Tag 38 – 40: Tromsø – Leirbotnvatn 

Tag 38: Tromsø – Langslett 

 

Start um 9.30 Uhr bei herrlichem Sonnenschein. Leider nicht sonderlich warm, aber ich will mich nicht beschweren. Über die Brücke verlasse ich Tromsø nun nach einem Ruhetag und fahre in südöstliche Richtung aus der Stadt.


Ein letztes Bild von der arctic opera. 


Unterwegs werde ich von einer Möwe angegriffen, war wohl zu nah am Nest. Die Möwe steigt mehrmals auf, und schießt dann im steilen Winkel auf mich herunter, nur um sich kreischend wieder in die Höhe zu schrauben. Ich zieh den Kopf ein, nach 200m lässt sie zum Glück ab von mir.


Nächste Ziele

Nach etwa 50 Kilometer komme ich in Breivikeidet an, wo es mit der Fähre nach Svensby auf der nächsten Insel geht. Die Fähre habe ich gerade verpasst, die Stunde Wartezeit nutze ich zum Mittagessen.

Absolut genial das Zeug, Tubenkäse mit bacon Geschmack. Verrückte Welt. 


Nach der kurzen Fährfahrt bin ich auf Lyngsfjellen, die Insel, die laut Reiseführer die “Lyngen-Alpen” beheimatet.

Und tatsächlich, die Berge sind viel schroffer, mit teilweise über 1800m auch deutlich höher und mit viel mehr Schnee bedeckt. Einfach ein wundervoller Ausblick.
Auf Lyngsfjellen komme ich nach 22 Kilometern zur nächsten Fährfahrt. Zum Glück sind beide Fahrten heute für Radfahrer kostenlos, wäre sonst teuer geworden. Zudem bringt mich die Fähre direkt nach Olderdalen, auf der anderen Seite des Fjordes. Ist besser so, die Straße um den Fjord ist erstaunliche 41 Kilometer lang.


Nun wieder auf der E6, die habe ich vor Narvik ein paar Kilometer befahren. Hier zum Glück mit weniger Verkehr, denn ich bleibe mehrere hundert Kilometer auf der Straße. 

Von Olderdalen mache ich mich an die letzten Kilometer des Tages. Mit dem Blick zurück auf die Lyngen-Alpen geht es traumhaft schön am Meer entlang.

Zwar ist es ziemlich wolkenverhangen, so lange es aber trocken bleibt werde ich mich nicht beschweren.
Unterwegs treffe ich noch einen entgegenkommenden Radfahrer, dessen Gefährt in ziemlich schlechten Zustand ist. Er hofft noch heil nach Tromsø zu kommen, um dort alles reparieren zu können.

Den Campingplatz lasse ich rechts liegen und fahre noch ein wenig weiter. Da es heute Nacht trocken bleiben soll, versuche ich durch Wildcamping die hohen Kosten der letzten Tage in Tromsø ein wenig zu kompensieren.

Dazu habe ich mir vorgenommen auf dem letzten Stück noch einen steilen Anstieg hinter mich zu bringen. Zwar bin ich abends ziemlich platt, aber der psychologische Faktor, am nächsten Tag gleich mit einem steilen Anstieg beginnen zu müssen, macht mir mehr Sorgen. So quäle ich mich Abends noch rauf, fülle an einer Raststätte meine Wasservorräte auf und schlage mich dann bald in die Büsche.


Blick hinunter in den Fjord, da darf ich morgen runter fahren.

So stehen 108 Kilometer für heute auf dem Tacho. Dafür dass ich heute früh mit der Erkältung gestartet bin und keine Ahnung hatte, wie viel ich meinem Körper abverlangen könnte, bin ich sehr zufrieden.

Tag 39: Langslett – Langfjorden

Nach einem ausgiebigen Frühstück entscheidet sich der leichte Nieselregen erst dann anzufangen, als ich versuche mein Zelt trocken einzupacken. Absolut typisch, aber mit Blick auf das restliche Wetter heute, werde ich mich nicht beschweren.
Als erste Amtshandlung habe ich heute die Strecke ins Tal vor mir, also quasi die Belohnung für die gestrige Anstrengung zum Schluss. Am ersten Dorf angekommen, stocke ich meinen Proviant auf, dann geht es am Fjord-Ufer entlang.


Wie immer, der berauschende Blick auf Meer, schneebedeckte Gipfel und rote Skandinavien-Häuser im Oksfjorden. 

Nach 40 Kilometern dann der Knackpunkt des heutigen Tages. Steil windet sich die Straße bergauf, weg vom Meer, hoch auf den Pass. Da es inzwischen deutlich wärmer geworden ist, kann ich in T-Shirt und Radhose fahren, ein Vergnügen, dass ich seit dem Übertritt nach schwedisch Lappland nicht mehr hatte. So quäle ich mich im ersten Gang aufwärts. Zwei Kilometer halte ich aus, dann brauch ich dringend eine Pause. Bei der Anstrengung ist eins der Hauptprobleme, dass mir dauernd Schweiß in die Augen tropft. Auf der E6, wo ich ständig von Campern und anderen PKW überholt werde, kein schönes Gefühl.


Blick auf idyllische Birkenwälder. 


Blick zurück: im Tal begann der Anstieg. 

Knapp vor dem Gipfel, wo ich keuchend und schwitzend ankomme, sehe ich noch eine kleine Herde Rentiere durch den Schnee stapfen. Habe seit Schweden keine mehr gesehen und freue mich wieder auf mehr Wildtiere.

Auch treffe ich zwei Schweizerinnen auf Radreise, die nach einem kurzen Gespräch schon weiter fahren.

Ich hingegen genieße den Blick vom Kvaenangsfjellet und freue mich, es auf 400m ü.N. geschafft zu haben. Hier oben liegt noch tief Schnee in manchen Senken, manchmal mehrere Meter tief.


Der Blick in den Kvaenangenfjord entschädigt für de mühsamen Aufstieg. 

Und dann darf ich auch knappe 8 Kilometer ins Tal schießen, fast durchgängig bei über 50km/h und mit einem mitleidigen Blick für die Radfahrer, die mir entgegenkommen.


Abfahrt

Unten angekommen muss ich etwa 20 Kilometer den Fjord umrunden.

Und weil es mir seit Tagen im Kopf rumgeistert, kommt jetzt endlich ein Zitat von einem meiner liebsten Autoren:

“The Earth…” whispered Arthur.
“Well, the Earth Mark Two in fact,” said Slartibartfast cheerfully. “We’re making a copy from our original blueprints.”

There was a pause.

“Are you trying to tell me,” said Arthur, slowly and with control, “that you originally… made the Earth?”

“Oh yes,” said Slartibartfast. “Did you ever go to a place… I think it was called Norway?”

“No,” said Arthur, “no, I didn’t.”

“Pity,” said Slartibartfast, “that was one of mine. Won an award you know. Lovely crinkly edges. I was most upset to hear about its destruction. … Perhaps I’m old and tired, but I always think the chances of finding out what really is going on are so absurdly remote that the only thing to do is to say ‘hang the sense of it’ and just keep yourself occupied. Look at me – I design coastlines. I got an award for Norway. I’ve been doing fjords all my life… for a fleeting moment they became fashionable and I got a major award.”

Douglas Adams – A Hitchhiker’s guide to the galaxy

In diesem Sinne: Danke Mr. Slartibartfast für all diese “crinkly edges”, very “fashionable” indeed … Fluch und Segen zugleich.

Nach 68 Kilometer genieße ich meine Mittagspause in der Sonne am Badderfjord, deswegen dehne ich diese auch auf eineinhalb Stunden aus.


Bin nun endlich in der Finnmark

Nachdem die nächsten Kilometer einen erneuten Aufstieg mit sich bringen ist es klar, warum ich so sehr verzögere und mich kaum von der weichen Wiese losreißen kann.


Nächster Aufstieg. 

Doch hilft ja nichts, ran an die Höhenmeter! Diesmal zum Glück nur etwa 250 Höhenmeter, aber nach der Strecke von vorhin brennen meine Waden doch ordentlich.

Am Scheitelpunkt findet sich eine kleine Infotafel zum Arbeitslager, welches die Deutschen hier am Pass erbauen ließen, um diesen “strategisch wichtigen” Pass gegen Schneefälle und Unpassierbarkeit zu sichern. Dazu wurden dutzende Personen aus der Region, darunter viele Juden, unter Zwang hergebracht. Wie schon in Tromsø bin ich fassungslos, wie weit das Dritte Reich auch in den unwirtlichen Norden expandierte und welche Gräueltaten auch hier verübt wurden.

Nach der Abfahrt bin ich nun am Langfjord, der seinem Namen alle Ehre macht. Obwohl ich nur eine Seite abfahren muss, begleitet mich dieser Fjord nun über 30 Kilometer.

So ist es klar, dass ich am Fjord eine Stelle suchen werde, an der ich schön Wildcampen kann. Bei dem schönen Wetter kann ich mir den Zeltplatz wirklich sparen.

Und so finde ich meinen Traumplatz nach 110 Kilometer auf einer kleinen Landzunge.

Nach dem Zeltaufbau schaffe ich es sogar noch, ins Meer zu hüpfen. Witzigerweise ist dies das erste Mal, wenn man vom Wat-Versuch in Dänemark absieht, der daran gescheitert ist, dass es nie tiefer als 30cm wurde. Bei der Menge an Sonnenschein ist das Wasser gar nicht so kalt wie erwartet, länger als 5 Minuten ist diese Wäsche aber trotzdem nicht.

Da ein Fluss direkt in Zeltnähe in den Fjord mündet, schaffe ich es sogar noch meine dreckigen Klamotten zu waschen und in der Sonne zum Trocknen aufzuhängen. Ab morgen früh erwartet mich leider Regen, so kann es nicht schaden, wieder so viele trockenen und sauberen Klamotten wie möglich zu haben.

Bis Alta sind es morgen rund 75-80 Kilometer, ohne größere Aufstiege. Dass die Straße trotzdem eine Achterbahn versuchen wird zu imitieren ist mir klar, aber es deutet zumindest nichts darauf hin, dass am Stück mehrere hundert Höhenmeter zu überwinden sein werden, und das ist schon mal etwas.

So kommt ein absolut herrlicher Tag zu einem verdienten Ende. War wunderschön mal wieder in kurzen Klamotten unterwegs zu sein und die Sonne auf der Haut spüren zu können. Davon werde ich zehren, wenn ich morgen nass durch die Gegend fahre.

Tag 40 Langfjorden – Leirbotnvatn

Heute früh erwartet mich ein leicht veränderter Blick aus dem Zelt:

Frühstücke schnell im Zelt, packe drinnen zusammen, und gerade als ich so weit bin raus zu hüpfen und das Zelt trocken einzupacken, hört man das erste prasseln auf dem Zeltdach. Trotzdem schaffe ich es, dass Zelt relativ trocken in der Tasche zu verstauen. Beim Weg zurück zur Straße, wo ich alle Taschen und mein Rad eine steile Holztreppe hoch schleppen muss, schaffe ich es prompt auszurutschen und auf dem Hosenboden zu landen… Prima!

Die ersten paar Kilometer sind verhältnismäßig flach, dafür fällt ein feiner Nieselregen. Nach etwa 20 Kilometer habe ich die Spitze des Langfjorden erreicht. Dort sind einige Zelte am Wegrand errichtet, die lokale Sami-Produkte verkaufen.

Dort treffe ich auch die zwei Schweizerinnen vom Bergpass gestern wieder, und gemeinsam gönnen wir uns Waffeln mit Marmelade im Laden.

Danach beschließen wir gemeinsam weiter zu fahren. So komme ich ein wenig mit Rahel und Martina ins Quatschen. Nach zehn Kilometern voller Geschichten verschwinden die Beiden im Supermarkt und ich fahre alleine weiter.

Seit der Spitze des Langfjorden konnte man in den Altafjorden blicken und konnte Alta relativ klar vor sich sehen.

Trotzdem sind es noch gute 45 Kilometer die Küste entlang bis zur eigentlichen Stadt. Und dabei geht es nach Lust und Laune bergauf, zudem sind einige Tunnel auf der Strecke, die Bergmassive durchkreuzen, für Radfahrer gesperrt.

Stattdessen geht es dann auf der “alten E6” einmal um den Berg rum, zumeist mit satten Steigungen.

Während ich an einer Kirche kurz pausiere, das Denkmal für die Minenarbeiter-Familien begutachte, holen mich Rahel und Martina wieder ein.

Die letzten paar Kilometer beschließen wir gemeinsam anzugehen. Die sind noch mal mit viel klettern verbunden und so sind wir alle erleichtert, endlich in Alta anzukommen.


Da dürfen wir nicht durch, stattdessen 9 Kilometer steil außen rum. 


Ich will auch Blumenkästen auf deutschen Brücken! 

Die Stadt zieht sich ganz schön entlang der Küste. Die Schweizerinnen wollen zur Touristeninformation, so verabschiede ich mich und fahre noch zum größten Supermarkt der Stadt. Hier gibt es wieder einen ausgiebigen (sprich: teuer) Einkauf, bevor ich mich an einem Tisch im Supermarkt zur lang verdienten Mittagspause breit mache. Inzwischen ist es nämlich 15 Uhr und ich habe fast 80 Kilometer hinter mich gebracht. Mittagessen wird also immer später 😉


Seit dem Schild in Dänemark, gleich nach der Abfahrt von der Fähre, ist dies das erste Schild, auf dem das Nordkapp explizit ausgeschildert ist. Jetzt endlich fühlt sich die Distanz machbar an. 

So gestärkt geht es wieder raus in die Kälte. Aber so richtig kann ich mich nicht beschweren, denn immerhin ist es entgegen der Wetterprognose deutlich trockener geblieben, als vorhergesagt. Nach elf Kilometern komme ich zur Kür des Tages, einem erneuten Aufstieg zu einem Pass, der mich ins Nachbartal bringt.


Da muss ich hoch. 

Erneut keuche ich mich die 300 Höhenmeter hoch, zwischendrin nur noch im T-shirt, obwohl etwa 10 Grad kalt und alles Nassgeschwitzt. Aber bei den Aufstiegen entwickele ich eine solche Hitze, dass es wirklich unangenehm ist, zu dick eingepackt zu sein.

Kurz vor dem höchsten Punkt überholt mich ein Rennradfahrer. Dieser ist in Südschweden gestartet und will auch zum Kapp. Da er rund 200 Kilometer am Tag schafft, ist er erst vor 13 Tagen gestartet, ich bin höchst beeindruckt. Auch wenn ich neidisch auf sein leichtes Rad bin, die Konstruktion mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken kann er gerne behalten, dass stell ich mir sehr unangenehm vor.

Oben angekommen macht sich Erleichterung breit. Auch hier sind wieder ein paar Zelte mit Verkaufsständen.

So komme ich mit einem Motorradfahrer ins Gespräch, der gerade seinen Einkauf verstaut. Seit zwei Tagen überholen mich unzählige Motorräder mit dem selben “Nordkapp Adventure 2017” Sticker am Bike. Und nicht nur, dass ich erhoffe, so einen Sticker geschenkt zu kriegen, mich interessiert auch, was der Hintergrund ist. Und so erzählt mir der Fahrer, dass dies eine organisierte Tour von Honda ist. Im Grunde werden eine Vielzahl Motorrad-Fachjournalisten zu einer solchen Tour eingeladen, Honda stellt die gesamte Infrastruktur und die Journalisten lernen die Maschine im geeigneten Terrain kennen.

Und weil sie die Journalisten aus der ganzen Welt eingeflogen haben, es fünf Versorgungsvans gibt, einen Krankenwagen samt Doktor, der Sprit gezahlt wird ebenso wie die Hotelübernachtungen und jegliche Verpflegung, wird man am Ende sicherlich in den jeweiligen Zeitschriften Sätze lesen können wie: “Die Honda Twin Africa entwickelt auch im niedrigen Drehzahlbereich eine beeindruckende Leistung” und “Auch nördlich des Polarkreises zeigt die leistungsstarke Sitzheizung, was sie leisten kann”. All-Expenses-Paid-Journalismus, bitte daran denken, beim nächsten Autokauf. Und das Wort “adventure” können sie sich bei der Logistik auch sparen.

Update 2020: Jahre später habe ich dann tatsächlich das dazugehörige Video von Honda gefunden. Und all meine Vorannahmen haben sich bestätigt: https://youtu.be/FTJwdhe4Y3c

Trotzdem ist das Gespräch mit dem Biker nett, und auch wenn er keinen Sticker für mich hat, werde ich von ihm für den Webauftritt seiner türkischen Motorradzeitschrift kurz videointerviewt. Gebe ganz sicher kein beeindruckendes Bild ab, das Aussehen und die Fähigkeit des logischen Denkens sind nach dem Aufstieg beide den Bach runter gegangen.

Der Motorradfahrer verstaut sein frisch erworbenes Rentierfell und sein getrocknetes Rentierfleisch (was auch immer damit in der Türkei geschieht..) und wir verabschieden uns.

Anschließend geht es entspannt den Hügel hinab und am See, der am Fuße des Passes liegt, baue ich neben einem ausgebrannten und verfallenen Ferienhaus mein Zelt für die Nacht auf.


Der Anstieg für morgen früh. 

Das waren heute 101 Kilometer und somit ein guter Grundstock, um bald das Nordkapp zu erreichen. Weit ist es nicht mehr. Keine Ahnung wie das Wetter morgen wird, es scheint derzeit so schnell zu wechseln, dass eine erfolgreiche Prognose schwer zu geben ist. Ich lasse mich überraschen.

Der Abend im Zelt vergeht mit Lesen, Blog schreiben und Filme schauen. Zudem gibt es eine sehr leckere Pasta mit Süß-sauer-Sauce, ein neu-entdecktes Rezept meinerseits.