Tag 64 (Tag 12): Laitaure Fähranleger – Skierffe

Achtung, heute wird der Eintrag länger, zudem konnte ich mich bei den Myriaden an Bildern vom Skierffe nur schwerlich entscheiden, deswegen gibt es auch mehr Fotos.

 

Gelaufene Kilometer: 9,5

In der Nacht hat es weiter viel geregnet, zudem hat eine der Schwedinnen vom Abendessen gestern so laut im Zelt nebenan geschnarcht, dass ich erstmalig Ohropax aus dem Rucksack geholt habe. Da schläft man neben Flüssen, die laut sind wie Autobahnen, aber das menschliche Schnarchen nervt auf alle Fälle mehr! Das letzte Mal habe ich das Ohropax im Hostel in Kiruna gebraucht.

Frühstück gab es wieder in der Hütte mit den restlichen Hikern von gestern. Eilig hatte ich es nicht, musste ja eh auf das Boot warten. Kurz zuvor kam noch der Sarek-Experte von gestern an, der mich fragte, ob ich mitrudern will. Das ist aber eine amtliche Strecke über den Laitaure, da gebe ich lieber etwas Geld aus für die Motor-Fährfahrt.

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Im Motorboot bin ich wieder der einzige Mitfahrer, so kann ich aber die richtig zackige Überfahrt dazu nutzen, den Skierffe vom Wasser aus abzulichten und den Blick ins Rapadalen-Tal hoch zu genießen. Kein Wunder, dass es so schön war, nennt man das Gebiet nun auch die „Pforte zum Sarek“.

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Die “Pforte zum Sarek”. Tjahkelij links, rechts die vertikale Felswand des Skierffe und in der Mitte der kleine Nammásj, sowie die verschneiten Berge des Sareks dahinter.

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Nammásj

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Skierffe

Von der Anlegestelle geht es dann noch einen Kilometer bis zu den Aktse-Hütten, wo ich zeitig ankomme.

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Ankunft in Aktse
OLYMPUS DIGITAL CAMERABlick zurück über den Laitaure, welchen ich gerade per Boot gequert habe.

Dort habe ich versucht die beiden Hüttenwärter_innen auszuquetschen, wie die Situation derzeit im Sarek ist zwecks Wasserstand und Schneevorkommen. Dazu hatten sie leider recht wenig Ahnung, ebenso wussten sie nicht wirklich über die Fährfahrt von Rinim nach Sitojaure Bescheid, etwas, was mir Tage später ordentlich Ärger einbringen sollte – aber ich eile voraus, dazu komme ich noch.

Das Wort Aktse bedeutet übrigens „neun“, da hier am Berghang oberhalb den Hütten ein Steinblock steht, an dem angeblich neun Bären getötet wurden. (Claes Grundsten S. 54)

Gut, dass dem Bären vor Njunjes vor ein paar Tagen nicht das gleiche Schicksal ereilte.

Wenigstens meinen Essensvorrat konnte ich aufstocken, für den Sarek gab es 4 Tafeln Schokolade, Gummibärchen und Cracker. Ich saß dann länger in der Sonne vor den Hütten und habe dem geschäftigen Treiben zugeschaut. Faszinierend fand ich eine größere Deutsche Reisegruppe, die gefühlt eine Dreiviertelstunde brauchte, um in die Gänge zu kommen. Immer gab es ein „oh ich habe noch meine Regenjacke drinnen gelassen“ und ein „ich geh jetzt noch mal aufs Klo“, sowie ein „Ich hol jetzt doch noch mal den Müsliriegel aus dem Rucksack“. Würde mich ja absolut irre machen, da habe ich mich wirklich über das Allein-reisen gefreut. Ich entscheide selber wann es länger dauert und dementsprechend bin ich auch die einzige Person, auf die ich warten muss… 😉

Bis zum Skierffe war es ja eh nicht mehr so weit, so habe ich mich erneut mit dem Sarek-Spezialisten unterhalten, sowie ein tolles Tattoo bei einem weiteren Wanderer entdeckt.

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Würde ich mir so nicht selber zulegen, beschreibt aber den Urlaub ganz gut.

Der Aufstieg direkt nach den Aktse-Hütten war dann anstrengend und sehr, sehr heiß. Am Abzweig zum Skierffe noch mit einem Schweizer geredet, sowie zwei jungen Deutschen, die auf dem Nordkalottleden unterwegs waren und seit 2 Monaten laufen. So konnten wir Langstrecken-Infos austauschen!

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Anschließend bin ich das erste Mal auf der Hiking-Tour vom Hauptweg (erst Padjelantaleden, nun Kungsleden) abgebogen und habe mich nun auf den Trail zum Skierffe gemacht.

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Skierffe voraus

Der Weg war gut ausgeschildert und erkennbar, teilweise allerdings noch sehr sumpfig und zum Ende ging es noch auf den Bassoajvve hoch, was noch einiges an Kraftreserven forderte. Dann war aber auch der anstrengende Teil geschafft und der Blick dauerhaft ins Delta entschädigte für alle Mühen.

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Blick zurück zu den Aktse-HüttenOLYMPUS DIGITAL CAMERA
Die Ausläufer des Deltas, welche in den Laitaure strömen.

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Nach der Überquerung des Bassoajvve. In diesem Foto blickt man auf den Rücken des Skierffe, der weit weniger steil ist als die Vorderseite, und daher ohne größere Anstrengung zu erklettern.

Habe mit einer jungen Schwedin geredet, welche die vergangenen Jahre auf dem Kungsleden unterwegs war, und sich nun in den Sarek wagen wollte, davor aber ebenso den Skierffe bestieg. Witzigerweise sollte ich sie am letzten Tag in Saltoluokta wiedersehen, sie hat sich mit dem Sarek-Experten zusammengetan und die beiden waren zusammen durch den Sarek gestiefelt.

Am Fuße des Skierffe habe ich mein Zelt aufgeschlagen, da kam nämlich genug Wasser aus einem Schneefeld, und auch sonst bot der Platz alle Annehmlichkeiten, die man brauchte. Schließlich wollte ich ja das Zelt den folgenden Tag aufgebaut lassen und vor Ort bleiben, da war es auf alle Fälle praktisch nicht jedes Mal einen Kilometer zum Wasser zurücklegen zu müssen.

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Mein absolutes Lieblingsgewächs im Fjäll: Wollgras!

 

Nach dem Aufbau habe ich alles vom Rucksack ins Innenzelt verfrachtet, was ich nicht für die Skierffe-Besteigung benötigt habe. So konnte ich mich mit einem phänomenal leichten Rucksack an den letzten Aufstieg machen. Den Rucksack spürte man so gar nicht, ich flog fast die Anhöhe hinauf. Dabei war der Anstieg gar nicht so flach, und sehr steinig. Zudem habe ich den Weg immer mal wieder verloren und bin deswegen frei Schnauze hoch. Jedoch war ich schneller als erwartet oben und der Blick war genau das, was ich mir erhofft hatte, als ich vor 2 Jahren erstmalig Fotos davon gesehen habe: Absolut ehrfürchtig stand ich auf dem Gipfel und vor mir breitete sich ein Panorama aus, an dem sich die Augen nicht sattsehen konnten.

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Panorama von der Felskante des Skierffe

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Blick in westliche Richtung, Nammásj und die schneebedeckten Gipfel des Sarek, sowie der weitere Verlauf des Tals RapadalenOLYMPUS DIGITAL CAMERA
Wo das Delta des Rapadalen im Laitaure aufgeht.

Das Flussdelta erstrahlt in den verschiedensten blau/braun/schwarz/türkis-Tönen, der Wald und die Sumpflandschaften bieten eine Vielzahl an Grüntönen und genau gegenüber blickt man auf die Felswand des Tjahkelij, der wie eine Kiste in der Landschaft steht. Der kleine Nammásj, der eigentlich gar nicht so klein ist, aber über 400m unterhalb des Skierffe endet, erinnert an einen Duplo-Block, den irgendwer achtlos in die Landschaft gestellt hat.

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Umrahmt wird all dies von den weiteren Gipfeln in Sarek-Richtung. Nahezu alle mit Schneemütze auf, teilweise sieht man Wasserfälle blitzen.

Aus dem Stand springt dieses Panorama in die Top3 meiner bisherigen Erlebnisse, außer dem Blick vom Reinebringen auf das Städtchen Reine (Lofoten) kann ich mich an keine Landschaft erinnern, die mich so geflashed hat, wie vom Skierffe ins Rapadalen zu blicken. Einfach alles passt in dem Moment, es scheint die Sonne, welche das Wasser glitzern lässt und bei blauem Himmel ist auch die Fernsicht beeindruckend. Der Fluss hat sich in viele verschiedene Arme aufteilt, man entdeckt immer wieder neue Seen und Sedimentfarben. Gefesselt stehe ich am Gipfel und kann den Blick einfach nicht abwenden.

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Das Rapadalen-Delta am Fuße des Skierffe „misst etwa 10 km² bei eine Länge von etwa 7 km und einer Breite bis zu 2 km. Es ist das größte Delta im schwedischen Fjäll und es wächst schneller als die meisten anderen. Der Fluss lagert jedes Jahr etwa 185.000 Tonnen Sediment ab.“ (Claes Grundsten S. 58f.)

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Auch mein weiterer Weg in den Sarek hinein ist ganz gut sichtbar, ich kann so in der Realität den Weg aus dem Reiseführer abgleichen. Gen Norden (Richtung Saltoluokta) sieht die Landschaft sehr eben aus, man kriegt richtig ein Gefühl für die Hochebene.

Spannend ist auch ein Blick über die Abbruchkante des Skierffe, steht dieser doch wie eine Nadel in der Landschaft. An der Kante geht es knappe 700m nach unten, davon die ersten 300-400m wirklich vertikal. Ich saß recht bald auf einem großen Stein an der Kante und der Blick nach unten erzeugte selbst bei mir, der sich bisher absolut Schwindelfrei schimpfte, ein Gefühl von Vertigo.

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Da kann einem schon mal leicht mulmig werden.

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Traumziel erfüllt!

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Die Bäume im Tal repräsentieren etwa den Maßstab einer Modelleisenbahnlandschaft, sofern sie aus dieser Höhe betrachtet werden. Dauerhaft halte ich nach Elchen Ausschau, auch wenn ich bezweifle, dass ich sie tatsächlich entdecken würde, dafür sind sie einfach zu klein. Selbst das Motorboot, welches ins Delta hinauffährt kommt mir wie ein kleines Modell vor.

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Um die Dimensionen zu verstehen: Das hier ist die selbe Fähre, in der ich heute Morgen saß, und die nun Wanderer zum Nammásj fährt.

Am Gipfel blieb ich knappe 4 Stunden, immer gibt es was Neues zu entdecken. Teilweise blieben nachkommende Wanderer nur 5-10 Minuten auf dem Gipfel, mitunter schien es als würden die ein Häkchen an ihre Bucketlist machen: „Einmal auf dem Skierffe stehen“-CHECK, schnell ein Selfie und wieder runter. Ich hingegen beobachte die Spiegelungen in den Seen und auch die vorbeiziehenden Wolken.

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Spielerei mit der “Spiegelungsfunktion” meiner Handykamera

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Spielerei mit der “Spiegelungsfunktion” meiner Handykamera. Plötzlich gibt es zwei Duplo-Steine 😉

Eine Mutter mit ihren zwei jugendlichen Kindern sorgte für eine gelungene Abwechslung. Sie hatte so starke Höhenangst, dass sie sich auf dem Bauch liegend im Schneckentempo an die Kante wagte, währenddessen sprangen ihre Kinder herum machten zahlreiche Fotos und amüsierten sich köstlich über die Mama. Sie dagegen schrie nur „geht ihr wohl vom Rand weg, wehe ihr passt nicht auf!“.

Ich glaube, man kann mir meine Begeisterung für diese Bergspitze wirklich anhören, solltet ihr es im Leben je in die Gegend schaffen, klettert da auf alle Fälle rauf! Vom Gipfel habe ich auch ein Foto von meinem Zelt gemacht, so weit war ich noch nie davon entfernt. Mal wieder wünsche ich, ich hätte ein rotes Zelt, dass würde schönere Fotos liefern.

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Suchbild: Wo ist das Zelt!

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Auflösung

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Blick zurück zu den Aktse-Hütten

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Blick auf den Laitaure

Die Lichtstimmung veränderte sich konstant, währenddessen habe ich mir oben mein Mittagessen gekocht und saß schlussendlich mit meinem Kindle in einer Kuhle und habe es genossen der einzige Mensch auf dem Gipfel zu sein. Aus der Richtung der Pårte-Hütte sah man, dass der Himmel immer weiter zuzog und es dunkler und dunkler wurde.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAHier sieht es noch relativ sonnig aus, das sollte sich aber schnell ändern.

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Regen im Anmarsch

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Meine Hoffnung, dass die Regenwand abdrehen würde, bestätigte sich leider auch nicht, immer weiter zog die schwarze Front auf den Skierffe zu. Schließlich reiße ich mich los, als der Regen schon am Tjakhelij zu erkennen ist.

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Schnell weg!

Der Abstieg wurde dementsprechend ein wenig flotter, leider hatte ich mich jedoch verpokert. Als ich im Flachen ankam, setzte ein gigantischer Platzregen ein, und die 5 Minuten zurück zum Zelt reichten, um mich komplett zu durchnässen. 5 Minuten früher losgegangen und ich hätte das Gewitter gemütlich im Zelt aussitzen können. Auch die Wäsche, die ich am Zelt zum Trocknen zurückgelassen hatte, war tropfnass. Das Außenzelt meines MSR-Zelts geht auch nicht bis ganz zum Boden, dadurch springen auftreffende Regentropfen teilweise am Innenzelt empor, was dazu führt, dass das Innenzelt ziemlich dreckig und nass wird. Dennoch habe ich das Beste aus dem Regen gemacht, und mich einfach lesend in meinen Schlafsack verkrochen.

Abends koche ich mir noch Pasta und kann dann auch wieder raus, nachdem der Regen sich verzogen hat.

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Blick vom Zeltplatz auf den Skierffe. Über die Rückseite ist er also leicht zu erwandern, würde man so gar nicht denken, als man heute früh die Fotos von der aufragenden Steilwand sah.

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Mit dem Wissen, das morgen endlich Ruhetag ist, kann ich das Rumliegen viel mehr genießen und merke wirklich wie ich physisch und psychisch total entspannen kann. Nehme auch an, dass meine Füße ein wenig ausheilen werden. Habe Lust morgen noch mal auf den Skierffe raufzuklettern, werde das aber je nach Wettersituation entscheiden. Einziges Problem am Rumliegen: Der Körper hat genug Zeit sich zu beschweren. Bei mir klingt dass dann zu 100% so: „Ey, jetzt aber… schieb endlich Essen nach, ich habe H-U-N-G-E-R!“ So habe ich heute Abend dann auch die halbe Gummibärchen-Packung, die dreiviertelte Cracker-Packung und eine halbe Tafel Schokolade verzerrt  und das Hungergefühl ist immer noch genau so stark wie zuvor.