[Tag 3]: Libanesische Grenze – Nof HaKinneret

[Biking] – Israel 2019

[Tag 3] Libanesische Grenze – Nof HaKinneret

1. Dezember 2019: 50 Kilometer, 1310 Höhenmeter vom Campingplatz in die Nähe der libanesischen Grenze bis Nof HaKinneret nahe Safed.

GPX-Daten

Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:

Zeit in Bewegung: 4:50h
Tempodurchschnitt: ~11,0km/h
Maximalgeschwindigkeit: 51,8km/h

Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)

Wie gestern angenommen, bleibe ich auch in der Nacht unentdeckt, kein Auto verirrt sich auf meinen Schotterweg. Der Start in der Früh ist ein bisschen beschwerlich, aber da ich den Wecker auf eine unheilige Zeit gestellt habe, komme ich nichtsdestotrotz um 7.30 Uhr los.

Mein Camp am Morgen (E-M5, 14mm, f/6.3, 1/40sec, ISO-250)

Heute geht es zuerst nach Safed und der Weg kennt nur eine Richtung: Bergauf.

Hügelig wäre als Beschreibung für den heutigen Tag eine Untertreibung (E-M5, 16mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
Ab nach Shelomi (E-M5, 45mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 45mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
Roadkill im Straßengraben. (E-M5, 36mm, f/9, 1/10sec, ISO-100)

Vom Übernachtungsplatz auf knapp über 270m windet sich die Route immer weiter in den Himmel, Safed selbst liegt auf 800m. Dazwischen warten also einige anstrengende Kilometer, auf denen es im 2. Gang in Kriechgeschwindigkeit bergauf geht. Gut, dass hier auf dieser Landstraße, zumindest am Morgen, das Verkehrsaufkommen doch geringer ist als es gestern Abend war.

Finde ich unfair, mir mein Reisetempo so unfreundlich unter die Nase zu reiben! (E-M5, 45mm, f/9, 1/60sec, ISO-100)
Vorallem wenn es gleich steil bergauf geht (E-M5, 35mm, f/9, 1/160sec, ISO-100)
Runter-hoch-runter-hoch (E-M5, 18mm, f/9, 1/160sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/9, 1/400sec, ISO-100)

Dafür bleibt wenigstens der Ausblick fantastisch. Da ich mich grundsätzlich weiter gen Osten bewege fahre ich parallel zur libanesischen Grenze. An einer Stelle bin ich auch nur noch 200m von der Grenze selber entfernt, man sieht im Tal bereits die libanesischen Ortschaften.

Der Grenze ganz nah. Blick in den Libanon (E-M5, 45mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)
(E-M5, 45mm, f/9, 1/20sec, ISO-100)
Keine 100 Meter mehr von der Grenze entfernt.
Blick in den Libanon (E-M5, 45mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)
Die andere Talseite ist bereits libanesisches Staatsgebiet (E-M5, 45mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
Blick zum israelischen Grenzturm (E-M5, 45mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Genau die Grenze ist es ja nicht, dazwischen liegt noch eine von der UN kontrollierte demilitarisierte Zone, die sogenannten blauen Linie. Es verwundert also nicht, dass hier oben ganz schön viele Militärfahrzeuge und weiße UN-Jeeps unterwegs sind. Auch das israelische Militär patroulliert an der Grenze, schließlich werden immer wieder Angriffstunnel der Hisbollah entdeckt, womit die Terrororganisation vom Libanon aus versucht in israelisches Staatsgebiet vorzudringen.

Meinem steilen Klettern kommt zum Glück das Wetter heute entgegen. Bei relativ angenehmen 24 ° geht es mir deutlich besser als den über 45°, die ich stellenweise in Tadschikistan bewältigen musste. Trotzdem, die Höhenmeter bleiben knackig. In den ersten 15 Kilometern des Tages habe ich bereits 700 Meter davon hinter mich gebracht. Immer wenn man einen Hügelkamm mit dazugehörender Ortschaft erreicht hat, lässt sich mit fast 100%iger Sicherheit sagen, dass der Weg danach erstmal 50 oder mehr Höhenmeter wieder ins Tal schießt, nur um dann mühsam wieder empor zu klettern.

Weiter nach Safed, nun wieder auf einer “Hauptroute” (E-M5, 40mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)

Safad scheint einfach nicht näher zu kommen, auch wenn es nur 40 Kilometer Wegstrecke sind. Als ich die letzten 5 davon erreicht habe, ist die Power wirklich raus aus den Beinen, schließlich habe ich heute bereits mehr Höhenmeter geschafft, als damals am ersten, verhängnisvollen Tag in Tadschikistan.

Erster Blick auf Safed (E-M5, 28mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Und erneut geht es nun auf- und ab, ich keuche gegen die Widrigkeiten an. Da holt mich von hinten Alon ein, der erste Radfahrer mit Tourenrad, der mir im Land begegnet. Sonst waren es immer nur Menschen auf ihren (beneidenswert leichten Rennräder. Wir quatschen ein paar Minuten im Schatten eines Baumes und entweder habe ich einen interessanten Eindruck oder einen unerträglichen Geruch hinterlassen. Denn Alon bietet mir an, dass ich nach der Stadtbesichtigung in Safed bei ihm in einem nahegelegen Ort vorbeikommen kann, ich darf gerne übernachten und bei ihm die Dusche nutzen. Ein sehr nettes Angebot, ich sage ihm, ich werde mich nach dem Besuch in Safed entscheiden.

(E-M5, 14mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Safed selber ist eine schöne Stadt, malerisch auf einem Berg gelegen, dadurch aber auch ziemlich anstrengend zu erkunden. Ich lasse mein Fahrrad bei einem Restaurant zurück und gehe zu Fuss weiter. Der Ausblick vom höchsten Punkt ist phänomenal, Safed ist die höchstgelegene Stadt Israels.

Während ich vom Berg/Hügel absteige kommen mir etwa 50 Jugendliche entgegen, alle mit einer Schutzweste und einem Gewehr bewaffnet. Es stellt sich raus, dass dies wohl eine Art Spielzeuggewehr ist, wo über ein Geräusch in der Weste dargestellt wird, wenn man getroffen ist. Diese Jugendliche spielen unter Beobachtung eines Erwachsenen die Erstürmung des Bergs in Safed nach. Alles seeeeehr skurril.

Nachgespielte Gefechte (E-M5, 45mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)

Es gäbe zahlreiche religiöse Stätten zu besuchen, schließlich ist Safed die 4. wichtigste Stadt im Judentum und das Zentrum der jüdischen Mystik (Kabbala), ich entschließe mich aber für einen Bummel durchs Künstler*innenviertel.

In Safeds Künstler*innenviertel (E-M5, 24mm, f/9, 1/1000sec, ISO-100)

Die Bevölkerungszusammensetzung wirft ein spannendes Schlaglicht auf eine diverse Stadtgesellschaft, zwischen vielen (Ultra-)Orthodoxen, und Künstler*innen mischen sich noch jede Menge Tagestourist*innen. Die Stadt scheint vielfach recht arm zu sein, ich werde überaus häufig im Namen dieser oder jener religiösen Vereinigung angebettelt. Zudem scheint die Quote an verrückten (exzentrischen?) Menschen sehr hoch, nun das kenn ich ja aus Berlin auch nicht anders.

(E-M5, 14mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 45mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
(E-M5, 26mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 28mm, f/8, 1/40sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/8, 1/100sec, ISO-100)

Im Gespräch mit meinem Sitznachbarn auf der Parkbank darf ich mir plötzlich ein Loblied auf den BREXIT anhören, ergänzt durch absolutes Unverständnis, wie ich diesen nicht begrüßen könne. Zeit die Stadt zu verlassen, also Drahtesel gesattelt und weiter geht’s.

Blick zurück auf Safed bei der Fahrt aus der Stadt (E-M5, 18mm, f/8, 1/200sec, ISO-100)

Ich war unentschieden wie ich weiter verfahren sollte: Eigentlich hatte ich vor von Safed auf die Hula-Ebene hinab zu fahren, die 700 Höhenmeter unter mir liegt. Dann wäre es bretteben zum Hula-Nationalpark gegangen. Andererseits sind das alles in allem nur 20 Kilometer, von denen 5 auch noch steil Bergab gehen. Das könnte ich also auch morgen früh gut und schmerzlos erledigen und heute den Abend bei Alon verbringen.

Erster Blick auf den See Genezareth (E-M5, 19mm, f/8, 1/250sec, ISO-100)
See Genezareth (E-M5, 18mm, f/8, 1/200sec, ISO-100)

Als ich nach dem losfahren auch nur die kleinste Steigung hochfahren muss, ist die Entscheidung gefallen: Ab zu Alon und morgen erst gen Hula-Ebene. Die Beine fühlen sich einfach an wie Gummi, ich habe seit drei Tagen nicht geduscht, und ich habe keinerlei Lust wieder 10 Minuten vor Einbruch der Dunkelheit unten im Tal nach einem Campplatz Ausschau halten zu müssen.

Traumhafte Abfahrt nach all den Höhenmetern heute. Bereits im Blick: Das tieferliegende Hula-Tal und dahinter bereits die Golanhöhen (E-M5, 17mm, f/8, 1/100sec, ISO-100)
HulaTal und Golanhöhen (E-M5, 45mm, f/8, 1/125sec, ISO-100)
(E-M5, 16mm, f/8, 1/125sec, ISO-100)

Auf dem Weg zu Alon komme ich noch an wunderbaren Ausblicken auf den See Genezareth vorbei, gut dass dieser Ausblick auch von Alons Terrasse das Panorama dominiert. Und an was für einem beeindruckenden Ort ich hier gelandet bin: 5 Schlafzimmer hat das Haus, gebaut in einem kleinen, aber anscheinend sehr wohlhabenden Dörfchen.

Mein heutiger Palast (E-M5, 9mm, f/7.1, 8sec, ISO-400)

Alons Frau lebt im selben Haus, allerdings im Erdgeschoss, da sie an Lupus erkrankt ist und seit ein paar Jahren ein 100%iger Pflegefall ist, betreut durch eine 24h Pflege, die auch im Haus untergebracht ist. Eine wirklich berührende Geschichte, die mich mitnimmt. Vor ein paar Jahren war sie noch komplett gesund, dann gab es Gleichgewichtsprobleme beim Radfahren und von da an ging es steil Bergab mit ihrem Zustand. Umso faszinierender, wie Alon mit der Situation umgeht.

All dies erzählt mir Alon nachdem ich eine wohltuende Dusche genießen konnte.

So fertig sehe ich aus nach einer Bergetappe (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/30sec, ISO-219)
Luxuswanne! (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/30sec, ISO-436)

Kurz befürchtete ich, der Abend könnte seeeehr lang werden: Denn auf meine Frage, was ihn aus Amerika nach Israel verschlagen hätte bekam ich die Antwort, dass er mit 19 eine Vision von Gott erhalten habe, aber nicht wusste was dies zu bedeuten hatte. Erst 20 Jahre später, als er am See Genezareth stand, und auf einen Berg blickte, erkannte er diesen als Teil seiner Vision. Nun, auf diesem Berg steht nun sein Domizil. Die nächsten Sätze waren geschmückt mit “Gott will dass ich für ihn arbeite” und “er wird mich leiten”. Im weiteren Verlauf des Gesprächs hält er sich damit allerdings zurück, somit bleibt das Gespräch angenehm. Er ist Christ, seine Frau Jüdin, es scheint trotz den verrückten Visionsgedanken geklappt zu haben mit der interreligiösen Verständigung.

Wir haben noch viele spannende Gespräche übers Radfahren und das Leben in Israel, ich probiere zum ersten Mal Granatapfelwein (lecker! wenn auch etwas zu süß) und um 8 Uhr verabschiede ich mich in mein Gästezimmer, wo ein eigenes Bett auf mich wartet! Den Luxus heute keinen Zeltplatz suchen zu müssen, nicht im Dunkeln das Zelt aufzubauen und nicht im Dunkeln zu Kochen, genieße ich jetzt einfach mal: ich bin mir sicher es werden noch genug Camping-Abende auf diesem Trip anfallen.

Ein richtiges Bett! (E-M5, 14mm, f/5, 1/6sec, ISO-400)
Und ein Zimmer für mich alleine, welches ich schnell in einen Outdoorladen umfunktioniere (E-M5, 14mm, f/5, 1/4sec, ISO-400)