[Tag 4]: Nof HaKinneret – Odem Forest

[Biking] – Israel 2019

[Tag 4] Nof HaKinneret – Odem Forest

2. Dezember 2019: 72 Kilometer, 1400 Höhenmeter von Nof HaKinneret nahe Safed bis zu einer Campingstelle im Odem Forest auf den Golanhöhen.

GPX-Daten

Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:

Zeit in Bewegung: 5:44h
Tempodurchschnitt: ~12,4km/h
Maximalgeschwindigkeit: 49,2km/h

Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)

Ich habe in der Nacht wunderbar geschlafen und werde durch Alon mit Oatmeal zum Frühstück geweckt. Ich habe in der Nacht einen starken Regenschauer verpasst, der gut für die israelische Landschaft, aber schlecht für meine Wäsche auf der Leine war. Also noch mal ab in den Trockner damit.

Blick über den wolkenverdeckten See Genezareth (E-M5, 18mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)
Blick von Alons Terrasse. Das Hula-Tal ist komplett unter der Wolkenschicht verdeckt (E-M5, 14mm, f/9, 1/1250sec, ISO-100)

Ich komme nach dem Packen erst um kurz vor 9 los, zur Verabschiedung wird es noch mal religiös. Ich solle mir bewusst machen, das Israel “the land of Jesus” ist, er hier wirklich seine Wunder vollbracht habe und ich mit offenem Herzen und Seele durchs Land reisen solle. Nun, in so einer Situation hilft nur noch nicken und sich seinen Teil denken. Trotzdem, der Aufenthalt bei Alon war wunderbar, genau das richtige nach der Kletterpartie gestern.

Danke für die Gastfreundschaft Alon (E-M5, 14mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)
Blick auf die Abfahrt (E-M5, 14mm, f/9, 1/640sec, ISO-100)

Ebenfalls gut für die müden Beine: Es geht jetzt erstmal 25km bergab. Erst steil runter von den Bergen ins Hula-Tal, dann moderat bergab im Hula-Tal selbst.

Blick in Richtung Hula-Tal und Golanhöhen (E-M5, 24mm, f/9, 1/250sec, ISO-100)
(E-M5, 17mm, f/9, 1/320sec, ISO-100)
Zwischenstop am Markt (E-M5, 14mm, f/9, 1/320sec, ISO-100)
Gespenstische Einfahrt ins Hula-Tal (E-M5, 20mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)
Auf der anderen Tal-Seite spannen sich bereits die Golanhöhen auf. Das Tal ist wirklich sehr schmal. (E-M5, 45mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)

Im Hula-Tal habe ich einen weiteren Zwischenstopp eingeplant, ich will Vögel beobachten gehen. Das Hula-Tal hat einen Reichtum an Vogelarten, die hier auf dem Weg von Europa nach Afrika eine Pause in ihrer Wintermigration einlegen. Es gibt zwei Nationalparks, denjenigen den ich mir raussuche kostet keinen Eintritt. Der Park umfasst einen großen See und ich bin gewaltig froh diesmal mit meinem eigenen Rad angereist zu sein. 2016 und 2013 war ich bereits hier und habe den See zu Fuß umrundet, das kostet gute 2-3 Stunden.

Der Nationalpark ist auf wahre Touristenanstürme vorbereitet (E-M5, 14mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)
(E-M5, 14mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)

Mit dem Rad ist das deutlich komfortabler, so sehe ich tausende Kraniche, aber auch einen Reiher und dutzende andere Vögel in ihrem Habitat. Einen blauen Eisvogel kriege ich zwar kurz zu Gesicht, für ein Foto ist er aber zu clever und zu schnell verschwunden.

Irritierend sind Explosionen, die alle paar Minuten die Stille und das Vogelgeschrei zerreißen. Erst nach einiger Zeit fällt mir auf, dass die Explosionen von umliegenden Feldern stammen. Mit zeitgesteuerten kleinen Sprengladungen werden die Vögel von den Feldern verjagt, bevor sie die ganze Aussaat wegfressen.

Und wenn ihr mal hören wollt, was für eine Geräuschkulisse sich aufbaut:

Statt den See einmal komplett zu umrunden müssen, hatte ich einen Guide im Nationalpark gefragt, ob ich den Park nach der Hälfte auch gen Osten verlassen kann, so fahre ich gleich in die richtige Richtung weiter. Der Guide bestätigt meinen Routenvorschlag, er warnt mich allerdings dass es keine asphaltierten Wege sein und diese eventuell schlammig sein könnten. Nun, 4 Kilometer von 5 Kilometern Gesamtstrecke fahre ich absolut glücklich auf diesem Weg, schön am Jordan-Fluss (hier eher Flüsschen) entlang.

Zuerst ist der Feldweg ja ideal! (E-M5, 14mm, f/7.1, 1/250sec, ISO-100)
Blick auf den Fluss Jordan, der hier im Norden nicht ganz so beeindruckender Statur ist (E-M5, 45mm, f/7.1, 1/40sec, ISO-100)

Und dann plötzlich wird der Weg ein wenig feucht und keine 30 Sekunden später komme ich unsanft zum Stehen. Der Matsch hat sich zwischen Schutzblech und Reifen so aufsummiert, ich komme keinen Meter mehr voran. Mühsam muss ich das Gepäck abladen und mit einem Stock den Matsch abkratzen, der schnell antrocknet und hart wie Zement wird. Eine langwierige Aufgabe, auch weil ich danach den letzten Kilometer zur Straße lieber schiebe, denn ich will nichts mehr riskieren. So kosten mich die 5km Wirtschaftsweg knappe 1,5h.

Mit so viel Dreck unterm Schutzblech dreht sich auch der Reifen nicht mehr. (E-M5, 14mm, f/7.1, 1/30sec, ISO-100)
Alles dreckig und verklebt (E-M5, 34mm, f/7.1, 1/30sec, ISO-100)
Mühsame Reinigung mit einem Stock (E-M5, 14mm, f/7.1, 1/13sec, ISO-100)

Anschließend geht es noch 10 Kilometer dem Tagesziel entgegen: Ich muss hoch auf den Golan. Und da der Landstrich nicht umsonst GolanHÖHEN genannt wird, war von Anfang an klar, dass dies kein leichtes Unterfangen wird. Selbst der Anblick der Golanhöhen, die wie eine Klippe über mir thronen machen die strategische Bedeutung dieser Gegend bewusst. Israel hat die Golanhöhen im Sechstagekrieg 1967 erobert. Davor kam es immer wieder zu Angriffen der syrischen Seite, die mit Scharfschützengewehren die israelischen Bauern im tiefer gelegenen Hula-Tal beschossen.

Zur Verdeutlichung noch mal das Bild von heute Morgen. Die Golanhöhen haben eine Art Klippe zum Hula-Tal (E-M5, 45mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
Ich komme ans nördliche Ende des Hula-Tals. Rechts vor der Bergkette biege ich nun ab und klettere auf die Golanhöhen (E-M5, 14mm, f/7.1, 1/320sec, ISO-100)
Da geht es nun gleich hoch (E-M5, 25mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

So bin ich nach einigem sanften Bergauffahren am Ende des Hula-Tals auf 125m Höhe angekommen, passenderweise im Örtchen „Dan“. Doch ich muss zu einer Stadt auf dem Golanplateau und die liegt auf 1050m Höhe. Dazwischen liegen nur 15km Landstraße. Also wie gestern schon, ab in den 2. Gang und kurbeln, kurbeln, kurbeln. Heute ist es besonders ätzend, der Weg ist steil, die Landstraße ist viel befahren und ohne breiten Seitenstreifen. Zudem sitzt mir wieder die Zeit im Nacken, es ist nun 14 Uhr im Tal, und ich will vor Einbruch der Dunkelheit oben sein. Nicht mal eine Mittagspause hatte ich bisher, die hole ich um 15 Uhr gehetzt neben der Straße nach. Erholsam ist das nicht gerade.

Endlich da! Jetzt muss ich “nur” noch den Berg hoch (E-M5, 28mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)
Ein-Qiniyye am Hang über mir (E-M5, 45mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)

Um die Anstrengung zu kompensieren fange ich irgendwann an, im dehydrierten und erhitzten Zustand mir Witze auszudenken. Seid ihr bereit für eine Kostprobe? *Achtung Sparwitzalarm, sagt nicht ich hätte euch nicht gewarnt*:
Wie heißt ein berühmtes Teenager-Märchen? – Ali Blabla und die 40 Voicemails!
Ha, Schenkelklopfer! 😀

Doch es gibt auch schöne Aspekte. Ich kurble mich am Banias-Nationalpark vorbei, wo ich vor Jahren schon zu Besuch war.

Abzweig zum Banias Nationalpark (ZTE A2017G, 4.216mm, f/1.8, 1/1150sec, ISO-100)

Auch erlebe ich im weiteren Verlauf den Erfolgsmoment, dass die Nimrod-Festung, die vorher uneinnehmbar über mir thronte plötzlich unter mir liegt. Ebenso der Ort Ein-Qiniyye, den man bereits aus dem Tal erblicken konnte.

Die Nimrod Festung (E-M5, 45mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)
(E-M5, 40mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)
Ein gutes Gefühl, ich bin nun gleichauf mit der Nimrod Festung (E-M5, 45mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)
Nimrod Festung (E-M5, 45mm, f/9, 1/80sec, ISO-100)
Der Ort Ein-Qiniyye aus dem Tal gesehen (E-M5, 45mm, f/9, 1/200sec, ISO-100)
Und nun bin ich auch noch höher als Ein-Qiniyye (E-M5, 14mm, f/9, 1/100sec, ISO-100)
Blick zurück ins Hula-Tal (E-M5, 14mm, f/9, 1/125sec, ISO-100)

Zahlreiche Minenfelder am Wegesrand beschreiben die ereignisreiche Geschichte dieses Gebiets und stellen sicher, dass ich mir keinen vorzeitigen Übernachtungsplatz suche. Ich habe vor Abreise nach Israel mir noch eine sogenannte „Red-Alert“-App aufs Telefon geladen. Diese ist gekoppelt an die Raketenvorwarnsystemen in Israel und warnt falls es zu Raketenbeschuss aus Gaza, Syrien oder dem Libanon kommt. Eine kleine Vorsichtsmaßnahme, wo ich doch länger an der libanesischen Grenze unterwegs war, morgen an der syrischen Grenze entlang fahre und im weiteren Verlauf der Reise auch am Gazastreifen vorbeikomme. Vor zwei Wochen wurden 6 Orte nahe/auf den Golanhöhen von Syrien aus beschossen. Alle 6 in der App genannten Orte durchfahre ich heute mit dem Rad. Da verwundert es mich nicht, dass selbst bei Abflussrohren unter der Straße ein Schild steht, um diese im Notfall als Schutzbunker auszuschildern.

Durch all diese Orte bin ich heute durchgefahren. Vor zwei Wochen gab es hier Raketenalarm.
Erneut ein Wettrennen gegen den Sonnenuntergang (E-M5, 17mm, f/9, 1/50sec, ISO-100)

Langsam verschwindet die Sonne, die Temperatur auf dem Golan fällt ziemlich rapide. Ich hab endlich Mas‘ade, die Stadt auf dem Bergrücken, im Blick. Die letzten 200 Höhenmeter gelingen nur noch mit purer Sturheit.

Endlich angekommen auf dem Bergrücken! (E-M5, 31mm, f/9, 1/4sec, ISO-100)

Im Dorf angekommen ist es 16.40Uhr, ich habe noch 7km bis zum von mir anvisierten Campingplatz. Schnell lasse ich meine Flaschen von einer Burger Bude mit Wasser befüllen, schon flitze ich ins halbdunkel der blauen Stunde davon. Diese 7km werden noch mal richtig ätzend: Nicht nur das das Licht fast weg ist und es doch noch mal 100 Höhenmeter bergauf geht, nein, auch hat die Straße keinen Seitenstreifen und unglaublich viel bekloppten Verkehr. Die Fahrer*innen schalten ihr Fernlicht nicht aus und rasen mit über 100km/h an mir vorbei. Mehr als einmal fahre ich absichtlich in den Straßengraben um den Autos auszuweichen, nicht sicher ob meine Fahrradbeleuchtung ausreicht um erkannt zu werden. Sehr unentspannt also, ich hetze mich auch sehr, selbst bergauf fahre ich nun 15km/h, keine Ahnung wo ich die Kraft hernehme. Ich will nur runter von der Straße.

Sonnenuntergang auf den Golanhöhen. Nur noch ein paar Kilometer zu meinem Campingplatz (E-M5, 21mm, f/5, 1/3sec, ISO-1000)

Dann endlich kommt der anvisierte Campingplatz am Odem Forest in den Blick. Durchgefroren, weil bei 8°C immer noch im durchgeschwitzten T-Shirt unterwegs, baue ich in Windeseile das Zelt auf und liege erstmal länger im Schlafsack, bis die Wärme wieder zurückkehrt. Durch den Temperaturabfall ist auch unglaublich viel Kondenswasser auf allen Gegenständen und im Zelt.

Ich hatte mir ursprünglich bei der Planung vorgenommen auch noch auf den nahegelegenen Berg Hermon zu fahren. Dieser ist geteilt zwischen Israel, Syrien und dem Libanon und beherbergt auf israelischer Seite das einzige Skigebiet des Landes. Aber die Aussicht darauf morgen früh noch einmal 700 Höhenmeter steil bergauf zu fahren, nur um in einem Skigebiet zu stehen? Auch ist nicht sicher ob dort oben überhaupt Schnee liegt, zudem müsste ich dann dort oben umdrehen und auf gleichem Weg wieder bergab fahren. All dies ist mir den Aufwand nicht wert, dafür hat mich der Aufstieg zu den Golanhöhen heute zu viel Kraft gekostet. Ich schmeiße also die Hermon-Befahrung aus dem Routenplan. So habe ich jetzt, müde im Zelt liegend zumindest die Gewissheit, dass die schlimmste Kletterei des Urlaubs hinter mir liegt. Ich bin heute von 50 Meter auf 1100m ü. N. aufgestiegen, morgen Abend werde ich hingegen auf 400m Höhe übernachten. Und dann geht es sowieso runter in Richtung Totes Meer auf MINUS 400m. Weitere Aufstiege auf der Reise werden 200-300m beinhalten, aber keine 1000 wie heute.

Diese Grafik beschreibt gut, wieso heute so anstrengend war.

Mein heutiger Campingplatz ist eigentlich ganz beschaulich, wenn es nicht stockfinster und kalt wäre. 2014 habe ich bei meiner Wanderung auf dem Golan-Trail (Tag 1 und Tag 2) ebenfalls hier gezeltet und die Palsar 7 Gedenkstätte besucht, die getöteten israelischen Soldaten gewidmet ist, die hier im Yom-Kippur-Krieg ihr Leben ließen. Mehr Infos im Beitrag von damals.

Heute bin ich jedoch ganz allein auf dem Campingplatz und koche mir abends in der Dunkelheit noch einen großen Topf Nudeln, dann geht es schon ins frostige Zelt.

Heute war mir eindeutig zu anstrengend, ich bin sehr froh die Strecke hinter mich gebracht zu haben. 2 Tage klettern am Stück sind zu viel für mich, zumindest zu Beginn der Tour, wo ein Muskelkater dem nächsten folgt. Nun habe ich aber immerhin den nördlichsten Punkt Israels hinter mich gebracht. Ab jetzt geht es knapp 550km immer nur nach Süden bis nach Eilat. Zeit also, die Sonnenbrille auszupacken!

Nachts zerreißt immer wieder Artilleriefeuer die Stille. Zum Glück weiß ich aber, dass das israelische Militär Übungsgelände auf den Golanhöhen betreibt wo besonders Panzerbataillone ausgebildet werden.

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