Tag 44: Ruhetag am Nordkapp

Schlafen kann ich nur bis 9 Uhr. Schon beim Aufwachen merke ich den Regenschauer auf dem Zelt, ebenso ist es extrem windig. Aber die Helligkeit bestätigt schon, heute wird die Sonne sich am Kapp zeigen.

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© Klaus

So entspinnt sich ein sehr gemütlicher Tag: Klaus und ich verbringen die Zeit im Zelt oder in der Nordkapp-Halle, ich lese viel und genieße immer wieder die Ausblicke über das Kapp.

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© Klaus




Nur unsere Essenssituation spitzt sich langsam zu, wir beide hätten nicht gedacht, dass man sich am Kapp nicht mal Brot und Aufstrich kaufen kann. So gehen unsere Vorräte zu Neige und wir haben beide dauerhaft Hunger. Klaus lädt mich auf eine Waffel mit Marmelade ein, sehr lecker, macht leider nur nicht richtig satt. So wird noch mal ordentlich Geld locker gemacht für einen Wrap, dieser sättigt wenigstens ein wenig.

Hier startet der Wanderweg E1, 7000km bis Italien! 
Ansonsten gibt es heute viele Gespräche mit anderen Rad-Ankömmlingen (Die Schweizerinnen Rahel und Martina kommen etwa heute an) und auch unbeteiligte sprechen uns häufig an, wenn wir neben den Rädern stehen.

Gemeinsam mit Klaus erkunde ich das Nordkapp nun im Sonnenschein:


Die Kunstinstallation “Children of the World”, von Kindern kreiert.


Von einer Nachbarklippe hat man einen guten Blick auf das Kapp. 
Blick auf den noch nördlicheren Knivsjkellodden. 

Ansonsten sind heute wahnsinnig viele Personen vor Ort, manchmal ist die ganze Eingangshalle gerammelt voll.


Auch der Blick auf den Parkplatz ist interessant, dies ist die erste von vier Reihen. Geschätzte 50% der Autos kommen aus Deutschland.
Die stehen hier in 4 Reihen! 
Nachmittags versuche ich mich ein wenig ins Zelt zu legen, und zu schlafen. Leider hat der Wind 90° gedreht und trifft nun die Zelte volle Breitseite. So bin ich zwischendrin damit beschäftigt, die Zeltstangen mit den Beinen abzustützen, trotzdem verbiegt sich das Zelt stark. Wir beschließen, dass es so keinen Sinn hat und bauen die Zelte gegen 16 Uhr ab. Bin ich froh, dass wir zu zweit sind, bei den Windböen muss man extrem aufpassen, sonst liegt am Ende das Zelt am Nordpol!



Über die Ebene pfeift der Wind ordentlich drüber! 
So müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr über ein Gestängebruch der Zeltstangen machen (muss das Zelt ja noch min. 3 Wochen nutzen), haben allerdings keine Rückzugsmöglichkeit zum Schlafen, womit klar ist, dass wir durchmachen müssen.

Der Ruhetag am Kapp war eine super Idee. Vorallem das Wetter hat sich heute größtenteils gewandelt, die dunklen Nebelbänke, die gestern die Szenerie bestimmten, sind verschwunden. Zudem haben wir so Zeit das Kapp wirklich zu genießen, noch einmal den Kinofilm zum Kapp zu sehen, und die Landschaft auszukosten.




Abends/Nachts kommt immer öfters die Sonne imposant hinter den Wolken hervor!

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Mitternachtssonne am Kap © Klaus

Und als sich die ganzen Reisebusse gegen halb eins in der Nacht auf den Rückweg machen, ist es am Kapp schlagartig leer. Nur noch rund 50 Personen treiben sich draußen herum und genießen die neu gewonnene Stille und Entspannung.
Ich beobachte Klaus bei einem Multikopter-Flug um das Kapp um ein Uhr, hoffentlich sind die abenteuerlichen Aufnahmen etwas geworden.

NACHTRAG:
Klaus hat mir jetzt das Video vom Nordkapp zur Verfügung gestellt:

© Klaus

Anschließend schießen wir noch ein paar Portraits vor dem Wahrzeichen, Klaus klettert sogar in die Kugel!


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Der Angeber muss natürlich noch mal rauf 😉 © Klaus

So ist es nun Viertel vor zwei, der Wind hat nachgelassen, aber es ist bitterkalt. Zeit das nächste Abenteuer zu beginnen, welches ich im kommenden Blogpost beschreiben werde.

Tag 43: Grüße von 71°10’21” N. (Nordkapp) 

Der Tag beginnt regnerisch, so kosten Klaus und ich unsere gemieteten Hütte bis zur letzten Sekunde aus.

Luxus Frühstück

Der Morgen wird eh stressiger als geplant, da Klaus versucht seine Rückreise zu organisieren. So wird aus einem “ach, ich nehme die Fahrt nach Hause langsam in Angriff, ich will sie genießen und die Landschaft am Fenster vorbeiziehen sehen” schnell die Erkenntnis, dass dies deutlich komplizierter wird. Zwischendrin steht mal Fähre, Zug, Fähre, Zug zur Debatte. Und ob es jetzt die lange Fähre für 360€ bis Bodo wird, oder doch nur bis Tromsø.

Als sich schließlich herausstellt, dass der Zug bereits völlig ausgebucht ist, und die ganze Odyssee über 50 Stunden bis zur Fähre Oslo – Kiel dauern würde, nimmt Klaus zögerlich meinen Ratschlag an, doch mal nach einem Flug zu schauen. Und siehe da, weit günstiger und weniger Zeitintensiv. So bucht er nun einen Flug von Tromsø nach Oslo, fährt aber vom Nordkapp mit der selben Fähre wie ich, um nach Tromsø zu kommen. Damit ist klar, dass wir die nächsten Tage zusammen verbringen werden, was mich sehr freut.

Die ganze Buchung und Planung hat Zeit gekostet, so machen wir uns erst nach Mittag auf die letzten Kilometer.

Das Wetter ist leider im gestrigen Zustand verblieben, wenn überhaupt ist der Regen noch stärker geworden und die Temperatur sind noch weiter gefallen. Also Regenklamotten an und los!

(Dieser Abschnitt hat nicht viele Fotos. Es hat so stark geregnet, dass ich Rücksicht auf die Kamera genommen habe, und diese in der Lenkertasche blieb. Da wir aber den selben Weg zurückfahren, und dass angeblich bei Sonne, werde ich dort die Bilder einfügen.)

Direkt hinter dem Zeltplatz geht es an den ersten Aufstieg. Rund 240 Höhenmeter bei 9% Steigung warten darauf, mit viel ächzen und schwitzen erobert zu werden.

Endlose Aufstiege 

Dann geht hügelig weiter, bevor es zum zweiten, noch viel steileren Anstieg geht, der einfach nicht aufzuhören scheint. Nach jeder Kurve erwarte ich die Erlösung, nur um mit mehr Asphalt begrüßt zu werden, der sich in den Himmel windet.

Und wenn ich schreibe das Wetter war schlecht, dann meine ich RICHTIG SCHLECHT: Temperaturen pendeln zwischen 4-5°, der Regen kommt eiskalt angepeitscht, auch bedingt durch den 20 km/h Gegenwind.

Klaus und ich sind richtig am kämpfen. Zwar sind es nur 28 Kilometer zum Kapp, aber diese müssen wir uns wirklich verdienen. Ein Schlag ins Gesicht sind die letzten zwei Kilometer, hier nahmen wir beide an, endlich auf eine flache Strecke zu stoßen, nur um noch mal mit letzter Kraft klettern zu müssen! So lege ich auf 26 Kilometern heute etwa 800 Höhenmeter zurück, an den vergangenen Tagen wären so viele Höhenmeter auf 50-60 Kilometer Wegstrecke verteilt gewesen.

Heutige Strecke von Honningsvåg bis zum Nordkapp! 

Noch vorbei am Tickethäuschen (für unmotorisierte Besucher ist der Besuch kostenlos), vorbei am Hauptgebäude und am zum Wahrzeichen des Nordkapps.
Um etwa 16 Uhr erreiche ich den nördlichsten Punkt meiner Reise:

3699km in 43 Tagen, 212 Stunden im Sattel. Lege ich den 7. Gang als Bewertungsgrundlage an, haben meine Beine unglaubliche 1.131.000 Mal gekurbelt.

Endlich da!!! 

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© Klaus

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© Klaus

Auch wenn ich mich die vergangenen Tage gar nicht so übertrieben auf das Nordkapp gefreut habe, sondern es eher als Zwischenziel ansah, jetzt überwiegt die Freude hier zu sein, und endlose Ereignisse der vergangenen Wochen fluten mein Bewusstsein. Den letzten Berg bin ich nur hoch gekommen, weil ich versucht habe, mich an jede Übernachtungsstelle seit Tag 1 zu erinnern, samt der zugehörigen Umgebung. So war der Denkapparat beschäftigt, und konnte über die Schmerzen in den Beinen Hinweg getäuscht werden.

So viele Kilometer, so viele spannende Menschen, aufregende Tierbeobachtungen, wunderschöne Landschaften, schöne Zeltplätze und wechselhafte Wetterbedingungen. Ich bin unglaublich dankbar hier zu sein.

Nun aber ein paar Informationen zum Nordkapp, warum bin ich hier eigentlich hin?

Das Nordkapp wird als “der” nördlichste Punkt Europas gehandelt. Warum das Blödsinn ist, findet sich prägnant bei Wikipedia:

Entgegen der weit verbreiteten Auffassung und den Behauptungen der Tourismusbranche ist das Nordkap nicht der nördlichste Punkt Europas:

  1. Das Nordkap befindet sich nicht auf dem Festland, sondern auf einer diesem vorgelagerten Insel. Der nördlichste Punkt des Festlandes ist die Landzunge Kinnarodden(71° 08′ 01″ nördlicher Breite) auf der Nordkinnhalbinsel.
  2. Auch auf der Insel Magerøya, auf der auch das Nordkap liegt, befindet sich auf 71° 11′ 08″ nördlicher Breite ein noch 1400 Meter weiter nördlich gelegener Punkt, nämlich die westlich benachbarte Landzunge Knivskjellodden.
  3. Auch unter den Inseln, die zu Europa zählen, gibt es diverse, die sich nördlich des Nordkaps befinden. Diejenigen des Spitzbergen-Archipels und die des Franz-Josef-Lands mit Kap Fligely sind die nördlichsten.

Das Aufhebens über das Nordkapp läuft also auf eine simple Tatsache heraus und ist der Grund, weshalb auf dem Vorplatz dutzende Reisebusse und Endlos viele Camper stehen:

Das Nordkap ist seit dem Anschluss an das Straßennetz über die heutige Europastraße 69 im Jahr 1956 der nördlichste Punkt Europas, der auf Straßen vom europäischen Festland aus erreicht werden kann.

(Beide Zitate von Wikipedia 

Der Knivskjelloden wäre einen Abstecher wert, ist allerdings mit einer 16 Kilometer Wanderung verbunden.

Aber nach Norden kommt wirklich nicht mehr viel. 

Aufgrund des schlechten Wetters belassen Klaus und ich es also bei ein paar schnellen Zielfotos am Globus, und flüchten dann in die Wärme des Nordkapp-Centers.

Hier ist wirklich eine umfangreiche Infrastruktur entstanden. Ein gigantischer Souvenirladen konkurriert mit Cafés und Restaurants um die Gunst der Kundschaft.

Im Restaurant gibt es ein teueres, leider aber ziemlich schlechtes Abendessen. Aber so haben wir wenigstens die Möglichkeit stundenlang an den Panoramafenstern zu sitzen und die wilde Landschaft zu beobachten. Das Nordkapp wird angeblich 360 Tage im Jahr von Nebel eingehüllt, und an Tagen wie heute glaube ich das sofort.

Blick auf den Knivskjellodden, noch ein paar Meter nördlicher. 

50 shades of gray

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Noch mal Knivskjellodden. © KlausDSC09255
© Klaus

Schließlich gehen wir noch ein wenig auf Entdeckungstour. Nachdem ich den Souveniershop für den teuersten Postkarten-Einkauf aller Zeiten nutze, gehen wir in den Info-Teil des Gebäudes.

So ist eine Ausstellung den Seegefechten im zweiten Weltkrieg gewidmet. Die Strecke um das Nordkapp war essenziell, um alliierte Schiffkonvois in die Sowjetunion zu bringen, welche diese mit kriegswichtigem Gerät versorgten und den Umschwung brachten, der Deutschlands “Krieg im Osten” zum erliegen brachte. Aus diesem Grunde waren sowohl zahlreiche deutsche Kriegsschiffe und U-Boote, aber auch alliierte Gegenkräfte vor Ort.

Kurz vor dem Nordkapp wurde zu Weihnachten 1943 der deutsche Zerstörer Scharnhorst unter alliierter Kraftanstrengung versenkt, über 1700 Personen fanden in den eisigen Gewässern ihren Tod. Wie schon so oft auf dieser Reise bin ich schockiert über die nördliche Ausdehnung des zweiten Weltkriegs.

Weit aufbauender ist die historische Ausstellung des Nordkapp. Seit dem 16. Jahrhundert auf Karten verzeichnet,  besuchte 1664 der italienische Pfarrer Francesco Negri das Kapp und gilt als der “des erste Tourist”. Ich kann mir kaum vorstellen, auf welche Landschaft und Wildnis er hier gestoßen sein muss.

Seine Eindrücke hielt er wie folgt fest :

Hier bin ich nun am Nordkap, am äußersten Punkt Finnmarks, und ich kann ohne Weiteres sagen am äußersten Punkt der Welt, denn weiter nördlich gibt es keinen von Menschen bewohnten Ort mehr. Mein Wissensdurst ist nun gestillt, und ich will nach Dänemark zurückkehren, und so Gott will, in mein Heimatland.

Prinz Louis von Orleans, der “Bürgerkönig” besuchte 1795 das Kapp.

Und schließlich auch ein kurioser Besuch: Im  Jahr 1907 kam König Chulalongkorn von Siam samt Gefolge zum Nordkapp und verewigt sich im Nordkappstein. Aus diesem Grund gibt es einen thailändischen Schrein samt Memorabilia zu betrachten.

Besonders gut hat mir die kleine Kapelle gefallen, die in einem Mix aus Felswand und modernen LED-Panelen ein Ort voll Stille war.

Stille hätte auch der letzte Raum der Ausstellung verdient gehabt, eine Sound- und Licht-Installation, welche die 4 Jahreszeiten am Kapp visualisiert. Und obwohl wir “3 Jahre” dadrin verbrachten, störten zahlreiche Touristen-Großgruppen, die lautstark vorbeipolterten und jegliche Besinnung schnell vermissen ließen.

Generell bin ich von den Touristen hier fasziniert. Aufgrund des schlechten Wetters halten sich die Besucherzahlen heute in Grenzen, dies sollte sich aber am Folgetag gänzlich ändern. (Mehr dazu später). Auf der einen Seite finde ich es schön, dass jedem Menschen die Möglichkeit eröffnet wird, das Kapp zu sehen, indem man per Bus bis vor die Haustüre gebracht wird. Andererseits setzt etwas bei mir ein, was man vielleicht als “Sportler-Snobismus” beschreiben könnte: Der Gedanke, dass die alle in ihren beheizten Fahrkabinen saßen und sich mehrere Tausende Kilometer hier hin bewegt haben, während ich jeden Kilometer der Natur abgetrotzt habe und alle Widrigkeiten über mich habe ergehen lassen. Ein kleiner Gedanke im Kopf sagt ich hätte es mir “mehr verdient”, hier zu sein. Ist natürlich alles Quatsch.

Touristen – Ansturm

Und nun? 

  • Bin ich erstmal da 😉
  • Nein, nur ein Witz. Also den nächsten Tag bleiben Klaus und ich noch am Kapp. Das Wetter wird am Freitag besser und wir wollen die Aussicht genießen.
  • Deswegen bauen wir auf der kargen Hochebene hinter dem Kapp unsere Zelte auf.

  • In der Nacht von Freitag auf Samstag werden wir das Lager abbrechen und um Mitternacht in Richtung Honningsvåg zurückfahren. So können wir die Mitternachtssonne genießen und hoffentlich die Rückfahrt im besten Licht fotografieren.
  • Samstag früh um 6 Uhr fährt in Honningsvåg die Fähre ab, die ich für eine kurze, zweistündige Fahrt gen Westen nach Havøysund nutze.
  • So muss ich nicht nochmal den Nordkapp Tunnel und die vorherigen 80 Kilometer auf der selben Strecke zurücklegen, auf der ich hergekommen bin, sondern sehe eine neue Strecke von Havøysund nach Olderfjord.
  • Und dann kommt noch ein wenig Strecke, deswegen freue ich mich, am Nordkapp auch wirklich nur ein Zwischenziel erreicht zu haben: Von Havoysund erwarten mich noch knappe 700 Kilometer zurück nach Kiruna in Nordschweden, wo noch eine zweiwöchige Wanderung und dann der Rückflug geplant ist. So muss ich nun nicht wehmütig die letzten Kilometer bis zur Fähre antreten, in dem Wissen, die Reise ist zu Ende, sondern habe noch eine spannende Fahrt vor mir, in der ich mehr von der norwegischen Finnmark sehen werde, einen kleinen Abschnitt durch Finnland radel und schließlich wieder im geliebten Schweden ankomme.

In diesem Sinne bin ich stolz und happy hier sicher und gesund angekommen zu sein, freue mich aber noch viel mehr, dass das Abenteuer keinesfalls vorbei ist.

Abendliche Belohnung im Zelt: Rum-Cola für mich

Verschönerung für das Rad

Tag 41 – 42: Leirbotnvatn – Honningsvåg  

Tag 41: Leirbotnvatn – Ytre Nordmannset 

Der Tag beginnt früh und laut: Als ich um 4 Uhr aufwache, kracht der Regen nur so aufs Zeltdach. Also schnell umdrehen und weiterschlafen. Als sich die Situation um 7 Uhr unverändert präsentiert, entscheide ich mich, doch noch ein Stündchen Schlaf dranhängen, auch wenn das einen späten Start impliziert.

Da der Regen nicht zurückgeht frühstücke ich im Zelt und fange dann auch drinnen an, die Taschen zu packen. Indem ich das Innenzelt ausbaue, während ich im Zelt sitze, kann ich alles bis auf das Außenzelt trocken verstauen. Ich komme aufgrund des ganzen Prozedere erst um Viertel nach 10 los.

Und der Tag startet gleich amtlich, es geht nämlich den Anstieg hoch, den ich gestern am Tagesende noch gesehen habe. In voller Regenmontur quäle ich mich den Hang rauf, schnell sind alle Klamotten durchgeschwitzt.
Oben erwartet mich dann eine irre Hochebene.

Für knappe 40 Kilometer fahre ich relativ eben über diese Ebene, so weit das Auge blickt nur Gras, viel Schnee und hohe Berge außenrum.

Teilweise liegt noch tiefer Schnee. 

Allerdings auch einiges an Wind, der hier nur so über die Ebene pfeift. Auch wenn ich “relativ eben” schreibe, die zahlreichen auf und abs der Strecke kosten richtig Kraft.

Hier oben treffe ich Andreas (Seinen Reise-Blog findet man hier) der mit dem E-bike in die Gegenrichtung unterwegs ist.

Sein Vater fährt mit dem Auto vor, und radelt ihm dann entgegen, so kriegen beide ihre Portion Fahrradfahren für den Tag. Und dadurch ist sein Fahrrad phänomenal leicht bepackt, ich bin sehr neidisch. Nach einem netten Schnack und ein paar Fotos gehen wir getrennte Wege.

Die letzten Kilometer der Hochebene schlauchen mich sehr, zum Glück bringt eine Rentierherde ein wenig Abwechslung. Desweiteren ist mir ständig zu kalt oder heiß, der Regen setzt manchmal wieder ein und es ist empfindlich windig.

Hier ein Foto meiner Hochmodernen Regenhandschuhe.

Haben mich ganze 79 Cent gekostet und sind ordentlich Wasserdicht. Dafür muss man damit Leben, dass sich die Handschuhe von innen mit Wasser auffüllen und einen ekligen Weichmacherduft verbreiten. Aber Wasser- und Winddicht sind sie!

Endlich kommt die Abfahrt runter nach Skaidi. 

Dort setze ich mich ins Restaurant und versuche über eine lachhaft kleine Portion Pommes (für 4,50€) zumindest ein wenig Wärme wieder in den Körper zu kriegen.

Nach einer Stunde versuche ich noch ein paar Kilometer zu den bisher geleisteten 58 hinzuzufügen. Dafür geht es erstmal in Richtung Küste. Nach einem erneuten, kleineren Aufstieg fahre ich durch ein Tal bis nach Olderfjord. Schön den Salzgeruch wieder in der Nase zu haben, selbst wenn es nicht mal 24h her ist, dass ich das Meer nahe Alta verlassen habe.

Auf dem Rückweg werde ich die Panorama Straße von Havøysund aus nehmen. 

In Olderfjord treffe ich noch Klaus, einen deutschen Radfahrer, der in die selbe Richtung fährt. Er hat bereits 120 Kilometer auf dem Tacho, wird also den Campingplatz in Olderfjord ansteuern. Ich möchte noch weiter und so verabreden wir uns dazu, dass er mich morgen einholt und wir dann gemeinsam weiter fahren.

So fahre ich noch über 20 Kilometer die Küste lang. Der Ausblick ist super, wenn es auch richtig kalt und empfindlich windig ist.

Unterwegs begegnen mir zwei Rentiergruppen.

Gruppe 1

Gruppe 2


Gesegnet sei die Erfindung des Tunnels.

Durch diesen Tunnel geht es 2,9 Kilometer durch die Steilküste. Der Tunnel besteht aus rohem Stein, es ist eiskalt und an mehreren Stellen tropft es nicht nur, nein es schießen Wassermassen in den Tunnel. Trotzdem genieße ich die Abwechslung, mal durch einen solchen Tunnel zu fahren.

Kurz nach dem Tunnel dann ein sehnlichst erwartetes Ereignis: Ich finde endlich ein Rentiergeweih!

Habe die vergangenen Wochen Ausschau danach gehalten, würde aber immer wieder von sonnengebleichten Hölzern in die Irre geführt. Diesmal ist es aber wirklich ein Rentier, da liegt nämlich das ganze Skelett daneben. Muss morgen am Campingplatz mal schauen, ob ich das Geweih irgendwie abgekocht kriege, dann habe ich ein neues Stück Dekor für mein Rad! Nach 105 Kilometer ziehe ich auf eine Raststätte rüber, die am Meer gebaut wurde und aus ein paar Bänken, Mülleimer und einem Klo besteht. Da die letzten Kilometer so windig gewesen sind, dass ich mich teilweise in 15° Schräglage gegen den Wind lehnen musste, um nicht aus der Spur geweht zu werden, reicht es auf alle Fälle.

Ich baue das Zelt im Windschatten der Bäume auf, gönne mir aufgrund der mickrigen Pommes eine besonders große Portion Pasta und genieße den Abend im Zelt, zumindest dann, als endlich wieder Wärme in meine Extremitäten zurückkehrt.

Durch die lange Tour heute sind es morgen nur knappe 70 Kilometer nach Honningsvåg, wo ich auf alle Fälle auf den Campingplatz will. Seit Tromsø bin ich jetzt ohne Dusche, zudem haben die nassen beiden letzten Tage dazu geführt, dass ich dringend eine Waschmaschine brauche, um wieder was sauberes, trockenes zum Anziehen zu haben.

Von Honningsvag sind es dann “nur” noch rund 35 Kilometer bis zum Nordkapp, diese haben es aber Höhenmeter mäßig faustdick hinter den Ohren, weswegen ich den Schlussspurt zum Kapp auf den nächsten Tag verschieben werde. Morgen wartet auf mich erstmal der Nordkapp Tunnel als Tageshindernis, mehr dazu aber bei gegebener Zeit.

Tag 42: Ytre Nordmannset – Honningsvag

Der Tag beginnt wie gestern mit dem selben Plätschergeräusch. Heute kann ich es ruhig angehen lassen, hatte gestern mit dem deutschen Radfahrer Klaus (Hier übrigens auch dein Reiseblog) der in Olderfjord geblieben ist,  ausgemacht, dass er mich um 9 abholt und wir gemeinsam weiter fahren. So ist um kurz nach Neun alles in den Taschen verstaut und ich stelle mich nebenan in einen Sami-Verkaufsshop, in der Hoffnung, dass Klaus mein Rad auch dann erkennt, wenn ich nicht drauf sitze 😉

Und um halb 10 kommt er dann schon angefahren, so geht es gemeinsam los. Das Wetter heute ist brutal und sollte sich bis tagesende auch nicht bessern. Es sind knappe 5-7°, es schüttet ohne Ende und fahren wir am Fjord entlang in eine bestimmte Richtung, versucht der Wind uns aufs offene Meer hinaus zu drücken.

Und trotzdem, ich genieße es seit den Schweizerinnen wieder einen Mitfahrer zu haben. Im Gegensatz zu allen bisherigen Kurzzeit-Begleitungen hat Klaus etwa das selbe Tempo wie ich (wenn überhaupt könnte er wohl ein wenig schneller) und wenn man sich allerhand aus dem Reisealltag zu erzählen hat, vergeht die Fahrt wie im Flug. Die Landschaft ist ziemlich sureal-karg, auch wenn die Kamera das kaum einzufangen vermag. Sofern man überhaupt die Kamera rausholt, es dauert wirklich nur Sekunden, bis alles nass ist. Viel Landschaft hängt im tiefen Nebel, ab und an scheinen weiße Berghänge durch. Die Fjorde wären piktoresk, sofern diese gelbe Kugel im Himmel mal ihre Kraft entfalten würde.

Bei einer Bananenpause an der Klippe erspähen wir einen oder mehrere Delfine im Wasser, die unregelmäßig auftauchen. Leider immer nur zu kurz und zu weit weg für ein brauchbares Bild.

Zudem ziehen heute große Rentierherden über die Insel, ich habe sicherlich inzwischen mehr Rentiere auf dieser Insel gesehen, als entlang der gesamten E45 in Schweden.

Schließlich kommen wir am “Nordkapp Tunnel” an. Dieser verbindet die Insel Magerøya mit dem Festland (und ist deshalb auch der Grund, weshalb das Nordkapp als “nördlichste Punkt des europäischen Festlands”  vermarktet wird, dazu aber morgen mehr.
Auf 6900 Metern läuft der Tunnel bis 212m unter dem Meeresspiegel.

Für uns hieß dass, in der Tunneleinfahrt eine äußerst unentspannte, schnelle Mittagspause zu machen, da dies die erste trockene, windgeschützte Stelle des Tages war. Dann alle nur mögliche Sicherheitsausrüstung anlegen und dann geht es ab in den Tunnel.

Die Krux an der Geschichte? Erst geht es steil bergab (yeah!), dann unten ein kurzes Stück flach (ok!) und dann aber steil wieder bis zum Ausgang (oh no!). Und wenn man den Pressestimmen der entgegenkommenden Radfahrer_innen der vergangenen Wochen glauben schenken durfte, dann war die Tunnelbefahrung “schrecklich”, “unglaublich kalt”, “beängstigend”, “man kriegt kaum Sauerstoff”, “es ist unfassbar laut”, “der Verkehr rast an einen vorbei”, “es ist so steil, dass man nicht hochfahren kann, zum schieben ist es aber zu glitschig” bis hin zu “Problemlos”, “eigentlich ganz lustig”, “nicht so schlimm”.
Nun war endlich unsere Chance gekommen, sich davon einen Eindruck zu verschaffen. Die Abfahrt hat tatsächlich Spaß gemacht, mit 53km/h ging es schnurgrade in den tiefen Schlund. Einzig alle nassen Klamotten, verbunden mit dem Fahrtwind und den Temperaturen drückten die Stimmung. Meine Pfoten waren richtig eingefroren, die Füße knapp an der Grenze.

Im Flachen ging es ganz gut voran, dann sah man aber, wie sich die Deckenleuchten immer mehr nach oben zogen. Der Aufstieg war ziemlich krass. Es war mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wirklich anstrengend, die richtige Klamottenwahl zu finden. Und dann hieß es den ersten Gang quälen bis zum geht nicht mehr.
Fiel mein Tempo von 8 auf 7, und dann auf 5-6 km/h, wusste ich es ist Zeit für eine kurze Pause. Dann ging es wieder leicht gestärkt auf die nächsten paar hundert Meter. Klaus scheint eine bessere Übersetzung zu haben und vorallem mehr Kraft in den Beinen, denn er zieht mir ohne Pause davon. Egal, ich muss jetzt richtig kämpfen, komme aber schließlich oben an.

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Ziemlich fertig bei der Ausfahrt. © Klaus

Das Fazit: Der Tunnel ist auf alle Fälle machbar, man hätte sich von den Berichten im Vorfeld nicht so verrückt machen lassen sollen. Anstrengend war er aber auf alle Fälle. Mit leichten “Gummibeinen” geht es dann anschließend weiter, der eine Vorteil des Tunnels ist weg, es regnet uns nämlich wieder munter auf die Köpfe.

15 Kilometer nach dem Tunnel erreichen wir endlich Honningsvåg, die einzige größere Stadt auf der Insel.

Müde und abgekämpft (ich), sowie sehr sehr nass und kalt (wir beide) fallen wir da förmliche in den örtlichen Supermarkt. Dort heißt es nach Lust und Laune einkaufen, Klaus zeigt mir als Empfehlung die 5 NOK-Eiscreme, eine gehaltvolle Erweiterung meines Speiseplans 😉

Während Klaus zum Fährhafen radelt, um sich die zahlreichen komplizierten, und jeweils teureren Möglichkeiten erklären zu lassen, wie er jetzt vom Nordkapp mit Fähren und Bussen wieder nach Deutschland kommt, rufe ich schon mal beim Campingplatz an. Nach dem Tag im Regen hat keiner von uns Lust das Zelt aufzubauen, und zu zweit ist eine Hütte eine gar nicht so teure Alternative. Der Anruf war goldrichtig, eine 2-Personen Hütte haben sie noch, die ich reservieren kann.

Auf den 5 Kilometern zum Campingplatz treffen wir noch auf einen freundlichen norwegischen Naturburschen, der Infos zu unserer Tour erfragt und uns zusätzlich erzählt, dass er vor hat im kommenden Winter mit Tourenski und Schlitten von Südnorwegen bis zum Kapp zu laufen. 110 Tage lang. Die spinnen, die Norweger 😉 Und wieder mal zeigt sich: No matter how tough you are, someone is always tougher and crazier. Auf Spiegel Online fand ich vor ein paar Monaten jemand, der auf einem Stand-Up-Paddle-Board von Tromsø zum Nordkapp ist. Im Winter.

Nach 78 Kilometer sind wir dann endlich da. Der Campingplatz ist gigantisch, eindeutig auf Herrscharen an Touristen ausgelegt, die hier im Sommer einfallen. Wir sind einfach zu früh dran, Klaus erzählt mir, dass die Straße zum Kapp vor drei Wochen noch wegen den Schneemassen unpassierbar war.

Die Hütte kostet 300 NOK pro Person, im Vergleich dazu hätte das Zelt aufstellen 250 Kronen gekostet. Und so fallen wir begeistert in unsere Hütte ein, entledigen uns endlich, endlich den nassen Klamotten und verwandeln unser Zimmer eh man sichs versieht in eine Großwäscherei.

Den Abend verbringe ich mit Wäschewaschen (das händische Waschen fiel die letzten Tage einfach flach, bei dem Wetter kriegt man nichts getrocknet) und entspannten rumliegen und nichts tun.  Zudem zeigt mir Klaus seinen mitgebrachten Film-copter, und als Mann von Fach bin ich absolut begeistert (und er lässt mich auch mal fliegen)

So sind es morgen noch 25 Kilometer Wegstrecke und ich habe vor am Kapp ein wenig länger zu verweilen. Deswegen werden wir uns richtig Zeit lassen und erst Mittags von der Hütte aufbrechen. Das Wetter morgen soll grausig sein, doppelt so viel Regen wie heute und fieser Gegenwind, da ist also keine Motivation dabei, zu hetzen und Strecke zu machen.

Tag 38 – 40: Tromsø – Leirbotnvatn 

Tag 38: Tromsø – Langslett 

 

Start um 9.30 Uhr bei herrlichem Sonnenschein. Leider nicht sonderlich warm, aber ich will mich nicht beschweren. Über die Brücke verlasse ich Tromsø nun nach einem Ruhetag und fahre in südöstliche Richtung aus der Stadt.


Ein letztes Bild von der arctic opera. 


Unterwegs werde ich von einer Möwe angegriffen, war wohl zu nah am Nest. Die Möwe steigt mehrmals auf, und schießt dann im steilen Winkel auf mich herunter, nur um sich kreischend wieder in die Höhe zu schrauben. Ich zieh den Kopf ein, nach 200m lässt sie zum Glück ab von mir.


Nächste Ziele

Nach etwa 50 Kilometer komme ich in Breivikeidet an, wo es mit der Fähre nach Svensby auf der nächsten Insel geht. Die Fähre habe ich gerade verpasst, die Stunde Wartezeit nutze ich zum Mittagessen.

Absolut genial das Zeug, Tubenkäse mit bacon Geschmack. Verrückte Welt. 


Nach der kurzen Fährfahrt bin ich auf Lyngsfjellen, die Insel, die laut Reiseführer die “Lyngen-Alpen” beheimatet.

Und tatsächlich, die Berge sind viel schroffer, mit teilweise über 1800m auch deutlich höher und mit viel mehr Schnee bedeckt. Einfach ein wundervoller Ausblick.
Auf Lyngsfjellen komme ich nach 22 Kilometern zur nächsten Fährfahrt. Zum Glück sind beide Fahrten heute für Radfahrer kostenlos, wäre sonst teuer geworden. Zudem bringt mich die Fähre direkt nach Olderdalen, auf der anderen Seite des Fjordes. Ist besser so, die Straße um den Fjord ist erstaunliche 41 Kilometer lang.


Nun wieder auf der E6, die habe ich vor Narvik ein paar Kilometer befahren. Hier zum Glück mit weniger Verkehr, denn ich bleibe mehrere hundert Kilometer auf der Straße. 

Von Olderdalen mache ich mich an die letzten Kilometer des Tages. Mit dem Blick zurück auf die Lyngen-Alpen geht es traumhaft schön am Meer entlang.

Zwar ist es ziemlich wolkenverhangen, so lange es aber trocken bleibt werde ich mich nicht beschweren.
Unterwegs treffe ich noch einen entgegenkommenden Radfahrer, dessen Gefährt in ziemlich schlechten Zustand ist. Er hofft noch heil nach Tromsø zu kommen, um dort alles reparieren zu können.

Den Campingplatz lasse ich rechts liegen und fahre noch ein wenig weiter. Da es heute Nacht trocken bleiben soll, versuche ich durch Wildcamping die hohen Kosten der letzten Tage in Tromsø ein wenig zu kompensieren.

Dazu habe ich mir vorgenommen auf dem letzten Stück noch einen steilen Anstieg hinter mich zu bringen. Zwar bin ich abends ziemlich platt, aber der psychologische Faktor, am nächsten Tag gleich mit einem steilen Anstieg beginnen zu müssen, macht mir mehr Sorgen. So quäle ich mich Abends noch rauf, fülle an einer Raststätte meine Wasservorräte auf und schlage mich dann bald in die Büsche.


Blick hinunter in den Fjord, da darf ich morgen runter fahren.

So stehen 108 Kilometer für heute auf dem Tacho. Dafür dass ich heute früh mit der Erkältung gestartet bin und keine Ahnung hatte, wie viel ich meinem Körper abverlangen könnte, bin ich sehr zufrieden.

Tag 39: Langslett – Langfjorden

Nach einem ausgiebigen Frühstück entscheidet sich der leichte Nieselregen erst dann anzufangen, als ich versuche mein Zelt trocken einzupacken. Absolut typisch, aber mit Blick auf das restliche Wetter heute, werde ich mich nicht beschweren.
Als erste Amtshandlung habe ich heute die Strecke ins Tal vor mir, also quasi die Belohnung für die gestrige Anstrengung zum Schluss. Am ersten Dorf angekommen, stocke ich meinen Proviant auf, dann geht es am Fjord-Ufer entlang.


Wie immer, der berauschende Blick auf Meer, schneebedeckte Gipfel und rote Skandinavien-Häuser im Oksfjorden. 

Nach 40 Kilometern dann der Knackpunkt des heutigen Tages. Steil windet sich die Straße bergauf, weg vom Meer, hoch auf den Pass. Da es inzwischen deutlich wärmer geworden ist, kann ich in T-Shirt und Radhose fahren, ein Vergnügen, dass ich seit dem Übertritt nach schwedisch Lappland nicht mehr hatte. So quäle ich mich im ersten Gang aufwärts. Zwei Kilometer halte ich aus, dann brauch ich dringend eine Pause. Bei der Anstrengung ist eins der Hauptprobleme, dass mir dauernd Schweiß in die Augen tropft. Auf der E6, wo ich ständig von Campern und anderen PKW überholt werde, kein schönes Gefühl.


Blick auf idyllische Birkenwälder. 


Blick zurück: im Tal begann der Anstieg. 

Knapp vor dem Gipfel, wo ich keuchend und schwitzend ankomme, sehe ich noch eine kleine Herde Rentiere durch den Schnee stapfen. Habe seit Schweden keine mehr gesehen und freue mich wieder auf mehr Wildtiere.

Auch treffe ich zwei Schweizerinnen auf Radreise, die nach einem kurzen Gespräch schon weiter fahren.

Ich hingegen genieße den Blick vom Kvaenangsfjellet und freue mich, es auf 400m ü.N. geschafft zu haben. Hier oben liegt noch tief Schnee in manchen Senken, manchmal mehrere Meter tief.


Der Blick in den Kvaenangenfjord entschädigt für de mühsamen Aufstieg. 

Und dann darf ich auch knappe 8 Kilometer ins Tal schießen, fast durchgängig bei über 50km/h und mit einem mitleidigen Blick für die Radfahrer, die mir entgegenkommen.


Abfahrt

Unten angekommen muss ich etwa 20 Kilometer den Fjord umrunden.

Und weil es mir seit Tagen im Kopf rumgeistert, kommt jetzt endlich ein Zitat von einem meiner liebsten Autoren:

“The Earth…” whispered Arthur.
“Well, the Earth Mark Two in fact,” said Slartibartfast cheerfully. “We’re making a copy from our original blueprints.”

There was a pause.

“Are you trying to tell me,” said Arthur, slowly and with control, “that you originally… made the Earth?”

“Oh yes,” said Slartibartfast. “Did you ever go to a place… I think it was called Norway?”

“No,” said Arthur, “no, I didn’t.”

“Pity,” said Slartibartfast, “that was one of mine. Won an award you know. Lovely crinkly edges. I was most upset to hear about its destruction. … Perhaps I’m old and tired, but I always think the chances of finding out what really is going on are so absurdly remote that the only thing to do is to say ‘hang the sense of it’ and just keep yourself occupied. Look at me – I design coastlines. I got an award for Norway. I’ve been doing fjords all my life… for a fleeting moment they became fashionable and I got a major award.”

Douglas Adams – A Hitchhiker’s guide to the galaxy

In diesem Sinne: Danke Mr. Slartibartfast für all diese “crinkly edges”, very “fashionable” indeed … Fluch und Segen zugleich.

Nach 68 Kilometer genieße ich meine Mittagspause in der Sonne am Badderfjord, deswegen dehne ich diese auch auf eineinhalb Stunden aus.


Bin nun endlich in der Finnmark

Nachdem die nächsten Kilometer einen erneuten Aufstieg mit sich bringen ist es klar, warum ich so sehr verzögere und mich kaum von der weichen Wiese losreißen kann.


Nächster Aufstieg. 

Doch hilft ja nichts, ran an die Höhenmeter! Diesmal zum Glück nur etwa 250 Höhenmeter, aber nach der Strecke von vorhin brennen meine Waden doch ordentlich.

Am Scheitelpunkt findet sich eine kleine Infotafel zum Arbeitslager, welches die Deutschen hier am Pass erbauen ließen, um diesen “strategisch wichtigen” Pass gegen Schneefälle und Unpassierbarkeit zu sichern. Dazu wurden dutzende Personen aus der Region, darunter viele Juden, unter Zwang hergebracht. Wie schon in Tromsø bin ich fassungslos, wie weit das Dritte Reich auch in den unwirtlichen Norden expandierte und welche Gräueltaten auch hier verübt wurden.

Nach der Abfahrt bin ich nun am Langfjord, der seinem Namen alle Ehre macht. Obwohl ich nur eine Seite abfahren muss, begleitet mich dieser Fjord nun über 30 Kilometer.

So ist es klar, dass ich am Fjord eine Stelle suchen werde, an der ich schön Wildcampen kann. Bei dem schönen Wetter kann ich mir den Zeltplatz wirklich sparen.

Und so finde ich meinen Traumplatz nach 110 Kilometer auf einer kleinen Landzunge.

Nach dem Zeltaufbau schaffe ich es sogar noch, ins Meer zu hüpfen. Witzigerweise ist dies das erste Mal, wenn man vom Wat-Versuch in Dänemark absieht, der daran gescheitert ist, dass es nie tiefer als 30cm wurde. Bei der Menge an Sonnenschein ist das Wasser gar nicht so kalt wie erwartet, länger als 5 Minuten ist diese Wäsche aber trotzdem nicht.

Da ein Fluss direkt in Zeltnähe in den Fjord mündet, schaffe ich es sogar noch meine dreckigen Klamotten zu waschen und in der Sonne zum Trocknen aufzuhängen. Ab morgen früh erwartet mich leider Regen, so kann es nicht schaden, wieder so viele trockenen und sauberen Klamotten wie möglich zu haben.

Bis Alta sind es morgen rund 75-80 Kilometer, ohne größere Aufstiege. Dass die Straße trotzdem eine Achterbahn versuchen wird zu imitieren ist mir klar, aber es deutet zumindest nichts darauf hin, dass am Stück mehrere hundert Höhenmeter zu überwinden sein werden, und das ist schon mal etwas.

So kommt ein absolut herrlicher Tag zu einem verdienten Ende. War wunderschön mal wieder in kurzen Klamotten unterwegs zu sein und die Sonne auf der Haut spüren zu können. Davon werde ich zehren, wenn ich morgen nass durch die Gegend fahre.

Tag 40 Langfjorden – Leirbotnvatn

Heute früh erwartet mich ein leicht veränderter Blick aus dem Zelt:

Frühstücke schnell im Zelt, packe drinnen zusammen, und gerade als ich so weit bin raus zu hüpfen und das Zelt trocken einzupacken, hört man das erste prasseln auf dem Zeltdach. Trotzdem schaffe ich es, dass Zelt relativ trocken in der Tasche zu verstauen. Beim Weg zurück zur Straße, wo ich alle Taschen und mein Rad eine steile Holztreppe hoch schleppen muss, schaffe ich es prompt auszurutschen und auf dem Hosenboden zu landen… Prima!

Die ersten paar Kilometer sind verhältnismäßig flach, dafür fällt ein feiner Nieselregen. Nach etwa 20 Kilometer habe ich die Spitze des Langfjorden erreicht. Dort sind einige Zelte am Wegrand errichtet, die lokale Sami-Produkte verkaufen.

Dort treffe ich auch die zwei Schweizerinnen vom Bergpass gestern wieder, und gemeinsam gönnen wir uns Waffeln mit Marmelade im Laden.

Danach beschließen wir gemeinsam weiter zu fahren. So komme ich ein wenig mit Rahel und Martina ins Quatschen. Nach zehn Kilometern voller Geschichten verschwinden die Beiden im Supermarkt und ich fahre alleine weiter.

Seit der Spitze des Langfjorden konnte man in den Altafjorden blicken und konnte Alta relativ klar vor sich sehen.

Trotzdem sind es noch gute 45 Kilometer die Küste entlang bis zur eigentlichen Stadt. Und dabei geht es nach Lust und Laune bergauf, zudem sind einige Tunnel auf der Strecke, die Bergmassive durchkreuzen, für Radfahrer gesperrt.

Stattdessen geht es dann auf der “alten E6” einmal um den Berg rum, zumeist mit satten Steigungen.

Während ich an einer Kirche kurz pausiere, das Denkmal für die Minenarbeiter-Familien begutachte, holen mich Rahel und Martina wieder ein.

Die letzten paar Kilometer beschließen wir gemeinsam anzugehen. Die sind noch mal mit viel klettern verbunden und so sind wir alle erleichtert, endlich in Alta anzukommen.


Da dürfen wir nicht durch, stattdessen 9 Kilometer steil außen rum. 


Ich will auch Blumenkästen auf deutschen Brücken! 

Die Stadt zieht sich ganz schön entlang der Küste. Die Schweizerinnen wollen zur Touristeninformation, so verabschiede ich mich und fahre noch zum größten Supermarkt der Stadt. Hier gibt es wieder einen ausgiebigen (sprich: teuer) Einkauf, bevor ich mich an einem Tisch im Supermarkt zur lang verdienten Mittagspause breit mache. Inzwischen ist es nämlich 15 Uhr und ich habe fast 80 Kilometer hinter mich gebracht. Mittagessen wird also immer später 😉


Seit dem Schild in Dänemark, gleich nach der Abfahrt von der Fähre, ist dies das erste Schild, auf dem das Nordkapp explizit ausgeschildert ist. Jetzt endlich fühlt sich die Distanz machbar an. 

So gestärkt geht es wieder raus in die Kälte. Aber so richtig kann ich mich nicht beschweren, denn immerhin ist es entgegen der Wetterprognose deutlich trockener geblieben, als vorhergesagt. Nach elf Kilometern komme ich zur Kür des Tages, einem erneuten Aufstieg zu einem Pass, der mich ins Nachbartal bringt.


Da muss ich hoch. 

Erneut keuche ich mich die 300 Höhenmeter hoch, zwischendrin nur noch im T-shirt, obwohl etwa 10 Grad kalt und alles Nassgeschwitzt. Aber bei den Aufstiegen entwickele ich eine solche Hitze, dass es wirklich unangenehm ist, zu dick eingepackt zu sein.

Kurz vor dem höchsten Punkt überholt mich ein Rennradfahrer. Dieser ist in Südschweden gestartet und will auch zum Kapp. Da er rund 200 Kilometer am Tag schafft, ist er erst vor 13 Tagen gestartet, ich bin höchst beeindruckt. Auch wenn ich neidisch auf sein leichtes Rad bin, die Konstruktion mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken kann er gerne behalten, dass stell ich mir sehr unangenehm vor.

Oben angekommen macht sich Erleichterung breit. Auch hier sind wieder ein paar Zelte mit Verkaufsständen.

So komme ich mit einem Motorradfahrer ins Gespräch, der gerade seinen Einkauf verstaut. Seit zwei Tagen überholen mich unzählige Motorräder mit dem selben “Nordkapp Adventure 2017” Sticker am Bike. Und nicht nur, dass ich erhoffe, so einen Sticker geschenkt zu kriegen, mich interessiert auch, was der Hintergrund ist. Und so erzählt mir der Fahrer, dass dies eine organisierte Tour von Honda ist. Im Grunde werden eine Vielzahl Motorrad-Fachjournalisten zu einer solchen Tour eingeladen, Honda stellt die gesamte Infrastruktur und die Journalisten lernen die Maschine im geeigneten Terrain kennen.

Und weil sie die Journalisten aus der ganzen Welt eingeflogen haben, es fünf Versorgungsvans gibt, einen Krankenwagen samt Doktor, der Sprit gezahlt wird ebenso wie die Hotelübernachtungen und jegliche Verpflegung, wird man am Ende sicherlich in den jeweiligen Zeitschriften Sätze lesen können wie: “Die Honda Twin Africa entwickelt auch im niedrigen Drehzahlbereich eine beeindruckende Leistung” und “Auch nördlich des Polarkreises zeigt die leistungsstarke Sitzheizung, was sie leisten kann”. All-Expenses-Paid-Journalismus, bitte daran denken, beim nächsten Autokauf. Und das Wort “adventure” können sie sich bei der Logistik auch sparen.

Update 2020: Jahre später habe ich dann tatsächlich das dazugehörige Video von Honda gefunden. Und all meine Vorannahmen haben sich bestätigt: https://youtu.be/FTJwdhe4Y3c

Trotzdem ist das Gespräch mit dem Biker nett, und auch wenn er keinen Sticker für mich hat, werde ich von ihm für den Webauftritt seiner türkischen Motorradzeitschrift kurz videointerviewt. Gebe ganz sicher kein beeindruckendes Bild ab, das Aussehen und die Fähigkeit des logischen Denkens sind nach dem Aufstieg beide den Bach runter gegangen.

Der Motorradfahrer verstaut sein frisch erworbenes Rentierfell und sein getrocknetes Rentierfleisch (was auch immer damit in der Türkei geschieht..) und wir verabschieden uns.

Anschließend geht es entspannt den Hügel hinab und am See, der am Fuße des Passes liegt, baue ich neben einem ausgebrannten und verfallenen Ferienhaus mein Zelt für die Nacht auf.


Der Anstieg für morgen früh. 

Das waren heute 101 Kilometer und somit ein guter Grundstock, um bald das Nordkapp zu erreichen. Weit ist es nicht mehr. Keine Ahnung wie das Wetter morgen wird, es scheint derzeit so schnell zu wechseln, dass eine erfolgreiche Prognose schwer zu geben ist. Ich lasse mich überraschen.

Der Abend im Zelt vergeht mit Lesen, Blog schreiben und Filme schauen. Zudem gibt es eine sehr leckere Pasta mit Süß-sauer-Sauce, ein neu-entdecktes Rezept meinerseits.