gelände nicht unähnlich. Nun herrscht die blendende gelbe Farbe des Sandes vor. Sven Hedin vergleicht dieses Gebiet sehr treffend mit einer Mondlandschaft.“ (Zitiert nach Bill; Schreiber: Tadschikistan, S.235.)

Nach 65 Kilometern war ich oben auf den Neizatash Pass auf 4137 Metern. Und von dort ging es nur noch bergab, bis fast nach Murghab. Eigentlich wollte ich nur noch fünf Kilometer zurücklegen, aber da der auf der Karte angepeilte Fluss vertrocknet war ging es weiter am Flusslauf entlang, immer in der Hoffnung was Schönes zu finden.

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Immer weiter bergab.

Dieser Streckenabschnitt war herrlich. Bergab fuhr ich mit 20-25km/h, fast ohne Treten über endlose Kilometer brauchbaren Asphalt und beleuchtet durch die tiefstehende Abendsonne. Irgendwann komme ich noch an die Abbiegung vom Zorkul-See vorbei, diesen Umweg zum Zorkul hatte ich in dem Bericht zum Wakhan-Tal schon beschrieben, das ist ein sehr verlassener See. Bin weiterhin froh auf der Straße geblieben zu sein und dass mir diese Strapazen entgangen sind. Es war eindeutig die richtige Routenwahl.

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Der gewünschte Wasserlauf kam und kam einfach nicht. Da macht es sich bezahlt dass ich in Alichur so viel Wasser gebunkert habe, so kann ich einfach überall anhalten. Dies tue ich auch, fahre etwa hundert Meter vom Pamir Highway in den ausgetrockneten Flusslauf und stelle dann da mein Zelt auf. Geht nur schwerlich, die Heringe halten nicht im steinigen Boden, schließlich klappt es aber doch. Während ich das Zelt aufbaue fahren noch einige Autos an mir vorbei, scheinbar ist das Verkehrsaufkommen zwischen Alichur und Murghab doch ein bisschen größer, trotzdem haben mich heute vielleicht 15-20 LKWs und 20-25 Autos überholt, verteilt auf über 6 Stunden auf dem Rad.

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Keine Lust mehr, ich biege ab von der Hauptstraße und schiebe ein wenig.
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Und finde so ein tolles Plätzchen für mein Zelt.

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Abends gibt’s schon wieder rote Linsen mit Mais, weit besser als mein klebriges Nudel-Missgeschick von gestern. Dabei leert sich endlich die erste Gas-Kartusche aus Duschanbe. Dafür, dass diese  auf dem Gratis-Haufen im Hostel lag und keineswegs voll gewesen sein dürfte, hat sie es echt lang ausgehalten. Seit Khorogh habe ich jeden Tag 1-2 Mahlzeiten damit gekocht habe und die Nudeln oder Linsen müssen wirklich lange kochen, auch weil der Wind abends doch immer auffrischt, was den Kochprozess verlängert. Da ich noch so viel Wasser übrig habe, schraube ich später noch die zweite Kartusche an den Kocher und bereite mir einen Liter Tee zu. In Murghab werde ich mir dann einen Liter Benzin für den Kocher auf Verdacht mitnehmen.

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Das Zelt als Windschutz

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Endlich Appetit, endlich ein tolles Abendessen!

Der Rest des Abends ist ausgefüllt mit Lesen und Entspannen. Ich habe nur noch 26 Kilometer bis Murghab, und es geht 300 Höhenmeter bergab. Und in Murghab werde ich auf alle Fälle einen Ruhetag einlegen, denn ich liege gut in der Zeit.

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Abendstimmung am Zeltplatz

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Braver Drahtesel!

Glücklich liege ich abends im Zelt. Ich bin fasziniert von den Landschaftseindrücken des Tages und bin so froh hier meinen Urlaub verbringen zu können. Verschwunden ist mein Gemecker der ersten Woche und ich habe einfach nur Spaß.

Nach Einbruch der Dunkelheit zieht es mich noch mal aus dem Zelt um Aufnahmen vom Sternenhimmel zu machen. Der Mond ging genau zwischen zwei Bergspitzen auf und tauchte die Umgebung in ein sanftes Licht, doch auch mit dem nackten Auge konnte man die Milchstraße sehen. Der Mond erschien fast Supermond-artig, man sah die zahlreichen Krater auf der Mondoberfläche. Etwa eine Stunde renne ich in der Dunkelheit umher, positioniere die Kamera neu, nutze im Zelt meine Taschenlampe etc. Auch wenn es ziemlich kühl und windig war, den Spaß war es allemal wert.

[Ich bin leider wahrlich kein Experte für die Bearbeitung von Nachtaufnahmen. Sollte jemand Erfahrung haben, wie ich aus diesen Bildern weit mehr herausholen kann, bitte meldet euch gerne. Ich würde mich sehr freuen! So zeige ich sie euch erstmal einfach so]

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Leider schien der Mond recht hell.

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Der Hauptdarsteller der Reise
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kriegt natürlich auch ein paar fotografische Auftritte.

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Na, erratet ihr was ich geschrieben habe?

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Ein Geist im Zelt

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[Tag 11] Jelondy – Sassikul See

18. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 71 Kilometer und 1200 Höhenmeter von Jelondy aufs Pamir-Hochplateau bis zum Sassikul See. Ein paar Kilometer mit einem motorisierten Untersatz.

 

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Der starke Regen hört in der Früh auf, und ich fühle mich weit besser als gestern. Die Beine kribbeln nicht mehr, ich fühle mich ausgeschlafen, das große Abendessen gestern hat auch Wunder bewirkt.

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Schlafplatz für die Nacht

Nun steht also nur noch der Koitezek Pass zwischen mir und der Pamir Hochebene, auf die ich mich freue, seit ich in Kulob losgeradelt bin an Tag 1. Dort oben gibt es zwar ein paar kleinere Pässe für die ich 200-300 Meter hoch muss, aber bis auf den großen Ak-Baital-Pass werden weniger Höhenmeter täglich zurückzulegen sein, als bisher auf der Reise.

Obwohl es weiter nieselt will ich nicht auf Trockenheit warten, packe im Zelt alles zusammen, dann wird die regennasse Behausung verpackt und ich trage die Taschen und mein Fahrrad über den aufgeweichten Garten zur Straße zurück. Es war relativ kühl, pendelte zwischen 13- 14° Grad.

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Neuschnee in Richtung Koitezek-Pass
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Und es bleibt Grau im Tal
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Bereit zum Losfahren.

 

Bei wolkenverhangenen Himmel schwinge ich mich aufs Fahrrad und trotze dem starken Gegenwind. Schnell fallen die Temperaturen auf 7° C, dabei fällt mir auf, dass mein Thermometer genau 50°C weniger zeigt, als am ersten Tag hinter Kulob. Verrücktes Wetter. Immer wieder schwillt der Regen an, klingt aber recht schnell ab. Auch zeigt sich hinter mir wieder langsam der blaue Himmel, hoffentlich holt der mich schnell ein.

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Der Koitezek-Pass liegt links hinter der Biegung
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Hier oben ist der Gunt ein sanftes Flüßchen, kaum zu glauben wie reißend er in Khorogh an der Hotelterrasse vorbeizog.
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Blick zurück und der Himmel reißt langsam auf.

Die Straße kurbelt sich, wie gestern berichtet weiter gen Himmel, außer monoton im zweiten Gang zu treten ist nicht viel zu tun. So schaffe ich in den ersten zwei Stunden auch nur magere 11 Kilometer und bin in dem schweinekalten Wetter von 3550m (Jelondy) auf 3800m aufgestiegen. Trotzdem fehlen noch 400 Höhenmeter bis zum Scheitelpunkt des Koitezek Pass. Wahrscheinlich würde ich das auch schaffen, die Beine fühlen sich heute besser an als gestern, aber es wäre auf alle Fälle ein ganz schöner Kraftakt, der mich drei Stunden kosten würde, die Energiespeicher leeren würde und somit ein dritter Tag für reines emporklettern in diesem Tal drauf gehen würde. So entschließe ich mich, den gestern gefassten Plan umzusetzen: Ich werde mir einen motorisierten Helfer für den Aufstieg suchen. Ein LKW kommt langsam emporgekrochen, doch als ich ihn bitte anzuhalten, schüttelt der Fahrer nur stoisch den Kopf und beschleunigt.

In den zwei Stunden die ich bisher geradelt bin, war dies das erste Gefährt, das mich überholt hat. So fahre ich einfach weiter und werfe immer mal wieder einen Blick zurück. Irgendwann meine ich da einen weiteren Lastwagen zu entdecken, als dieser aber näher kommt, stellt er sich als grauer Offroad-Caravan aus Baden-Württemberg heraus. Bernd und Sabine sind auf großer Tour und halten auf mein Handzeichen hin auch sofort an. Nach einem kurzen Plausch erklären sie sich beide einverstanden mich hoch zum Pass zu nehmen. Über der Hinterachse ist ein Stauraum eingebaut, der über die gesamte Breite des Fahrzeugs geht. Obwohl ihre beiden Räder da schon drin sind, kriegen wir mit ein bisschen Tetris auch mein Rad in die Dackelgarage verfrachtet. Dann wird mir auch noch der Beifahrersitz zugewiesen und Sabine sitzt hinten im “Wohnzimmer”, was mir leicht unangenehm ist, da sie so am Esstisch eine halbe Stunde durchgeschaukelt wird. Unterwegs erzählen sie mir, dass sie den französischen Radfahrer Benjamin, mit dem ich vor einigen Tagen unterwegs war, im Green House Hostel in Duschanbe getroffen haben. Er hat es wohl damals nicht geschafft seinen Reifen geflickt zu kriegen und seine gebrochene Felge am Leben zu halten. Er ist per Anhalter nach Duschanbe zurück, dort wartete er wohl auf eine Ersatzteillieferung aus Moskau. Witzig wie klein die Reisewelt hier ist, jeder kennt jeden.

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Blick zurück aus dem Van

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Blick voraus, fast ganz oben und auch ganz nah an der Schneefallgrenze
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Mühsam bergauf
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Endlich auf dem PAMIR PLATEAU!

In dieser halben Stunde schaffen wir die 12 Kilometer bis zum Pass, das zeigt wie übel die Straße ist. Zwar rumpelt der Van mit guter Federung und ordentlich Bodenfreiheit über die gröbsten Steine und Bodenwellen hinweg, schnell fahren kann man dabei aber nicht. Wie damals im Auto des Gouverneurs Gorno-Badachstans fühle ich wieder nur Erleichterung. Ich bin froh mir diese 12 Kilometer Quälerei erspart zu haben und stattdessen den Rest des Tages dann auf der Hochebene verbringen zu können.

Oben am Pass angekommen lassen mich Bernd und Sabine raus. Die Landschaft ist der absolute Hammer. Was in Jelondy ein beständiger Regen gewesen ist, war hier oben wohl Schneefall, die umliegenden Berge und die Hochebene sind in weiß gehüllt.

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Das Fahrrad ist schnell ausgeladen
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Nur die Taschen müssen wieder eingehängt werden
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Bernd + Abenteuermobil

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Danke euch Beiden!

Verrückt dass ich jetzt zwei Mal den Koitezek-Pass in extremen Wetter erlebt habe. Mit Akbar im Jeep kam es hier zum krassen Schneeregen, nun beim zweiten Besuch zu richtigem Schneefall. Dabei hatte ich bei der Jeepfahrt damals eher Angst, dass ich mir ordentlichen Sonnenbrand hole, die Sonne knallte durch die Frontscheibe und meine Arme brannten von der Hitze. Und nun steh ich im Schnee.

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Allein auf weiter Flur

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Kalt war es jedoch nicht, der Schnee war eindeutig über Nacht gefallen, denn nun hatte es mit etwa 15° C Plusgerade. Klar war dass der Schnee wohl bald verschwinden würde, so nutze ich (und die Baden-Württemberger) die Gelegenheit für eine ausführliche Foto-Session. Die Straße war dabei wunderbar schneefrei, nur die Umgebung war gezuckert.

 

 

 

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

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Auch als ich auf den folgenden Kilometern ein paar Höhenmeter verlor, sah man ganz deutlich wo die Schneefallgrenze war, denn nun fuhr ich wieder in der kargen Landschaft ohne Schnee.

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Schneefallgrenze
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Erste (ärmliche) Behausung auf dem Pamir

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Traumhafte Straße bis zum Horizont
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Die ich mir allerdings mit ein paar LKWs teilen muss.

Ich war unglaublich erleichtert endlich auf der Pamir-Hochebene angekommen zu sein. Ich war auf 4200 Meter, es ging mal ein paar Höhenmeter wieder runter, manchmal welche rauf. Ich hatte nicht mit Gegenwind zu kämpfen. Die Temperatur pendelte sich bei angenehmen 15-20° C ein. Die Sonne knallte zwar richtig (Höhensonne!), und ich blieb in langärmligen Klamotten um nicht gleich einem fiesen Sonnenbrand zum Opfer zu fallen, aber dafür kühlte der Fahrtwind und die Umgebungstemperatur entsprechend. Ich hatte es tatsächlich auf den Pamir geschafft! In allen Momenten der Vorbereitungen, beim Träumen, bei der Planung, immer hatte ich genau diese Landschaft vor meinem inneren Auge.

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Begrüßungsschild der Verwaltungsprovinz Murghab

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Ich musste noch einen zweiten “Pass” erklimmen, nachdem ich hinter dem Koitezek Pass erstmal ein paar hundert Meter Höhe verloren hatte. Doch mit nur 200 Meter Höhengewinn ging dies relativ schnell und problemlos, auch weil meine Begeisterung mich voran schob. Ab und an musste ich doch Laufen, aber nur um den Beinen eine Abwechslung zu geben, und weil ich auf Stellen mit besonders grobkörnigen Schotter fast keine Traktion hatte.

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Der zweite “Pass” voraus
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Und beim Hochfahren
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Blick zurück
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Und Blick voraus

Es folgten nun noch weitere 38 Kilometer Buckelpiste mit mal schlechtem, mal nicht existenten Asphalt. Akbar hatte einen Teil der Strecke damals als “Trampolin” bezeichnet, mit dem Rad ging das einwandfrei, die LKWs hatten aber auf den aufgefalteten Asphalt keine Freude. Endlich fahre ich dafür mal mit 15 km/h, statt den 10-12km/h der vergangenen zweieinhalb Tage.

Im Kopf singe ich die Zeilen eines Feine Sahne Fischfilet Songs: “Wir wissen, dass die steinigsten Wege manchmal die schönsten sind”.

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Buckelpiste, mir machts Spaß!
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Denen eher nicht so…

 

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Hmm, warum ich hier wohl anhalte? Da ist doch nichts….
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außer einem Wasserrohr und einem Haufen Steinen…
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Überraschung!

Bald darauf kam ich an die Stelle, an der ich ein Wasserdepot angelegt hatte, als ich mit Akbar im Jeep vorbei fuhr. Alles war noch an Ort und Stelle, und auch der Regen der vergangenen Nacht konnte dem nichts anhaben. Dort habe ich dann eine kurze Pause gemacht, es gab eine Packung Kekse und eine Flasche Wasser.

Doch eine richtige Mittagspause wollte ich heute nicht machen, lieber ein bisschen weiter fahren und das traumhafte Wetter und die traumhaften Ausblicke ringsum genießen. DAS ist doch mal eine Veränderung zu den stundenlangen Pausen der letzten Tage.

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Abzweigung nach Bulunkul

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Nach der Pause hatte ich eine der unangenehmsten Begegnungen der gesamten Reise. Bisher waren alle Tadschiken die ich getroffen habe unglaublich freundlich, die Kinder stürzen sich förmlich auf mich und auch die Erwachsenen sind sehr hilfbereit. Auch jetzt sah alles nach Hilfsbereitschaft aus. Am Wegesrand saß ein alter Mann, der wohl die paar Ziegen auf der Wiese vor sich hütete. Ich grüßte im Vorbeifahren, doch als er mir etwas zurief habe ich angehalten und bin wieder zu ihm zurück gefahren. Zuerst gibt es das übliche Palaver, wobei er kein Englisch, ich kein Russisch/Tadschikisch/Pamiri verstehe. Irgendwann die übliche Einladung zu “Choy, Choy?” (Tee) und es wird ein alter Laib Brot geschwenkt. Mit dem Wissen, wie mies dieses vertrocknete Brot schmeckt, lehne ich dankend ab und will mich wieder auf den Weg machen. Der Mann ist in der Zwischenzeit aufgestanden und hat sich auf mich zu bewegt. Erst ist es nur ein Arm um die Schulter, ich nehme es als eine kumpelhafte Verabschiedung, oder der Versuch mich doch noch zum Bleiben zu überreden. Ich habe immer noch das Fahrrad zwischen meinen Beinen und stehe so relativ bewegungseingeschränkt da, will mich zum Weiterfahren bereit machen. Doch eh ich mich versehe ist aus dem Arm um die Schulter ein ekliger Angrabschversuch geworden. Erst glaube ich noch an ein Missverständnis, doch eine Hand auf dem Hintern und eine auf dem Penis, samt heftigen Gegrabsche, lassen wirklich keine andere Lesart zu.

Rabiat schiebe ich so den alten Mann von mir weg und steige in die Pedale, er hat keinerlei Chance mich einzuholen. Eine wirklich surreale Situation. Dies war der erste sexuelle Übergriff, den ich je erlebt habe. Zum Glück war ich in einer einigermaßen sicheren Machtposition. Der alte Mann konnte mir nichts entgegensetzen, es war ein leichtes ihn wegzustoßen (als ich die Situation erst erkannt hatte), ich war ihm auf alle Fälle körperlich überlegen. Zur Not hätte ich ihm vermutlich sogar einen Stein über den Schädel ziehen können. Also eine ganz andere Situation und Kräfteverhältnis als wenn eine Frau* in der U-Bahn oder wo auch sonst eingekreist wird. Eben deswegen, und weil ich es als ein Teil meiner Privilegien begreife, dass ich fast 30 werden musste, bevor ich einen sexuellen Übergriff erlebe, vergeht das Ereignis recht schnell und ist nicht so recht traumatisch. Aber verdammt seltsam war es schon, da sitzt dieser Opa mitten im Nirgendwo und belästigt vorbeifahrende Radfahrer. Verrückte Welt!

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Rechts der Abzweig ins Wakhan-Tal.

Schon bald kam ich an der Abbiegung zum Wakhan-Korridor vorbei. Vor 4 Tagen kamen Akbar und ich hier vom Kargush-Pass runter, ich war noch auf dem nahegelegenen Berg wandern und hier sind wir auf die M41 abgebogen, samt lange nicht mehr gesehenen Asphalt. Nun bin ich bereits auf dem Asphalt drauf, eine Pause mache ich an der Abbiegung trotzdem. Grund dafür sind ein deutsches Fahrrad-Pärchen, die hier auf einem Stein ein wunderbares Mittagessen angerichtet haben und es sich gut gehen lassen. Wie ein professionelles Tour de France-Team haben sie ein Begleitfahrzeug samt Fahrer, der voran fährt, Essen aufbaut und am wichtigsten: Ihr ganzes Gepäck schleppt. So sind die Beiden auf beneidenswert leichten Mountainbikes unterwegs, können die grobstolligen Reifen und die Federung genießen. Doch selbst so ausgerüstet fluchen die beiden über die Anstrengungen der letzten zwei Tage. So lang haben sie nämlich von Langar aus gebraucht um die 50 Kilometer über den Kargush-Pass bis hierher zu kommen. Innerlich beglückwünsche ich mich erneut, das Wakhan-Tal nicht mit dem Rad in Angriff genommen zu haben.

Dankenswerterweise lassen sie mich noch von ihrem luxuriösen Mittagessen kosten, bevor ich mich wieder auf den Weg mache. Wir verabreden uns noch für die kommenden Tage, sie werden mich sicherlich überholen. Lustigerweise verschieben sich unsere Routen dann allerdings so, dass ich ihnen erst am allerletzten Tag meiner Reise in Osh begegne, wo sie sich im selben Hostel einquartiert haben. Man trifft sich immer zweimal im Leben.

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DSC00351Hier oben sehe ich noch einen Falken oder Adler kreisen.

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Beim Blick auf die Karte merkte ich, dass eine von drei “Städten” (ja, die Anführungszeichen sind da mehr als gerechtfertigt) im Pamir, Alichur, nur noch 20 Kilometer entfernt ist. Doch nachdem es bereits 15.30 Uhr war, ich mehr als genug Lebensmittel und Wasser mit mir führte und eigentlich keinerlei Bedürfnis hatte, in einem Homestay einzukehren, beschließe ich nicht mehr so weit zu fahren.

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Potentielles Nachtlager….
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Der Sassikul-See

10 Kilometer vor Alichur ist der Sassikul-See auf der Karte eingezeichnet. Toll, ein See! Innerlich bereitete ich mich auf Sandstrand, einem ordentlichen Bad (3 Tage seit der letzten Dusche in Khorogh), Wiesen und einen entspannten Abend vor. Zum Sassikul-See selber nahm ich eine kleine Nebenstraße, die parallel um ein paar hundert Meter versetzt zur M41 läuft. Vielleicht war dies früher sogar offiziell die M41 und es wurde dann eine neue Straße daneben gesetzt? Keine Ahnung, auf alle Fälle lässt der Belag doch ein wenig zu wünschen übrig.

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Nicht mehr weit zum Ufer

An der Stelle, an der die Straße sich dem Seeufer annähert, biege ich direkt von der Straße ab und schlag mich 300 Meter querfeldein zum See. Der Weg ist ziemlich sandig, und dort wo Wiese anzutreffen ist, ist diese von dem vergangenen Gewitter gestern Nacht ganz schön durchweicht. Auch ein kurzer Blick zum See zeigt, dass ich mir mein abendliches Schwimmen in die Haare schmieren kann: Der See ist voller Algen, zudem schwimmt am Ufer eine fiese Brühe aus Zooplankton rum, denen man so richtig beim Strampeln zuschauen kann. Nein Danke, da bleibe ich lieber dreckig. Hätte ich mal lieber in den Reiseführer geschaut, da finde ich raus, das Sasikkul „Stinkesee“ bedeutet, so werden abflusslose Seen mit Brackwasser auf Kirgisisch genannt. Na Prima!

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Aus der Ferne malerisch
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Aus der Nähe leider nicht so.

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Es gibt, wie bereits zuvor erwähnt, eine Facebookgruppe für Pamir-Highway-Reisende. Ein paar Mitglieder haben eine Landkarte des Pamirs mit Zusatzmeldungen versehen und diese zum Gratis-Ausdruck bereitgestellt. Diese Karte führte ich mit, hätte aber heute Früh auf alle Fälle mal draufschauen sollen. Denn dann hätte ich gesehen, dass für diesen See und dieses Gebiet die Warnung “Lots of mosquitos” eingezeichnet war. So musste ich es auf hartem Wege erfahren. Kaum kam das Rad nahe des Ufers zum Stehen, war ich eingehüllt in einen Schwarm Mücken, wie es selbst schwedische Wälder nicht besser hingekriegt hätten. Nun, endlich mal die Gelegenheit mitgebrachtes Equipment zu testen, so schmeiße ich mir schnell mein wohlbekanntes Moskitonetz über den Kopf. So verhüllt klappt der Zeltaufbau einigermaßen. 30 Gramm Gewicht auf dem Fahrrad, das Mitschleppen hat sich sehr gelohnt!

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Verteidigung!

Nach dem Aufbau rette ich mich ins Innenzelt, schlage ein paar dutzend Mücken tot und kann dann endlich meinen Abend genießen. Im Vergleich zu den bisherigen Tagen bin ich nicht erst um sechs oder halb sieben am Zeltplatz, sondern schon um 16 Uhr. So verbringe ich die Zeit mit der Buchlektüre, schaue Serien und genieße den Blick über den See. Schön ist er schon, schade dass er bei näherer Betrachtung so eine Brühe bereithält.

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In die Richtung geht’s morgen weiter.

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Zum Abendessen gibt es dünne chinesische Nudeln, die leider gar nichts werden. Ich weiß nicht ob ich sie zu früh ins noch nicht kochende Wasser gekippt habe, oder ob es daran liegt, dass das Wasser bei den Höhen sich anders verhält, (Wasser hat in der Höhe einen deutlich niedrigeren Siedepunkt), auf alle Fälle verwandeln sich die Nudeln in eine ordentliche Portion Pampe. Sie kleben so zusammen, dass ich einen stärkehaltigen Block im Topf habe. Schließlich begnüge ich mich damit die Tomatensoße und die Oliven raus zu picken, die Nudeln kommen leider in die Wiese. Rückblickend hätte ich mal nicht die guten Beilagen auf diese Nudeln verschwenden sollen. Wenigstens sind die Taschen wieder deutlich leichter: 400 Gramm Tomatensoße im GLAS, 200 Gramm Nudeln, 350 Gramm Oliven.

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Dreckiges Fahrrad zum Tagesende

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Na gut dachte ich mir, dann gibt’s halt Kekse zum Abendessen, schließlich habe ich davon eine Menge dabei. Ich habe die erste Kekspackung geöffnet und scheinbar steht da auf Kyrillisch die Geschmacksrichtung “Staub mit Asche” drauf. Hustend und nach einem ordentlichen Schluck Wasser verteile ich die Kekse anschließend ebenfalls auf der Wiese, keinen Meter mehr schleppe ich die mit mir. Kein Problem, ich hab ja eine zweite Packung dabei. Beiße in den ersten Keks. Kaffeegeschmack. Ich. HASSE. KAFFEE! Zudem sind diese Kekse ebenso staubig wie die erste Packung und landen deswegen ebenfalls in der Wiese. Somit habe ich 500 Gramm Kekse über 2000 Höhenmeter emporgeschleppt, nur um sie hier den Vögeln und Insekten zum Fraß vorzuwerfen. Vielen Dank auch! Wehe ich finde beim nächsten Markt in der Stadt Murghab nicht was Besseres, nochmal passiert das mir nicht.

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Der Sonnenuntergang entschädigt für die eklige Kulinarik heute Abend, ebenso spannt sich nachts ein toller Sternenhimmel auf.

 

 

 

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Bis zur größten Stadt des Pamirs, Murghab, sind es noch 116 Kilometer und ich werde es so handhaben, dass ich morgen so weit fahre wie ich Lust habe, dann ist es übermorgen nur noch eine kurze Fahrtstrecke, von geschätzt 30-40 Kilometern. In Murghab gibt es dann endlich einen Ruhetag.

Entspannt krieche ich später in meinen Schlafsack. Meine Stimmung hat sich um 180 Grad gedreht, ich bin unglaublich froh auf der Hochebene zu sein, genieße die Fahrt hier oben und bin erleichtert nicht mehr 95% des Tages bergauf kriechen zu müssen. Mal 200 Meter aufzusteigen ist ja okay, aber zumindest gibt es so flache Passagen und auch Abfahrten. Hinzu kommt die beeindruckende Landschaft, in der es eine Freude ist zum Radfahren. Mal sehen wie die nächsten Tage so werden.

 

 

[Tag 10] Nimos – Jelondy

17. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 61 Kilometer und 1000 Höhenmeter von Nimos bis nach Jelondy.

 

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Nach der bereits beschriebenen miserablen Nacht voller verrückter Träume habe ich der Früh mein Müsli runtergewürgt, so gut es ging und mein Camp abgebaut. Um 8 Uhr war ich abmarschbereit und habe der Familie im Garten noch mal gewunken vor dem Aufbruch. Es war in der Früh schon relativ warm. Nicht das “ich bin am Panj und verglühe”-warm, aber trotzdem merklich warm.

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Mein Schlafplatz für die Nacht
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Die Anwohner sind bereits wach und schon fleißig am Arbeiten.

Heute komme ich an relativ wenigen Dörfern vorbei, man merkt, dass man sich von der Provinzhauptstadt Khorogh entfernt. Der Tagesbeginn läuft relativ gut, die ersten 20 Kilometer verlaufen recht flach und helfen mir so, mich wieder ans Radfahren zu gewöhnen. Doch auch ohne steile Anstiege, “recht flach” bedeutet, dass es trotzdem nach oben geht. Denn ich bin ja in diesem Bergtal und das windet sich konstant bergauf. So fährt man auch keine gemütlichen 18 km/h, sondern klettert mit 12-13km/h bergauf.

Unterwegs treffe ich ein Schweizer Pärchen in einem Jeep, bei einem kurzen Plausch erzählen sie mir, dass ein Radfahrer aus Stuttgart etwa 20 Kilometer vor mir ist. Wie schon bei meiner Nordkappreise bedeutet dies, dass ich ihn wohl nie zu Gesicht bekommen werde, so große Abstände werden in der Regel nicht eingeholt, außer die vordere Person macht einen Ruhetag. Auch ihre weiteren Erklärungen waren nicht sonderlich hilfreich. “Der richtig toughe Teil kommt ja erst noch, bis jetzt war alles einfach” hilft mir als Aussage halt null. Ich hatte nicht dezidiert nach dem weiteren Streckenverlauf gefragt und finde es daher unangebracht mit solchen Aussagen mich zu demotivieren.

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Blick Tal-Abwärts
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Blick Bergauf

Die Ausblicke auf das Tal bleiben weiterhin schön, die Beine sind aber noch ein wenig Gummi-artig. Die Pause in Khorogh führte nämlich auch dazu, dass die Beine sich soweit erholten, dass jetzt wieder der Muskelkater einsetzen kann nach der Erholung. Zudem habe ich heute damit begonnen Medizin gegen Durchfall einzunehmen. Ich hatte davor die Hoffnung, dass dies von alleine verschwindet, aber bisher hat sich keine Besserung eingestellt. Bald bin ich auf dem Pamir Plateau ohne jegliche Bäume, da wäre es natürlich von Vorteil wenn ich nicht dauernd nach einem großen Stein Ausschau halten müsste. 😉

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Immer wieder Brücken zu Siedlungen auf der anderen Flussseite

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Nach 30 Kilometern gibt es die erste Pause. Die letzten Kilometer waren relativ steil und ich dadurch ganz schön fertig, da kam ein Magazin am Wegesrand gerade recht. Habe mir da erstmalig eine “RC Cola” gekauft, die wohl eine amerikanische Marke ist, sie haben aber das Rezept nach Russland lizensiert und so findet man diese Cola wirklich überall in Tadschikistan (und Kirgistan). Auch wenn die noch süßer ist als Coca Cola, sie ist für mich zum Glück trinkbar. Nicht lecker, aber besser als die Warnungen, die ich im Voraus erhalten hatte. Leider gab es dort auch nur Literflaschen, ich hatte also auch nach der Pause im Schatten noch genug Zuckerwasser zum Mitschleppen.

Ein paar Kilometer wollte ich noch schaffen bis zur Mittagspause, angedacht war es 40 Kilometer vor der Pause hinter mich zu bringen. Aber dann kamen einfach keine guten Pausenmöglichkeiten. Schattenspendende Bäume hatten sich plötzlich in Luft aufgelöst. So habe ich mich weiter gequält, auch die Temperaturen kamen nun langsam in einen unangenehmen Bereich. Nach 4 Stunden Fahrt, um 12 Uhr, entdeckte ich ein kleines Wäldchen neben der Straße. Wäldchen klingt schön lieblich, es waren aber verdörrte, stachelige Bäume und Büsche, bei denen es ziemlich schwer war einen Schattenplatz zu finden, der mich nicht aufspießt. Da der Wald direkt am Fluss dran lag, hatte ich zumindest die Hoffnung ein beschattetes Plätzchen am Wasser zu finden. Wenn man erst den Einstieg über allerlei dornenbewehrte Wiesen geschafft hatte, konnte man dann tatsächlich auf Steinen sitzen und die Beine ins Wasser halten. Längerfristig ist ein Sitzplatz auf kantigen Steinen jedoch nicht das Wahre, ich habe zweimal versucht in der Nähe des Fahrrads auf dem Boden zu schlafen, dies war jedoch noch unbequemer und so habe ich den Versuch aufgegeben und mich wieder ans Ufer begeben.

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Die Mittagspause habe ich ganz schön in die Länge gezogen, dabei hatte ich keinerlei Lust den Kocher aufzubauen und wieder so erfolglos auf einer Portion Ramen-Nudeln rumzukauen wie gestern. So entschließe ich mich meine Packung Kekse aufzubrauchen, verbunden mit einem Snickers-Riegel und dem Rest der RC Cola ist dies ein diabetes-lastiges Mittagessen. Zumindest kriege ich dies einigermaßen reingewürgt, obwohl mir schon wieder leicht schlecht ist.

Insgesamt war die Mittagspause nicht so recht erholsam. Zu allem Überfluss fängt irgendwann meine untere Körperhälfte an zu kribbeln, in etwa dasselbe Gefühl, als wenn ein eingeschlafenes Körperteil gerade wieder durchblutet wird. Dies hörte auch bis abends nicht mehr auf, ich vermute damit war es eine der Folgen der Höhe, schließlich war ich nun deutlich über 3000 Höhenmeter aufgestiegen. Erst nach der Nacht im Zelt fühlten sich die Beine wieder völlig normal an.

So liege ich mit kribbelnden Beinen im Halbschatten in der Hitze und habe wirklich wenig Lust mich fortzubewegen. So freue ich mich auf alle Fälle die Hochebene morgen zu erreichen, da wird es deutlich kühler sein und ich muss nicht mehr 3-4 Stunden pausieren um der Mittagshitze zu entgehen. Vorallem weil ich jetzt immer Pause mache bis 16 Uhr, dann weiterfahre bis 18.30 Uhr und dann bleibt etwa eine Stunde zum Zeltaufbau, Essen machen und dann ist es schon wieder dunkel. Ich fände es schön mal abends ein paar Stunden am Zeltplatz entspannen zu können, zu faulenzen und dann irgendwann in Ruhe Essen zu kochen.

 

Die Weiterfahrt geht schleppend voran. Die Kraft in den kribbelnden Beinen habe ich wohl bei der Mittagspause liegen gelassen und so mühe ich mich auf den noch verbleibenden 150 Höhenmetern bis Jelondy ganz schön ab. Hinzugekommen ist wieder die Übelkeit und so rutsche ich am Nachmittag in einen ganz schönen Tiefpunkt der Reise. Morgen steht ein ganz schöner Anstieg bevor und so hatte ich bereits beim Mittagessen beschlossen, dass ich morgen notfalls einen Truck wieder anhalte und mich hochkutschieren lasse, wenn es nicht geht. Nun aber, da ich mich empor kämpfe, spielt mir mein Gehirn allerlei Szenarios vor. Selbst der Versuch einen Lastwagen zu finden, der mich ganz bis Osch in Kirgistan bringt und den Rückflug zwei Wochen vorzuziehen, wird als Option erwogen.

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Blick Talaufwärts
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Schlechtes Wetter kündigt sich an

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Blick zurück

Doch irgendwann setzt die Vernunft wieder ein. Wenn ich erstmal auf der Pamir-Hochebene bin, wird es deutlich flacher, zudem wird die Übelkeit sicherlich aufhören wenn ich in kälteren Gebieten fahre. So schaffe ich es, diese negativen Gedanken, in die man sich auch ganz schön reinsteigert, wieder zu verdrängen. Unterwegs treffe ich noch eine Gruppe Deutsche, die sich einen Jeep gemietet haben und morgen in dieselbe Richtung fahren wie ich. Wir vereinbaren, dass sie zumindest mal anhalten, und sollten sie Platz haben, nehmen sie mich auf den Pass mit rauf. Verbunden mit diesem Hoffnungsschimmer bessert sich meine Laune ungemein.

Spannenderweise hört abends meine Übelkeit wieder auf. Auch kommt ein starker Wind auf, der zuerst als starker Rückenwind mich voran drückt, nur um dann zu drehen und als fieser Gegenwind mir ins Gesicht zu blasen. Voraus blicke ich zudem in dunkle Wolken, es kommt eine Gewitterfront auf mich zu. So krebse ich mit 5-6km/h den Berg hinauf, es ist plötzlich auch Eiskalt geworden. Bis nach Jelondy sind es nur noch 3 Kilometer, so heißt es Zähne zusammen beißen und durch!

Ich treffe noch einen polnischen Radfahrer, der in die Gegenrichtung unterwegs ist, und nun mit Rückenwind ins Tal schießen kann. Im Gegensatz zum Schweizer Pärchen heute Mittag macht er mir Mut für die weitere Reise. Der Anstieg zum Koitezek Pass sei relativ graduell und damit gut machbar.

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Jelondy, eine kleine Ansiedlung am Fluss. Ich werde heute die Nacht bei den großen Bäumen in Bildmitte verbringen.
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Hier die zweite Hälfte des Ortes, ziemlich winzig.

Endlich komm ich abends in Jelondy an. Der winzige Ort hat ein-zwei Homestays und ein heruntergekommenes Hotel, sonst stehen da ein paar Häuser rum. Ich habe erst den ganzen Ort durchquert und wollte erst in Richtung Ortsausgang das Zelt aufbauen. So würden mich morgen die Deutschen im Jeep nicht übersehen können, wenn ich mich auf den Weg mache. So frage ich bei einer tadschikischen Familie mit Zeichensprache, Gesten und meinem Ohne-Wörter-Wörterbuch nach, ob ich in ihrem Garten mein Zelt aufbauen kann, was mir prompt erlaubt wird. Windgeschützt zwischen Bäumen und einer Steinmauer war das auch ein gutes Plätzchen, denn der Wind wütet immer noch ganz schön.

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Blick auf die Wegstrecke, die morgen ansteht. Jetzt Abends ist das Wetter auch wieder ein wenig freundlicher.

Der Windschutz hilft auch beim Kochen, heute Abend gibt es rote Linsen, Dosenmais und eine kleingeschnittene Karotte. Zum ersten Mal seit dem Start der Reise schmeckt mir mein gekochtes Essen. War es bisher der Gedanke “du musst das jetzt Essen, du brauchst die Kalorien, denk an ein Schnitzel und würge dir die Nudeln irgendwie rein”, habe ich heute den kompletten Topf Linsen in mich reingeschaufelt und fühle mich richtig pappsatt. Ursprünglich hatte ich mal geplant die Hälfte der Portion morgen zum Mittagessen zu mir zu nehmen, nun das war wohl nichts 😉 Dafür war das Gefühl, mal endlich ohne Übelkeit eine Mahlzeit zu genießen total motivierend. So kann es weitergehen! Ich habe neben Linsen auch noch ein paar Mahlzeiten aus Deutschland dabei, Kartoffelbrei und Kartoffelknödel. Gedacht waren diese Mahlzeiten als Belohnung für anstrengende Abschnitte, oder wenn ich das tadschikische Essen nicht mehr sehen kann. Beruhigt mich in irgendeiner Form, zu wissen, dass ich dieses Essen für den Notfall noch dabei habe.

Generell merke ich einfach wie anstrengend diese Reise ist. Auf meiner Tour zum Nordkapp bin ich in der Früh später gestartet und hatte abends im Zelt immer noch Lust und Muße allerlei zu lesen, Filme zu schauen, Blog zu schreiben etc. Hier in Tadschikistan schaffe ich es um halb 9 kaum die Augen offen zu halten, bevor ich um 9 Uhr spätestens Einschlafe.

Hatte es beim Abendessen schon leicht getröpfelt, regnet es in der Nacht heftig und nahezu durchgängig. Ich hoffe mein Rad ist nicht allzu sehr eingeschlammt, denn sonst werde ich Probleme haben, eine Mitfahrgelegenheit auf den Pass zu finden, wer nimmt schon ein richtig dreckiges Rad mit?

 

[Tag 9] Khorogh – Nimos

16. Juli 2019:

Mit dem Fahrrad 68 Kilometer und 1500 Höhenmeter von Khorogh entlang des Flusses Gunt.

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Ich komme heute Früh einfach nicht aus dem Knick. Hatte das Frühstück für 7 Uhr bestellt und beschließe dann einfach ein bisschen länger auf der Terrasse zu sitzen und es ruhiger angehen zu lassen. So kann ich auch länger den traumhaften Blick über den Fluss und auf die Berge genießen, den ich am meisten vermissen werde.

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Letztes Frühstück auf der Hotel-Terrasse

Anschließend packe ich mein Zeug aufs Fahrrad, und verabschiede mich von dem Ehepaar die das Hotel besitzen. Sie waren wirklich unfassbar nett und sehr, sehr hilfreich. Auch haben wir über die Tage eine Vielzahl an spannenden Gesprächen geführt und ich fühle mich ihnen doch ein wenig verbunden. Sollte jemand von euch nach Khorogh kommen, steigt auf alle Fälle im Hotel Zarya ab!

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Mir scheint, der Hotelbesitzer würde am liebsten mitkommen

Ich merke, dass mir der Aufbruch heute schwer fällt. Die ganzen negativen Gedanken über den nächsten Streckenabschnitt lasten auf meinen Schultern. Vor meinem inneren Auge, und mit dem Wissen von der Jeepfahrt gestern, verwandelt sich der Weg in eine 15%-ige Steigung für die nächsten 200 Kilometer. Kurz vor dem Ortsausgang in Khorogh kommt man noch einem aufgebockten LKW auf einem Denkmal vorbei. Dieser LKW war in den 1930er Jahren der erste LKW, der den gerade fertig asphaltierten Pamir Highway von Kirgistan aus absolvierte und hier in Khorogh bejubelt wurde. Ein wenig Trotz setzt nun ein. Wenn diese beladene Karre es vor 90 Jahren geschafft hat, dann werde ich das doch auch hinkriegen. Oder?

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Spannenderweise klappt es dann auch ganz gut. Die Beine haben nach den Ruhetagen (selbst nach der Bergtour gestern) wieder Power, und schnell habe ich eine steile Anhöhe erklommen, wo ich nun durch zahlreiche Lawinenschutztunnel fahre. Ich erinnere mich noch genau wie ich gestern im Auto von hier oben bergab blickte und dachte “das wird nie klappen mit dem Rad”. Hat es aber. Mit diesem Wissen versuche ich die nervigen kleinen Angstmacher im Gehirn verstummen zu lassen und mich auf den weiteren Weg zu konzentrieren.

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Die Lawinentunnel

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Hochmodern…
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Sowjetische Ikonographie

Ich frage mich in solchen Situationen immer, warum mein Gehirn sich so oft für “Panik!”, “Überreagieren!” und “Selbstzweifel!” entscheidet. Im Nachhinein fühlt es sich dann alles nicht so wild an, und zumeist klappt es ja dann auch einwandfrei. Aber warum ich gestern voller Sorgen über den heutigen Fahrtag im Bett liegen musste, statt einfach die letzten Stunden meines Ruhetages zu genießen, das versteh ich nicht und es ärgert mich ganz gehörig. Vielleicht hilft es ja diese Reise zu absolvieren, vielleicht versteht mein Gehirn dann, dass es nicht dauernd Panik schieben muss.

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Der Plan für die nächsten Tage/Wochen ist absehbar: Via Murghab (311km) nach Osch (728km) in Kirgistan.
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Und dabei erstmal immer bergauf in diesem Tal.

Ich genieße jetzt einfach das Vorankommen. Die Landschaft ist schön, ich steige heute und morgen entlang eines Tales immer höher, immer am Fluss Gunt entlang. Die Berge an den Seiten des Tales haben noch ein wenig Schnee auf der Spitze und auch die Autos halten sich hier brav an die Verkehrsregeln und überholen zumeist mit gebührendem Abstand. Generell sind es gar nicht so viele Autos, auf der Strecke bis Khorogh gab es eindeutig mehr Verkehr. So kurbele ich mich einfach voran, jede Pedalumdrehung bringt mich höher. Stellenweise hört der Asphalt auf und es fährt sich dann doch deutlich buckliger, aber in der Mehrheit bin ich auf der geteerten Straße unterwegs.

Nach 25 Kilometern mache ich eine kleine Verschnaufspause am Dorfbrunnen, drei Anwohner-Kinder kommen verstohlen vorbei um mich zu begutachten. Nach 2 Minuten verschwinden sie wieder, die Älteste kommt aber nach ein paar Minuten wieder um mir Früchte zu überreichen, die sie für mich vom Baum gepflückt hat.

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Geschenk von den Kindern

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Ich habe keine Ahnung wie die Früchte heißen, hätte ich nicht vor ein paar Tagen im botanischen Garten gelernt dass diese essbar sind, hätte ich gar nicht gewusst was ich damit anzufangen habe. Leider waren die Früchte nicht wirklich reif, aber die Geste zählt und hat mich sehr berührt.

Gestartet bin ich um 8.30 Uhr und fahre bis kurz vor 1 Uhr, was ein bisschen zu lang ist, aber es kamen keine Stellen wo ich mich für eine Mittagspause niederlassen wollte. Zumindest schaffe ich so bis dahin auch 45 Kilometer. Ein ganz schönes Erfolgserlebnis, schließlich hatte ich mir gestern in der Navi-App bereits Campingplätze nach 40 Kilometern Wegstrecke eingetragen, einfach weil ich annahm ich würde es nicht weiter schaffen.

Kurz vor dem Pausenplatz hatte ich noch die Bekanntschaft gemacht mit dem ersten Kind das mich nach “Money, Money” recht aggressiv anbettelte, mich festhielt und nicht weiterfahren lies. Dies als ein eklatanter Gegensatz zu den bisherigen Kindern auf Tour, die eher begeistert meine Fahrt unterstützten. Das bettelnde Kind kann ich beschwichtigen und als er versteht dass ich ihm nichts gebe, außer einem Keks aus meiner Lenkertasche, zieht er auch von dannen.

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Mittagspause

Meine Raststelle ist der Schatten unter einem Baum direkt an der Straßenböschung. Es fließt noch ein kleiner, kaum 20 Zentimeter breiter Bach vorbei, kaum die Rede wert. Trotzdem ganz praktisch um später Topf und Geschirr zu waschen. Nach Ankunft lege ich mich erstmal eine halbe Stunde für einen Mittagsschlaf ins Gras, erst anschließend mache ich mich daran Ramen-Nudeln zu kochen. Das Kochen funktioniert noch gut, aber dann verändert sich die Stimmung des Tages leider wieder. Denn als die Nudeln verzehrfertig sind ist mir wieder extrem schlecht und mehr als ein paar Bissen kriege ich nicht rein.

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Wenigstens ein schöner Ausblick

Ich bin unglaublich frustriert, habe ich mich doch den ganzen Morgen den Berg hochgekämpft, hatte sowieso schon Bauchweh und Durchfall, und jetzt kommt wieder diese ätzende, mich lähmende Übelkeit dazu. Ich weiß dass ich Essen muss und genug Energie brauche um weiter zu strampeln. Mein kleines Panik-Monster im Hirn sagt mir, es laufe jetzt genau wie die erste Woche, genau dieselben Probleme noch mal. Mühsam kämpfe ich mich Bissen für Bissen durchs Mittagessen, immer darauf bedacht an etwas anderes zu denken. Wer mich kennt weiß, dass ich eigentlich immer Essen kann, aber ausgerechnet hier, wo es notwendig wäre, hier geht’s dann nicht mehr.

Nach dem Mittagessen will ich mich noch an einer praktischen Basteleinheit versuchen. Ich hatte bereits am Vormittag gemerkt, dass das Ladegerät, welches am Fahrraddynamo hängt, nicht das Telefon lädt. Nach ein wenig Gekrabbel auf allen Vieren ist der Übeltäter dann schnell gefunden. Der Stecker hat sich gelöst, als ich das Vorderrad für die Mitfahrt im Jeep des Gouverneurs abnehmen musste und so fließt kein Strom. Ein paar Handgriffe später ist das auch behoben.

Abschließend schaue ich noch eine Serie auf dem Telefon, das hilft von der Übelkeit abzulenken. Nach drei Stunden Pause, die geholfen haben die Mittagshitze zu umgehen, quäle ich mich mit dem Rad weiter. Wenigstens ist die Mittagshitze nicht mehr ganz so extrem wie noch am Panj die letzte Woche. Bei der Mittagspause im Schatten des Baumes zeigte mein Thermometer 27° C an, das fühlt sich schon fast kühl an. Auch bei der Weiterfahrt merkt man, dass die Sonne spätestens um 17 Uhr an Kraft verliert und die Fahrt dadurch deutlich angenehmer ist.

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Nur an wenigen Stellen hört heute der Asphalt auf.

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Ich habe vor nur noch weitere 25 Kilometer hinter mich zu bringen und dachte, dies wäre in entspannten zweieinhalb Stunden zu absolvieren. Die geplante Zeit kann ich auch einhalten, lediglich der Entspannungsfaktor hält sich sehr in Grenzen. Ich kämpfe mit den Magenproblemen und der Übelkeit, leider hilft nicht mal Musik als Ablenkung.

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Blick zurück
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Und Blick voraus

Ich komme an zwei tadschikischen Magasin (=Tante-Emma-Läden) vorbei. Das erste führt leider kein Trinkwasser, das zweite ebenfalls nicht, ist eher ein Café. Doch davor sitzt eine Männergruppe und schnell steht ein Stuhl für mich bereit und ich werde eingeladen mich an ihrem Mahl zu beteiligen. Die angebotenen Wassermelonen-Scheiben nehme ich gerne, beim gebratenen Stockfisch passe ich doch lieber, mir kommt schon beim Gedanken daran die Galle hoch. Den kleinen Schluck Vodka nehme ich dann wieder, rede mir ein der würde als interne Desinfektion Wunder wirken. Defacto ist mir danach genauso schlecht wie davor, aber ein Versuch war’s wert.

Erst das dritte Magasin hat dann Wasser, leider nur Mineralwasser, aber ich kaufe doch mehrere Flaschen. Der Mund wird durch den aufgewirbelten Staub wieder trocken, und wenn man nicht alle paar Minuten was trinkt, so habe ich das Gefühl die Zunge klebt regelrecht am Gaumen, verbunden mit dem ekligen Würgegefühl. Besonders in der Nacht merke ich immer wie ausgetrocknet ich bin. Wenn ich erst in Ruhe im Zelt liege, wächst der Durst ins Unermessliche. Hätte ich genug Wasservorräte dabei, ich würde abends im Zelt immer Liter um Liter in mich hinein schütten.

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Harter Job: Straßenmeisterei bei den Temperaturen
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Gut erhaltene Busstation..
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aus der Sowjetzeit

Ich bin ziemlich stolz als ich die 70 Kilometer heute erreiche, hätte ich gestern Abend oder heute früh vor dem Losfahren nicht von mir erwartet. Fantastische, versteckte Zeltplätze finde ich hier allerdings nicht, und so frage ich eine Bauernfamilie am Wegesrand, ob ich in ihrem Garten mein Zelt platzieren darf. Die Familie versteht leider nicht im Geringsten was ich von ihnen will, so kommt wieder mein Langenscheidt Ohne-Wörter-Wörterbuch zum Einsatz. Bin sehr dankbar das kleine Büchlein gekauft und mitgeschleppt zu haben.

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Die Schatten werden länger, Zeit einen Zeltplatz für heute Nacht zu finden.

So ganz verstehen sie immer noch nicht warum ich jetzt bei ihnen zelten will, lassen mich aber gewähren. So stelle ich mein Zelt (taktisch unklug) neben dem Kuhstall auf, 50 Meter von ihrem Haus entfernt. Abends kommt noch mal richtig Wind auf, eine Erfahrung die ich die nächsten Tage immer wieder machen werde. Daher bin ich froh hinter einer Baumreihe geschützt zu sein, wird sicherlich schwieriger wenn in Zukunft nur flache Ebene vorherrscht, mal sehen wo ich da mein Zelt platzieren kann. Der Zeltaufbau heute dauert ewig, doch schlussendlich schmeiße ich mein übriges Zeug ins Zelt und klettere hinterher. Eine halbe Stunde Schlaf gönne ich mir nun auf der Isomatte bevor ich mich ans Kochen mache. Zum Glück kann ich mich dafür losreißen, denn im komplett dunklen zu kochen wäre deutlich anstrengender, vorallem da ich Gemüse klein schneiden muss. Das ich langsam eine beachtliche Höhe im Pamir Gebirge erreicht habe merke ich daran, dass ich Ewigkeiten vor dem Kocher verbringe, das Wasser aber nie richtig kocht. In der Höhe verschiebt sich der Siedepunkt nach unten, es dauert trotzdem. Ein wenig Sorgen über den Gasverbrauch mache ich mir bei solchen langen Kochsessions ja schon, aber bisher bin ich immer noch auf der ersten von zwei Gaskartuschen, die ich im Green House Hostel in Duschanbe mitgenommen habe. Und sollte das Gas ausgehen, dann muss ich halt Benzin kaufen, zumindest eine Tankstelle findet man in jedem größeren Dorf.

Als ich die Nudeln endlich so einigermaßen durchgekocht kriege, sitze ich auf einem schönen Baumstamm, blicke auf einen wunderbaren Sternenhimmel und versuche ein wenig missmutig das Abendessen in mich rein zu zwingen. Ablenkung schaffen  neben den Sternen auch die Bergkette, die nun vom aufgehenden Mond bestrahlt wird.

Anschließend liege ich um halb 10 wieder im Schlafsack. Ich hatte gestern Nacht 8 Stunden geschlafen, heute in der Mittagspause noch eine halbe Stunde und nach Ankunft am Zeltplatz noch mal dieselbe Zeitspanne. Trotzdem kann ich nun kaum einen klaren Gedanken fassen.

Nach zwei mühsamen Seiten auf dem Kindle gebe ich auf und schlafe auch fast sofort ein.

Die Nacht ist dann geprägt durch zahlreiche verwirrende Träume, die mir wie eine Art Fieberwahn vorkommen. Dauernd muss ich durch verschiedene Straßen laufen, die verschiedene Eigenschaften und Funktionen haben, manche geben mir Wasser, manche helfen beim Schlafen, andere bringen mich in die Höhe. Die Strapazen des Tages kann mein Gehirn also nicht so recht verarbeiten. Ob dies nun die Erschöpfung ist, oder auch die Höhe eine gewisse Rolle spielt weiß ich leider nicht. Ich weiß nur, dass ich immer wieder zwischendrin aufwache und weiß, dass ich gerade Bullshit träume, nur um direkt dort wieder anzuknüpfen nach dem Wegdösen. Entspannung geht anders!

Dennoch kann ich stolz auf die vollbrachte Leistung des Tages sein. Obwohl ich mich am Nachmittag so elendig fühlte, ich habe auf den 70 Kilometern von Khorogh (2000m) bis zum Zeltplatz 800 reine Höhenmeter bergauf zurückgelegt, bin also auf knappen 2800m angekommen. Insgesamt waren es heute gar 1500 Höhenmeter laut GPS, ging es doch schließlich an einigen Stellen ganz schön wellig auf und ab. Für morgen habe ich eine Strecke mit “nur” 650-700 Höhenmetern geplant. Im Gegensatz zum Start in Khorogh traue ich mir das nun sicher zu, auch wenn ich wünschte meine ganzen Krankheitsgefühle würden langsam verschwinden.

 

[Tag 8] Wakhan-Tour bis Khorogh

15. Juli 2019: Von Hisor durchs Wakhan-Tal, über Kargush-Pass und die M-41 zurück nach Khorogh per Jeep (Tag 2 von 2)

~280 Kilometer per Jeep. Außerdem 2,5km und 480 Höhenmeter zu Fuß zum Ausblickspunkt.

Ich hab gut geschlafen, obwohl ich gestern einfach nur komplett angezogen ins Bett gefallen bin und mir im Laufe der Nacht mir irgendwann die Daunenjacke als Decke über geschmissen habe. Frühstück gab es dann wie bereits erzählt pünktlich um 6.30 Uhr, weil Akbar um 7 Uhr los wollte. Rückblickend bin ich im dafür auch sehr, sehr dankbar, doch die Gründe dafür sollten sich erst im Laufe des Tages herausstellen. Das Frühstück war karg, es gab das trockene Brot vom Abendessen und ein wenig Marmelade, das Omelette habe ich umgangen. Dazu gab es auch noch zwei verkohlte Pfannkuchen. Trotzdem war ich ganz glücklich mit dem Homestay, besonders da mein Zimmer echt schön war. Mit 190 Somoni (=19€) mit Abstand überteuert, besonders verglichen mit meinen weiteren Unterkünften der Reise, aber nun gut es war wohl der Touristenpreis so abgelegen im Wakhan-Korridor.

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Hisor am Morgen

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Nachdem wir das Auto wieder Beladen hatten ging die wilde Fahrt weiter nach Osten, weiter im Wakhan-Tal. In Langar kamen wir an der Einstiegsstelle für die Wanderung zum Pik Engels vorbei, ein wenig wehmütig, dass es für die Wanderung nicht reicht, bin ich ja schon. Aber andererseits dann doch froh, nicht die nächsten 10 Stunden Bergsteigen zu müssen.

Hinter Langar steigt der Weg gleich richtig an. Langar selber liegt auf 2800m, nach ein paar Serpentinen hinter dem Dorf verwandelt sich der Weg in groben Schotter und klettert immer höher am Berg hinauf. In dem Moment wird mir zum wiederholten Male klar, wie froh ich eigentlich bin, hier nicht mit dem Rad lang zu müssen.

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Es geht steil bergan.

 

 

 

 

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Auch auf afghanischer Seite. Hier ist die letzte befestigte Grenzbrücke nach Afghanistan zu sehen, auch diese mit militärischen Umzäunungen auf beiden Seiten
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Offensive Werbung um Tourist_innen einzufangen wird man hier vergeblich suchen.
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Blick zurück, wir sind seit Hisor/Langar schon ein wenig geklettert.
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Afghanistan
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Afghanistan
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Der afghanische Weg wurde frisch durch einen Erdrutsch verlegt
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Blicke in den Hindukusch

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Stellenweise sieht das Wetter auf der anderen Seite übel aus.

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Der Panj hat sich nun ziemlich tief in den Felsen gegraben, der Ausblick erinnert an eine Miniaturversion des Grand Canyon, schroff läuft der Fluss in seiner Rinne, manchmal verliert man ihn komplett aus den Augen.

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Panj im Canyon

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Nicht an einen Absturz denken, nicht an einen Absturz denken, nicht an…
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Je höher wir kommen, desto weiter reichen die Blicke in den Hindukusch

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Wenig später, in dem was nun als der obere Flusslauf des Panj bezeichnet werden kann, mäandert der Panj lieblich dahin. Weg ist der Wasserdruck der vergangenen Tage, der natürlich auch durch die zahlreichen Zuflüsse und Gefälle entstanden ist. An manchen Stellen kaum mehr 5 Meter breit fließt der Fluss ansehnlich dahin. Auch die Wassertiefe hat abgenommen, an manchen Stellen erscheint er kaum mehr Knietief.

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Der Panj erscheint jetzt zahmer.

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Auch wenn er hier noch ziemlich breit ist….

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… ein paar Kilometer später käme man wohl ohne größere Anstrengungen auf die andere Seite.
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Einzelne Unterkunft auf afghanischer Seite.

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Umso verlockender ist nun der Blick rüber nach Afghanistan. Kaum eine Minute Anstrengung im Fluss und man könnte afghanischen Boden berühren, es wäre ganz leicht. Da ich aber nicht auf die Gastfreundschaft des afghanischen Grenzschutzes zählen dürfte, so ganz ohne Visum, bleibt die Idee ein kleines Leuchtfeuer im Gehirn, ohne konkrete Umsetzung. Zudem habe ich nur ein Single-Entry-Visum für Tadschikistan, sie könnten mir also bei der Querung zurück die Wiedereinreise verweigern, dann wäre ich wirklich aufgeschmissen! Hätte ich jetzt nachts hier mit dem Zelt an einem die tausend kleinen Grasstreifen direkt am Fluss campiert, ich könnte nicht garantieren ob ich nicht doch einen kurzen Abstecher zum anderen Ufer gemacht hätte. Im Vorbeifahren mit dem Auto muss die Idee aber beerdigt werden. Ist wohl auch besser so, einen afghanischen Abschiebeknast will ich nicht von Innen sehen müssen.

Der Weg klettert immer weiter, teilweise geht es auf abenteuerlich befestigter Piste auch an Flüssen vorbei, die direkt von den schneebedeckten Bergen ins Tal rauschen. Irgendwann kommt man an der Kargush Militärbasis samt Checkpoint vorbei, wo nach langer Zeit mal wieder das Visum kontrolliert wurde.

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Der letzte Blick auf den Panj, der mich die letzte Woche lang begleitet hat. Ab nun werde ich mich von der afghanischen Grenze entfernen. Hier oben sieht der Fluss auch eher nach einem Bachlauf aus.

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In Bildmitte die Kargush Militärbasis
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Warten am Checkpoint

Kargush-Pass ist im Winter unpassierbar, und erst im späten Frühjahr trauen sich Autos hier wieder hoch. Ich kann es nachvollziehen, unglaublich schroff erscheint mir die Gegend. Der Blick nach Osten wandert in den Zorkul Nationalpark, viel sieht man allerdings nicht. Ein Besuch des Nationalparks hatte ich in der Planungsphase auch mal angedacht, allerdings braucht man dafür ein Extrapermit und da scheint es wohl richtig Einsam zu sein. Reiseberichte sprachen davon in vier Tagen keiner Menschenseele begegnet zu sein, zudem ist der Weg angeblich richtig grottenschlecht, eine Fahrradpanne dort wäre wohl äußerst unangenehm und folgenreich. Doch auch der Blick am Checkpoint beschert mir eine leichte Gänsehaut: Schneebedeckte Berge reihum und das Gefühl, hier wirklich an einem wenig besiedelten Bereich der Erde angekommen zu sein.

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Steil bergauf
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In Richtung Kargush Pass

Nach der Militärstation geht der Weg weiterhin nur in eine Richtung: Steil Bergauf! Das Auto keucht und stöhnt, doch im Gegensatz zu gestern wartet es nicht mit weißem Rauch unter der Motorhaube auf. Besser so, denn auf uns und den Jeep wartet nämlich ein Pass, doch davor gibt es kurz nach dem Checkpoint einen Höhepunkt für mich: Das Navi springt von 39xx auf 4000m um! Das erste Mal im Leben bin ich auf 4000 Metern angekommen.

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Kargush Pass selber liegt dann auf 4344 Metern. Das sind ganze 1500 Meter höher als wir heute Morgen noch in Langar waren. Somit ein ähnlicher Höhengewinn wie meine Passüberquerung am ersten und zweiten Reisetag, als es hinter Kulob zum Berggipfel ging. Bloß dass es dort auf 2000m Gesamthöhe ging, hier am Kargush Pass ist die Luft natürlich deutlich dünner. Optimal ist es von der Höhenanpassung her ganz sicher nicht, da sagt die Medizin-Richtlinie dass man mehr als 500 Höhenmeter Zugewinn pro Tag vermeiden sollte. Doch ich tröste mich damit, dass ich heute Abend in Khorogh wieder auf 2000 Metern Höhe bin, und dass mein Körper das sicherlich verkraftet.

Nun, es hilft vermutlich, es sich so schönzureden, besonders da nun noch was ansteht: Der Pass ist an sich relativ unspektakulär, zwei kleinere Seen kommen in den Blick. Doch es gibt einen wundervollen Aussichtspunkt auf dem Berg direkt östlich des Kargush Pass. Eingezeichnet ist dieser sogar in meiner Landkarte, und da er 360° Aussichten verspricht, kann ich mir den natürlich nicht verkneifen. Ein wenig schwierig ist es Akbar meinen Wunsch zu vermitteln, auch weil er wohl hoffte einfach schnell nach Khorogh weiterfahren zu können. Doch irgendwann hat er es verstanden. Er gibt mir 2,5 Stunden Zeit zum Wandern, wenn ich in 3 Stunden nicht wieder da bin, kommt er mich suchen. Diese Zeiten gebe ich ihm vor, er ist ein wenig bedröppelt, da er mir ursprünglich eine Stunde zugestehen wollte. Aber hilft ja nichts, in einer Stunde erreiche ich den Gipfel nicht und dafür wird er ja bezahlt.

Akbar bleibt im Auto zurück, ich mache mich querfeldein auf in Richtung Berg, da ich keinen Weg sehen konnte. Im Nachhinein weiß ich, man hätte einfach dem vertrockneten Flusslauf bis oben folgen sollen, so kämpfe ich mich auf teilweise steileren Stellen bergauf. Schneller war diese Route nicht unbedingt, auf losen Schotter komme ich nur mühsam voran. 2 Schritte vor, einen wieder zurück. Ich warte die ganze Zeit darauf wie mein Körper wohl auf die Höhe reagiert. Die Berichte zu rasenden Kopfschmerzen und Übelkeit spuken mir im Hirn herum, ebenso die Erklärungen meiner Ärztin zu Effekten des Hirnödems oder eines Lungenödems.

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Da geht es jetzt hoch!

Doch davon kriege ich zum Glück nichts mit. Ich merke, dass ich alle 40-50 Schritte Pause machen muss, und auch mein Herz schlägt mit solcher Vehemenz gegen die Brust wie ich es sonst bei einer Wanderung nicht kenne. Aber bei den vielen Pausen reichen ein paar Sekunden Durchschnaufen, schon geht es weiter.

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Das erste Murmeltier wartet auf mich, die folgenden Tage werde ich noch dutzende sehen.

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Weiter geht es auf direktem Wege den Berg hinauf. Mein kleiner Notfallrucksack ist, beladen mit all dem Wasser und Kameraequipment, nicht sonderlich gemütlich, aber schlägt sich tapfer. Ebenso wie in einigen Reiseberichten gelesen brauche ich eineinhalb Stunden bis zum Gipfel. Ich stehe auf 4750 Metern, 500 Höhenmeter oberhalb des Kargush Pass!

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Gipfel erreicht!

Auf dem Gipfel empfängt mich eiskalter Wind, der an mir zerrte, doch bei dem unglaublichen Panorama, welches sich vor meinen Augen auftat waren jegliche Widrigkeiten sofort Vergessen. Im Süden sieht man Afghanistan, dort ragen die schneebedeckten Kappen der Hindukush-Berge hinauf. Um mich rum die Pamir-Berge, höhere auch in Richtung Koitezek-Pass wo es nachher mit dem Auto hingeht. Im Osten und Nordosten dann die Berge in China, kurz hinter dem Wakhan-Korridor ist im Osten Pakistan und dann kommt auch schon Indien.

 

 

 

 

 

 

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Koh-i-Pamir (Bildmitte) – 6320m

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Gipfel und Hindukusch-Panorama

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Oben ist noch Luft zum Springen 😉

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Also ein phänomenaler Blick in eine spannende Gegend, die mir so gänzlich unbekannt ist. Dies ballt sich alles zum einem ganz verrückten Gefühl, irgendwo zwischen Spannung, Erleichterung, Verwunderung und tiefer Dankbarkeit.

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Blick in Richtung Kargush-Pass. Dorthin muss ich nun wieder runter.

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Akbar wartet noch beim Auto

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Bis dahin ist es allerdings noch ein Stückchen

Ich bleibe insgesamt nur zehn Minuten auf dem Gipfel, weil es doch knackig kalt ist. Doch die Zeit reicht für einige Fotos und der Ausblick brennt sich hoffentlich für alle Ewigkeit ins Gehirn ein. Schnell stolpere ich wieder dem Tal entgegen, unterwegs begegne ich noch zwei finnischen Wanderinnen samt Jeep-Guide (der war deutlich jünger als Akbar und ist wohl gleich mit hoch gerannt 😉 )

35 Minuten später stehe ich wieder im Tal an der Straße, die Füße brennen von dem rasanten Abstieg und ich hoffe es sind keine größeren Blasen dabei entstanden. Scheinbar sind meine leichten Wanderschuhe dafür nicht gedacht, umso besser dass ich nicht 10 Stunden zu Pik Engels gewandert bin.

Bei der Weiterfahrt erneut die Erleichterung über meinen fahrbaren Untersatz. Die Hochfahrt zum Kargush Pass hätte mich mit Muskelkraft sicherlich 2 Tage gekostet, streckenweise gab es da länger kein frisches Wasser und der Weg war auf der gesamten Strecke hundsmiserabel, das hätte wohl wenig Spaß gemacht. Akbar und ich rumpeln im Jeep weiter, es sind knappe 30 Kilometer Weg vom Kargush Pass, bis man auf den Pamir Highway trifft, der hier in feinstem Asphalt wie eine Fata Morgana erscheint.

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Weiter geht die wilde Fahrt.

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Nun endlich kommt wieder der reguläre Pamir Highway (M41) in den Blick
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Asphalt! Schönster, feinster Asphalt!

Die Torturen scheinen überstanden, ab jetzt wieder auf passabler Straße zurück gen Khorogh. Dies war auch bitter notwendig, für die 30 Kilometer haben wir eine knappe Stunde gebraucht, so mies war der Weg. Unterwegs treffen wir noch einen Radreisenden in die Gegenrichtung, der sich Bergauf die Schotterpiste hochquält. Ich schenke ihm einen Liter Wasser, er wird ihn brauchen, da kommt so schnell erst mal kein fließendes Gewässer in nächster Zeit.

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Das werde ich sein in 3 Tagen…

Zum weiteren Verlauf: Es geht nun auf der M41, dem offiziellen Pamir Highway bergab zurück nach Khorogh. De facto sattle ich morgen das Fahrrad und fahr auf exakt demselben Wege in die Gegenrichtung, also wieder hoch auf das Pamir Plateau. So sehe ich heute schon die Landschaft, die ich die nächsten Tage er-radeln werde. Das finde ich nicht ideal, schöner finde ich es mit dem Rad neue Wege zu erkunden. Doch da ich unbedingt Kargush Pass und den Ausblick vom Berg erleben wollte, machte es Sinn dass ich im Jeep eine Rundtour buche, und nicht durchs Wakhan-Tal zurück kehre nach Khorogh.

Hier am Abzweig warten aber noch 190 Kilometer Jeepfahrt bis Khorogh auf uns. Doch die passable Straße hört bald wieder rauf, für weitere 55 Kilometer verschwindet der Asphalt und es geht auf recht grober Piste dahin. Nicht so schlimm wie im Wakhan, aber schlecht genug um das Tempo drosseln zu müssen.

Die Vorschau darauf, was mich die nächsten Tage mit dem Rad erwartet, gefällt mir gar nicht. Dauernd begutachte ich den Weg aus der Fensterscheibe und frage mich “ist das hier nicht zu steil zum Hochfahren?”, “wo könnte ich denn hier das Zelt aufschlagen, da ist seit 20 Kilometern keine gute Stelle gekommen?”, “wo war eigentlich die letzte Wasserquelle, wie viel Liter Wasser muss ich denn mitschleppen?”. Besonders die Steigungen machen mir Sorgen, der Gegenanstieg sieht wirklich knackig aus.

So mache ich mich selber ganz nervös und verrückt. Wäre ich einfach von der anderen Seite mit dem Rad gestartet, ich hätte jeden Kilometer einfach erkundet und hätte gesehen was mich erwartet. So habe ich jetzt die dumpfe Sorge, dass es Morgen zu anstrengend werden könnte. Wenigstens nutze ich die Autofahrt um mir im Navi einige geeignete Zeltplätze, Wasserquellen und Einkaufsmöglichkeiten einzutragen, so lenke ich mich wenigstens selbst ab und tue was Sinnvolles.

Vor dem Abstieg vom Pamir-Plateau kommen wir noch am Koitezek-Pass vorbei. Hier, auf holpriger Schotterpiste, verschwindet die Sonne gänzlich und die bisherige Hitze wird durch dunkle Wolken ersetzt. Ehe ich mich versehe schüttet es wie aus Kübeln, teilweise auch Schneeregen und dann schneit es zu allem Überfluss auch noch richtig. Ich bin froh im Auto zu sitzen und hoffe inständig dieses Wetter nicht in drei Tagen auf dem Fahrrad zu erleben. Auch sind das aus der Gegenrichtung noch mal viele Höhenmeter auf einem steilen Straßenabschnitt hoch zum Pass, das kann ja was werden mit dem Rad.

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Koitezek-Pass
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und das Wetter wird immer schlimmer

 

 

 

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Doch kurz danach kommt die Sonne wieder raus.

Anschließend geht es zum Glück flacher und wieder auf gutem Asphalt gen Khorogh, ich halte mich mit den Fotos aber zurück, schließlich will ich die Strecke erst “so richtig” mit dem Rad erkunden. Wieder sammeln wir in verschiedenen Dörfern Personen ein und nehmen sie mit. Ich merke dagegen wie ich immer wieder mal eindöse, die Anstrengung der Wanderung holt mich doch ein. Zudem brauchen wir für die 190 Kilometer knappe vier Stunden mit dem Auto, selten kann Akbar richtig Gas geben.

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Auf dem Weg gen Khorogh

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Zurück in Khorogh fährt mich Akbar bis zum Hotel. Insgesamt hat mich die Reise mit ihm knappe 300$ gekostet, was in der Gegend doch eine Stange Geld ist. Hebt meine durchschnittlichen Tagesausgaben auf die ganze Tour gerechnet ganz schön an. Da ich aber ansonsten auf die Eindrücke des Wakhan-Korridors hätte verzichten müssen, war es mir jeden Cent wert! Schade war lediglich das Akbar nicht viel Englisch und ich kein Russisch sprachen, ich hätte gerne mehr von ihm erfahren.

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Danke Akbar und danke lieber Jeep!

Rückblickend mit dem Erfahrungsschatz, den mir die folgenden Tage noch so bringen sollte, wäre ein anderer Plan schlauer gewesen: Ich hätte mein Rad mitnehmen sollen im Jeep und dann oben auf dem Pamir-Plateau aussteigen sollen und meine Tour per Rad dort fortsetzen sollen. Keine Dopplung der M41 und weit weniger Höhenmeter die hochgestrampelt werden müssen. Nun, nachher ist man immer schlauer. Stattdessen erwartet mich jetzt in den kommenden Tagen auf den ersten 160 Kilometern Wegstrecke ein Aufstieg von 2000 auf 4200 Höhenmeter. Andererseits hätte ich mich sicherlich geärgert es mir so einfach zu machen, nun muss ich mich halt an den Anstieg machen. Und wenn es gar nicht geht, dann gibt es auf der M41 genug motorisierten Verkehr, da nimmt mich hoffentlich irgendwer mit. Auch sind die Temperaturen dann durch den Aufstieg wieder deutlich angenehmer als bei meiner Fahrt entlang des Panj.

Zurück in Hotel Zarya bin ich schon wieder der einzige Gast und kriege so erneut das geräumige Doppelzimmer. Abends habe ich wieder den Fahrradständer am Rad montiert, der ja vor einigen Tagen abgebrochen war. Ich hoffe der hält jetzt besser, ich würde mich ärgern das Rad jedes Mal hinlegen zu müssen.

Abends geht es wieder zum Restaurant auf der anderen Flussseite. Am Nebentisch sitzt eine Vierergruppe männlicher österreichischer Touristen und ihre zwei tadschikischen Guides. Die Guides werden von den Männer so sehr von oben herab behandelt, dass ich fast schon bewundernd die Gelassenheit der Guides zu Kenntnis nehme. Gepaart ist dies mit auf Deutsch geführten Abendbrotgesprächen, wo es mir die Nackenhaare aufstellt. In bester FPÖ- und AfD-Manier wird über Flüchtlinge geschimpft, der Islam gesamt als die Geißel der Menschheit stigmatisiert und auch sonstiger rassistischer Müll herausposaunt. Strache sei ja auch ein ganz fantastischer Ehrenmann, es läge nun nur an den Medien, dass so eine Treibjagd auf ihn veranstaltet werde. Auch wird sich bei den Guides beschwert wie miserabel das Mobilfunknetz hier sei. Dass diese 4 Männer Biertrinkend in einem bettelarmen muslimischen Land sitzen, nachdem sie Stunden in einem Flugzeug verbracht haben um hierher zu kommen, diese Ironie ist bei den werten Herrschaften leider nicht angekommen.

Auch die Aussage “die Flüchtlinge klauen uns den Wohlstand” verbunden damit, dass die Senioren nun ihre Rente in einem spottgünstigen Land verprassen fällt scheinbar nur mir auf. Zum Glück verschwinden sie nach 20 Minuten, ich konnte mich nicht entscheiden ob ich mich nun einmischen sollte, oder doch den Rädelsführer von der Terrasse in den Fluss befördern sollte. Ich wünsche der Reisegruppe ja eine wunderschöne Magen-Darm-Erkrankung im weiteren Verlauf ihrer Tour!

Abschließend mache ich es mir im Hotelzimmer gemütlich. Im Gegensatz zu den bisherigen Rad-Tagen habe ich morgen nicht vor wieder so irre früh mich auf meinen Drahtesel zu schwingen. Die Temperaturen dürften weit niedriger sein als in der Vergangenheit, da kann ich es ruhig angehen lassen.

 

 

[Tag 7] Wakhan-Tour bis Hisor

14. Juli 2019: Von Khorogh per Jeep durchs Wakhan-Tal bis Hisor (Tag 1 von 2)

~250 Kilometer per Jeep.

Frühes Frühstück mit Blischka auf der Terrasse. Kurz vor 8 Uhr bin ich fast bereit zur Abreise, da kommt schon mein gebuchter Jeep um die Ecke. Ein süßer Chevrolet Niva des Fahrers Akbar. Nach dem Einladen wäre noch mehr als genug Platz für eine 3. + 4. Person gewesen, aber nun ja, es hat sich auf mein Gesuch im Touristenbüro niemand mehr gemeldet.

Schnell sind wir abfahrbereit, fahren noch zur Tankstelle um die Ecke, damit ist der Jeep gerüstet für alles was da kommen möge. Akbar sprach leider sehr wenig Englisch, wir haben uns mit Hand und Fuß mehrheitlich unterhalten, aber ich bin mir sicher, dass er nach 2 Tagen mit mir auch keinerlei Bedarf mehr dafür hat, den Satz “Stop, I want to take a Photo here” zu hören. 😉

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Kurz hinter Khorogh, grüne Dörfer in Afghanistan

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Der Weg auf afghanischer Seite ist katastrophal. Der linke Truck fährt tatsächlich gerade, der rechte scheint wohl den Motor von Wasser befreien zu müssen.
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Da wo die Ufer nahe zusammenrücken schießt das Wasser mit Gewalt hervor

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Zu Beginn der Reise kamen mehrere Polizei-Checkpoints, die einiges an Zeit gefressen haben. Und so ruhig und gelassen Akbar vor den Beamten war, um so leidenschaftlicher regte er sich über “Militaria, Militaria” und “Birokrazia” auf, wenn wir wieder im Wagen saßen. Als er von meiner weiteren Route erfuhr, meinte er gleich, dass in Kirgistan ich keine Probleme mehr dahingehend haben werde, aber hier in Tadschikistan wäre das alles viel zu stark militärisch geregelt. Das deckt sich mit den Anekdoten, die mir meine Mitwanderer gestern im botanischen Garten erzählt haben, diese haben auch ordentlich auf den Präsidenten geschimpft.

Sobald wir aus Khorog raus kamen fuhren wir auch wieder am Panj entlang. Der sah zu Beginn der Autofahrt auch nicht anders aus als ich es von der Radtour her kannte. Sehr wild rauscht der Fluss durch das eng gedrängte Tal, beide Hangseiten sind nur einen Steinwurf entfernt.

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Sonntag ist Match-Day!

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In den afghanischen Nebentälern blitzen bereits die hohen Berge durch
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Wechselhafter Straßenbelag

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Dann aber weitete sich das Tal auf und es kommen immer mehr schneebedeckte Berge zum Vorschein. Da die Straße sich an den Hang auf tadschikischer Seite schmiegt sieht man natürlich die Berge in Afghanistan deutlich besser, dort kann man auch weiter in die Nebentäler schauen.

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Nun kommen langsam die hohen Berge in den Blick

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Die ersten Blicke in den Hindukusch

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Schon bald nach dem Losfahren merkte ich, das Anschnallen in Tadschikistan höchstens optional ist. Durch die zumeist überladenen Autos gibt es sowieso nicht genug Gurte für alle Insass_innen, doch selbst wenn es die gibt, wird das komplett vernachlässigt. Nun, das Fahrtempo war nicht sonderlich hoch, und wenn ich auf den reißenden Fluss neben dem Beifahrerfenster schaute, da überlege ich, ob es im Crash-Fall nicht besser ist, schneller aus dem Auto rausspringen zu können.

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Die ersten Auto-Touristen, hier aus Fürstenfeldbruck
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Diese Overland-Vehikel sind schon beeindruckend, fahren möchte ich die nicht müssen.
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Grenzübergang nach Afghanistan nahe Ishkashim.
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Dort findet in der Mitte einmal wöchentlich ein Markt im Niemandsland statt, sofern die politische Lage dies zulässt.

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Allgegenwärtig auch hier: Der tadschikische Präsident
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Es wird immer alpiner.

Neben zahlreichen Fotostops kann ich Akbar auch dazu überreden ab und an ein paar Anhalter*innen mitzunehmen, da in jedem Dorf Leute an der Bushaltestelle stehen und ein paar Dörfer weiter wollten. Ein Ehepaar samt knuffigen Baby können wir so zu ihrem Ziel drei Dörfer später mitnehmen, und Akbar hat so auch jemanden zum Quatschen.

 

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In der Ferne die richtig hohen Berge, bereits über 6000m.

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Blick auf die großen Berge voraus. Links dürfte tatsächlich Peak Karl Marx sein, auf den ich später noch zu sprechen komme.

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Allein für den Ortsnamen hat sich die Tour gelohnt.

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Dünenbildung. Die Straße wird extrem sandig, gut das ich hier das Rad nicht durchschieben muss

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Der erste richtige Stop war Yamchun, wo wir von der Hauptstraße abgebogen sind und auf einem schmalen Pfad mit dem Auto den Berg in Serpentinen erklommen haben. Während sich unser Jeep da langsam hochkämpft, muss ich dran denken dass ich ursprünglich mal geplant hatte, hier mit dem Rad hoch zu fahren. Nun, ich bin mir sicher nach etwa 200m wäre ich schlau genug gewesen das Rad abzusperren und wäre zu Fuß den Weg hoch. Denn vor uns lagen 7 Kilometer steile Bergfahrt.Und wie schlecht der Weg war kann ich mit folgendem Video verdeutlichen, es ging sehr steil und rumpelig bergauf:

 

 

Auf dem Weg hoch treffen wir einen deutschen Hitchhiker, der bereits oben gewesen war, nun wieder ganz runter gelaufen ist, nur um zu merken, dass unten keine Homestays sind. Da der nächste Bus erst wieder morgen fährt und er die Nacht überbrücken muss, freut er sich, dass wir ihn zum ersten Homestay mit hoch nehmen.

Nach fünf von den sieben Kilometern qualmt unser Auto so stark, dass Akbar auf einer Wiese angehalten hat und mit besorgter Miene unter die Motorhaube blickte.

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So war das nicht geplant.

Sein Vorschlag das Auto 5 Minuten abkühlen zu lassen wandelte sich nach 10 Minuten, er schlug mir vor das ich nun weiter den Berg hochwandere und er erklärt mir dann wo ich ihn beim Abstieg wieder finden kann. In der Hoffnung, dass er nicht nach Khorogh zurückfährt und nie wieder gesehen ist, trabe ich trotzdem beschwingt mit meinem kleinen Rucksack los. Die Temperatur hier oben ist angenehm trotz tollstem Wetter und schon bald komme ich bei dem Grund für diese Bergfahrt an: Hier oben liegt in bester Lage die Festung Yamchun. Diese steht exponiert auf einem Felsvorsprung und überblickt das ganze Tal.

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Yamchun-Festung
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Fantastische Blicke ins Tal

Die Festung wurde um 300 v. Chr. erbaut und ist dafür in einem bemerkenswert guten Zustand. Auf der 900x400m großen Anlage am Felshang (!!!) sieht man noch einzelne Räume und auch die Schießscharten sind gut erhalten. Das „Schloss der Feueranbeter“ hatte eine Bastion, Kaserne und zwei Übungsplätze, war also sicherlich für militärische Ansinnen erbaut worden. Auch 40 Wehrtürme waren für den Beschuss unten vorbeikommender Angreifer sicherlich ausreichend.

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Blick voraus in Reiserichtung
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Das Wakhan-Tal ist wirklich unfassbar schön

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Der Innenhof der Festung ist riesig.

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So verbringe ich einige Zeit damit es zu erkunden, zu fotografieren und den wahnsinnigen Ausblick ins Tal von hier oben zu bewundern. Der Blick kann aus dieser Vogelperspektive dutzende Kilometer weit wandern, ganz anders als in der Enge des Panj-Tals der letzten paar Tage. Kein Wunder, erstmalig bin ich doch auf über 3000 Meter angekommen. Mit der Höhe kommt aber auch ein heftiger Wind, weshalb ich doch irgendwann den Rückzug antrete. Doch hier oben wartet noch ein weiterer Stopp auf mich, weshalb es doch noch 2 Kilometer die Straße lang bergauf geht.

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Weiter Bergauf, ziel ist das rote Gebäude in der Bildmitte

Nach etwa der Hälfte der Strecke überholt mich der Chevrolet schon wieder, sammelt mich Akbar ein und so fahren wir gemeinsam weiter. Angeblich war ein Ende des Kühlschlauchs gerissen, doch Akbar hat den mit dem Messer eingekürzt und wieder aufgeschraubt, mal sehen ob das hält.

Am oberen Tal-Ende nun ein von außen unscheinbarer Gebäudekomplex, doch es geht hier eher ums Interieur. Drinnen liegen nämlich die heißen Quellen von Bibi-Fotima. Über 40° C heiß kommt hier das Wasser aus dem Stein und wird in eine Mischung aus Naturstein- und Betonbecken gelenkt. Das lässt sich auch mein Fahrer nicht entgehen und so stapfen wir beide ins heiße Becken. Nun, das Gefühl kennt jeder, der schon mal in eine zu heiße Badewanne gestiegen ist, wenn man erst mal drinnen ist wird’s angenehm. Die Quellen sind geschlechtergetrennt, besonders beliebt aber bei Frauen, da das Wasser angeblich Wunder verbringt, und besonders der Fruchtbarkeit dienen soll.

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Vor den Quellen
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Männerbecken

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Das Männerbecken besteht an zwei Seiten aus nackter Felswand, an allerlei Scharten schießt das Wasser aus dem Fels. Das Wasser ist etwa hüft-tief und nach einer Zeit doch sehr entspannend. Da wir aber doch ziemlich gekocht werden, machen wir uns nach 10-15 Minuten wieder auf den Weg zur Umkleide. Leider kriege ich von der Hitze gehöriges Nasenbluten (was sicherlich auch mit der Höhe zusammenhängt), aber der Besuch war es trotzdem wert. Beim Verlassen des Gebäudes schmeiße ich die verlangten 10 Somoni in die Box am Eingang, nur um dann gesagt zu bekommen dies sei die Spendenbox für Reparaturen und ich müsse nun noch mal ordentlich 10 Somoni am Empfang zahlen. Nun, ob 1 oder 2€ für ein solches Badevergnügen, schwamm drüber! Mögen die Quellen lange erhalten bleiben. Dem Reisebüchlein stimme ich da vollkommen zu, wo geschrieben steht „das Bad ist nichts für Sauberkeitsfanatiker, aber ein Erlebnis ist es doch.

Anschließend ging es weiter mit dem Auto, viel Zeit zum trödeln blieb nicht. Der Straßenbelag im Wakhan-Korridor bot wenige Möglichkeiten zum Rasen, für die ersten 120 Kilometer brauchten wir knapp über 3 Stunden mit den Checkpoint-Pausen. Dabei war der Straßenbelag aber noch gar nicht so schlimm wie erwartet, ich hatte ja aus dem Wakhan einiges an Horrorstorys gehört. Doch spätestens nach dem Besuch der Festung wurde der Weg doch deutlich schlechter. Viel Schotter die mit dem Fahrrad sicherlich weniger Spaß gemacht hätten, das Auto drückt es brav platt. Die sandigen Passagen waren nur kurz, dafür aber tief und hätten mit dem Fahrrad auf alle Fälle geschoben werden müssen. Vor allem war es aber eine wilde Achterbahn, wo man erst dutzende oder gar 100 Meter über dem Fluss war, nur um einen Kilometer später wieder am Ufer des Flusses zu stehen um dann gleich wieder steil anzusteigen. So freue ich mich umso mehr mit dem Jeep unterwegs zu sein und beglückwünsche mich dazu, es nicht mit dem Rad gemacht zu haben. Dies war eindeutig die bessere Entscheidung.

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Erneuter Blick auf die Festung Yamchun, auf dem Weg zurück ins Tal

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Aufgefallen sind mir heute eine Vielzahl suizidaler Tiere, sowohl Vögel wie auch Kühe die es nicht einsehen sich vor heranfahrenden Autos in Sicherheit zu bringen, wie auch große Hunde die laut kläffend unserem Auto hinterher gerannt sind, teilweise auch verdammt knapp vor die Motorhaube gesprungen sind. Bisher konnte Akbar aber jedes Mal gerade noch so ausweichen.

Nach Yamchun sieht man immer mehr hohe Berge auf afghanischer Seite, schließlich kommen nun die Ausläufer des Hindukusch-Gebirges in den Blick! Was ein Erlebnis, dass heute und morgen visuell vor mir ausgebreitet wird. Unglaubliche Berge aller Orten!

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In Vrang legen wir noch einen Stopp ein und ich laufe zu einer buddhistischen Stupa am Hang hoch. Diese beeindrucke fünfstufige Stupa wurde wohl im 7./8. Jahrhundert erbaut, als es wohl zahlreiche buddhistische Klöster im Tal gab, auch weil durch den Wakhan-Korridor ein Teil der Seidenstraße verlief, zu den Zeiten hieß der Wakhan-Korridor auch „Große Buddhastraße“. Die Stupa selber ist wenig spektakulär, vom Alter mal abgesehen, aber der Blick ins Tal entschädigt für die kurze Wanderung.

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Die Stupa

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Blick zurück

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Im Schatten wartet Akbar und der Jeep

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Hatten wir heute Morgen schon einen Adventure-Caravan aus Fürstenfeldbruck überholt steht nun bei meiner Rückkehr zum Auto ein Züricher Gigant vor mir. Was ein Panzer als Reisemobil, rückwärts einparken will man damit sicher nicht.

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Auf tadschikischer Seite fährt man nun relativ nah an zwei spektakulären Bergen vorbei, Pik Marx und Pik Engels. Von denen hätte ich gerne, schon ob des Namens, ein paar hochwertige Fotos mitgebracht. Da beide Berge aber ein wenig versetzt in der zweiten Reihe im Tal stehen und bereits die erste Reihe hohe Berge sind, gibt es leider keine Möglichkeit einen Blick zu erhaschen. Hier wünsche ich mich auf die afghanische Seite, mit dem veränderten Winkel hat man sicherlich einen tollen Blick auf die beiden Giganten  mit je über 6000 Höhenmeter. Der Reiseführer spricht von der „buchstäblich höchsten Ehrung, die den beiden Klassikern der kommunistischen Lehre je zuteil geworden ist“. Als ich noch plante mit dem Rad das Wakhan-Tal zu erkunden hatte ich vor in Richtung Pik Engels zu wandern. Da gibt es wohl einen ganz gut erhaltenen Pfad, der einen nach fünf Stunden Gehzeit zu einer Wiese am Fuße des Berges bringt. Wäre sicherlich ein langer Tag gewesen, 2x 5 Stunden, inklusive 1200 Höhenmeter. Nun fahren wir mit dem Auto unverrichteter Dinge vorbei.

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Hier müsste Peak Karl Marx zu sehen sein, leider erst in der zweiten Reihe.
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Was gäbe ich dafür, auf den Berg zu steigen und Peak Marx + Engels zu sehen.

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Beeindruckende Berge auf afghanischer Seite
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Und dahinter sind die noch höheren, komplett schneebedeckten Berge des Hindukusch.

Inzwischen sind wir auf 2800 Höhenmeter angekommen, also bereits 800 mehr als beim Frühstück. In Hisor ist für uns heute Schluss, hier empfiehlt mir der Fahrer ein Homestay wo wir beide die Nacht verbringen können. Das Haus ist gigantisch, außer Akbar und mir sind nur noch zwei Kirgisen als Gäste da. So kriege ich ein ganzes Zimmer für mich alleine, die anderen drei schlafen wohl im Gemeinschaftsraum.
Ich laufe noch zu einer Freifläche relativ nah der Talmitte, um das Bergpanorama um mich rum genießen zu können.

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Die hohen Berge in Bildmitte liegen alle über 6000m

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Weg zurück zum Homestay in Hisor

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Abends wird im Homestay noch mal richtig aufgetischt, Linsensuppe mit Karotten und Kartoffeln. Dazu gab es gebratene Aubergine, Salat und ein paar eklig fettige Stücke Hühnchen mit Pommes. Doch satt sind wir alle vier geworden, zudem kreiste eine sich magisch immer wieder füllende Kanne Choy rund um den Tisch. Im Hintergrund lief auf einem großen Fernseher allerlei russische Fernsehsender und die beiden Kirgisen folgten gebannt einer russischen Telenovela, die selbst GZSZ Oscarverdächtig erscheinen lässt.

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Der Essensraum im klassischen Pamir-Haus Design

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Anschließend liege ich noch mit einem Kindle in der Ecke, während ich mit halben Ohr der russischen Synchro-Version von Underworld lausche bevor ich mich ins Zimmer verabschiede. Akbar hat auf 6.30 Uhr Frühstück plädiert, ich vermute mal er will abends zeitig nach Khorogh zurück und da es bereits 22 Uhr ist mache ich mich nun schnell auf ins Bett.

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Mein Zimmer für die Nacht

IMG_20190714_213825Ich glaub, ich bleib heut lieber ungeduscht 😉

Generell hatte ich heute das Gefühl die Wakhan-Region ist noch mal einen Tick ärmer als was ich bisher in Tadschikistan mitgekriegt habe. Die Reaktionen der Bevölkerung sind verbunden mit einer gewissen Verständnislosigkeit, was ich hier als Tourist denn mache. Dies wundert mich, schließlich kommen doch einige Tourist*innen in den Wakhan-Korridor, die Bewohner*innen scheinen jedoch wenig von den Tourist*innen finanziell zu profitieren.

Morgen sollte es in noch entlegenere Teile gehen, ich bin sehr gespannt. Auch wenn die Jeep Reise eine Stange Geld kosten wird, bisher habe ich es nicht im Geringsten bereut. Auch merkte ich heute bei den Wanderungen wie platt meine Beine eigentlich noch sind, ich bin sehr froh heute nicht wieder aufs Rad gestiegen zu sein. So kriegt mein Körper noch ein bisschen Ruhe bevor es wieder ans kurbeln geht.

 

 

[Tag 6] Pausentag in Khorogh

13. Juli 2019: Pausentag in Khorogh
Viel Gelatsche zu Fuß, zudem ~16 Kilometer und 400 Höhenmeter mit dem Fahrrad zum botanischen Garten.

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Gestern in einem schönen, (im Gegensatz zu Kalai-i-Khum) weichen Bett einzuschlafen war herrlich, selbst wenn es im Zimmer noch viel zu heiß war. Aber mit einem nassen Handtuch auf dem Rücken ließ sich das Problem beheben. Auch konnte ich nach den frühen Starts der letzten Tage endlich mal ausschlafen. Ausschlafen hieß in dem Falle schon um 7 Uhr wach zu sein, ich war jedoch gestern schon um 22 Uhr im Bett.

Frühstück gab es auf der Hotelterrasse, die über den reißenden Fluss gespannt ist und mich mit so herbeigesehnter kühler Luft empfängt. Zum Frühstück gab es “Blischka”, das ist die kleinere Variante der Blini, also Pfannkuchen. Dazu gibt es Johannisbeer- und Aprikosenmamelade und eine große Kanne Choy. Ok, auch einen Laib Brot dazu, denn man im Idealfall eher an die Enten verfüttern würde. Doch ich merke die Effekte der Pause bereits jetzt, nach dem Frühstück sind alle Teller blitzeblank, mein Appetit ist endlich wieder da.

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Anschließend habe ich geplant, was ich für meine weiteren Etappen im Pamir und mit dem Jeep brauche und habe mich dann zum nahegelegenen Supermarkt aufgemacht um dort das meiste zu kaufen. Im Gegensatz zum Supermarkt in Duschanbe und Kalai-i-Khum ist die Auswahl winzig, so bin ich anschließend weiter zum Markt gegangen.

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Was es aber in Hülle und Fülle gibt:
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Russische Bonbons

Lebhafte Verkaufsgespräche an jeder Ecke, mich hat es sofort an die Märkte in Tel Aviv und Jerusalem erinnert. Wenn es keine Essensstände sind, so führen sie in der Regel chinesische Klamotten, chinesisches Spielzeug oder chinesisches Werkzeug. Selbst im Freien hatte man das Gefühl vor lauter Plastikdämpfen gleich umzukippen. Der Pamir Highway heißt also nicht umsonst ein wenig abschätzig “Plastic Highway”. Die Preise bleiben weiterhin moderat, 200 Gramm Nudeln kosten mich 2,5 Somoni, also etwa 25 Cent.

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Die spannendste Begegnung hatte ich beim Bananen kaufen. Der Händler fragte wo ich herkomme und antwortete dann ganz begeistert, er habe auch in Deutschland gelebt zu seiner Armeezeit und war in Altengrabow nahe Dresden stationiert mit der Roten Armee. Er schwärmt von Besuchen in Magdeburg, Dresden und Leipzig und sitzt nun in einer kleinen Marktbude. Die Welt erscheint mir plötzlich ein wenig näher zusammenzurücken. Und zahlreiche Mahnmale im Land führen mir immer wieder vor Augen wie viele Tadschiken im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen gekämpft haben und bei der Schlacht um Berlin ihr Leben gelassen haben.

Wie der Zufall es so will erzählt mir meine Mutter später am Telefon, dass sie heute in Baden-Württemberg ein Bewerbungsgespräch mit einem jungen Mann geführt hatte, der Tadschike war. Stellte sich doch glatt raus, er kam ursprünglich aus Khorogh. Ich bleibe dabei, die Welt ist klein!

Ansonsten merkt man Khorogh aber schon an, dass es eine größere Stadt ist, ich falle nicht mehr gar so auf wie auf den Dörfern, auch die Kinder interessieren sich nicht mehr für mich. Reisende treffen sie hier also mehr als genug. Auch die Frauen scheinen hier vermehrt in “westlicher” Klamotte rumzulaufen, die traditionelle, blumenverzierte Kleidung sieht man hier seltener.

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Nach dem Markteinkauf hatte ich mein gesamtes Essen zusammen. In der Nähe des Hotels habe ich noch insgesamt 10 Liter Wasser für die Jeeptour und meine Radtour gekauft und diese mühsam zum Hotel zurückgeschleppt.

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Neue Häuser entstehen in mühsamer Kleinarbeit

Den Nachmittag verbringe ich damit zu planen, was ich im Wakhan-Tal alles sehen will um anschließend wieder zur Touristeninformation im PECTA-Office zu gehen, die mir helfen einen Fahrer zu organisieren. Sie haben eine Liste mit allen Fahrern, die sie anklingeln können. Dabei entscheidet sich je nach Anzahl der Mitfahrenden, ob jetzt ein Fahrer mit großem Jeep oder kleinen Jeep ausreicht. Zahlen muss ich 0,55$ pro Kilometer + die Übernachtung des Fahrers. Große Jeeps schlagen mit 65ct pro Kilometer zu Buche. Jetzt muss der Fahrer morgen früh nur kommen, ich bin gespannt.

Worum handelt es sich bei diesem ominösen Wakhan-Tal oder Wakhan-Korridor, von dem ich immer wieder mal schreibe? Sofern man nicht über den regulären Pamir Highway, die M41, zum Pamir-Hochplateau fährt, kann man auch den Umweg durchs Wakhan-Tal auf sich nehmen. Dazu folgt man weiter dem Flusslauf des Panj gen Süden, um dann nach Osten dem sich verändernden Flußlauf zu folgen.

Gut zu sehen auf folgender Karte:
Entweder man folgt der M41 von Khorogh (rot), oder man fährt die braune, längere Strecke südlich davon, via Ishkashim und Langar, dies ist das Wakhan-Tal.


(Hierher: https://www.advantour.com/img/tajikistan/pamir_map_sm.jpg )

Der Wakhan ist das Zwischental, zwischen Pamir im Norden und dem Hindukusch im Süden. Bereits Marco Polo ist hier auf seinen Reisen durchgekommen, besondere Bedeutung hat der Wakhan aber im Zuge des „Great Game“ zwischen Russland und Großbritannien im 19. Jahrhundert erhalten, dort diente er als Puffer zwischen British-Indien (inkl. Afghanistan) und dem russischen Reich (inkl. Tadschikistan).

Auch ist der Wakhan bereits seit tausenden Jahren Teil der Handelsrouten von Ost nach West (und andersrum), es wurden mit der Zeit also einiges an Verteidigungsposten und Festungen erbaut um den Handel abzusichern, oder effektiv Zölle einzutreiben. Auch waren in diesem Gebiet verschiedenste Religionen aktiv, es gab buddhistische Kloster, zoroastrische Feuerkultstätten, christliche und islamische Gebäudekomplexe.

Anschließend kriegt mein Fahrrad erst eine schöne Schlauchdusche und anschließend eine ausführliche Pflege mit dem Schraubenschlüssel, ein bisschen Wartung, alle Schrauben nachziehen nach der Buckelpiste vorgestern und gestern, aber auch ein wenig Kettenöl und andere Kleinigkeiten.

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Hier sieht man gut den Knick im Rahmen, den der abgebrochene Ständer hinterlassen hat.

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Dreckig

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… und staubig.

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Doch nun glänzt es wieder.

Jetzt da das Fahrrad wieder fit ist, schwinge ich mich auf den Drahtesel und fahre zum Botanischen Garten am östlichen Ende der Stadt. Das ich einen Faible für botanische Gärten auf Radreise habe ist einigen vielleicht aufgefallen. Beim Nordkapp-Trip war ich sowohl in Göteborg wie auch in Tromsö  Blumen gucken. (In Berlin habe ich es bisher nicht in den Botanischen Garten geschafft… 😀 ).

One-Way sind es zum Garten 10 Kilometer. Khorogh brüstet sich damit, dass dies der zweithöchste botanische Garten der Welt ist, was sich leider auch dadurch bemerkbar macht, dass ich vom Eingang aus erstmal steil bergauf strampeln muss. Apropos Eingang, da hängt ein Schild auf dem steht der botanische Garten sei am Wochenende geschlossen. Ich hoffe auf tadschikische Gelassenheit was den Eintritt angeht und nehme so doch den Hügel auf mich. Doch mit nur einer Seitentasche fühlt sich das Fahrrad zur Abwechslung verdammt leicht an und so komme ich gut die 200 Höhenmeter hinauf zum Eingang. Auf dem letzten Stück zieht noch ein Jeep an mir vorbei mit drei Männern drin. Viele hochgereckte Daumen und Anfeuerungsrufe erschallen, schließlich hält mir einer seine Hand aus dem Autofenster entgegen und will mich den Berg hinaufziehen. Da ich etwa nach 5 Meter abrutsche, lassen wir das mal lieber, wir sehen uns dann eh 5 Minuten später am obigen Parkplatz.

Die drei wollen auch den botanischen Garten besichtigen, so schließe ich mich an. Sie arbeiten für ein IT-Unternehmen, welches die Handyfunkmasten am Laufen hält und so sind die drei immer auf Achse, sogar über die tadschikischen Landesgrenzen hinaus in Kirgistan, Usbekistan und Kasachstan unterwegs. Der eine spricht sehr gutes Englisch und so kommen wir während unseres Spaziergangs durch den Park ins Quatschen.

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Problematisch wird es nur am Eingang des Parks und ich vermute schon, dass uns der Zutritt zum Park verwehrt wird. Es stellt sich aber schnell heraus, dass am Eingang direkt eine Villa des Präsidenten steht, der Soldat versucht wohl recht martialisch sicherzustellen, dass wir diese Villa keinesfalls fotografieren. Schmuckes Gebäude übrigens, dafür dass der Präsident wohl das letzte Mal vor 3 Jahren seinen zehnt- oder vielleicht fünfzehnt-Wohnsitz aufgesucht hat. Trotzdem patrouillieren im Park sicherlich an die 20 Soldaten. Tolle Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

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Meine 3 Reisebekanntschaften

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Der Garten ist ganz schön, wenn auch nicht zu spektakulär für mein ungeschultes Auge. Die drei Tadschiken zeigen mir welche Früchte an den Bäumen man Essen kann und so futtern wir uns fröhlich durch den Park.

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Teilweise darf ich nicht mal mein Rad schieben, ich genieße den Service

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Der englischsprachige Tadschike fragt mich nach über eine Stunde Spaziergang: “Mal ganz ehrlich, was denken die Deutschen über Tadschikistan?” und ist auch gar nicht so überrascht dass ich erzähle es sei den meisten Menschen völlig unbekannt, käme bei uns in den Medien nahezu nie vor und jegliche Kommentare beziehen sich zumeist auf die Nähe zu Afghanistan.

Er ist davon überzeugt dass Tadschikistan eine ordentliche PR-Kampagne fehlt, auch um den Tourismus in der Region anzukurbeln und das Land fernab Taliban, Drogenschmuggel und IS-Heimkehrern zu portraitieren. Umso dankbarer ist er laut eigener Aussage, dass ich mir selber ein Bild vor Ort von der Lage mache.

 

[Ein Klick auf obige Panoramen vergrößert sie!]

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Ausblick auf Khorogh. Der Fluss Gunt, der durchs Bild läuft fließt auch an der Hotelterrasse vorbei und mündet am Talende in den Panj.
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Blick Flussaufwärts. Hier werde ich in 3 Tagen entlang fahren um zur Pamir Hochebene zu kommen.
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Auf dem Hügel liegt der Campus der “University of Central Asia”, gebaut durch die Aga Khan Stiftung soll dies das neue Prestige-Projekt Khorogs sein. Gefördert wird sie zudem u.a. auch durch den deutschen Staat. Bisher fehlt es aber an Studierenden. Weitere Niederlassungen gibt es in Kasachstan und Kirgistan. Fun Fact: es gibt noch eine weitere Universität in der Stadt, diese besteht seit 1992. Laut Wikipedia-Page gab es 2007 10 Dozent*innen mit einem Doktortitel und 46 mit einem Mastertitel, auf über 3000 Studierenden. Ganz, ganz andere Verhältnisse als man es von deutschen Unis kennt.

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Insgesamt eine sehr spannende Begegnung mit den dreien, auch aufgrund des Fakts, dass der eine so gut Englisch spricht. Gemeinsam genießen wir noch den fantastischen Blick über Khorogh in der langsam schwindenden Sonne. Zudem werde ich genötigt ein Video für die beiden Söhne des Englischsprachigen aufzunehmen. Als ich ihnen viel Spaß beim weiteren Englisch-lernen wünsche und ihnen einen gewissen Fleiß in der Schule ans Herz lege überkommt mich ein kalter Schauer, klinge ich doch etwa wie meine Großeltern. 😀

Ich verabschiede mich von den drei Männern, die in ihren Jeep steigen und schon bald um die Kurve verschwunden sind. Ich hingegen komme keine 50 Meter weit mit dem Fahrrad bis plötzlich mein Fahrrad wegrutscht. Ich vermute es war ein fetter Stein unterm Vorderrad, aber plötzlich mache ich eine ziemlich elegante halbe Drehung mit dem Rad und über den Lenker, das Pedal hinterlässt einen 5 Meter Kratzer auf der Fahrbahn, bevor ich Rücken zuerst auf dem Asphalt aufschlage. Dank Helm keinerlei Blessuren und nur ein kleines Loch im T-Shirt, aber seltsam war der ganze Unfallhergang schon. Nun, lieber so als in wenigen Tagen mit dem vollbepackten Rad auf einer Schotterpiste. Selbst die Kamera ist heil geblieben, obwohl sich meine Lenkertasche geöffnet hat und den Inhalt auf der Straße verteilt hat.

Es dauert bis ich abends im Hotel zurück bin, bis ich den einzigen wirklichen Verlust des Tages bemerke: Während ich vom Fahrrad segelte, erinnere ich mich dran dass ich mein grünes Plastikkrokodil, welches am Schutzblech befestigt war, an mir vorbei fliegen sah. Leider ist diese Erinnerung etwa in dem Moment wieder verschwunden als ich endlich nach dem Unfall zum Stehen gekommen bin und fällt mir erst im Hotelbett 3 Stunden später ein. Sehr schade, so liegt das Krokodil sicher irgendwo da oben auf der Straße, wenn es noch nicht von einem Kind gefunden wurde.

Das Krokodil stammt aus einem Überraschungsei, welches mir meine Göteborger Warmshower-Hosts anlässlich des polnischen Kinderfeiertags damals gegeben haben. Über 2 Jahre war das Krokodil mit mir auf tausenden Kilometern unterwegs. Sehr schade! Nun, 20 Kilometer fahre ich dafür leider trotzdem nicht zurück um es zu suchen.

In memoriam

Doch schon an der nächsten Kurve werde ich aufgemuntert, 3 Kinder stehen mit BMX-Rädern auf der Straße und meine Anfahrt wird wohl klar als die Initialzündung für ein Wettrennen verstanden. Habe ich aufgrund des Fahrradgewichts einen einfachen Vorteil in den steilen Abfahrten, bremse ich ein wenig absichtlich und unter großem Siegesgeheul flitzen die Kinder an mir vorbei. Ich habe vor der Pamir-Tour Stunden damit zugebracht meine Bremsen am Rad zu justieren, habe neue Bremsbeläge eingesetzt und sichergestellt, dass da alles einwandfrei funktioniert. Und wie halten die Kids an? Der Erste springt mit einer eleganten 90° Grad Drehung in die sandige Böschung und rollt sich von seinem Rad. Und der Zweite hält bei voller Fahrt, gut über 40 km/h einfach seinen Fuß samt Flipflop an die hintere Felge. Nun, wieder was gelernt! Werde ich mir merken falls im Pamir meine ideal gewarteten Bremsen versagen.

Abends geht es zum selben Restaurant wie gestern, statt dem Gemüsereis gibt es jedoch ein wenig überzeugendes Schaschlik, bei knapp 4€ für eine Hauptspeise ist das allerdings verschmerzbar. Nach dem Abendessen packe ich noch alles für meinen Wakhan-Trip und nun liege ich voller Vorfreude im Bett, morgen um 9 Uhr soll der Jeep am Hotel sein

 

[Tag 5] Aussichtsplattform – Khorogh

12. Juli 2019: Von der Ausblicksplattform nahe Poshkarv bis Khorogh
~20 Kilometer und 780 Höhenmeter mit dem Fahrrad. 150km per Anhalter mit einem Jeep.

 

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Die Nacht verlief so schecht wie noch keine Nacht davor auf dieser Reise. Wenigstens wurde ich nicht entdeckt, meine Anwesenheit hat niemanden gestört, sprich es kam nachts keine tadschikische Truppe Grenzsoldaten um mich zu verjagen. Dafür hatte ich dutzende LKWs, deren Fernlicht mich wach hielt, da diese die ganze Nacht an mir vorbei donnerten. Bereits Abends hat ein unglaublicher Wind eingesetzt, und da ich nur auf meiner Isomatte neben der Parkbank lag, blies es mir die ganze Nacht den Staub von der nichtasphaltierten Straße und den umliegenden Hängen entgegen. Und so schlimm dieser Staub tagsüber beim Fahren ist, ich hatte in der Nacht mehrmals das Gefühl ich bekomme überhaupt keine Luft mehr. Nur warmer Staub, der sich in der Lunge absetzt. So blieb mir nichts anderes übrig als mit Schlauchtuch über dem Gesicht da zu liegen, was sich ziemlich beengend anfühlte, schon allein bei den Temperaturen. Wenn ich doch mal für 10 Minuten wegnickte, dann verbunden mit komischen, gehetzten Träumen, wie in einem Art Fiebertraum. Im Traum fehlte mir immer eine tadschikische Genehmigung für irgendetwas oder ich hatte die falsche Abbiegung genommen. Insgesamt hatte ich so, wenn es hoch kommt, heute also etwa eine Stunde unentspannten Schlaf.

Apropos hoch kommen: Nach einem frühen Aufstehen saß ich missmutig auf der Picknickbank und Wellen der Übelkeit rollten über mich hinüber. An Frühstück war nicht zu denken. Nach zwei Minuten schaffte ich es gerade noch so eine Wasserflasche zwischen meinen Ortlieb-Taschen herauszuziehen, bevor ich schon zum Abhang lief und die gestrigen baked beans vom Abendessen dem Panj-Fluss zurückgab. Auch wenn es mir danach ein wenig besser ging, es blieb das Ärgernis darüber, dass das gestrige Abendessen wieder nicht zur Kalorienaufnahme getaugt hatte, wo ich doch momentan eh kaum etwas zu mir nehme.

Zum Start des Tages geht es gleich steil bergauf auf miesester Strecke, so dass ich mich nach fünf Kilometern bereits kräftemäßig ausgezerrt fühle. Es war anstrengend, laut, dreckig und staubig, zudem schwierig sich um die ganzen Schlaglöcher und das lose Geröll herum zu manövrieren.

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Staubig und heiß, schlechte Straße und viele Höhenmeter

Im ersten Dörfchen nach zehn Kilometer Wegstrecke treffe ich die beiden Spanier von gestern wieder. Während ich neben ihnen stand, schaffte es mein Rad so in Richtung des Fahrradständers umzuknicken, dass schließlich die Schrauben abbrachen und das Rad ohne Ständer umfiel. Nun, das Rad steht schon seit Tagen ziemlich schräg und mit der großen Zuladung war es leider nur eine Frage der Zeit bis etwas passiert. Da half auch das tägliche Schraubenfestziehen nichts. Der Rahmen ist zwar an der Ständerbefestigung ein wenig geknickt, ansonsten aber nicht beschädigt. Und ich darf in kommender Zeit das Rad immer gegen einen Baum/Stein lehnen oder auf den Boden ablegen. Nervig!

Ich habe den Spaniern dann mein körperliches Leid geklagt, es stellte sich heraus dass einer der beiden wegen Übelkeit und Erbrechen in Duschanbe beim Arzt war. So bekomme ich vom Spanier einige obskure Pillen und Tabletten geschenkt, die teilweise indischer, teilweise russischer Produktion zu entstammen scheinen. Der Spanier betont dann noch, dass die wohl “pretty heavy shit” sein, und man von den Tabletten wohl ganz schön ausgeknockt werde. Aus diesem Grund entschließe ich mich die Medizin nicht gleich einzunehmen, sondern mitzuführen, ein wenig tragen sie aber zu meiner Beruhigung bei.

Ab dem Ortsausgang ging es einen steilen Hang hinauf, nur um anschließend wieder zum Fluss zurückzukehren, gerade rechtzeitig um erneut steil aufzusteigen. Die Straße besteht zu 80% nur noch aus Schotter, und ich zuckele bei 12 Prozent Steigung auf einem Schotter-Sand-Gemisch nach oben, während mir alle vorbeifahrenden LKWs die volle Ladung Diesel-Staub-Gemisch ins Gesicht blasen. Am unangenehmsten ist die trockene Mundschleimhaut. Ich muss stellenweise würgen weil die Schleimhaut so trocken und staubig wird. Da hilft nur anhalten und einen kleinen Schluck trinken oder mit Wasser zumindest den Mund ausspülen, dann geht es wieder für ein paar Minuten.

All dies zerrte gehörig an mir, zudem fühlten sich die Beine heute so leer an, wo ich sie doch brauchte um über längere Zeit im zweiten Gang die Piste hochzukurbeln. Mein Körper schrie mich förmlich mit jeder Kurbelumdrehung an, nun endlich aufzuhören und eine Pause zu machen. Teilweise gehe ich wieder dazu über das Rad zu schieben, einfach um eine andere Belastung zu erfahren und die Beine ein wenig zu entlasten. Teilweise verkrampfen sich die Beine wieder in bestimmten Positionen und fühlen sich dann fast wie verankert an. Mir bleibt dann nur übrig die Beine unter höllischen Schmerzen in eine andere Position zu bringen und zu versuchen den Schmerz weg zu massieren. Und zu allem Überfluss ist mir immer noch kotzübel.

In einem besonnenen Moment analysiere ich meine Situation möglichst rational: Macht mir die Fahrt gerade Spaß? Nein, denn auch wenn die Ausblicke fantastisch sind und die Bekanntschaften in den Orten toll, der Rest macht keinen Spaß und das bereits seit dem ersten anstrengenden Tag in Kulob vor nun fünf Tagen. Die gnadenlose Hitze, verbunden mit meiner Appetitlosigkeit und Übelkeit führen dazu dass meine Kraftreserven nahezu vollständig erschöpft sind. Aber ohne Kraft auch keine funktionierende Radtour.

Ich bin mir nun sicher, diesen Umstand beheben zu müssen, wenn ich die Reise genießen will. Und die einfachste Möglichkeit zur Erleichterung besteht darin die kommende Strecke zu überspringen, auch weil der Straßenbelag bis Khorogh nun unfassbar mies bleiben soll. Somit wäre es schlüssig mich bis Khorogh mitnehmen zu lassen. Ich bin sehr unsicher was diesen Plan angeht, schließlich habe ich auf dem Nordkapp-Trip keine Kilometer übersprungen und es fühlt sich auch hier falsch an “abzukürzen”. Dennoch, es erscheint mir vernünftig, ich beginne nun Jeeps und Transporter anzuhalten. Die ersten Beiden fuhren nicht nach Khorogh, der andere war bereits voll belegt. Schnell merkte ich das Transporter/Minivans nicht erfolgsversprechend sind, diese sind teilweise mit 12 oder mehr Personen auf den 7 Sitzen gefüllt, und fahren keineswegs leer hier lang.

Besser wäre es einen nicht vollbesetzten Jeep anzuhalten. So halte ich bald schon einen neu aussehenden Toyota Landcruiser an, in dem nur Fahrer und Beifahrer saßen. Und der Beifahrer sprach auch noch passabel Englisch, umso besser. Als ich ihnen meinen Fall geschildert hatte, viel auf einen verdorbenen Magen und schwache Beine rekurrierte, hatte ich unerwartet schnell die Zusage, dass sie mich nach Khorogh mitnehmen würden. Unglaublich, keine 20 Minuten stehe ich hier und versuche eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren. Und eine Mitfahrt für eine Person ist ja das eine, für eine Person mit all meinem Gepäck und einem Fahrrad aber etwas ganz anderes.

Wir standen an einer Anhöhe, der weitere Weg war schlecht einsehbar und entgegenkommende Fahrzeuge wären auch ungut gewesen. So verladen wir in einer Hau-Ruck-Aktion schnell das Fahrrad mit abmontierten Taschen in den Jeep. Das Vorderrad muss abmontiert werden, sonderlich zärtlich war die Behandlung des Fahrrads weder durch den Fahrer noch durch mich in dem Moment, doch außer einer zerstörten Klingel am Lenker bleiben keine weiteren Schäden bestehen.

Nicht mal 5 Minuten nachdem ich den Jeep angehalten habe sitze ich schon auf der Rückbank und kann erstmalig durchschnaufen. Wir rasen die Straße entlang und ich merke, mein Gehirn kommt bei der Geschwindigkeit einfach nicht mehr mit. Dieses mühelose Entlanggleiten, besonders wenn es an steile Passagen geht. Welch Wonne!

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Die jetzigen Ausblicke aus dem Seitenfenster
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Die Landschaft bleibt weiterhin beeindruckend
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Hier sieht man wie auf afghanischer Seite der Weg mit Mühe den Bergen abgewonnen wurde

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Erneute Brückenverbindung nach Afghanistan, auch hier militärisch abgesichert und unpassierbar.

Der Beifahrer fragt mich dann irgendwann, ob ich wisse wer er sei, was ich natürlich verneinen muss. Er behauptet dann, er sei der Gouverneur der autonomen Region Gorno-Badachstan (GBAO), in der ich mich seit meiner Ankunft am Bergpass nach Kulob befinde. Er sei wohl gestern für Regierungskonsultationen in Duschanbe gewesen und fahre nun wieder zurück zu seinem Büro in Khorogh.

Bullshit denke ich mir, das ist sicherlich nur Geplapper um mich auf den Arm zu nehmen. Nach einigen Kilometern halten wir auf einen Polizei/Militärcheckpoint, die es hier in einer ganz schönen Häufigkeit gibt. Siedend heiß fällt mir ein, dass mein Visum in einer Ortlieb-Tasche liegt, die nun unter dem Fahrrad im Kofferraum begraben ist. Nun, hilft nichts, dann werde ich eben gleich aussteigen und kramen müssen.

Als der Polizist am Checkpoint jedoch das Auto erkennt, hebt sich die Schranke ganz schnell nach oben und wir fahren am stramm stehenden und salutierenden Polizisten vorbei. Sollte doch etwas dran sein an der Gouverneurs-Geschichte?

Nun, nach drei durchfahrenen Checkpoints, wo wir jedes Mal an der Autoschlange vorbeidüsen und mit militärischen Ehren empfangen werden, gebe ich meine Vorbehalte über die berufliche Laufbahn des Mannes vor mir auf dem Beifahrersitz auf. Verrückt, ich sitz im Auto des Gouverneurs! Nur um das mal perspektivisch einzuordnen: Gorno-Badachstan ist eine autonomes Gebiet in etwa derselben Größe Bayerns. Sie haben in den 90er Jahren einen blutigen Bürgerkrieg gegen die Zentralregierung in Duschanbe geführt, bei dem je nach Schätzungen zwischen 30.000-60.000 Menschen ums Leben kamen. Und nun nimmt eben jener Gouverneur mich verlotterte Person samt öligem und staubigem Fahrrad 150 Kilometer in seinem Auto mit. Könnt ihr euch vorstellen, dass Markus Söder in seinem Audi A8 neben mir zum Stehen käme und mich fröhlichst mitfahren ließe? Nein, ich auch nicht.
Hier sieht man den netten Herren übrigens in Aktion:
https://asiaplustj.info/en/news/tajikistan/power/20190329/gbao-governor-elected-deputy-speaker-of-tajikistans-upper-house-of-parliament

So habe ich aber die Gelegenheit ein wenig über die politischen Gegebenheiten in GBAO zu erfahren, zudem ist der Gouverneur ein begeisterter Deutschland-Tourist, er schwärmt mir sogleich von seinen Besuchen in Berlin, Leipzig und München vor. Auch unser fahrbarer Untersatz ist eine Abwechslung zu den zahlreichen klapprigen Minivans. Der Toyota Landcruiser macht kurzen Prozess mit den Straßen, auch wenn diese weiterhin wirklich katastrophal schlecht sind. Apropos schlecht, mir ist immer noch ziemlich übel und da hilft es nicht, dass unser Fahrer wie ein Verrückter mit über 90km/h auf einer schmalen Schotterpiste neben einem reißenden Fluss entlangfetzt. Ruckartige Bremsmanöver runter auf 10km/h wechseln sich ab mit starker Beschleunigung um doch noch zwischen LKW und Felswand hindurch zu flitzen. Die erste halbe Stunde schaute ich stoisch aus dem Fenster, krallte mich an meinen Sicherheitsgurt und versuchte durch Anti-Kotz-Mantra und Atemübungen den Landcruiser nicht zu beschmutzen. Und doch machte sich Erleichterung breit: All meine Sorgen vor dem Auto-Anhalten, ob das jetzt Schummeln wäre, ob ich mich nicht lieber durchkämpfen sollte, all das hat sich in dem Moment aufgelöst, als ich im Auto saß! Ich war (und bin) fest davon überzeugt: Das war die richtige Entscheidung.

Hier ein kleiner Einblick in das halsbrecherische Tempo auf schlechter Straße:

 

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So sieht Erleichterung aus!

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Mein Fahrrad verunreinigt derweil den Kofferraum

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Die Berge scheinen immer massiver und höher zu werden
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Hochalpin
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Schnee bis an den Fluss ran.

Als mir der Gouverneur um 11.30 Uhr aus der Mittelkonsole sogar ein Raffaello anbietet, fällt mir auf, dass dies die erste Nahrung ist, die ich heute zu mir nehme. Dabei bin ich vor dem Jeep bereits knappe 20 Kilometer Rad gefahren. Also eindeutig zu wenig Nahrung, besonders für einen Menschen der jetzt seit 5 Tagen ununterbrochen sportliche Betätigung unternimmt. Dann doch lieber mit dem Auto fahren, so kann ich mich in Khorogh wieder ein bisschen erholen und warten bis es mir besser geht.

Als wir das überaus stattliche Anwesen des Gouverneurs außerhalb Khoroghs nach ca. 3 Stunden Autofahrt erreichen, bin ich schon drauf und dran mein Fahrrad auszuladen um die verbleibenden 10 Kilometer bis in die Stadt mit Muskelkraft zurück zu legen. Doch der Gouverneur verneint mir diese Anstrengung schnell, er hat seinen Fahrer bereits gebeten mich noch bis zu meinem Hotel in Khorogh zu fahren. Dort angenommen lehnt dieser mehrmals höflichst ab, bis ich ihn endlich überzeugen kann, meinen 100 Somoni Schein (=10€) anzunehmen. Wäre ja noch schöner, da verwandele ich sein schickes gepflegtes Auto von der Optik her in eine Kiesgrube und er nimmt keinerlei Dankesgeschenk an. Während der Autofahrt ist mir zum Glück gerade noch rechtzeitig aufgefallen, dass meine Getriebeschaltung fröhlich Öl verlor, doch eine Plastiktüte als Unterlage verhinderte Ölflecken auf dem Autositz.

Das erreichte Hotel Zarya war eine Empfehlung von einem Bekannten aus meinem Rad-Forum und war wirklich klasse. Der nette Besitzer buchte mich schnell in ein Doppelzimmer mit Blick auf den Fluss um, denn im Einzelzimmer sei gerade die Dusche kaputt. Endlich mal ein Hotel, das den Namen vollends verdient, nachdem Hotel Roma in Kalai-i-Khum sich ja wirklich als miserabel rausgestellt hatte. Endlich ein sauberes Zimmer für mich alleine. Eine funktionierende Dusche für mich alleine. Eine Toilette, kein Hockklo, für mich alleine. Und auch meine zaghaften Bedenken, ob es sich beim Bett wie beim Hotel Roma um den Liegekomfort “Steinaltar” handeln sollte, wurden mit einmal Probeliegen schnell im Winde zerstreut.

Hinzu kam das Eigentümer-Ehepaar, die beide passables bis gutes Englisch sprachen und so unfassbar um mich bemüht waren. Als der Besitzer erfuhr das ich mit Übelkeit zu kämpfen habe hatte er bereits fünf Minuten später die Öffnungszeiten des örtlichen Medical Centers herausgefunden mir eine Kanne Tee zubereitet. So kamen wir auch viel über das Leben in Khorogh ins Gespräch, er schimpfte gehörig über den Präsidenten, das hatte ich bisher im Land noch nicht erlebt. Zitat: “We are far away from Duschanbe here, I can say stuff like that here”. Nun, in Khorogh verehrt man eher den Aga Khan (seine Lebensgeschichte auf Wikipedia ist irre…), dessen (weltweit größte!) private Wohltätigkeitsorganisation in Gorno-Badachstan wirklich unglaublich viel leistet, der Präsident hingegen wird als korrupter Beamter mit Selbstbereicherungstendenzen gesehen.

Das schönste am Hotel ist jedoch die Terrasse im Erdgeschoss, die sich über den Fluss Gunt spannt, der nur ein paar Kilometer flussabwärts in den Panj fließt. Kühles Wasser, dazu eine angenehme Brise. So ist es kaum verwunderlich, dass in Khorogh nur noch verhältnismäßig angenehme 30° C vorherrschen, die 42° C Kulobs sind endlich verschwunden.

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Hotel Zarya, direkt am Fluss Ghunt (der ein paar Kilometer weiter in den Panj fließt)
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Blick aus meinem Hotelzimmer

Mit dieser tollen Terrasse kann ich auch darüber hinwegsehen, dass das Hotel mit 30$/Nacht doch verhältnismäßig teuer ist, in dem Moment aber jeden Cent wert, um nicht mit 8 anderen Personen in einem Dormroom liegen zu müssen. Nach einer langen, erholsamen Dusche liege ich die nächsten vier Stunden auf dem Bett, lese, höre Musik und erhole mich ganz wunderbar. Ich spüre förmlich, wie die Energie zurückkehrt. In der Zwischenzeit wird meine Wäsche in der Hoteleigenen Waschmaschine wieder hergestellt, eine Wohltat nach all dem Staub, Schweiß und Öl, welches sich in den letzten Tagen in den Klamotten abgelagert hat.

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Die Waschmaschine ruft. Sehr laut.

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Snack im Hotelzimmer. Schaschlikgeschmack 😀 Auch merkt man den Chips die 2000m ü. Null an, alle sehen sie hier aus wie ein Kopfkissen…

Als ich mich schließlich aufraffen kann laufe ich nachmittags noch zum nahen Touristenbüro. Ich habe nun endgültig beschlossen meine Radtour nicht durch das Wakhan-Tal fortzuführen, sondern auf der Hauptstraße zu bleiben. Ausschlaggebend waren die zahlreichen Berichte darüber, wie anstrengend es per Rad im Wakhan wäre, das traue ich mir momentan einfach nicht zu. Da das Tal aber wunderschön und sehr idyllisch sein soll, will ich es auf keinen Fall ganz außen vor lassen.

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Bisher fühle ich das Abenteuer ganz schön intensiv 😉

So hole ich mir im Touristenbüro die Informationen, die ich brauche um mir einen Jeep samt Fahrer für zwei Tage zu mieten, um das Tal zu entdecken. Preislich zwar kein ganz günstiges Vergnügen, aber wer weiß, ob und wann ich es sonst je in den Wakhan schaffe. Etwa 300$ + die Kosten für die Homestay-Übernachtung des Fahrer soll es kosten. In der Touri-Info schalte ich sogar noch eine Mitfahrer*in-Suche an der Pinnwand, vielleicht finde ich ja noch jemanden der*die mit will, dann würde sich der Preis halbieren. Und wenn nicht, nun dann habe ich wenigstens die volle Entscheidungsgewalt über die zwei Tage im Wakhan, kann dort anhalten wo ich will und zahlreiche Fotostops einlegen.

Anschließend liege ich ein Weilchen im sehr schönen Stadtpark, beobachte die Menschen beim Flanieren und genieß eine eiskalte Flasche Fanta im Schatten. Der Park beinhaltet sogar ein Stadtbad, was gerade für die ganzen Kids in ihren Sommerferien ein willkommener Anlaufpunkt ist. Auch fällt mir auf, dass die Frauen hier viel mehr in “westlicher” Mode gekleidet sind, es finden sich weniger traditionelle Bekleidung, wie ich sie die vergangenen Tage in den Dörfern erblickt habe. Auch stolpere ich in den abgelegeneren Ecken des Parks mehrmals fast über knutschende Pärchen auf der Parkbank, ich nehme an das Stadtleben ist also ein wenig liberaler als das Dorfleben. 😉 Generell war Khorogh bisher ein Kontrastprogramm zu allen Dörfern die ich bisher gesehen habe, es erinnert viel mehr an Duschanbe, nur fehlen die hohen Gebäude.

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Schwimmbad im Stadtpark
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So grün und so kühl. Ein Traum!

Der Hotelbesitzer hatte mir vorhin noch ein Restaurant im Stadtpark empfohlen, und inzwischen ist mein Hunger vollends zurückgekehrt, wodurch es sogar für eine Vorspeise (tolle Linsensuppe) und eine Hauptspeise (leckerer Reis mit Gemüse) reicht. Ich vermute ja immer noch mir keinen Virus eingefangen zu haben, sondern einfach der Erschöpfung und der Hitze wegen so platt zu sein. Ich war fünf Tagen auf Radtour und es ist sieben Tage her seit ich in Berlin aufgebrochen bin, seitdem habe ich etwa so viel Essen zu mir genommen, wie ich es sonst in zwei Tagen locker vertilgen würde, kein Wunder also das ich mich ausgepowered fühle. Ich warte also noch morgen ab wie ich mich dann fühle und entscheide erst danach ob ich zum Medical Center gehe.

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Abendstimmung auf der Hotelterrasse
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Blick auf den gegenüberliegenden Stadtpark von der Hotelterrasse aus. Die Hohen Berge im Hintergrund liegen bereits auf der anderen Seite des Panj und damit in Afghanistan.

Beim Abendessen leuchtet der Mond über den Bergen und ich bin in dem Moment ziemlich versöhnt mit meiner Reise. Die Zuneigung mir komplett fremder Menschen, in dem Fall die Mitnahme im Jeep und die tollen Hotel-Besitzer haben mir neue Kraft gegeben und ich bereue es keineswegs die Strecke bis in die Stadt übersprungen zu haben Ja, ich habe 140 oder 150 Kilometer übersprungen. Aber hätte ich mich heute + morgen auf dieser Strecke weiter quälen müssen, vielleicht sogar noch einen dritten Tag, dann wäre dabei nichts gewonnen worden. Für morgen ist jedenfalls ein ausgiebiger Ruhetag angedacht, ich kann es kaum erwarten.