Tag 41 – 42: Leirbotnvatn – Honningsvåg  

Tag 41: Leirbotnvatn – Ytre Nordmannset 

Der Tag beginnt früh und laut: Als ich um 4 Uhr aufwache, kracht der Regen nur so aufs Zeltdach. Also schnell umdrehen und weiterschlafen. Als sich die Situation um 7 Uhr unverändert präsentiert, entscheide ich mich, doch noch ein Stündchen Schlaf dranhängen, auch wenn das einen späten Start impliziert.

Da der Regen nicht zurückgeht frühstücke ich im Zelt und fange dann auch drinnen an, die Taschen zu packen. Indem ich das Innenzelt ausbaue, während ich im Zelt sitze, kann ich alles bis auf das Außenzelt trocken verstauen. Ich komme aufgrund des ganzen Prozedere erst um Viertel nach 10 los.

Und der Tag startet gleich amtlich, es geht nämlich den Anstieg hoch, den ich gestern am Tagesende noch gesehen habe. In voller Regenmontur quäle ich mich den Hang rauf, schnell sind alle Klamotten durchgeschwitzt.
Oben erwartet mich dann eine irre Hochebene.

Für knappe 40 Kilometer fahre ich relativ eben über diese Ebene, so weit das Auge blickt nur Gras, viel Schnee und hohe Berge außenrum.

Teilweise liegt noch tiefer Schnee. 

Allerdings auch einiges an Wind, der hier nur so über die Ebene pfeift. Auch wenn ich “relativ eben” schreibe, die zahlreichen auf und abs der Strecke kosten richtig Kraft.

Hier oben treffe ich Andreas (Seinen Reise-Blog findet man hier) der mit dem E-bike in die Gegenrichtung unterwegs ist.

Sein Vater fährt mit dem Auto vor, und radelt ihm dann entgegen, so kriegen beide ihre Portion Fahrradfahren für den Tag. Und dadurch ist sein Fahrrad phänomenal leicht bepackt, ich bin sehr neidisch. Nach einem netten Schnack und ein paar Fotos gehen wir getrennte Wege.

Die letzten Kilometer der Hochebene schlauchen mich sehr, zum Glück bringt eine Rentierherde ein wenig Abwechslung. Desweiteren ist mir ständig zu kalt oder heiß, der Regen setzt manchmal wieder ein und es ist empfindlich windig.

Hier ein Foto meiner Hochmodernen Regenhandschuhe.

Haben mich ganze 79 Cent gekostet und sind ordentlich Wasserdicht. Dafür muss man damit Leben, dass sich die Handschuhe von innen mit Wasser auffüllen und einen ekligen Weichmacherduft verbreiten. Aber Wasser- und Winddicht sind sie!

Endlich kommt die Abfahrt runter nach Skaidi. 

Dort setze ich mich ins Restaurant und versuche über eine lachhaft kleine Portion Pommes (für 4,50€) zumindest ein wenig Wärme wieder in den Körper zu kriegen.

Nach einer Stunde versuche ich noch ein paar Kilometer zu den bisher geleisteten 58 hinzuzufügen. Dafür geht es erstmal in Richtung Küste. Nach einem erneuten, kleineren Aufstieg fahre ich durch ein Tal bis nach Olderfjord. Schön den Salzgeruch wieder in der Nase zu haben, selbst wenn es nicht mal 24h her ist, dass ich das Meer nahe Alta verlassen habe.

Auf dem Rückweg werde ich die Panorama Straße von Havøysund aus nehmen. 

In Olderfjord treffe ich noch Klaus, einen deutschen Radfahrer, der in die selbe Richtung fährt. Er hat bereits 120 Kilometer auf dem Tacho, wird also den Campingplatz in Olderfjord ansteuern. Ich möchte noch weiter und so verabreden wir uns dazu, dass er mich morgen einholt und wir dann gemeinsam weiter fahren.

So fahre ich noch über 20 Kilometer die Küste lang. Der Ausblick ist super, wenn es auch richtig kalt und empfindlich windig ist.

Unterwegs begegnen mir zwei Rentiergruppen.

Gruppe 1

Gruppe 2


Gesegnet sei die Erfindung des Tunnels.

Durch diesen Tunnel geht es 2,9 Kilometer durch die Steilküste. Der Tunnel besteht aus rohem Stein, es ist eiskalt und an mehreren Stellen tropft es nicht nur, nein es schießen Wassermassen in den Tunnel. Trotzdem genieße ich die Abwechslung, mal durch einen solchen Tunnel zu fahren.

Kurz nach dem Tunnel dann ein sehnlichst erwartetes Ereignis: Ich finde endlich ein Rentiergeweih!

Habe die vergangenen Wochen Ausschau danach gehalten, würde aber immer wieder von sonnengebleichten Hölzern in die Irre geführt. Diesmal ist es aber wirklich ein Rentier, da liegt nämlich das ganze Skelett daneben. Muss morgen am Campingplatz mal schauen, ob ich das Geweih irgendwie abgekocht kriege, dann habe ich ein neues Stück Dekor für mein Rad! Nach 105 Kilometer ziehe ich auf eine Raststätte rüber, die am Meer gebaut wurde und aus ein paar Bänken, Mülleimer und einem Klo besteht. Da die letzten Kilometer so windig gewesen sind, dass ich mich teilweise in 15° Schräglage gegen den Wind lehnen musste, um nicht aus der Spur geweht zu werden, reicht es auf alle Fälle.

Ich baue das Zelt im Windschatten der Bäume auf, gönne mir aufgrund der mickrigen Pommes eine besonders große Portion Pasta und genieße den Abend im Zelt, zumindest dann, als endlich wieder Wärme in meine Extremitäten zurückkehrt.

Durch die lange Tour heute sind es morgen nur knappe 70 Kilometer nach Honningsvåg, wo ich auf alle Fälle auf den Campingplatz will. Seit Tromsø bin ich jetzt ohne Dusche, zudem haben die nassen beiden letzten Tage dazu geführt, dass ich dringend eine Waschmaschine brauche, um wieder was sauberes, trockenes zum Anziehen zu haben.

Von Honningsvag sind es dann “nur” noch rund 35 Kilometer bis zum Nordkapp, diese haben es aber Höhenmeter mäßig faustdick hinter den Ohren, weswegen ich den Schlussspurt zum Kapp auf den nächsten Tag verschieben werde. Morgen wartet auf mich erstmal der Nordkapp Tunnel als Tageshindernis, mehr dazu aber bei gegebener Zeit.

Tag 42: Ytre Nordmannset – Honningsvag

Der Tag beginnt wie gestern mit dem selben Plätschergeräusch. Heute kann ich es ruhig angehen lassen, hatte gestern mit dem deutschen Radfahrer Klaus (Hier übrigens auch dein Reiseblog) der in Olderfjord geblieben ist,  ausgemacht, dass er mich um 9 abholt und wir gemeinsam weiter fahren. So ist um kurz nach Neun alles in den Taschen verstaut und ich stelle mich nebenan in einen Sami-Verkaufsshop, in der Hoffnung, dass Klaus mein Rad auch dann erkennt, wenn ich nicht drauf sitze 😉

Und um halb 10 kommt er dann schon angefahren, so geht es gemeinsam los. Das Wetter heute ist brutal und sollte sich bis tagesende auch nicht bessern. Es sind knappe 5-7°, es schüttet ohne Ende und fahren wir am Fjord entlang in eine bestimmte Richtung, versucht der Wind uns aufs offene Meer hinaus zu drücken.

Und trotzdem, ich genieße es seit den Schweizerinnen wieder einen Mitfahrer zu haben. Im Gegensatz zu allen bisherigen Kurzzeit-Begleitungen hat Klaus etwa das selbe Tempo wie ich (wenn überhaupt könnte er wohl ein wenig schneller) und wenn man sich allerhand aus dem Reisealltag zu erzählen hat, vergeht die Fahrt wie im Flug. Die Landschaft ist ziemlich sureal-karg, auch wenn die Kamera das kaum einzufangen vermag. Sofern man überhaupt die Kamera rausholt, es dauert wirklich nur Sekunden, bis alles nass ist. Viel Landschaft hängt im tiefen Nebel, ab und an scheinen weiße Berghänge durch. Die Fjorde wären piktoresk, sofern diese gelbe Kugel im Himmel mal ihre Kraft entfalten würde.

Bei einer Bananenpause an der Klippe erspähen wir einen oder mehrere Delfine im Wasser, die unregelmäßig auftauchen. Leider immer nur zu kurz und zu weit weg für ein brauchbares Bild.

Zudem ziehen heute große Rentierherden über die Insel, ich habe sicherlich inzwischen mehr Rentiere auf dieser Insel gesehen, als entlang der gesamten E45 in Schweden.

Schließlich kommen wir am “Nordkapp Tunnel” an. Dieser verbindet die Insel Magerøya mit dem Festland (und ist deshalb auch der Grund, weshalb das Nordkapp als “nördlichste Punkt des europäischen Festlands”  vermarktet wird, dazu aber morgen mehr.
Auf 6900 Metern läuft der Tunnel bis 212m unter dem Meeresspiegel.

Für uns hieß dass, in der Tunneleinfahrt eine äußerst unentspannte, schnelle Mittagspause zu machen, da dies die erste trockene, windgeschützte Stelle des Tages war. Dann alle nur mögliche Sicherheitsausrüstung anlegen und dann geht es ab in den Tunnel.

Die Krux an der Geschichte? Erst geht es steil bergab (yeah!), dann unten ein kurzes Stück flach (ok!) und dann aber steil wieder bis zum Ausgang (oh no!). Und wenn man den Pressestimmen der entgegenkommenden Radfahrer_innen der vergangenen Wochen glauben schenken durfte, dann war die Tunnelbefahrung “schrecklich”, “unglaublich kalt”, “beängstigend”, “man kriegt kaum Sauerstoff”, “es ist unfassbar laut”, “der Verkehr rast an einen vorbei”, “es ist so steil, dass man nicht hochfahren kann, zum schieben ist es aber zu glitschig” bis hin zu “Problemlos”, “eigentlich ganz lustig”, “nicht so schlimm”.
Nun war endlich unsere Chance gekommen, sich davon einen Eindruck zu verschaffen. Die Abfahrt hat tatsächlich Spaß gemacht, mit 53km/h ging es schnurgrade in den tiefen Schlund. Einzig alle nassen Klamotten, verbunden mit dem Fahrtwind und den Temperaturen drückten die Stimmung. Meine Pfoten waren richtig eingefroren, die Füße knapp an der Grenze.

Im Flachen ging es ganz gut voran, dann sah man aber, wie sich die Deckenleuchten immer mehr nach oben zogen. Der Aufstieg war ziemlich krass. Es war mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wirklich anstrengend, die richtige Klamottenwahl zu finden. Und dann hieß es den ersten Gang quälen bis zum geht nicht mehr.
Fiel mein Tempo von 8 auf 7, und dann auf 5-6 km/h, wusste ich es ist Zeit für eine kurze Pause. Dann ging es wieder leicht gestärkt auf die nächsten paar hundert Meter. Klaus scheint eine bessere Übersetzung zu haben und vorallem mehr Kraft in den Beinen, denn er zieht mir ohne Pause davon. Egal, ich muss jetzt richtig kämpfen, komme aber schließlich oben an.

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Ziemlich fertig bei der Ausfahrt. © Klaus

Das Fazit: Der Tunnel ist auf alle Fälle machbar, man hätte sich von den Berichten im Vorfeld nicht so verrückt machen lassen sollen. Anstrengend war er aber auf alle Fälle. Mit leichten “Gummibeinen” geht es dann anschließend weiter, der eine Vorteil des Tunnels ist weg, es regnet uns nämlich wieder munter auf die Köpfe.

15 Kilometer nach dem Tunnel erreichen wir endlich Honningsvåg, die einzige größere Stadt auf der Insel.

Müde und abgekämpft (ich), sowie sehr sehr nass und kalt (wir beide) fallen wir da förmliche in den örtlichen Supermarkt. Dort heißt es nach Lust und Laune einkaufen, Klaus zeigt mir als Empfehlung die 5 NOK-Eiscreme, eine gehaltvolle Erweiterung meines Speiseplans 😉

Während Klaus zum Fährhafen radelt, um sich die zahlreichen komplizierten, und jeweils teureren Möglichkeiten erklären zu lassen, wie er jetzt vom Nordkapp mit Fähren und Bussen wieder nach Deutschland kommt, rufe ich schon mal beim Campingplatz an. Nach dem Tag im Regen hat keiner von uns Lust das Zelt aufzubauen, und zu zweit ist eine Hütte eine gar nicht so teure Alternative. Der Anruf war goldrichtig, eine 2-Personen Hütte haben sie noch, die ich reservieren kann.

Auf den 5 Kilometern zum Campingplatz treffen wir noch auf einen freundlichen norwegischen Naturburschen, der Infos zu unserer Tour erfragt und uns zusätzlich erzählt, dass er vor hat im kommenden Winter mit Tourenski und Schlitten von Südnorwegen bis zum Kapp zu laufen. 110 Tage lang. Die spinnen, die Norweger 😉 Und wieder mal zeigt sich: No matter how tough you are, someone is always tougher and crazier. Auf Spiegel Online fand ich vor ein paar Monaten jemand, der auf einem Stand-Up-Paddle-Board von Tromsø zum Nordkapp ist. Im Winter.

Nach 78 Kilometer sind wir dann endlich da. Der Campingplatz ist gigantisch, eindeutig auf Herrscharen an Touristen ausgelegt, die hier im Sommer einfallen. Wir sind einfach zu früh dran, Klaus erzählt mir, dass die Straße zum Kapp vor drei Wochen noch wegen den Schneemassen unpassierbar war.

Die Hütte kostet 300 NOK pro Person, im Vergleich dazu hätte das Zelt aufstellen 250 Kronen gekostet. Und so fallen wir begeistert in unsere Hütte ein, entledigen uns endlich, endlich den nassen Klamotten und verwandeln unser Zimmer eh man sichs versieht in eine Großwäscherei.

Den Abend verbringe ich mit Wäschewaschen (das händische Waschen fiel die letzten Tage einfach flach, bei dem Wetter kriegt man nichts getrocknet) und entspannten rumliegen und nichts tun.  Zudem zeigt mir Klaus seinen mitgebrachten Film-copter, und als Mann von Fach bin ich absolut begeistert (und er lässt mich auch mal fliegen)

So sind es morgen noch 25 Kilometer Wegstrecke und ich habe vor am Kapp ein wenig länger zu verweilen. Deswegen werden wir uns richtig Zeit lassen und erst Mittags von der Hütte aufbrechen. Das Wetter morgen soll grausig sein, doppelt so viel Regen wie heute und fieser Gegenwind, da ist also keine Motivation dabei, zu hetzen und Strecke zu machen.