Samstag 29.3 Odem Picknick -> Alonei Habashan ~30km

Nach einer recht kühlen Nacht und einigen Mücken werde ich um 6.30 Uhr von dem Vater-Sohn-Gespann geweckt, welches grade die Schlafsäcke verstaut. Sie laufen dann auch früher als ich los, während es bei mir noch ein Müsliriegel-Frühstück gibt. Der Picknickplatz grenzt an die “Palsar 7”- Gedenkstätte, in Erinnerung an die (ich glaube) 24 Israelis, die während dem Yom Kippur Krieg hier bei einem Angriff einer syrischen Kommandoeinheit in ihren gepanzerten Fahrzeugen ums Leben kamen. Eins der zerstörten israelischen APC’s ist in die Gedenkstätte einbetoniert. Via Lautsprecher kann man sich auf Hebräisch und Englisch die Geschichte dazu anhören.


Das Palsar-7 Memorial

Nach dem alles im Rucksack verstaut ist, geht es erstmal über eine Schotterstraße in Richtung “Har Hermonit”. Jetzt sieht man erstmal, wovon die Berichte im Internet warnen:

Links und Rechts des Weges sind die Felder mit Stacheldraht umzäunt und markiert, da diese Landminen enthalten. Ich habe mich vor Beginn der Tour gefragt, was der Sinn dieser Minenfelder ist. Im Falle eines syrischen Angriffes wüssten die Syrer ja eh, wo diese Minen liegen, sind sie ja selbst in israelischen Landkarten vermerkt. Als ich einen Israeli in der Gegend darauf ansprach, hat er mich aufgeklärt. Diese Landminen wurden noch von den syrischen Streitkräften verlegt, vor dem Sechstagekrieg 1967. Dementsprechend haben die Israelis keine Aufzeichnungen, wo genau und wie viele Minen dort liegen. Und da eine Räumung all dieser Flächen extrem kostenaufwendig wäre und natürlich ein Sicherheitsrisiko für die eingesetzten Spezialkräfte, hat man sich entschlossen die Gebiete einfach zu kennzeichnen und sich selbst zu überlassen. Der Israeli erzählte mir auch, dass die einzige Gefahr nun schwere Unwetter sind, wenn sich alles in Matsch auflöst kann es vorkommen, dass die Minen im Schlamm “wandern”. Zudem erzählte er, dass jedes Jahr “Ein lauter Knall zu hören ist, und es dann doch ab und an eine Kuh erwischt”. Nicht schön, aber ihre Lösung scheint mir sinnvoller als die Gefahr einzugehen, die alle zu räumen.

An sich braucht man dabei keine Angst zu haben, es ist alles weiträumig abgesperrt und es hängen genug “Danger Mines!” Schilder rum. Man sollte halt dann doch den gesunden Menschenverstand nutzen und nicht versuchen abzukürzen über irgendwelche dubiosen Wiesen.

Nachdem ein Asphaltweg mich den halben Hügel (Berg wäre übertrieben ) begleitet, verpasse ich aus Unachtsamkeit eine Abbiegung des Golantrails nach links und laufe stattdessen weiter bis zum Gipfel. Hat aber den Vorteil, dass ich noch 2 verlassene Bunkeranlagen besichtigen kann.


Noch mal ein Blick zurück auf Har Hermon. Der rechte, schneebedeckte Teil und die Stadt am Fuße des Berges liegen schon in Syrien.


Hier hätte ich links auf den Feldweg abbiegen müssen, stattdessen bin ich der Asphaltstraße gefolgt und musste nachher zurücklaufen.

Wieder unten bei der Abbiegung kommen mir Vater und Sohn entgegen. Sie haben sich doch dagegen entschlossen weiter zu laufen, sondern wollen jetzt zurück zu ihrem Auto hitchhiken und dann den Rest des schönen Samstags am Meer genießen. Fand ich sehr schade, wäre gerne mit ihnen gewandert, allerdings überlassen sie mir noch 3L ihrer Wasservorräte (Hätte es nicht unbedingt gebraucht, die Möglichkeit zum Nachfüllen kam bald danach), was ich sehr nett fand!

Jetzt geht es am Berg entlang, so dass der Berg immer auf der rechten Schulter ist. Faszinierend ist der Blick, der sich mir bietet. Ich schaue nach Osten und bin keine 3km von der Grenze zu Syrien entfernt. Im Tal kann man den Grenzzaun in der Sonne glitzern sehen, man sieht einige hohe Berge in Syrien selbst und kann auf 2-3 größere Städte/Dörfer blicken. Wirklich surreal wird die Situation dadurch, dass man ab und an Gewehrschüsse hört, und als es dann mal lauter knallt blicke ich zu einem der syrischen Städte und sehe eine Rauchsäule aufsteigen. Wahnsinn, ich bin hier auf einer Trekkingtour und auf der anderen Seite der Grenze (in Sichtweite!) bringen sie sich gegenseitig um. Eine leicht bedrückende Situation, auch wenn ich mich die ganze Zeit über sicher fühlte.


Blick von Har Hermonit auf Syrien, links im Norden noch Har Hermon. In der Mitte sieht man sogar Rauch aus einem der Dörfer aufsteigen.


Hier sieht man etwa in der Bildmitte den Grenzzaun.


Nochmal der Grenzzaun.


Hier sieht man noch mal die Bunkeranlage auf dem Hermonit, diesmal von der anderen Seite.


Ein zurückgelassener, zerstörter Panzer. Ob syrisch oder Israelisch vermag ich nicht zu sagen.

Danach komme ich zu einer zweiten Gedenkstätte. Diese überblickt die “Valley of Bacha” welche sich aber im Yom Kippur Krieg zur “Valley of Tears” entwickelte. 127 israelische Panzer trafen hier auf den syrischen Panzerangriff mit über 1400 Panzern. Viele Soldaten von beiden Parteien starben in den Feldern unterhalb des Aussichtspunktes und so finden sich an dieser Gedenkstätte ein israelischer und ein syrischer Panzer als Mahnmal. Die israelischen Einheiten, welche hier kämpften waren später auch mit an vorderster Front, als nach dem syrischen Überraschungsangriff die israelische Armee bis fast nach Damaskus vorstieß.


Blick auf “Valley of Bacha”/”Valley of Tears”


Weinfelder mit Blick zurück auf Har Hermonit. Der Golanwein soll sehr gut sein, eine Möglichkeit zum Kosten kam mir aber leider nicht unter


Was ein Unterschied zu den Wegen auf der Yam leYam-Tour 😀

Ein sanfter Abstieg vom Berg und nach ca. 1.5 Std weiterem Laufens stehe ich am angeblichen Ende eines Tourabschnitts bei den Ruinen von Bab-el-Hawa. Da es wirklich erst 10.30 Uhr in der Früh ist, setze ich mich auf einen Stein, frühstücke einen weiteren Müsliriegel und mache mich dann auf den weiteren Weg.


See samt Har Bental


Blick zurück auf Har Hermonit und Har Hermon im Hintergrund.

Nun umrunde ich einen kleinen See und steige dann auf den Har Bental. Dieser Berg hat mit Abstand den steilsten Aufstieg der ganzen Golantour, aber selbst der ist in etwa 40min erledigt.

Auf dem Gipfel begegnen mir zahlreiche Touristen und die Lösung dafür sollte ich schnell finden: Es ist dank Straße möglich, mit dem Auto bis zum Gipfel zu fahren und viele Tagesausflügler nehmen diese Möglichkeit wahr. Oben finden sich alte Verteidigungsanlagen, welche man besichtigen kann und (leider) mit zahlreichen Metallsilhouetten von kämpfenden Soldaten verziert sind.


Was sie zu diesen Metallfigürchen bewogen hat, weiß ich leider auch nicht.


Blumenfelder und gleich dahinter der Grenzzaun.


Nochmal Grenzzaun.

Weit wichtiger ist aber das Gebäude am Gipfel, welches das “Cafe Anan” (ob der Wortwitz nun geplant oder zufällig ist, kann ich nicht sagen 😉 ) beheimatet. Da es grade 12 Uhr ist, beschließe ich heute mir ein etwas üppigeres Mittagessen zu gönnen und so sitze ich kaum 10 Minuten später mit einem riesen Thunfischsandwich (richtig lecker, meine Empfehlung!) und einer “Eisschokolade” auf der Veranda und genieße das 360° Panorama, welches vorher schon genannte markante Punkte, See Genezareth, Berg Hermon, Syrien etc. toll hervorhebt.


Vor dem Café ist eine große Metallskulpturen-Ausstellung.

Als ich die Bedienung frage, wo ich denn meine PET Flasche wegwerfen kann, wird mir diese entwendet und sofort aufgefüllt. War zwar jetzt nicht wirklich nötig, aber dort könnte man also gut Wasser auffüllen. Um 14 Uhr mache ich mich wieder auf den Weg. Den Abstieg vom Berg muss man leider auf der Landstraße machen, es sind jedoch nur 2 oder 3km und die sind schnell geschafft.

Unten im Tal biegt man sofort von der Straße ab und die nächsten 3km geht es auf einem wunderschönen Naturpfad über blühende Wiesen und durch schattige Waldstücke.


Immer schön auf den Wegweiser achten 😉


Noch ein Panzer, der vor sich hin rostet.

Dann kreuzt man die Straße nahe der religiösen Gemeinde “Ein Zivan” und hält auf den Berg “Bni-Rasan” zu. Dieser ist kaum zu übersehen, hat er doch einige Windräder oben drauf. Sobald man den Berg erwandert hat, wird man vom Tosen der Propeller begrüßt.


Har Bni-Rasan.


Blick gen Norden von Bni-Rasan.


Auf dem Berg sind noch ein paar Verteidigungsanlagen, zudem ist jetzt schon der See Genezareth zu sehen!


*Zirrrr*

Auf der anderen Seite des Berges begibt man sich an den Abstieg. Hier entscheide ich mich dagegen, dem Trail weiter zu folgen, da dieser durch den Wald zur religiösen Gemeinde “Alonei Habashan” führt. Da es jedoch bereits 17.30 Uhr ist und es knappe 7km auf dem Golantrail bis zur Gemeinde sind, entschließe ich mich zur Landstraße zu laufen. Dort kann ich im Notfall immer noch die 4km zum Dorf laufen, plane aber ein Auto anzuhalten. Nachdem ich einen Kilometer auf der Landstraße gelaufen bin, sammelt mich auch ein nettes Pärchen ein und fährt mich die letzten 3km bis nach Alonei Habashan.

Alonei Habashan ist eine religiöse Gemeinde. Das darf man sich jetzt nicht wie ein Dorf voller Ultraorthodoxer vorstellen, wie dies in manchen Regionen, speziell in Jerusalem, vorkommt. Eher sind es orthodoxe oder nationalreligiöse Juden, die ganz normal arbeiten und leben, jedoch den Shabbat deutlich intensiver feiern.

Dementsprechend war es natürlich taktisch unklug, an einem Samstag in den frühen Abendstunden dort zu erscheinen. Shabbat endet am Samstag erst mit Sonnenuntergang, also schlich ich ein wenig durch den Ort. Habe dann eine Frau getroffen, welche wie viele andere Israelis auf diesem Trip, unglaublich hilfsbereit war. Sie hat mir erzählt, dass es ein Pärchen in dieser Gemeinde gibt, die Trekker in ihrem Garten schlafen lässt, also angelehnt an das amerikanische “Trail-Angel”-System. Sie hat mich dann auch gleich zur Synagoge gebracht und Anwesende gefragt, wo dieses Pärchen denn grade sei. Schließlich hat sie mich mit ihrem Mann losgeschickt, die Trail Angels zu finden. Dies klappte nach einer Viertelstunde auch ganz gut und Assaf, der Trail Angel lädt mich auch gleich zur abendlichen Feier bei den Nachbarn ein. Ich entscheide mich aber, ihnen etwas Privatsphäre zu lassen und lieber mein Zelt im Dunkeln aufzubauen. Ich frage Assaf, ob das denn jetzt ok wäre, wo doch noch Shabbat ist, worauf er mir absolut undogmatisch “You’re not jewish, you can do whatever you like” antwortet. 😀


Der Trail-Angel lässt einen in seinem Garten ein Zelt aufstellen.


Hier sieht man, dass es auch ein paar Sitzgelegenheiten gibt und direkt hinter meinem Zelt ist auch eine Spüle mit fließendem Wasser installiert.


Komisch, irgendwie sind meine Füße heute zweifarbig 😀 war wohl doch staubiger als gedacht.

Als das Zelt steht ist es schon dunkel und Assaf und seine Frau kehren nach Hause zurück. Sie schließen dann auch eine Steckdosenleiste ein, und da sie einen Wasserkocher für die Gäste haben, kann der Kocher heute im Rucksack bleiben. Einen leckeren Kartoffelsnack, nen Tee und ne heiße Schokolade später geht es mir richtig gut. Als mir seine Frau dann noch eröffnet, sie habe von der Party der Nachbarn mir noch 3 Stück Kuchen mitgebracht, bin ich im Paradies.


Der bereitgestellte Wasserkocher und der köstliche Kuchen von den Nachbarn!

Kurz vor der Schlafenszeit komme ich noch mit Assaf und seiner Frau in ein detailliertes Gespräch. Sie erzählen mir, dass ihnen das Trail Angel sein großen Spaß macht, nur im Sommer stehen scheinbar ab und an bis zu 15 Zelte im Garten, und dann limitieren sie ihre Hilfsbereitschaft auch ein wenig (ich z.B. durfte ihre Toilette nutzen – das machen sie bei min. 15 Leuten ganz sicher nicht mehr). Ich erfahre das er im landwirtschaftlichen Planungsrat der Golanhöhen sitzt, die Frau arbeitet in der Buchhaltung eines nahen Weinanbaugebietes. Danach gehen die Themen in alle möglichen Richtungen: Über den Trail, Outdoor-Ausrüstung bis hin zum Bürgerkrieg in Syrien (während wir auf der Couch sitzen hört man ein paar Explosionen) und dem Yom Kippur Krieg.

Ich frage sie dann auch, ob sie irgendwelche Auswirkungen des Bürgerkriegs spüren und als Assaf mir dann erzählt, dass sowohl eine Granate zwischen 2 Häusern in der Gemeinde eingeschlagen sind, wie auch ein Nachbar (der sich wunderte warum es im Auto nass ist), welcher MG-Einschusslöcher an der Autotür fand, wird mir dann doch ein wenig mulmig. In der Nacht in der ich dort war, sind nahe der religiösen Siedlung Ein Zivan (an der ich ein paar Stunden früher schon vorbei kam) 3 bewaffnete Männer von Syrien aus über den Zaun nach Israel eingedrungen. 2 davon wurden daraufhin von israelischen Soldaten verwundet, der dritte konnte wieder zurück nach Syrien fliehen. Irgendwie schon ein komisches Gefühl, wenn man merkt wie nah der Konflikt plötzlich ist.

Heute war auf beiden Touren der Tag, wo ich die meisten KM abgeleistet habe. Knappe 30km + 3km per Anhalter waren für mich zumindest eine stramme Leistung. Aber ich fühlte mich nicht wirklich kaputt, hatte eine lange Mittagspause gemacht und wäre die Sonne nicht verschwunden, hätte ich locker noch ein paar machen können. Das schönste Lob kam von Assaf selber, der mir bei der Beschreibung meines Tagespensums ein “Wow, you walked far” entgegenbrachte, absolutes Balsam für die Seele. 😉

Assaf hatte mir noch erzählt, dass sie in der Gemeinde nachts die Hunde abketten (sind wohl wegen den vielen Kindern angekettet, welche tagsüber durch die Gegend laufen) und ich lieber alles mit ins Innenzelt nehmen sollte oder auf den Baum werfen sollte, was die Hunde entführen könnten.

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