Gelaufene Kilometer: 8,1
Heute war einer der schrägsten Tage auf dieser gesamten Tour. Zeitweise sah es so aus als würde es im Fiasko enden, dann wendete sich das Blatt aber noch einmal.
Ich habe heute ausgeschlafen, nachdem ich die letzten beiden Tage so früh los bin. Erst gegen 9 Uhr war ich abmarschbereit, nahm mir dann aber Zeit für ein paar Fotos, da ich in der Früh einen schönen Blick zurück ins Basstavágge hatte. Ich bin dann am Fluss entlanggelaufen, was besser lief als erwartet. An bestimmten Stellen waren die Büsche jedoch über Kopfhöhe und es erforderte einiges an Kraft und Geduld, um sich in dem Gelände weiter vorwärts zu quälen. An einer Stelle habe ich meinen Stand verloren und habe mich auf den Hosenboden gesetzt, aber das gehört trotz Matsch leider dazu. Auch ging es ab und an wieder über Blockfelder, jedoch waren diese im Vergleich zu den vergangenen Tagen überaus harmlos.
Am Lulep Bastajåhkå entlang
Blick zurück ins Basstavágge, links ist noch die Einbuchtung ins Skájdásjvágge zu sehen, aus dem ich gestern abgestiegen bin.
Am östlichen Ende des Basstavágge bog ich gen Süden ab nach Rinim. Dabei hatte man einen schönen Blick auf den Namádis, der den Blick auf den großen See Sitojaure versperrte.
Ein paar Wegen folgen, die immer wieder im nichts endeten.
Links der Namádis, dahinter ist der Sitojaure versteckt.
Dieser kam dann ins Blickfeld als ich mich der kleinen Samenansiedlung genähert hatte.
Erster Blick auf den Sitojaure (der geht noch um die Ecke und ist wirklich irre lang). An der Wasserkante im Wald versteckt liegt Rinim.
Es war etwa 11 Uhr als ich in Rinim ankam. Auf der Karte sind 4-5 Hütten verzeichnet, ich nahm also an, dass ein paar Leute dort sein würden. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass als Hüttensymbol in der Karte auch der kleinste Geräteschuppen und das Waschhäuschen verzeichnet sind.
Von Rinim aus wollte ich mit einem Boot den langezogenen Sitojaure entlangfahren, es gibt einen Fährservice, der mich dann an der Sitojaure-Hütte, wieder auf dem Kungsleden, abliefern würde. Unklar war allerdings, wie man dieses Boot auf sich aufmerksam macht. An den Aktse-Hütten wusste man das nicht genau, so bin ich, ohne dass dieses Problem geklärt wurde, damals in den Sarek abgebogen. Ich hatte zwar eine Telefonnummer von der Bootsbesitzerin, allerdings war in Rinim und Umgebung erwartungsgemäß kein Empfang zu finden. Ich hatte gehofft, dass vielleicht ein stationäres Telefon mit Batterie (wie an der Anlegestelle der Fähre nach Kvikkjokk) irgendwo auffindbar wäre, aber auch hier Fehlanzeige.
Während ich also die letzten Meter nach Rinim zurücklegte sah ich ein Boot auf dem Wasser und hoffte, dies würde gerade auf den Bootssteg zuhalten. Leider hatte das Boot wohl doch gerade Rinim verlassen und verschwand als immer kleiner werdender Punkt auf der Wasseroberfläche.
Am Steg fehlt leider die Fähre.
Kalt, trüb und viel Nebel/Wolken-Gemisch.
Also beschloss ich, mich im „Dorf“ umzuschauen. Beide Wohnhäuser waren komplett ausgestorben, an der Eingangstür der größeren Hütte hing ein Post-It auf dem „Bin mit Wanderern unterwegs“ stand, jedoch keine Information zur Rückkehr, könnte also alles zwischen 2 Stunden und 3 Wochen heißen.
Bis dahin war es 12 Uhr geworden, ich hatte jetzt jedes Häuschen ausgekundschaftet, wusste dass ich mutterseelenallein in Rinim war und nun war ein weiteres Vorgehen irgendwie schwierig. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen heute bis zur Sitojaure-Hütte zu gelangen und so entspannt den letzten Abschnitt auf dem Kungsleden zurücklegen zu können. Was aber, wenn heute kein Boot mehr ankommt? Was wenn das Boot morgen nicht kommt? Am Ufer des Sitojaure kann man nicht lang laufen, das wären 15-20 Kilometer durch dickstes Gestrüpp.
Weil ich zu viel Zeit zum Grübeln hatte, merkte ich dann, wie bei mir die Panik einsetzte. Mithilfe der Landkarte und des Sarek-Reiseführers erarbeitete ich mir über die nächste Stunde einen Plan. Sollte kein Boot kommen, würde ich zurück in den Sarek kehren, dort nach Norden bis zum Liehtjitjávrre gehen und dann nach Osten abbiegen und mich bis Suorva durchkämpfen, dort wäre man wieder an der Straße wo der Bus abfahren würde. Das wären 37km durch den Sarek in 2 Tagen, zudem waren laut Guide viele „schwer zu kreuzende“ Flüsse im Weg, dabei hatte ich ja gestern schon meine liebe Not mit den „einfachen“ Flusskreuzungen. Alles nicht optimal, würde ein ganz schöner Gewaltmarsch werden, aber dadurch käme ich rechtzeitig zum Bus um meinen Flieger nicht zu verpassen. In der Stunde habe ich zahlreiche Routen auf der Karte durchprobiert, habe mir Abkürzungen überlegt, die sich zumeist als unmöglich rausstellten und mir innig gewünscht dass ein Boot kommt. Auch mein Proviant ging langsam zu Neige, 2 zusätzliche Tage im Sarek wären ganz schön anstrengend.
Da es immer wieder nieselte, ich nasse Füße und Schuhe von einem missglückten Schritt im Sumpf hatte und mir verdammt kalt war, habe ich mich auf die Veranda eines der beiden Wohnhäuser zurückgezogen und mich dort dem Luxus eines Stuhls hingegeben. Dort beschloss ich bis 19 Uhr zu warten und wenn bis dahin kein Boot angekommen ist, mache ich mich auf den Weg zurück in den Sarek, um heute schon 5-8 Kilometer Wegstrecke für den kommenden Tag zu kürzen. So war das rumsitzen auch keineswegs entspannt, ich merkte wie meine Konzentration beim Kindle-lesen immer wieder verschwand und mehre Male habe ich nochmal zur Landkarte gegriffen. Alles andere hatte bisher auf dieser Tour geklappt, dies war der einzige Punkt den ich noch offen gelassen habe und das schien sich nun komplett bei mir zu rächen.
Erleichterung trat erst ein, als um 16 Uhr plötzlich ein Motorgeräusch zu hören war und das vollgepackte Boot zurückkehrte. Die Bootsführerin hatte ihre Familie in Sitojaure abgeholt, nun liefen da mehrere Kinder und die Eltern eilig umher um das Boot zu entladen. Die Kapitänin sagte dann auch, dass um 8 Uhr heute Abend ihr Schwiegersohn kommen würde, der könne mich dann zur Sitojaurestugorna mitnehmen, ansonsten würde sie morgen früh mich fahren.
Die einzig reife Blaubeere, die ich auf der gesamten Tour finden konnte, nächstes Jahr gehe ich später los und lasse mir die Früchtchen nicht entgehen.
Die Frau war ziemlich forsch und forderte mich dann auch auf, mich bitte auf den zweiten Hügel hinter dem Haus zurückzuziehen. Sie haben wohl einige Touris in den Sommermonaten vor Ort und sie wollte nicht, dass ich Zeit in der Siedlung verbringe. Nur gut, dass ich mein ganzes Zeug zusammengeschmissen hatte und die Veranda verlassen hatte bevor sie aus dem Boot stieg, das hätte wohl einen ziemlichen Anschiss gegeben, wenn sie mich vor ihrem Wohnhaus im Gartenstuhl entdeckt hätte. Sie meinte sie würde mich holen, wenn das Boot käme, ich könnte auf dem Hügel in Ruhe mein Zelt aufbauen. Das habe ich dann auch gemacht, allerdings habe ich nur schnell das Außenzelt aufgebaut, da ein gewaltiger Regenschauer losbrach und ich nicht viel Zeit hatte. So lag ich nass und kalt auf dem Zeltboden, mir war jetzt mehrere Stunden lang kalt gewesen und zu allem Überfluss waren hunderte Moskitos auch sehr erfreut über den Regenschutz und leisteten mir so ungebeten Gesellschaft. Ich habe also versucht ein paar Stunden mit ungemütlichen Lesen und Hörbuch-hören zu überbrücken. Wenigstens hatte ich die Gewissheit, dass ich nicht unter Zeitdruck weiter durch den Sarek laufen muss.
Kalt, nass,
endlos viele Mücken, die mir Gesellschaft leisten,
und so ist die Stimmung entsprechend mau…
Um 20.30 Uhr hatte ich dann erstmalig auf dieser Wandertour die Regenhose an und machte mich durch den strömenden Regen auf den Weg zur Hütte, um wegen der Mitfahrt nachzufragen. Der Schwiegersohn war zwar bereits da, aber wollte wohl noch ein wenig in der Hütte bleiben. Er bot mir allerdings gleich an, dass die resolute Bootsführerin mich morgen früh nach Sitojaurestugorna fahren könnte, der Preis bliebe der gleiche.
Auch wenn dadurch der heutige Tag zeitmäßig komplett verschwendet worden war und es mir gegen den Strich ging hier noch eine Nacht zu verbringen, willigte ich schließlich ein. Machte ja auch keinen Sinn um 22 Uhr an der Sitojaure-Hütte anzukommen, dann noch ein paar Kilometer laufen zu müssen bis ich einen guten Zeltspot finde und das alles im strömenden Regen. Dann lieber morgen in Ruhe. (GROßER FEHLER, aber das sollte sich erst morgen rausstellen!) Also habe ich das Zelt diesmal richtig aufgebaut, mir mein Abendessen gekocht und mich dann endlich in den Schlafsack verkrochen, wo langsam die Körperwärme zurückkehrte. Schade dass wir dieses Vorgehen nicht um 16 Uhr schon abklären konnten, dann hätte ich das Zelt besser aufgebaut und wäre nicht wie auf Kohlen im Außenzelt gelegen und hätte auf die Abfahrt gewartet.
So blieb dieser Tag ein Tiefpunkt dieser Reise, wenigstens konnte ich noch einen schönen Regenbogen genießen und bin früh eingepennt. Morgen geht es dann wenigstens wieder auf den Kungsleden, bin mal gespannt wie schnell ich da vorankomme.