Tag 71: Saltoluokta – zurück nach Kiruna

Mein letzter voller Tag in Schweden und der letzte volle Tag auf dieser Reise. Heute ging es richtig früh raus aus den Federn. Nachdem das all-you-can-eat Buffet von 7-9 Uhr ging, war ich um halb 7 bereits wach und hab schnell das Zelt zusammengelegt.

Im Haupthaus gab es dann das beste Essen der gesamten Tour: Frisch gebackenes Brot, viele verschiedene Sorten Fleisch und Käse zum Belegen. Zudem Joghurt, Porridge, Müsli und allerlei Beilagen zum Mischen. Auch kam man so an frisches Obst, eine wahre Köstlichkeit nach 18 Tagen Fertiggerichten. Am Ende hatte ich 3 Teller mit Müsli-Joghurt-Porridge, 7 Brote, einen Liter O-Saft und 3 Kakao intus. Endlich mal wieder sich richtig pappsatt fühlen! War vielleicht ein wenig übertrieben, aber den Blicken des Personals nach war man an das Gelage gewöhnt. So hat es sich wirklich doppelt und dreifach gelohnt, die 10€ dafür waren ein skandinavisches Super-Schnäppchen.

Auch habe ich im Frühstücksraum den Sarek-Experten, sowie Elsa wieder getroffen, mit der ich das letzte Mal auf dem Skierffe geredet hatte. Die beiden hatten sich zusammengeschlossen und sind gemeinsam durch den Sarek, so hatten wir viel gegenseitig auszutauschen.

Ich wollte die Fähre um 10 Uhr erwischen, das wurde sogar ein wenig knapp, da ich mich auf dem ausufernden Campingplatz noch mal verlaufen habe. Aber habe es dann doch noch rechtzeitig zum Fähranleger geschafft und so ging es um Punkt 10 Uhr mit der Fähre über den Akkajaure nach Kebnats. Habe bereits auf dem Boot zahlreiche Leute angesprochen, in welche Richtung sie denn jetzt mit dem Auto wegfahren würden, und ob sie gegebenenfalls noch ein Plätzchen für mich übrig hätten. Das lag darin begründet, dass der Bus erst um 12.30 Uhr in Kebnats halten würde, so könnte ich es mir vielleicht sparen über zwei Stunden rumzustehen. Leider fuhren die Leute entweder in die falsche Richtung, weil sie in Vakkotavare weiter auf den Kungsleden wandern wollten, oder die Autos waren vollbesetzt. Gelogen hatte dabei nur eine Gruppe extra-hipper junger Erwachsener, die mir vorschwafelten, sie seien zu viert in einem Kleinwagen, da ginge nichts mehr rein. Habe böse geschaut als sie schließlich auf zwei Autos aufgeteilt an mir vorbeirauschten.

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Kebnats Fähranlieger. Mit wehmütigem Blick schaue ich auf die andere Uferseite nach Saltoluokta, rechts ist wieder der Lulep Gierkav, gäbe sicherlich noch einige spannende Wandertage in der Gegend zu füllen, sofern ich mehr Zeit hätte.

Zwei weitere junge Männer hatten denselben Plan gehabt wie ich und so standen wir an der Landstraße und hingen den Daumen raus zum Lüften. Wir hatten ausgemacht, sie dürften mitfahren wenn das Auto zwei Plätze frei hätte, ich hingegen wenn nur noch ein Platz im Wagen frei wäre. Ein paar Autos zogen an uns vorbei, aber nach nicht mal 5 Minuten hielt der Koch der Saltaluokta Fjällstation neben uns an und hatte gar Platz für uns alle und fuhr in die richtige Richtung. Er musste Besorgungen in Gällivare machen, ich wollte dorthin um von dort den Zug zurück nach Kiruna zu nehmen. Hat also alles wunderbar gepasst, wir kamen in Gällivare an, da wäre der Bus in Kebnats noch nicht mal losgefahren, und der Bus hätte zweieinhalb Stunden bis Gällivare gebraucht. Meine Mitfahrgelegenheit wollte zwar ein wenig Spritgeld, aber trotzdem kam ich mit der Hälfte der Kosten gegenüber der Busfahrt nach Gällivare. Wie immer nach so einer Tour ist es ein ganz seltsames Gefühl plötzlich wieder mit 100km/h dahin zu rauschen. Das Bewusstsein, dass eine Stunde Autofahrt etwa eine Tagesetappe auf dem Rad darstellt oder gar 5-6 Tage zu Fuß bleibt einfach eine technische Errungenschaft, die nach einer solchen Entschleunigung wieder schwer zu greifen und wahrzuhaben ist.

Zurück auf der Straße hatte ich auch erstmalig nach dem Start der Wandertour in Ritsem den Flugmodus des Telefons ausgeschaltet und so wurde ich mit Emails, SMS und Whatsapp-Nachrichten geflutet. Ich hatte vor dem Start der Wanderung Freunden und Verwandten Bescheid gegeben, dass ich zwischen dem 1. und dem 3. August wieder auftauchen würde, da am 4. August mein Rückflug ging. Nun hatte ich die Tour wegen der Sarek Exkursion ja ein wenig verlängert und so war heute tatsächlich der 3. August. Meine Mutter ist (typisch Mama! 😉 ) natürlich völlig durchgedreht und hatte bei den Hütten mit Telefonempfang sogar angerufen und gefragt ob ich dort irgendwo aufgetaucht wäre. Fehlte eigentlich nur noch, dass sie einen Suchhubschrauber oder zumindest einen Himmelsschreiber losgeschickt hätte. So konnte ich sie beruhigen und beweisen dass ich wieder in einem Stück aus der Wildnis zurückgekehrt war. Ich habe bereits nach wenigen Minuten gemerkt, dass ich diese Nachrichtenflut keineswegs vermisst hatte, die digitale Auszeit beim Wandern hat mir sehr gefallen. Klar distanziert man sich so von Weltpolitik und –geschehen, allerdings dreht sich die Erde auch ohne meine Beobachtung weiter.

In Gällivare hatte ich mir schnell und unkompliziert per App meinen Zug nach Kiruna gebucht. Dieser kam aber mit ordentlich Verspätung in Gällivare an und auf dem Weg nach Kiruna blieben wir mehrfach aufgrund von Reparaturarbeiten und Gleisbauarbeiten stehen. So habe ich knappe 1,5h verloren, hatte jedoch keinen Zeitdruck. Vom Bahnhof den gratis Busshuttle zum Busbahnhof und dann ging es die letzten Meter zu Fuß zum Hostel. Fühlte sich merkwürdig an mit diesem leichten Rucksack und auf Asphalt zu wandern.

Im Hostel war ich hocherfreut, dass mein Rad noch in der Personalküche stand und mein restliches Gepäck seine Zeit im Aufbewahrungsraum überlebt hatte. So habe ich die halbe Hostelküche genutzt um mein Zeug auf die Radtaschen und meinen Trekkingrucksack aufzuteilen. Das hat ziemlich viel Zeit gekostet, anschließend habe ich mir aber noch eine Dusche im Hostel gegönnt. Wir erinnern uns, mein letzter Waschgang war an der Fähranlegestelle nach Kvikkjokk am Ende von Tag 9, also genau 10 Tage her. Auch war es 3 Tage her seit meinem Bad im Matsch-Tümpel. Ihr glaubt gar nicht, wie gut sich die gammelige Dusche in Kiruna also anfühlte, es war wirklich allerhöchste Zeit. Bereits seit 5 Tagen hatte ich mein Schlauchtuch als Kopfbedeckung genutzt, denn die Haare standen wild in alle Richtungen und ließen sich nicht mehr bändigen. Nach so einer Dusche fühlte ich mich also wieder richtig menschlich.

Ursprünglich hatte ich vor die letzte Nacht im Hostel zu verbringen. Jedoch habe ich mich im Verlauf der Wanderung dagegen entschieden: Das Wetter sollte die Nacht über trocken bleiben, Bock auf das stickige „Bunker“-Zimmer im Hostel hatte ich auch nicht und ich konnte mich auch ohne Keycard im Hostel noch mal duschen. So war der Plan nun, die gesparten 350 Kronen für die Übernachtung zum lokalen Supermarkt für ein Festmahl zu schleppen und anschließend die letzten paar Kilometer zum Flughafen zu radeln. Da dies ein winziger Provinz-Flughafen ist, hatte ich die gute Hoffnung dort in der Nähe ein Plätzchen für mein Zelt zu finden und die letzte Nacht in Schweden so zu verbringen, wie ich die meisten Abend auf Tour verbracht habe: Auf einer Isomatte im Zelt, mit Essen vom Campingkocher.

So ging es mit dem Rad zum örtlichen Riesen-Supermarkt und dann ging der Schlemmer-Einkauf los. Nach einer entbehrungsreichen Wandertour schien mir das Angebot im Supermarkt gleich doppelt so reichhaltig wie zuvor. Der Fokus beim Einkauf lag natürlich auf Waren, die ich in Deutschland nicht kaufen kann, am Ende standen also über 600 Kronen in der Kassenanzeige. So habe ich wenigstens mein gesamtes schwedisches Geld aufbrauchen können. Im Supermarkt nebenan gab es dann auch noch Baumarkt-Bedarf, hier habe ich ein paar Rollen Rohrisolierung gekauft, diese will ich morgen dazu nutzen, das Rad ein wenig sicherer für die Flugreise zu verpacken.

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Das nenne ich mal viel Gepäck!

Problematischer als die Kosten des Einkaufs war es, die Waren anschließend in den eh schon vollen Gepäckstücken zu verpacken. Während der Fahrt zum Flughafen schielte ich verängstigt auf mein Hinterrad, schließlich war nun zum Gewicht der Fahrradtour auch ein 20 Kilogramm schwerer Rucksack hinzugekommen. Das ich dabei aussah, als würde ich meinen gesamten Hausstand auf dem Rücken rumtragen, dass versteht sich natürlich von selbst. Doch zum Glück hat das Rad tapfer durchgehalten. Die 10 Kilometer zum Flughafen haben mir großen Spaß gemacht, waren dass doch die ersten Kilometer auf dem Rad seit über zwei Wochen.

 

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Der Flughafen ist abends wie ausgestorben, nachdem dort keine Flüge mehr abfliegen scheint jegliches Personal sich in Luft aufzulösen. Vor dem ganzen Flughafen standen höchstens 10 PKW. Ein bisschen bin ich am Flughafen vorbeigefahren und habe mir dann ein schönes Fleckchen Gras wirklich direkt an der Straße als Zeltplatz auserkoren.

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Viel näher an die Straße konnte ich das Zelt nicht mehr setzen.
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Flughafennähe mal anders.
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Und mein “Hundeschlitten” hatte auch nen guten Parkplatz

Ein paar Leute fuhren mit ihren Autos vor, gingen mit ihrem Hund 10 Minuten Gassi im angrenzenden Wald und verschwanden dann wieder in Richtung Kiruna, ansonsten kam aber wirklich kein Mensch mehr vorbei. Und Camping mit Blick auf einen Flughafen hatte ich noch nie. Mein Flug morgen geht auch erst um 15 Uhr, aber so bin ich morgen ganz schnell da und kann die Zeit nutzen, um in Ruhe mein Gepäck und mein Fahrrad flugtauglich zu verpacken.

Das Zelt war schnell zum letzten Mal aufgebaut, und wider Erwarten passten auch alle Radtaschen + der Trekkingrucksack in eins der beiden Vorzelte. Zum Abendessen gab es den Klassiker Köttbullar + Baked Beans, ein Gericht welches es so einige Male auf dieser Tour gegeben hat. Auch freue ich mich jetzt schon auf die Leckereien die ich mir für morgen gekauft habe. Nach dem Essen genieß ich den letzten Abend an dem es nicht dunkel wird, morgen werde ich wohl in der Dämmerung in Berlin landen und fortan kann es nur noch dunkler werden.

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Und während ich wieder der vergangenen Tour ein wenig „nachtrauere“, erweckt mich der Gedanke an die heimische Dusche, sowie das Verlangen nach einem Bett, dass man nicht allabendlich aufblasen muss, mit Freude. Alle guten Reisen müssen schließlich irgendwann enden.