Tag 60 (Tag 8): Nördliche Brücke vor der Sammarlappastugan – Luoppalsee

Gelaufene Kilometer: 18,2 (der längste Tag der Tour!)

Heute Nacht hat es viel geregnet, aber ich habe ganz gut durchgeschlafen, da es nicht so windig war. Bei grauer Bewölkung bin ich aufgewacht und nach einem langweiligen Müsliriegelfrühstück, an das ich mich einfach nicht gewöhne, habe ich gepackt und mich auf den Weg gemacht.

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Ausblick heute früh: Eher nebelig, die Bergspitze ist nicht mehr zu sehen

Am Anfang war alles sehr feucht, an all den Bäumen hing Wasser und jedes Mal, wenn man mit Büschen in Kontakt kam, perlte das ganze Wasser auf die Hose ab.

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Ich bin trotzdem mutig im T-Shirt losgelaufen und schon bald zeigte sich die Sonne wieder. Der Weg war anfänglich ok, es gab allerdings zahlreiche Bohlen, die besonders rutschig waren, und wo es mich zu Beginn fast mehrmalig auf den Hosenboden gesetzt hätte. Zudem ging es wieder sehr hügelig auf und ab. Jedoch wechselten sich heute ein paar Freiflächen mit dem dichten Wald ab, so konnte man einen Ausblick auf die Umgebung erhaschen.

Ich war dann recht zeitig an der Sammarlappastugan und bin mit der netten Hüttenwärtin ins Gespräch gekommen. Da gerade ein großer Personalwechsel an den Hütten stattgefunden hatte, die vom schwedischen Touristenverband (STF) geführt wurden, war sie selbst mit ihrem Mann erst seit 2 Tagen vor Ort. Sammarlappa ist somit auch die erste STF-geführte Hütte, die bisher besuchten Hütten waren von den Sami bewirtet. Ich habe ihr gleich ein wenig Schoki und Erdnüsse abgekauft, saß dann gemütlich auf der Holzbank und habe das Wetter genossen.

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Die Stuvgard war sich sicher, einen Seeadler gesehen zu haben und hat schnell von drinnen die Ferngläser geholt, wobei sie mir eins davon dankenswerterweise abgegeben hat. So ließ sich auch aufklären, dass der Seeadler in Wahrheit von einem kleineren Vogel durch das ganze Tal gejagt wurde, vermutlich um den eigenen Nachwuchs zu schützen. Immer wieder beeindruckend, wie sich die kleinen Vögel todesmutig den Adlern entgegenstellen, das habe ich bereits auf der Radtour ein paar Mal beobachten können.

Leider weiß ich immer noch nicht welchem Berg ich gestern Abend beim Zelten das fantastische Panorama zu verdanken habe, könnte neben dem Rivggonjunnje, mit dahinterliegendem Juovvabuollda auch der Tjievrak gewesen sein. Schön war jetzt bei der Sammarlappastugan auf den Vuoksákvahta zu blicken, der eine beeindruckende Steilwand darstellt.

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VuoksákvahtaOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Nachdem ich mich endlich sattgesehen hatte und mich losreißen konnte, bin ich weiter. Der Weg führte mich immer in Flussnähe weiter durchs Tal, wobei der Weg teilweise fies steinig war und man das Tempo drastisch reduzieren musste. Auch wurde es ab und an doch sehr schlammig. Bereits um halb eins habe ich auf einer Freifläche angehalten, wo der Wind die Mücken vertrieb und habe mir in Ruhe ein paar Nudeln zubereitet. Anschließend weiter gestapft, immer an den schönen Steilwänden der Berge entlang.

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Das Tarrekaise-Massiv kam immer weiter ins Sichtfeld und ließ sich gut fotografieren. Man merkt, dass deutlich weniger Schnee auf den Bergen liegt, alles ist weitaus grüner. Dies als logische Folge dessen, dass ich deutlich tiefer unterwegs bin, als zu Beginn des Padjelantaleden, zudem wird die Sonnenkraft der letzten paar Tage auch eine Rolle dabei gespielt haben.

Irgendwann heute gab es zwei Müsliriegel, die ich bereits zu Ostern aus dem mütterlichen Care-Paket gefischt hatte, und mit Schoko-Heidelbeere auch nach einer gehörigen Abwechslung zu den Standard-Müsliriegeln der vergangenen Tage klangen. Erst als ich auf der Verpackung tatsächlich “low-carb” entdeckt habe, wollte ich schreien. Da schleppe ich 70gr. Müsliriegel durch die Gegend, habe einen gewaltigen Hunger, und dann sind die Teile auch noch Kalorien-reduziert. Nicht fair! 😀 Lecker waren sie zum Glück trotzdem.

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Als ich dann die Tarrekaisestugan erreichte, habe ich mich zu einem netten Gespräch mit einem deutschen Pärchen auf die Holzbank gesetzt. Irgendwann waren wir sogar bei einem politischen Gespräch über Erdogans Autokratie angekommen, zudem konnte ich von meiner Nordkappreise berichten, und da die beiden schon öfters im Gebiet unterwegs waren, gab es Tipps zum Nordkalottleden und weiteren Wanderwegen in der Nähe.

Die Hüttenwärtin samt Kleinkind war sehr nett, auch sie waren gerade erst auf der Hütte eingetroffen. Der Kleine hatte ziemlich zu leiden, da reguläre Mückenmittel nicht für Kleinkinder geeignet sind. So kann ich nur hoffen, dass er bald gegen die Mückenstiche abhärtet.

Es war zwar schon viertel vor fünf, trotzdem bin ich erneut aufgebrochen, um noch ein paar Kilometer hinter mich zu bringen. Eigentlich wollte ich nicht sonderlich weit, allerdings kam dann weit und breit keine Freifläche mehr, auf die ich mein Zelt hätte aufbauen können. Dies war jedoch alles Teil einer glücklichen Fügung, wie folgendes Ereignis zeigt:

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Als es entlang der Steilwand ging, die in der Karte mit „Hilldo“ vermerkt ist, hörte ich plötzlich ein Rascheln und blickte schnell vom Boden auf. Und statt dem erwarteten Rentier oder Elch stand nun 20-25 Meter vor mir plötzlich ein Braunbär auf dem Wanderpfad und starrte mich an! Dieser verschwand blitzschnell im Unterholz und nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Mama-Bär nicht hinter mir lauerte, riss ich meine Kamera aus der Tasche und versuchte einen erneuten Blick auf den Bären zu erhaschen.

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Und tatsächlich, dieser stellte sich perfekt beim Übergang Wald zu Steilwand auf eine Lichtung zwischen all den Bäumen und schaute mich interessiert an. Er wartete sogar, bis ich von Standard- auf Teleobjektiv gewechselt hatte und erst nachdem ich ein paar Fotos geschossen hatte, trabte er davon. Das war wirklich eine perfekte Fügung, viel zu einfach wäre es gewesen, den Bären im dichten Gestrüpp zu verlieren und jede Chance auf ein brauchbares Foto zu verlieren. Stattdessen stellte er sich noch so seitlich hin, dass ich ihn im Profil fotografieren konnte.

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Diese Begegnung bedeutet mir so viel. Auch wenn ich wirklich kein Wald-Fan bin und heute und gestern viel geflucht habe, dass ich durch den dichten, stickigen, mückenreichen Wald stapfen muss, in dem Moment war es das alles Wert. Bärensichtungen in der Gegend sind vergleichsweise selten. Ich habe mit mehreren Wanderern geredet im Verlauf der nächsten Woche, keinem davon ist bisher ein Bär begegnet, und dass obwohl manche davon seit 20 Jahren in der Gegend wandern. Von den Hüttenwarten hatte ich erfahren, dass vor einer Woche mal ein Bär gesichtet wurde, es gibt wohl zwei in der Gegend, eine Mutter und ihr zweijähriges Junges. Dass ich diesen aber wirklich erblicke freut mich ungemein. Da es klar war, dass der Bär nicht wieder zurückkehrt bin ich weiter gelaufen.

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Es kamen einfach keine Zeltplätze und obwohl ich total platt war, lief ich beschwingt und mit einem Grinsen im Gesicht weiter. Schließlich erbarmte sich der Wald doch noch und zeigte mir eine schöne Zeltstelle direkt am Wasser, wo zuvor schon andere Wanderer einen Bereich freigeräumt und eine Feuerstelle eingerichtet hatten. Nach dem Zeltaufbau habe ich mich auf einen Stein am See gesetzt und die Füße im Wasser gekühlt.

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Heute Nacht verzichte ich auf jegliches Risiko. Das Essen verbringt die nächsten 12 Stunden außerhalb meines gemütlichen Zeltes an einem Baum hängend. Nur für den Fall, das Meister Petz doch wieder zurückkehrt.

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Badestelle direkt neben dem ZeltOLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERA

Der weitere Abend verläuft entspannt, es gibt leckere Brokkoli-Nudeln (wie immer: Portion zu klein!), Schokolade von der Hütte und einen wahnsinnigen Blick auf den See, hinter dem der Berg Staika im Sonnenlicht erstrahlt.

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Staika im Abendrot

Dieser ist mit 1800m deutlich höher als die umliegenden Berge und sticht deshalb wirklich hervor. Im roten Schein des Sonnenuntergangs sieht dieser wirklich malerisch aus. Da läuft man den ganzen Tag durch dichten Wald und Abends läuft mir nicht nur ein Bär vor die Kamera, nein ich werde auch noch mit einem solchen Blick verwöhnt.

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Morgen ist es nur noch einen Steinwurf bis zur Njunjes-Hütte, danach geht es weiter bis Kvikkjokk. Um den Ort zu erreichen muss man eine Fähre in Anspruch nehmen, vermutlich werde ich also am Fähranleger übernachten.