Tag 70 (Tag 18) See am Kungsleden – Saltoluokta

 

Gelaufene Kilometer: 14,7

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Blick auf den “Matsch-See”, wo ich heute Nacht gezeltet habe und wo gestern der erfolglose Waschversuch stattfand.

Der letzte volle Tag! Der Regen hat in der Nacht irgendwann wieder aufgehört und so scheint beim Aufwachen sogar die Sonne. Um 8 Uhr stehe ich auf und packe ein paar Klamotten auf die umliegenden Steine zum Trocknen. Danach lasse ich mir aber viel Zeit und komme so erst um 9.30 Uhr los. Einziges Problem heute: Ich hab kein Essen! Erst nach einer Viertelstunde laufen gibt es einen halben Müsliriegel, der stellt somit das Frühstück da. Die andere Hälfte muss bis zum Nachmittag reichen.

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Blick voraus!
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Blick zurück!

Bezogen auf den Weg geht es heute über eine breite Hochebene, kein Baum steht in der Umgebung und eine tolle Fernsicht begleitet mich. Einziger Nachteil: Man hat die ganze Zeit das Gefühl, nicht wirklich voranzukommen. Die Felswand an der ich nach dem Start langgelaufen bin begleitet mich auch 2 Stunden später, lediglich der Blickwinkel hat sich ein wenig verändert. Aber das ist mir trotzdem tausendmal lieber als durch den dichten Wald zu stiefeln.

Nach der Hälfte des heutigen Weges komme ich an der kleinen Rasthütte am Autsutjvagge vorbei.

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Autsutjvagge
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Schutzhütte am Autsutjvagge

Kleiner Fun-fact: Das Tal wird mitunter auch Áhusjavágge genannt, das laut Claes Grundsten „Tal mit einem tiefen Bach, der nicht durchwatet, sondern nur übersprungen werden kann“ bedeutet. (S. 48). Da sage mal wer, die Sami hätten keinen Natur-Humor!

Davor sitzen noch ein Australier und eine Dänin, mit denen ich mich kurz unterhalte. Ein Blick in die Hütte bringt dann den größten Lichtblick des Tages hervor, denn ich finde darin dies:

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Freudenschrei bitte hier vorstellen!

Leute die zu viel Essen dabei haben und in Saltoluokta ihre Tour beenden haben dort einiges an Sachen zurück gelassen. Neben Sprit und Gaskanister finde ich dann aber den Traumschatz. Zwei Packungen Ramen-Nudeln, eine halbe Packung Wasa-Cracker, Tubenkäse und süße Nachspeise liegen da rum. Ich kann mein Glück kaum fassen und beschließe daraufhin mein Mittagessen direkt abzuhalten, obwohl es eigentlich zu früh ist. Hätte ich diesen Vorrat nicht gefunden, so erwartete mich zum Mittagessen eine 80gr. Reispackung, dasselbe hätte es dann zum Abendessen gegeben. So verzehre ich aber alles von dem oben genannten, gefundenen Essen gleich hier zum Mittagessen und habe so beide 80gr Reispackungen fürs Abendessen noch übrig.

Danach bin ich seit Tagen mal wieder richtig pappsatt, das Gefühl hatte ich vermisst. Während ich da sitze holen mich auch Robert und Martin wieder ein und so ziehen wir gemeinsam die letzten 9 Kilometer los.

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Wir kommen gut voran, der Weg ist leicht zu gehen und der Rucksack fällt auf den Schultern kaum mehr ins Gewicht. Was für eine krasse Veränderung, wenn ich daran denke wie ich vor 18 Tagen gestartet bin, da überlegte man sich jedes Mal Rucksack-ausziehen gleich dreimal, da es ein solcher Akt war das gigantische Gewicht auf den Rücken zurück zu wuchten. Und nun hebe ich den Rucksack mit einer Hand auf und schmeiße ihn mir auf den Rücken.

Auf der linken Seite des Weges sieht man bald den Einblick in das Tal rund um den See Pietsaure, links vom See blickt man auf den Berg Rásek und rechts davon auf den Lulep Gierkav (den ich gerne bestiegen hätte, hätte ich in Rinim nicht einen halben bis ganzen Tag verloren).

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See Pietsaure, links der Rásek und rechts der Lulep Gierkav

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Zudem sieht man weiter hinten im Tal den Berg Sluggá, einer der symmetrischsten Berge ganz Schwedens.

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Sluggá im Regen
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Und kurz darauf auch im Sonnenlicht.

Kurz darauf hat man den Blick runter auf den See Akkajaure, den ich vor 18 Tagen mit dem Boot von Ritsem aus überquert habe und morgen von Saltoluokta aus wieder zurückqueren werde, da auf der anderen Seite die Landstraße zurück in die Zivilisation verläuft. Noch bin ich aber rund 250 Höhenmeter über dem See und kann so wunderbar an dem langgestreckten See entlangblicken.

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Akkajaure, teilweise sieht es noch ein wenig nach Regen aus
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Akkajaure
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Akkajaure, jetzt aber im Sonnenlicht, links der massive Lulep Gierkav, den man über die “Stufen” im Vordergrund besteigen kann.
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Noch mal ein Panorama mit Rásek (Mitte Links), hinter dem See Pietsaure dem Sluggá, Lulep Gierkav in der Bildmitte und rechts der langezogene See Akkajaure.
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Robert und Martin machen die letzten Kilometer alleine.

Ich lasse Robert und Martin davon ziehen und lege mich vor dem Abstieg nach Saltoluokta noch mal ins gemütliche Moos um diesen Blick zu genießen. Der Abstieg wird mich nämlich bald mit Bäumen umschließen und dann ist es vorbei mit der Freiheit des Fjälls. Diese Entspannungspause fühlt sich wie der letzte Moment des Urlaubs an, schließlich geht es dann wieder in die Zivilisation, übermorgen geht mein Rückflug nach Deutschland und dann wird die große Umstellung weg vom Abenteuerurlaub stattfinden. Also lieber entspannt in der Sonne liegen, den Blick schweifen lassen, die Füße aus den Schuhen holen und ein wenig Sonnen lassen und auch mein Kindle kriegt wieder die Aufmerksamkeit die er verdient.

Anschließend will ich mich an den Abstieg machen, allerdings kommt davor noch eine große Rentierherde an mir vorbei.

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Selfie mit Rentieren

Dürfte die größte Herde sein, die ich auf dieser Tour erblickt habe. Und die rennen über die Wiese, bleiben stehen und fressen ganz aufgeregt, bevor die Leittiere wieder 100m davonstürmen, den Rest der Herde im Schlepptau, dann geht es wieder ans Fressen. Keine Ahnung warum sie so aufgeregt sind, da sie mehrmalig wieder zurückrennen, dann wieder in die Gegenrichtung etc. kommt mir dies alles wie Energieverschwendung vor, ich genieße aber den Anblick der Tiere (sollten dann auch letzten Rentiere des diesjährigen Urlaubs sein).

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=tlBcm_NYYhE&w=560&h=315]

 

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Blick auf den Abstieg

Von der Hangkante aus sieht man Kebnats auf der anderen Seeseite, dort holt mich morgen der Bus ab. Und auch die Fjällstation Saltoluokta ist zwischen den Bäumen zu erkennen, zudem weht dort eine gigantische Fahne des Schwedischen Touristenverbandes, damit ist gefühlt die Zivilisation wieder in greifbarer Nähe.

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Kebnats auf der anderen Seeseite
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Die dazugehörige Fähre
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Weit ist es nicht mehr.

Den Abstieg über drehe ich noch einmal gute Laune Musik vom Handy auf. Während der Tour habe ich beim Laufen nie Musik gehört, da ich das Telefon zum Akkusparen ausgeschaltet hatte tagsüber, jetzt genieße ich das Laufen mit Kopfhörern auf den letzten Metern dafür umso mehr. Im Kopf gehe ich die Wanderreise durch, erinnere mich an die Highlights auf dem Weg, die Personen die ich kennengelernt habe und auch die zurückgelegte Strecke. Beim heutigen Sonnenwetter ist die Lust am Wandern auch wieder voll da, im Gegensatz zum Wandern im Regen gestern. Ich bin sehr dankbar diese Wandertour als Abschluss meiner Skandinavienreise noch gemacht zu haben, da diese Abkehr von der Zivilisation gefühlt sehr entschleunigt hat und mir Einblicke und Erfahrungen gegeben hat, von denen ich noch lange Zeit zehren werde.

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Der Abstieg
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Letztes Schild
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Ankunft!

In Saltoluokta ist der Zivilisationsschock perfekt, da auch gerade eine Fähre von Kebnats angekommen ist und so auf den Bänken vor der Hütte zahlreiche saubere Gestalten sitzen, denen man die Motivation zum Losgehen förmlich ansehen kann. Ebenso ist sie fast physisch greifbar und ich hätte gute Lust nun einfach umzudrehen und den gesamten Weg wieder zurück zu gehen.

Drinnen gibt es eine Cola als Belohnung, ebenso Kekse und Schokolade fürs Abendessen. Auch weil ich die Hütte in Sitojaure ausgelassen habe, ist bei mir das Gefühl umso größer, dass ich diese Belohnung mir verdient hätte. Doch es kommt noch besser: Die 100 Kronen, die ich durch die verkürzte Bootsfahrt von Rinim aus gespart habe, werden nun gewinnbringend investiert. Saltoluokta bietet nämlich für 105 Kronen ein All-you-can-eat Frühstück an, und da ich eh kein Essen mehr fürs Frühstück übrig habe, kommt das wie gerufen. Den ganzen Abend werde ich von diesem Frühstück fantasieren. Das ist also die späte Versöhnung dafür, dass ich von Ribák aus 3-4 extra Kilometer laufen musste. Martin und Robert treffe ich dort auch noch mal und wir beschließen alle, den Kungsleden ein paar hundert Meter wieder zurück zu gehen und im Wald noch mal wild zu zelten. Denn würde ich mein Zelt nahe der Hütte aufschlagen müsste ich dafür eine Gebühr bezahlen, zudem stehen da so viele Zelte, dass ich mich auf eine einsame letzte Nacht auf dem Wanderpfad freue.

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Die letzten Meter sind besonders schön idyllisch, mit weichem Moos.

Immerhin, den Luxus einer real existierenden Toilette in der Fjällstation weiß ich zu schätzen. Nur den Spiegel hätte es nicht gebraucht, Wahnsinn wie fertig ich aussehe, auch weil nun die Haare 9 Tage lang nicht mehr gewaschen wurden… BÄÄÄÄH!

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So gehts ja noch,

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Aber so? Igitt!

Dann geht es aber zurück und ich finde eine schöne Lichtung im Wald, dort sind mehre Stellen an denen bereits Andere in der Vergangenheit gezeltet haben.

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Man beachte die Wilder Westen Deko am Baum!

Hier hänge ich Klamotten zum Trocknen in die Sonne, baue das Zelt auf und genieße zum Abendessen meine volle Ladung Reis, die ich ja nun übrig habe, da das geschenkte Mittagessen mich entlastet hat. So werde ich da auch noch mal satt, besonders mit der neu gekauften Schokolade. Von meinem mitgebrachten Proviant, den ich 18 Tage lang durch die Gegend geschleppt habe, sind am Ende nur noch 3 Teebeutel übrig geblieben. In der Vergangenheit gab es da immer eine Packung Nüsse die nicht gegessen wurde oder eine Nudelspeise, aber diesmal ist alles komplett aufgebraucht. Genau richtig geplant würde ich sagen, da muss ich mich wenigstens nicht ärgern etwas umsonst mitgeschleppt zu haben. Liegt aber natürlich auch daran, dass ich ursprünglich vor hatte 16 Tage unterwegs zu sein, nun waren es aber 18, da ich nicht so lange zum Ende der Reise wieder in Kiruna rumsitzen wollte und stattdessen lieber den Abstecher in den Sarek unternommen habe.

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Grandiose Übersetzung ins Deutsche!

In Saltoluokta habe ich den Rucksack endlich gewogen. Dort wog er 17,8 kg ohne jegliches Essen. Das finde ich relativ viel, Martin hat mir erzählt dass er zum Beginn der Wanderung mit 18kg los ist, da waren aber 10 Tage Nahrung dabei. Nun ist aber weder mein Zelt besonders leicht, noch mein Rucksack. Es gäbe einiges an Einsparpotential, ich schleppe jedoch lieber zwei Kilo mehr mit mir rum, als dass ich irgendwo extrem friere weil ich meine Jacke doch daheim gelassen habe. Mal schauen ob ich bis zur nächsten Tour ein wenig einsparen kann. Zudem habe ich im Vergleich zu Martin noch 3kg Fotoausrüstung dabei.

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Der Rucksack sieht auch nur noch halb voll aus.
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18,5 kg, aber noch mit viel Wasser, sowie der nachgekauften Proviantschokolade.

Da Saltoluokta einen Stromanschluss hat und ich so beim Frühstück morgen all meine Technik laden kann nutze ich mein Telefon abends um einige Serien anzusehen und die Powerbank leer zu saugen. Auch lese ich viel und höre Hörbücher, so genieße ich den letzten Abend auf der Wandertour in vollen Zügen. Ich bin sehr erleichtert dass die Tour so gut geklappt hat, meine Zeitplanung gepasst hat, ich mich nicht ernsthaft verletzt habe und das Wetter einigermaßen gnädig zu mir war. Auch die zahlreichen Erlebnisse auf der Tour, die fantastischen Ausblicke auf die Berge ringsum, der Bär, die Rentiere, der Vielfraß, der Blick vom Skierffe und die Exkursion in den Sarek, sowie die verschiedenen Lichtstimmungen wollen mir nicht aus dem Kopf. Laut Berechnung habe ich in den 18 Tagen (waren ja eigentlich nur 17, da ich am ersten Tag nur von 16 – 18.30 Uhr gelaufen bin) um rund 230 Kilometer zurückgelegt, damit sind die 155km von der Tour vor zwei Jahren mit Markus mehr als nur überboten. Die Zeit schien mir genau richtig, habe Leute getroffen die nur 4-5 Tage zur Verfügung hatten und extrem hetzen mussten. Dann lieber so wie ich es gemacht habe, mit dem Wissen dass man sich voll auf die Umwelt einlassen kann.

Ich weiß jetzt schon, dass ich in einer Woche wieder total heiß sein werde aufs Wandern. Genau jetzt habe ich meine ganze Lust aufs Fahrradfahren zurückgewonnen, da war ich zu Beginn der Wandertour sehr froh endlich vom Drahtesel runter zu sein. Würde mir aber jemand jetzt anbieten morgen nicht zu fliegen, sondern die Strecke zurück nach Berlin mit dem Rad zurückzulegen, ich würde das Angebot sofort annehmen. So soll es aber auch sein, die Tour dann beenden wenn man überhaupt keinen Bock mehr drauf hat führt wohl dazu, dass man es nie wieder machen will. Ich hingegen plane im Kopf jetzt schon wieder Touren und überlege mir wo es hingehen könnte.

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