[Biking] – Israel 2019
[Tag 19] Rückreise Tel-Aviv – Berlin
17. Dezember 2019: Packen und mit einigen Fiaskos zum Flughafen, dort dann den beschwerlichen Weg bis in den Flieger.
Und diese Rückreise hat es dann ganz schön in sich. Nachdem im Hostel alles gepackt ist, gönne ich mir noch ein leckeres Frühstück beim 24/7-Restaurant Benedict (dessen Berliner Filiale in Charlottenburg übrigens auch sehr empfehlenswert ist 😉 ).
Anschließend wird das Rad für eine letzte, sehr knappe Tour auf israelischen Boden gesattelt. Zwei Kilometer geht es durch den dichten Stadtverkehr in Richtung Bahnhof.
Davor allerdings halte ich an einem Radgeschäft, wo ich mich gestern bereits zwecks Fahrradkarton informiert habe. Den Karton konnte ich gestern auch gleich hinter den Papiertonnen verstecken, so wurde er heute nicht in der Früh von der Müllabfuhr einkassiert.
Mit dem gigantischen Karton unterm Arm laufe ich dann zum Bahnhof. In Israel kommt man aufgrund vergangener Terroranschläge erst nach dem Gang durch einen Metalldetektor, bzw. nach der Durchleuchtung des Gepäcks, in den Bahnhof. Hier fangen meine Probleme auch gleich an: Ein Rad, 6 Taschen UND ein gigantischer Karton, damit will man mich nicht durchlassen. Erst nachdem ich mich vom Sicherheitspersonal zum Manager zum Station Manager durchprozessiert habe, darf ich endlich meinen Weg zum Gleis fortsetzen. Bedingung war allerdings, dass alle Radtaschen im Karton verschwinden. Und so zeigt sich spätestens nach der Liftfahrt zu den Gleisen ein gewaltiges Problem. Denn als ich den Karton herausheben will, brechen all meine Gepäckstücke durch den Kartonboden.
Der Karton war nämlich hinter den Papiertonnen am Radgeschäft zwar von der Müllabfuhr geschützt, dafür wurde der Boden wohl durch einen Regenschauer ordentlich durchnässt. Und nasse Pappe hat in etwa den gleichen Stabilitätswert wie Götterspeise, das ist euch sicherlich bewusst. Fluchend lade ich also die Gepäckstücke wieder aufs Rad und stehe nun mit einem gigantischen Karton am Bahnhof, wo nicht klar ist, ob ich diesen Karton überhaupt zur Verpackung nutzen kann.
Gepaart mit unfreundlichem Bahnpersonal und Verständigungsproblemen wird der Bahnhof in Tel Aviv zum Stresstest für mich.
Doch wenigstens der Zug bringt mich dann flott zum Flughafen. Angekommen am Terminal 3 finde ich heraus, dass der Ryanair Abflug jedoch am Terminal 1 stattfindet, anders als die Ankunft beim Herflug. Dort hin radeln kann man nicht, es geht durch einige Security-Zonen, lediglich ein Shuttlebus fährt zwischen den Terminals hin und her. Und da dieser Bus nur alle 20 Minuten verkehrt, quetsche ich mich alsbald mit meinem ganzen Gepäck und dutzenden anderen Reisenden in den Bus.
Am Terminal 1 angekommen zerlege ich in Rekordzeit vor den Toren des Terminals mein Rad. Nun, dieses Jahr bin ich ja geübt in der Zerlegung, in einer halben Stunde ist das Rad im Karton verschwunden. Dazu habe ich den Karton umgedreht, der trockene Deckel ist jetzt zum Boden mutiert, der nasse Boden ist jetzt notdürftig geflickt und hält hoffentlich mit viel Tape mein Fahrrad bis Berlin sicher im Karton.
Vor dem eigentlichen Check-In wartet eine Sicherheitsbefragung auf mich und im Gegensatz zu halbherzigen Fragen in Berlin, geht es hier gleich voll zur Sache. Als Alleinreisender blinkt sowieso gleich das Wort „Intensivbefragung“ in roten Lettern auf meiner Stirn, dem kommt das Personal auch nach. Es geht um meine gesamte Reise in Israel, um Glaubens- und Kongregationsfragen. Auch Kontakte und Familienverhältnisse im Land werden ausgelotet. Anschließend wird dann mein Pass von der ersten bis zur letzten Seite analysiert, wodurch schnell die Tadschikistan- und Kirgistan-Visa-Stempel ins Auge stechen. Ich darf also meine ganze Reise in den Pamir darlegen, werde auch dort zu Kontakten und meinen gewählten Reiserouten befragt. Als ich dies endlich zur Zufriedenheit offengelegt habe, kommt nun die Vorgesetzte an und das ganze Spiel beginnt von vorne, wobei hier augenscheinlich gecheckt wird ob ich mich konsistent verhalte, oder ihr andere/wortgleiche Stories erzähle.
Als dies endlich geschafft ist, geht es nun zur Gepäcksicherheit. Und die lässt nicht mit sich verhandeln, das Rad muss komplett der Kiste entnommen werden und vom Personal zu einem Sperrgepäckscanner gebracht werden. Währenddessen darf ich jede Ortlieb Tasche einzeln auspacken und der Inhalt wird visuell überprüft und zudem auf Sprengstoff gecheckt. Die Prozedur zieht sich also wirklich sehr lange hin, zum Glück hilft mir der Mann hinterm Scanner anschließend dabei, jegliches Gepäck sicher zu verpacken und mit den von ihm bereitgestellten 8 (!) Rollen Klebeband (von denen wir „nur“ 2 brauchen) kriegen wir das Rad auch wieder sicher im langsam zerfledderten Karton eingepackt. Ich würde schätzen, der Karton ist nun wenigstens stabiler als vor dem Check-In, besteht nur noch zu 50% aus Pappe und zu 50% aus Plastikband…
Inzwischen hat mich die Sicherheitsbeamtin von der Befragung wieder aufgegabelt, denn langsam muss ich mich auf den Weg zum Gate machen. Da ich selber noch durch die Sicherheitszone muss, macht sie Druck. Dabei war ich 4 Stunden vor Abflug am Flughafen, doch mit dem Terminalwechsel, einpacken und den ganzen Security-checks ist mein Zeitpolster nun gewaltig reduziert worden. Der persönliche Security-check vor dem Gate geht auch noch mal gewaltig ins Detail, wirklich alles wird auf Sprengstoff getestet, jedes technische Utensil einzeln begutachtet.
Bis ich dann endgültig am Gate angekommen bin und das Boarding zum Abflug über mich ergehen lasse war es ein äußerst stressiger, kleinteiliger und nerviger Nachmittag. Doch, wer kann es dem Flughafenpersonal verübeln? Israel hat leider mehr als genug Erfahrungen mit gewalttätigen Flugzeugentführungen und auch Flugzeugsprengungen gesammelt. Die lassen da also nichts mehr anbrennen. Wie amateurhaft und ineffizient kommt mir dagegen der Umgang mit dem herrenlosen Gepäck am Check-In in Berlin Tegel vor drei Wochen vor. Ich bin mich sicher am Flughafen Ben-Gurion in Israel wäre das Terminal in 3 Minuten evakuiert gewesen und das Gepäck innerhalb 5 Minuten gesprengt worden.
Der Rückflug verläuft ohne Zwischenfälle und die Beruhigung ist groß als ich in Berlin mit Gepäck und Fahrrad wiedervereint werde. Diese haben die Reise ebenfalls ohne Blessuren überlebt, was mich sehr freut.
Nun habe ich gefühlt den ganzen Tag in Flughäfen und im Flugzeug verbracht und so baue ich, obwohl es bereits Mitternacht ist, mein Fahrrad am Flughafen wieder auf und mache mich dann auf pedalbetriebenen Weg nach Hause, durch die kalte Berliner Nachtluft. Kaum Verkehr und viel Stille sorgen dafür, dass ich die letzten 13 Kilometer mit einem Lächeln hinter mich bringe.
Doch eine Überraschung hält dieser Urlaub noch für mich bereit: Nicht als ich in meine Straße einbiege, sondern (ungelogen!) 5 Meter vor meiner Haustür macht es plötzlich *pling* und ich kann keine Gänge mehr schalten. So knapp vor Ende ist also mein Schaltzug gerissen, der die Gangwahl am Lenker mit der Schaltung am Hinterrad verbindet. Nun könnte ich gewaltig frustriert sein, stattdessen komme ich aus dem Lachen und Grinsen nicht mehr heraus: Was habe ich dieses Jahr nicht alles erlebt, war mit dem Rad über den Maifeiertag auf dem Saale-Radweg unterwegs, hab die unwirklichen Mondlandschaften des Pamir-Gebirgs überquert und nun noch die Israel-Umrundung hinter mich gebracht.
Und der Schaltzug ist nicht im Pamir gerissen, wo ich zwar Ersatz dabei hätte, aber sicherlich 3 Stunden am Straßenrand gesessen hätte und am Rad gefummelt hätte. Auch nicht in Israel, wo ich den Ersatz daheim gelassen habe und stellenweise in der Wüste ja doch ein paar hundert Kilometer vom nächsten Radgeschäft entfernt war. Dort wäre der Schaltzug dann sicher an Shabbat gerissen, wenn alle Geschäfte geschlossen haben und die Busgesellschaften den Transport einstellen. Mit der Fahrt zu einer Stadt, der Reparatur und der Busfahrt zurück zum Ausgangsort wären sicherlich mehrere Tage verschwendet worden.
Stattdessen reißt mir der Schaltzug direkt vor der Haustür, wo ich das Rad nun sicher verwahren kann um mich dann im neuen Jahr ganz entspannt auf den Weg zur Selbsthilfewerkstatt zu machen. Das Karma ist mir also wohlgesonnen gewesen, ein fantastischer Abschluss zu einer solch eindrücklichen, spannenden und schönen Reise.
Es kommt noch ein Epilog-Beitrag zur Reise, wo ich Infos zu Kosten und den Highlights gebe. Dranbleiben!