[Biking] – Israel 2019
[Tag 2] Megiddo – Libanesische Grenze
30. November 2019: 81 Kilometer, 780 Höhenmeter vom Wald nahe Megiddo bis in die Nähe der libanesischen Grenze.
GPX-Daten
Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:
Zeit in Bewegung: 6:06h
Tempodurchschnitt: ~15,0km/h
Maximalgeschwindigkeit: 38,2km/h
Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)
Die Nacht verlief recht unruhig, die Hauptstraße in der Nähe entwickelte sich abends zur Rennstrecke für die Halbstarken, und selbst mitten in der Nacht hörte man Autos und Motorräder mit vermutlich 200km/h die Straße entlang brettern.
Geschlafen habe ich bis Viertel vor 7, bis dahin ist es auch wieder komplett hell, somit halte ich an meinem Plan fest, die kommenden Tage früh aufzustehen.
Nach dem Zusammenpacken ging es dann nur 2 Kilometer eine kleine Schotterstraße runter, schon stand ich vor Tel Megiddo.
Nun, Megiddo, das hatte ich doch bereits gestern erwähnt. Was hat es damit auf sich und wieso bin ich dafür ins Inland gefahren? Wer in letzter Zeit die Amazon Prime Serie „Good Omens“ gesehen hat (und das solltet ihr, sie ist höchst empfehlenswert!), dem kommt der Name vielleicht bekannt vor.
Megiddo ist laut der Offenbarung des Johannes der Ort an dem Armageddon stattfinden wird, also die endzeitliche Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse. Unabhängig davon ob man daran glaubt oder nicht, Tel Megiddo bleibt ein faszinierender Ort. Besiedelt seit der neolithischen Phase (Jungsteinzeit), im 7.-6. Jahrtausend vor Christus, wurde es in der Bronzezeit ein urbanes Zentrum der Kanaaniter und spielte später auch in den Auseinandersetzungen zwischen Juden, später den Assyrern und den Ägyptern eine wichtige Rolle. Selbst im ersten Weltkrieg noch wurde unter General Allenby hier überraschend eine Schlacht gegen ottomanische Kräfte geschlagen, Allenby gab sich später den Titel „Lord Allenby of Megiddo“. 1903 begannen erste archäologische Ausgrabungen unter deutscher Führung, später übernahm die Universität Chicago und in den letzten Jahrzehnten gruben Teams israelischer Universitäten.
Wie ihr seht, eine uralte Siedlung mit viel geschichtlichem Hintergrund. Dazu schön auf einem Hügel gelegen mit Blick über Jesreel-Ebene. Selbst Papst Paul VI besuchte 1964 die Örtlichkeit.
Des Weiteren finden sich stellenweise bis zu 25 verschiedene Ausgrabungsschichten übereinander.
Am meisten hat mich ein Tempelaltar aus dem kanaanitischen Zeitalter (ca. 2300 v. Chr.) beeindruckt, der fast unverändert erhalten ist.
Des Weiteren gibt es eine faszinierende Wasserversorgung für die damalige Besiedlung. Es gab eine Quelle außerhalb der Stadtmauern. Vom Berg aus, auf dem die Stadt stand, wurde ein 36m tiefer Schaft in den Boden gehauen, anschließend ein 70m langer waagrechter (aber leicht angeschrägter) Tunnel bis zur Quelle angelegt. Alle äußeren Zugänge zur Quelle wurden versiegelt, damit außenstehende Feldheere und Eroberer die Quelle nicht entdeckten. So konnte die Stadt sich auch im Belagerungszustand mit Frischwasser versorgen. Welch eine ungeheure baumeisterliche Leistung für die Stadt um rund 1000 Jahre v. Chr.
Mir hat die Ausgrabungsstätte sehr gut gefallen. Die Beschreibungen waren gut gemacht und auch für Laien wie mich verständlich und es war faszinierend einen Blick in so altertümliche Stadtgeschichte zu erhalten. Zudem war ich zu der frühen Uhrzeit fast allein im Nationalpark unterwegs und konnte den Ausblick auf die Jesreel-Ebene sehr genießen. Solltet ihr je in der Nähe sein, besucht den Park!
Nach der einstündigen Besichtigung wasche ich noch frech meine Klamotten von gestern im Waschbecken des Toilettenhäuschens, nehme mein Handy wieder in Empfang, welches mir netterweise geladen wurde während ich zu Besuch war, und mache mich auf die Socken.
Die nächsten 25km sind herrlich. Es geht leicht bergab zurück ans Meer, erneut entlang der Landstraße. Doch heute treffe ich auf ein paar Rennradgruppen, weiß also nun, dass mein Aufenthalt auf dieser Straße als Radfahrer erlaubt ist.
Ich fahre an der Rückseite Haifas entlang und sehe nur die Ausläufer der Stadt auf dem Bergrücken, dann kommen aber im weiteren Verlauf nur noch Industriefirmen und deren Werksgelände. Die anschließende Fahrt durch Akko zieht sich, besonders die Fahrt auf dem immer wieder unterbrochenen Gehsteig ist nervig.
In Nahariya verpasse ich die Gelegenheit am schönen Teil des Strandes anzuhalten und fahre so weit, bis die ganzen Strand-Geschäfte wieder verschwunden sind und nur noch ein Sandstreifen mich vom Wasser trennt. So entgeht mir heute leider das Softeis.
Bis hier hin habe ich 60 Kilometer hinter mich gebracht, besonders die letzten 15 davon entlang der Küste waren anstrengend durch den Verkehr, die Verkehrsführung und vor allem dem erstarkten Gegenwind. Ich merke wie jetzt die Luft raus ist, ich habe in den 60km nur eine 5-minütige Pause gemacht, dass ist eindeutig viel zu wenig.
Am Strand falle ich also förmlich über die Pita-Brote her, die Avocado schmeckt noch besser als gestern. Und die Pomelo zur Nachspeise stellt einen Glücksgriff da, da sie deutlich süßer ist als die Pomelos, die nach wochenlanger Reise aus China im deutschen Supermarkt landen. Ich weiß was ich mir die nächsten Wochen immer als Proviant kaufen werden 😉
An genau diesem Strand habe ich 2014 gezeltet. (E-M5, 17mm, f/10, 1/200sec, ISO-100) 2014er Strand (E-M5, 14mm, f/10, 1/200sec, ISO-100)
Nach einer viel zu kurzen Pause, es ist aber schon wieder 14 Uhr, fahre ich weiter. Das nächste Ziel soll Rosh HaNikra sein, das ist ein Dörfchen genau an der Grenze zum Libanon. In den Steilklippen zeigen die Höhlen an der Küste wohl ein tolles Lichtspiel, weshalb man dort mit einer Seilbahn hinunter fahren kann.
Doch als ich fast da bin entscheide ich mich doch gegen einen Besuch. Die Seilbahn ist recht kostspielig und ich habe keine Lust die Anhöhe zur Seilbahn hoch zu strampeln. Zudem ist es schon wieder ziemlich spät, die Weiterfahrt wäre wieder ein Wettlauf gegen die Sonne.
Also entscheide ich mich endlich hier ein Bad im Mittelmeer zu nehmen, bevor ich für über 2 Wochen ins Landesinnere abbiege. Geht schneller, ist hygienisch gesehen zwar kein wirklicher Fortschritt, auch weil es keine Duschen gibt, macht aber Spaß.
Wie nah ich an der libanesischen Grenze bin, erkennt man an dem israelischen Marineschiff, dass die Grenze absichert.
Anschließend geht es nun gen Osten, nur eine niedrige Hügelkette trennt mich jetzt vom Libanon.
Schnell steigt der Weg an, ich strampele um kurz nach 4 schon wieder steil bergauf. Irgendwie läuft die Wegführung derzeit immer verkehrt herum, vormittags bergab und leicht, nachmittags ultra-anstrengend, andersrum wäre mir ja deutlich lieber. Ich ziehe gedanklich meinen Schlafplatz ein paar Kilometer vor, da ich nicht schon wieder in der Dunkelheit mein Zelt aufbauen will.
Lustig wird es, als ich um die Ecke biege und eine junge Frau am Seitenstreifen den Daumen für eine Mitfahrt rausstreckt. Wir beide lachen, ich muss sie leider enttäuschen, mit dem Zusatzgewicht komm ich sicherlich nicht den Berg hoch.
Nach knapp 200 Höhenmeter kann ich noch in einem Café Wasser aufstocken, dann geht es für den letzten Kilometer auf die Straße, inzwischen ist es schon ziemlich düster.
“Bin ja gleich da” dachte ich, aber der anvisierte Abzweig ist, wie viele folgende, mit einem Zaun und einem geschlossenen Tor versehen. So fahr ich doch ein paar Kilometer weiter und finde bei letztem Licht einen kleinen Weg, der parallel zur Hauptstraße verläuft und durch eine Baumreihe getrennt ist. Hier habe ich nun mein Zelt aufgebaut, ich vermute hier wird heute Abend keiner mehr vorbei kommen.
Zum Abendessen gibt es Nudeln mit Thunfisch, dank dem flotten Kocher macht das richtig Spaß. Vorbei sind die Urlaube wo ich eine Viertelstunde vor dem Spirituskocher saß und auf die ersten Bläschen im Nudelwasser gewartet habe. Und auch mein Ladegerät am Dynamo arbeitet heute korrekt, ich kann also beruhigt abends noch Filme schauen, wo doch der Handyakku voll ist.