[Tag 5] Aussichtsplattform – Khorogh

12. Juli 2019: Von der Ausblicksplattform nahe Poshkarv bis Khorogh
~20 Kilometer und 780 Höhenmeter mit dem Fahrrad. 150km per Anhalter mit einem Jeep.

 

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Die Nacht verlief so schecht wie noch keine Nacht davor auf dieser Reise. Wenigstens wurde ich nicht entdeckt, meine Anwesenheit hat niemanden gestört, sprich es kam nachts keine tadschikische Truppe Grenzsoldaten um mich zu verjagen. Dafür hatte ich dutzende LKWs, deren Fernlicht mich wach hielt, da diese die ganze Nacht an mir vorbei donnerten. Bereits Abends hat ein unglaublicher Wind eingesetzt, und da ich nur auf meiner Isomatte neben der Parkbank lag, blies es mir die ganze Nacht den Staub von der nichtasphaltierten Straße und den umliegenden Hängen entgegen. Und so schlimm dieser Staub tagsüber beim Fahren ist, ich hatte in der Nacht mehrmals das Gefühl ich bekomme überhaupt keine Luft mehr. Nur warmer Staub, der sich in der Lunge absetzt. So blieb mir nichts anderes übrig als mit Schlauchtuch über dem Gesicht da zu liegen, was sich ziemlich beengend anfühlte, schon allein bei den Temperaturen. Wenn ich doch mal für 10 Minuten wegnickte, dann verbunden mit komischen, gehetzten Träumen, wie in einem Art Fiebertraum. Im Traum fehlte mir immer eine tadschikische Genehmigung für irgendetwas oder ich hatte die falsche Abbiegung genommen. Insgesamt hatte ich so, wenn es hoch kommt, heute also etwa eine Stunde unentspannten Schlaf.

Apropos hoch kommen: Nach einem frühen Aufstehen saß ich missmutig auf der Picknickbank und Wellen der Übelkeit rollten über mich hinüber. An Frühstück war nicht zu denken. Nach zwei Minuten schaffte ich es gerade noch so eine Wasserflasche zwischen meinen Ortlieb-Taschen herauszuziehen, bevor ich schon zum Abhang lief und die gestrigen baked beans vom Abendessen dem Panj-Fluss zurückgab. Auch wenn es mir danach ein wenig besser ging, es blieb das Ärgernis darüber, dass das gestrige Abendessen wieder nicht zur Kalorienaufnahme getaugt hatte, wo ich doch momentan eh kaum etwas zu mir nehme.

Zum Start des Tages geht es gleich steil bergauf auf miesester Strecke, so dass ich mich nach fünf Kilometern bereits kräftemäßig ausgezerrt fühle. Es war anstrengend, laut, dreckig und staubig, zudem schwierig sich um die ganzen Schlaglöcher und das lose Geröll herum zu manövrieren.

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Staubig und heiß, schlechte Straße und viele Höhenmeter

Im ersten Dörfchen nach zehn Kilometer Wegstrecke treffe ich die beiden Spanier von gestern wieder. Während ich neben ihnen stand, schaffte es mein Rad so in Richtung des Fahrradständers umzuknicken, dass schließlich die Schrauben abbrachen und das Rad ohne Ständer umfiel. Nun, das Rad steht schon seit Tagen ziemlich schräg und mit der großen Zuladung war es leider nur eine Frage der Zeit bis etwas passiert. Da half auch das tägliche Schraubenfestziehen nichts. Der Rahmen ist zwar an der Ständerbefestigung ein wenig geknickt, ansonsten aber nicht beschädigt. Und ich darf in kommender Zeit das Rad immer gegen einen Baum/Stein lehnen oder auf den Boden ablegen. Nervig!

Ich habe den Spaniern dann mein körperliches Leid geklagt, es stellte sich heraus dass einer der beiden wegen Übelkeit und Erbrechen in Duschanbe beim Arzt war. So bekomme ich vom Spanier einige obskure Pillen und Tabletten geschenkt, die teilweise indischer, teilweise russischer Produktion zu entstammen scheinen. Der Spanier betont dann noch, dass die wohl “pretty heavy shit” sein, und man von den Tabletten wohl ganz schön ausgeknockt werde. Aus diesem Grund entschließe ich mich die Medizin nicht gleich einzunehmen, sondern mitzuführen, ein wenig tragen sie aber zu meiner Beruhigung bei.

Ab dem Ortsausgang ging es einen steilen Hang hinauf, nur um anschließend wieder zum Fluss zurückzukehren, gerade rechtzeitig um erneut steil aufzusteigen. Die Straße besteht zu 80% nur noch aus Schotter, und ich zuckele bei 12 Prozent Steigung auf einem Schotter-Sand-Gemisch nach oben, während mir alle vorbeifahrenden LKWs die volle Ladung Diesel-Staub-Gemisch ins Gesicht blasen. Am unangenehmsten ist die trockene Mundschleimhaut. Ich muss stellenweise würgen weil die Schleimhaut so trocken und staubig wird. Da hilft nur anhalten und einen kleinen Schluck trinken oder mit Wasser zumindest den Mund ausspülen, dann geht es wieder für ein paar Minuten.

All dies zerrte gehörig an mir, zudem fühlten sich die Beine heute so leer an, wo ich sie doch brauchte um über längere Zeit im zweiten Gang die Piste hochzukurbeln. Mein Körper schrie mich förmlich mit jeder Kurbelumdrehung an, nun endlich aufzuhören und eine Pause zu machen. Teilweise gehe ich wieder dazu über das Rad zu schieben, einfach um eine andere Belastung zu erfahren und die Beine ein wenig zu entlasten. Teilweise verkrampfen sich die Beine wieder in bestimmten Positionen und fühlen sich dann fast wie verankert an. Mir bleibt dann nur übrig die Beine unter höllischen Schmerzen in eine andere Position zu bringen und zu versuchen den Schmerz weg zu massieren. Und zu allem Überfluss ist mir immer noch kotzübel.

In einem besonnenen Moment analysiere ich meine Situation möglichst rational: Macht mir die Fahrt gerade Spaß? Nein, denn auch wenn die Ausblicke fantastisch sind und die Bekanntschaften in den Orten toll, der Rest macht keinen Spaß und das bereits seit dem ersten anstrengenden Tag in Kulob vor nun fünf Tagen. Die gnadenlose Hitze, verbunden mit meiner Appetitlosigkeit und Übelkeit führen dazu dass meine Kraftreserven nahezu vollständig erschöpft sind. Aber ohne Kraft auch keine funktionierende Radtour.

Ich bin mir nun sicher, diesen Umstand beheben zu müssen, wenn ich die Reise genießen will. Und die einfachste Möglichkeit zur Erleichterung besteht darin die kommende Strecke zu überspringen, auch weil der Straßenbelag bis Khorogh nun unfassbar mies bleiben soll. Somit wäre es schlüssig mich bis Khorogh mitnehmen zu lassen. Ich bin sehr unsicher was diesen Plan angeht, schließlich habe ich auf dem Nordkapp-Trip keine Kilometer übersprungen und es fühlt sich auch hier falsch an “abzukürzen”. Dennoch, es erscheint mir vernünftig, ich beginne nun Jeeps und Transporter anzuhalten. Die ersten Beiden fuhren nicht nach Khorogh, der andere war bereits voll belegt. Schnell merkte ich das Transporter/Minivans nicht erfolgsversprechend sind, diese sind teilweise mit 12 oder mehr Personen auf den 7 Sitzen gefüllt, und fahren keineswegs leer hier lang.

Besser wäre es einen nicht vollbesetzten Jeep anzuhalten. So halte ich bald schon einen neu aussehenden Toyota Landcruiser an, in dem nur Fahrer und Beifahrer saßen. Und der Beifahrer sprach auch noch passabel Englisch, umso besser. Als ich ihnen meinen Fall geschildert hatte, viel auf einen verdorbenen Magen und schwache Beine rekurrierte, hatte ich unerwartet schnell die Zusage, dass sie mich nach Khorogh mitnehmen würden. Unglaublich, keine 20 Minuten stehe ich hier und versuche eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren. Und eine Mitfahrt für eine Person ist ja das eine, für eine Person mit all meinem Gepäck und einem Fahrrad aber etwas ganz anderes.

Wir standen an einer Anhöhe, der weitere Weg war schlecht einsehbar und entgegenkommende Fahrzeuge wären auch ungut gewesen. So verladen wir in einer Hau-Ruck-Aktion schnell das Fahrrad mit abmontierten Taschen in den Jeep. Das Vorderrad muss abmontiert werden, sonderlich zärtlich war die Behandlung des Fahrrads weder durch den Fahrer noch durch mich in dem Moment, doch außer einer zerstörten Klingel am Lenker bleiben keine weiteren Schäden bestehen.

Nicht mal 5 Minuten nachdem ich den Jeep angehalten habe sitze ich schon auf der Rückbank und kann erstmalig durchschnaufen. Wir rasen die Straße entlang und ich merke, mein Gehirn kommt bei der Geschwindigkeit einfach nicht mehr mit. Dieses mühelose Entlanggleiten, besonders wenn es an steile Passagen geht. Welch Wonne!

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Die jetzigen Ausblicke aus dem Seitenfenster
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Die Landschaft bleibt weiterhin beeindruckend
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Hier sieht man wie auf afghanischer Seite der Weg mit Mühe den Bergen abgewonnen wurde

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Erneute Brückenverbindung nach Afghanistan, auch hier militärisch abgesichert und unpassierbar.

Der Beifahrer fragt mich dann irgendwann, ob ich wisse wer er sei, was ich natürlich verneinen muss. Er behauptet dann, er sei der Gouverneur der autonomen Region Gorno-Badachstan (GBAO), in der ich mich seit meiner Ankunft am Bergpass nach Kulob befinde. Er sei wohl gestern für Regierungskonsultationen in Duschanbe gewesen und fahre nun wieder zurück zu seinem Büro in Khorogh.

Bullshit denke ich mir, das ist sicherlich nur Geplapper um mich auf den Arm zu nehmen. Nach einigen Kilometern halten wir auf einen Polizei/Militärcheckpoint, die es hier in einer ganz schönen Häufigkeit gibt. Siedend heiß fällt mir ein, dass mein Visum in einer Ortlieb-Tasche liegt, die nun unter dem Fahrrad im Kofferraum begraben ist. Nun, hilft nichts, dann werde ich eben gleich aussteigen und kramen müssen.

Als der Polizist am Checkpoint jedoch das Auto erkennt, hebt sich die Schranke ganz schnell nach oben und wir fahren am stramm stehenden und salutierenden Polizisten vorbei. Sollte doch etwas dran sein an der Gouverneurs-Geschichte?

Nun, nach drei durchfahrenen Checkpoints, wo wir jedes Mal an der Autoschlange vorbeidüsen und mit militärischen Ehren empfangen werden, gebe ich meine Vorbehalte über die berufliche Laufbahn des Mannes vor mir auf dem Beifahrersitz auf. Verrückt, ich sitz im Auto des Gouverneurs! Nur um das mal perspektivisch einzuordnen: Gorno-Badachstan ist eine autonomes Gebiet in etwa derselben Größe Bayerns. Sie haben in den 90er Jahren einen blutigen Bürgerkrieg gegen die Zentralregierung in Duschanbe geführt, bei dem je nach Schätzungen zwischen 30.000-60.000 Menschen ums Leben kamen. Und nun nimmt eben jener Gouverneur mich verlotterte Person samt öligem und staubigem Fahrrad 150 Kilometer in seinem Auto mit. Könnt ihr euch vorstellen, dass Markus Söder in seinem Audi A8 neben mir zum Stehen käme und mich fröhlichst mitfahren ließe? Nein, ich auch nicht.
Hier sieht man den netten Herren übrigens in Aktion:
https://asiaplustj.info/en/news/tajikistan/power/20190329/gbao-governor-elected-deputy-speaker-of-tajikistans-upper-house-of-parliament

So habe ich aber die Gelegenheit ein wenig über die politischen Gegebenheiten in GBAO zu erfahren, zudem ist der Gouverneur ein begeisterter Deutschland-Tourist, er schwärmt mir sogleich von seinen Besuchen in Berlin, Leipzig und München vor. Auch unser fahrbarer Untersatz ist eine Abwechslung zu den zahlreichen klapprigen Minivans. Der Toyota Landcruiser macht kurzen Prozess mit den Straßen, auch wenn diese weiterhin wirklich katastrophal schlecht sind. Apropos schlecht, mir ist immer noch ziemlich übel und da hilft es nicht, dass unser Fahrer wie ein Verrückter mit über 90km/h auf einer schmalen Schotterpiste neben einem reißenden Fluss entlangfetzt. Ruckartige Bremsmanöver runter auf 10km/h wechseln sich ab mit starker Beschleunigung um doch noch zwischen LKW und Felswand hindurch zu flitzen. Die erste halbe Stunde schaute ich stoisch aus dem Fenster, krallte mich an meinen Sicherheitsgurt und versuchte durch Anti-Kotz-Mantra und Atemübungen den Landcruiser nicht zu beschmutzen. Und doch machte sich Erleichterung breit: All meine Sorgen vor dem Auto-Anhalten, ob das jetzt Schummeln wäre, ob ich mich nicht lieber durchkämpfen sollte, all das hat sich in dem Moment aufgelöst, als ich im Auto saß! Ich war (und bin) fest davon überzeugt: Das war die richtige Entscheidung.

Hier ein kleiner Einblick in das halsbrecherische Tempo auf schlechter Straße:

 

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So sieht Erleichterung aus!

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Mein Fahrrad verunreinigt derweil den Kofferraum

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Die Berge scheinen immer massiver und höher zu werden
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Hochalpin
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Schnee bis an den Fluss ran.

Als mir der Gouverneur um 11.30 Uhr aus der Mittelkonsole sogar ein Raffaello anbietet, fällt mir auf, dass dies die erste Nahrung ist, die ich heute zu mir nehme. Dabei bin ich vor dem Jeep bereits knappe 20 Kilometer Rad gefahren. Also eindeutig zu wenig Nahrung, besonders für einen Menschen der jetzt seit 5 Tagen ununterbrochen sportliche Betätigung unternimmt. Dann doch lieber mit dem Auto fahren, so kann ich mich in Khorogh wieder ein bisschen erholen und warten bis es mir besser geht.

Als wir das überaus stattliche Anwesen des Gouverneurs außerhalb Khoroghs nach ca. 3 Stunden Autofahrt erreichen, bin ich schon drauf und dran mein Fahrrad auszuladen um die verbleibenden 10 Kilometer bis in die Stadt mit Muskelkraft zurück zu legen. Doch der Gouverneur verneint mir diese Anstrengung schnell, er hat seinen Fahrer bereits gebeten mich noch bis zu meinem Hotel in Khorogh zu fahren. Dort angenommen lehnt dieser mehrmals höflichst ab, bis ich ihn endlich überzeugen kann, meinen 100 Somoni Schein (=10€) anzunehmen. Wäre ja noch schöner, da verwandele ich sein schickes gepflegtes Auto von der Optik her in eine Kiesgrube und er nimmt keinerlei Dankesgeschenk an. Während der Autofahrt ist mir zum Glück gerade noch rechtzeitig aufgefallen, dass meine Getriebeschaltung fröhlich Öl verlor, doch eine Plastiktüte als Unterlage verhinderte Ölflecken auf dem Autositz.

Das erreichte Hotel Zarya war eine Empfehlung von einem Bekannten aus meinem Rad-Forum und war wirklich klasse. Der nette Besitzer buchte mich schnell in ein Doppelzimmer mit Blick auf den Fluss um, denn im Einzelzimmer sei gerade die Dusche kaputt. Endlich mal ein Hotel, das den Namen vollends verdient, nachdem Hotel Roma in Kalai-i-Khum sich ja wirklich als miserabel rausgestellt hatte. Endlich ein sauberes Zimmer für mich alleine. Eine funktionierende Dusche für mich alleine. Eine Toilette, kein Hockklo, für mich alleine. Und auch meine zaghaften Bedenken, ob es sich beim Bett wie beim Hotel Roma um den Liegekomfort “Steinaltar” handeln sollte, wurden mit einmal Probeliegen schnell im Winde zerstreut.

Hinzu kam das Eigentümer-Ehepaar, die beide passables bis gutes Englisch sprachen und so unfassbar um mich bemüht waren. Als der Besitzer erfuhr das ich mit Übelkeit zu kämpfen habe hatte er bereits fünf Minuten später die Öffnungszeiten des örtlichen Medical Centers herausgefunden mir eine Kanne Tee zubereitet. So kamen wir auch viel über das Leben in Khorogh ins Gespräch, er schimpfte gehörig über den Präsidenten, das hatte ich bisher im Land noch nicht erlebt. Zitat: “We are far away from Duschanbe here, I can say stuff like that here”. Nun, in Khorogh verehrt man eher den Aga Khan (seine Lebensgeschichte auf Wikipedia ist irre…), dessen (weltweit größte!) private Wohltätigkeitsorganisation in Gorno-Badachstan wirklich unglaublich viel leistet, der Präsident hingegen wird als korrupter Beamter mit Selbstbereicherungstendenzen gesehen.

Das schönste am Hotel ist jedoch die Terrasse im Erdgeschoss, die sich über den Fluss Gunt spannt, der nur ein paar Kilometer flussabwärts in den Panj fließt. Kühles Wasser, dazu eine angenehme Brise. So ist es kaum verwunderlich, dass in Khorogh nur noch verhältnismäßig angenehme 30° C vorherrschen, die 42° C Kulobs sind endlich verschwunden.

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Hotel Zarya, direkt am Fluss Ghunt (der ein paar Kilometer weiter in den Panj fließt)
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Blick aus meinem Hotelzimmer

Mit dieser tollen Terrasse kann ich auch darüber hinwegsehen, dass das Hotel mit 30$/Nacht doch verhältnismäßig teuer ist, in dem Moment aber jeden Cent wert, um nicht mit 8 anderen Personen in einem Dormroom liegen zu müssen. Nach einer langen, erholsamen Dusche liege ich die nächsten vier Stunden auf dem Bett, lese, höre Musik und erhole mich ganz wunderbar. Ich spüre förmlich, wie die Energie zurückkehrt. In der Zwischenzeit wird meine Wäsche in der Hoteleigenen Waschmaschine wieder hergestellt, eine Wohltat nach all dem Staub, Schweiß und Öl, welches sich in den letzten Tagen in den Klamotten abgelagert hat.

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Die Waschmaschine ruft. Sehr laut.

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Snack im Hotelzimmer. Schaschlikgeschmack 😀 Auch merkt man den Chips die 2000m ü. Null an, alle sehen sie hier aus wie ein Kopfkissen…

Als ich mich schließlich aufraffen kann laufe ich nachmittags noch zum nahen Touristenbüro. Ich habe nun endgültig beschlossen meine Radtour nicht durch das Wakhan-Tal fortzuführen, sondern auf der Hauptstraße zu bleiben. Ausschlaggebend waren die zahlreichen Berichte darüber, wie anstrengend es per Rad im Wakhan wäre, das traue ich mir momentan einfach nicht zu. Da das Tal aber wunderschön und sehr idyllisch sein soll, will ich es auf keinen Fall ganz außen vor lassen.

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Bisher fühle ich das Abenteuer ganz schön intensiv 😉

So hole ich mir im Touristenbüro die Informationen, die ich brauche um mir einen Jeep samt Fahrer für zwei Tage zu mieten, um das Tal zu entdecken. Preislich zwar kein ganz günstiges Vergnügen, aber wer weiß, ob und wann ich es sonst je in den Wakhan schaffe. Etwa 300$ + die Kosten für die Homestay-Übernachtung des Fahrer soll es kosten. In der Touri-Info schalte ich sogar noch eine Mitfahrer*in-Suche an der Pinnwand, vielleicht finde ich ja noch jemanden der*die mit will, dann würde sich der Preis halbieren. Und wenn nicht, nun dann habe ich wenigstens die volle Entscheidungsgewalt über die zwei Tage im Wakhan, kann dort anhalten wo ich will und zahlreiche Fotostops einlegen.

Anschließend liege ich ein Weilchen im sehr schönen Stadtpark, beobachte die Menschen beim Flanieren und genieß eine eiskalte Flasche Fanta im Schatten. Der Park beinhaltet sogar ein Stadtbad, was gerade für die ganzen Kids in ihren Sommerferien ein willkommener Anlaufpunkt ist. Auch fällt mir auf, dass die Frauen hier viel mehr in “westlicher” Mode gekleidet sind, es finden sich weniger traditionelle Bekleidung, wie ich sie die vergangenen Tage in den Dörfern erblickt habe. Auch stolpere ich in den abgelegeneren Ecken des Parks mehrmals fast über knutschende Pärchen auf der Parkbank, ich nehme an das Stadtleben ist also ein wenig liberaler als das Dorfleben. 😉 Generell war Khorogh bisher ein Kontrastprogramm zu allen Dörfern die ich bisher gesehen habe, es erinnert viel mehr an Duschanbe, nur fehlen die hohen Gebäude.

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Schwimmbad im Stadtpark
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So grün und so kühl. Ein Traum!

Der Hotelbesitzer hatte mir vorhin noch ein Restaurant im Stadtpark empfohlen, und inzwischen ist mein Hunger vollends zurückgekehrt, wodurch es sogar für eine Vorspeise (tolle Linsensuppe) und eine Hauptspeise (leckerer Reis mit Gemüse) reicht. Ich vermute ja immer noch mir keinen Virus eingefangen zu haben, sondern einfach der Erschöpfung und der Hitze wegen so platt zu sein. Ich war fünf Tagen auf Radtour und es ist sieben Tage her seit ich in Berlin aufgebrochen bin, seitdem habe ich etwa so viel Essen zu mir genommen, wie ich es sonst in zwei Tagen locker vertilgen würde, kein Wunder also das ich mich ausgepowered fühle. Ich warte also noch morgen ab wie ich mich dann fühle und entscheide erst danach ob ich zum Medical Center gehe.

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Abendstimmung auf der Hotelterrasse
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Blick auf den gegenüberliegenden Stadtpark von der Hotelterrasse aus. Die Hohen Berge im Hintergrund liegen bereits auf der anderen Seite des Panj und damit in Afghanistan.

Beim Abendessen leuchtet der Mond über den Bergen und ich bin in dem Moment ziemlich versöhnt mit meiner Reise. Die Zuneigung mir komplett fremder Menschen, in dem Fall die Mitnahme im Jeep und die tollen Hotel-Besitzer haben mir neue Kraft gegeben und ich bereue es keineswegs die Strecke bis in die Stadt übersprungen zu haben Ja, ich habe 140 oder 150 Kilometer übersprungen. Aber hätte ich mich heute + morgen auf dieser Strecke weiter quälen müssen, vielleicht sogar noch einen dritten Tag, dann wäre dabei nichts gewonnen worden. Für morgen ist jedenfalls ein ausgiebiger Ruhetag angedacht, ich kann es kaum erwarten.