[Tag 2] Am Bergpass nach Kulob bis zur Raststätte bei Zigar

9. Juli 2019: Am Berg von Kulob ins Panj Tal bis zur Raststätte kurz vor Zigar
~75 Kilometer und 2050 Höhenmeter mit dem Fahrrad.

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Mehrmals in der Nacht wach geworden, da sind wirklich die ganze Nacht LKWs und PKWs vorbei gefahren, das fand ich schon ziemlich krass. Ich hatte meinen Wecker auf 4:30 Uhr. Was eklig war, aber sein musste, weil es dann noch kühl ist. Habe wie immer ewig zum Zusammenpacken gebraucht, das dauert am ersten Tourtag immer seine liebe Zeit.

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Alles wieder verladen
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Dort geht es jetzt wieder auf der Straße weiter Bergauf

Habe dann noch irgendwie lustlos Müsli und zumindest 500 Gramm Dosenananas runter gewürgt, die dann wenigstens die Tasche leichter machten. Und dann ging es gleich wieder auf den Pass. Ich hatte noch knappe 400, 420 Höhenmeter zu machen, die ich gestern nicht mehr geschafft habe. Doch auch heute war dies sau-anstrengend. Es war 6.30 Uhr, dass hieß es war Gott sei Dank noch nicht so heiß, reichte dennoch für 28-29°C und die Sonne kam um die Ecke und brutzelte auf mich drauf. Und dann hörte der Asphalt auf und es war einfach nur staubig und voller grobem Schotter. Ich musste mir so einen Weg bahnen und jeder LKW, der vorbeikam, wirbelte alles auf, ebenso wie jedes Auto. Diese eklig staubige Luft hilft keineswegs beim Atmen, erst recht nicht wenn man wie verrückt am schnaufen ist.

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Blick zurück: Hinter der Kurve habe ich gezeltet, nun habe ich bereits ein paar hunder Höhenmeter hinter mich gebracht. In der grünen Ferne kann man noch Kulob erkennen.
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Blick zurück
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Blick zurück

Ich hatte relativ wenig Wasser übrig, etwa noch einen Liter und wusste, dass ich über diesen Pass drüber muss. Also war cleveres Haushalten mit den Wasservorräten notwendig.

In der Früh die Beine noch einigermaßen in Ordnung waren, wenn ich mich auch nicht toll oder gar fit fühlte, trotzdem habe ich es bis zum Pass geschafft. Ich kam dann auf diese Hochebene oder flache Ebene oben am Pass.

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Willkommen in Gorno-Badachstan!

Da sind zwei Dörfer, eins auch größer. Erst war noch eine tadschikische Grenzkontrolle, da ich nun in die GBAO-Region vordringe. GBAO steht für Gorno-Badachstan, das zugleich eine „avtonomnaja oblastj,“ eine autonome Region ist. Bereits in Deutschland habe ich zusammen mit meinem E-Visum für Tadschikistan ein Permit für die GBAO Region beantragt, diese wurde nun kontrolliert, die waren da zum Glück sehr korrekt, leicht komisch war es trotzdem, da es sich bei den Soldaten um 18-jährige Jünglinge mit Maschinengewehr handelte.

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Duschanbe liegt im Westen der RRS-Provinz, nun bin ich endlich im GBAO, nahe an der südlichen Grenze. Eine andere Provinz werde ich in Tadschikistan nicht mehr betreten, da ich Gorno-Badachstan gen Norden nach Kirgistan verlasse.

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Die Werbung lügt nicht…
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Der Asphalt wird hier tatsächlich besser.
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Die nächsten größeren Städte auf meiner Reise, Kulma ist bereits der Warenübergang nach China.

Im Ort bin ich an eine Tanke gefahren, wo das Leben pulsierte. Zu Höchstzeiten standen da 50 Leute rum und tankten, kauften Wassermelonen und waren in Gespräche vertieft. Ich habe mir vier Flaschen Wasser, eine Flasche Cola und eine Flasche Fanta gekauft und gleich versucht die Cola zu trinken. Die ist leider so was von pappsüß hier. Mir ist immer noch ziemlich schlecht, also habe ich nach einem viertel Liter Cola aufgegeben und hab mich auf den weiteren Weg gemacht.

Das Beste an der Ortschaft Shurabod war, das es nun bergab ging. An sich wollte ich die Abfahrt gestern schon hinter mich bringen, weiß aber nun, dass ich sie nie und nimmer geschafft hätte. Ich bin froh dass ich den Zeltplatz gewählt habe, weil die 400 Höhenmeter zur Passhöhe hätte ich nicht mehr hingekriegt.

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Ortsausfahrt Shurabod. ABWÄRTS!
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Und zwar zackig!

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Die Abfahrt war toll, insgesamt vielleicht 20 Kilometer. Ich schoss nur so dahin. Es wurde zwar richtig, richtig, richtig heiß, weil ich von 2000m auf knappe 800m ü. N. abfuhr. Aber dafür flog ich dahin. Ich hatte ein bisschen Sorgen um die Bremsen, habe irgendwann mal die Felgenflanken angefasst und die waren wirklich kochend heiß und bei den Außentemperaturen kühlt ja auch nichts ab. Doch mit kürzeren Pausen zwischendrin hat auch das geklappt. Und plötzlich stehe ich am Straßenrand und blickt auf eine Landschaft, von der ich seit Monaten fantasiere: Es kommt Afghanistan in den Blick auf der anderen Hangseite! Sehr beeindruckend: Der Panj, der afghanisch-tadschikische Grenzfluss fließt in voller Breite durchs Tal, stellenweise rücken die Ufer aber näher zusammen, stellenweise breitet er sich mit ziemlich viel Power aus.

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Der Traum-Blick: Andere Flussseite ist bereits afghanisches Staatsgebiet
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Abfahrt bis an den Fluss.

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Hätte nie erwartet in meinem Leben auf dieses Straßenschild zu blicken
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Tatsächlich gibt es eine Verbindungsbrücke, diese ist aber die meiste Zeit gesperrt und stark militärisch bewacht.
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Hohe Berge in Afghanistan

Leider war die Passabfahrt doch schneller zu Ende als es mir lieb war und von da an ging’s einfach immer hoch-runter, hoch-runter, hoch-runter, hoch-runter. Den ganzen verdammten Tag lang. Dagegen machen konnte man auch nichts. Manchmal waren es nur 50-80 Höhenmeter, teilweise aber auch deutlich mehr. Selbst die 50-80 Meter hoch waren anstrengend. Da hat die Straße dann neun Prozent Steigung und ich fahre im zweiten Gang. Da ich vor der Reise meine Ritzel am Rad getauscht habe, um das Rad berggängiger zu machen, war ich ziemlich erleichtert. Denn mein jetziger 2. Gang entsprach auf dem alten Setup dem 0. Gang. In den Ortschaften kam ich mit einigen Männern ins Gespräch, diese konnten genauso schnell neben mir her laufen, wie ich mich Bergauf durch die Orte gekämpft habe

All das wäre ok, wenn es nicht so heiß wäre und wenn meine Beine nicht die Konsistenz von Gummi hätten. Es ist einfach kein Druck drin und ich kann nicht pushen. Ich bin zum Ende des Tages krass am krampfen, teilweise ist mein Bein schmerzhaft in einer Position verkrampft, und ich kann nicht mehr treten sondern humple vor Schmerz vom Fahrrad und versuche den Krampf weg zu massieren. Ich kriege meine Power so nicht auf den Teer und das ist unglaublich frustrierend. In so einer Situation ist dann auch ein 40 Meter Hügel unglaublich anstrengend.

Wie bereits erwähnt, es war heiß. Mein Plan war ursprünglich, dadurch dass ich um 6.30 Uhr los bin, dass ich um 12.30 Uhr den Großteil meines Pensums hinter mich gebracht hätte und mich irgendwo in den Schatten legen um dann drei, oder vielleicht auch vier Stunden Pause zu machen. Das war leider nicht der Fall. Ich konnte wie gestern kaum mehr als 5-10 Kilometer fahren, ohne dass ich eine Pause brauchte und in den Dörfern lockten die ganzen Springbrunnen und Quellen um doch mal die Kappe nass zu machen. Ich traue mich noch nicht das Wasser dort direkt zu trinken, was nervig ist und dazu führt, dass mir manchmal fast das Wasser ausging. Die Temperaturen sind wirklich ätzend. Um 9 Uhr war das Thermometer bereits bei 38° C, um 11 Uhr schon bei 48° C. Das Thermometer im Tacho ist natürlich dauernd in der Sonne und ich weiß nicht wie akkurat die Messung wirklich ist, aber die höchste Messung zeigte heute 57,5° C. Bei schnellerer Fahrt wird man das Gefühl nicht los gefönt zu werden und ich schwitze mir unglaublich einen ab. Ich habe sechs Liter Wasser getrunken und war nicht einmal pinkeln. Auch die Kappe, an der Quelle gut nass gemacht ist in unter einem Kilometer wieder trocken und der Kopf fängt an zu kochen. Auch heute fahre ich zum Sonnenschutz in langen Klamotten. Es macht auch keinen wirklichen Unterschied, ich würde trotzdem wie verrückt schwitzen, selbst wenn ich die Ärmel hochkrempele, also lass ich das lieber. Die Hitze macht mich fertig, verbunden damit, dass ich nichts essen kann und mir dauernd schlecht ist und ich keinen Hunger habe.

Ich lag länger in einer Busstation, weil da zumindest ein bisschen Schatten war, wobei sich dieses Plastikdach auch gewaltig aufheizte. Irgendein Kind kam dann an und fand es witzig sich eine halbe Stunde neben mich zu setzen und mir teilweise beim Schlafen auf dem Boden zuzuschauen, sowie mit stellenweise auf Russisch oder tadschikisch zuzuquatschen, obwohl klar war, dass ich ihn nicht verstehen kann. Irgendwann trottete er dann endlich von dannen.

Vor der Pause waren zwischen mir und dem Panj-Fluss immer Felder, doch nach der Pause ging es noch ein Stückchen weiter runter und ich kam das erste Mal mit der Wegführung direkt an den Panj ran. Und als dies das erste Mal passierte, spürte man richtig wie die Umgebungstemperatur sich senkte. Das hatten mir auch schon zwei Briten im Hostel in Duschanbe gesagt. Durch das kalte, strömungsreiche Wasser und die Wasserumwälzung, sowie das enge Tal wird es deutlich kühler und man spürt einen angenehmen Lufthauch.

Plötzlich hatte ich die perfekte Stelle, direkt neben der Straße: Zwei große, schattenspendende Bäume direkt am Fluss, die bisher Mangelware waren. Dass da drunter hunderte Kühe hingekackt hatten, die dort wohl ihr Wasserloch hatten, war mir komplett egal, ich war nun direkt am Panj dran.

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Der perfekte Pausenplatz. Mehr Schatten gibts nicht.
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Füße ins Wasser!

Auf einen Stein gesetzt, Schuhe aus und Beine in den Fluss halten. Das erste Mal seit dem Hostel mit Airconditioning fühlte ich mich wohlig temperiert. Das Wasser hat so um rund 20°C würde ich schätzen, das kühlt den Körper in der Situation schön runter. Habe dann noch meine Wasserflaschen ins Wasser gehalten, weil ich trinke seit gestern quasi aus den Wasserflaschen Tee. Bloß ohne Geschmack. Die Wasserflaschen heizen sich sehr schnell auf und sind dann bei 50°C und kühlen auch nachts nicht wirklich aus. Ich hatte gestern Abend eine Flasche draußen stehen lassen und selbst der Schluck um 23 Uhr war noch eklig warm. Hier am Fluss war nun das Wasser gut abgekühlt und trinkbar. Mir war klar, dass ich nun Essen zu mir nehmen muss und dann ein wenig Schlafen kann. Meine Mittagspause begann um 12.30 Uhr und ich hoffte sie auf 3 Stunden auszudehnen, bis die Mittagshitze vorbei ist. Das Essen (Reste vom Abendessen gestern) schmeckte überhaupt nicht. Prompt passierte das was ich gestern schon min. 14 Mal und heute 10 Mal vermutet hätte: Ich übergebe das gerade gegessene Nudelgericht im hohen Bogen an den Panj. Fühlte mich danach gleich besser. Aber damit war die Viertel Mahlzeit auch weg. Hab im Anschluss gleich noch mal versucht ein Viertel zu Essen, das ging so einigermaßen, mir war weniger schlecht danach. Das Kaloriendefizit hält sich jedoch weiterhin beständig. Neben der Hitze und der Übelkeit kommt auch noch ein „Oh mein Gott, es läuft Scheiße“-Gefühl hinzu, das verstärkt das Unwohlsein.

Und als ich gerade dabei war zu denken: Nun, wenigstens kann ich mich jetzt erholen, ich habe einen schönen Rastplatz und kann drei Stunden Schlafen und mich ausruhen von dem Schlafmangel, besonders da ich ja schon vor fünf Uhr morgens aufgestanden war. Doch dann bogen drei tadschikische Soldaten um die Ecke, wieder 18-jährige mit der AK-47 auf dem Rücken. Von ihnen spricht keiner ein Wort Englisch und sie beginnen auf mich einzureden. Ich begrüßte sie mit dem üblichen „Hello, Hello, Salam Aleikum“ und versuchte zu erklären, dass ich von Kulob nach Khorogh unterwegs bin und hoffte so, dass sie bald abziehen. Leider ohne Erfolg, die blieben neben mir. Ich sagte ihnen auch, dass ich Mittagspause mache und danach weiterfahre, das habe ich auch versucht ihnen via Google Translator auf Russisch klarzumachen. Irgendwann holten sie über Funk einen Kollegen ran, der Englisch sprechen konnte. Der sagte auch ziemlich schnell, dass ich hier keine Pause machen dürfte, weil überall Minen seien.
Vor dem Rastplatz waren keine Minen-Warnschilder und auch die zwei Kilometer danach kamen keine Schilder, von daher bezweifle ich das. Ich bezweifle es auch, weil wenn es tatsächlich Minen gegeben hätte, dann wären neben den 10.000 Kuhfladen auch mindestens ein paar Beefsteaks in Medium Rare rumgelegen, dem war aber nicht so. Also keineswegs Minen, die wollten mich einfach nicht an der Backe haben und so weiterschicken. Das war unglaublich nervig, denn so hatte ich nur eine halbe Stunde pausieren können, und das war mit Kotzen einhergegangen. Der Erholungsfaktor ging also gegen Null. Doch all meine Überzeugungsversuche prallten ab, die blieben so lange bis ich wieder Socken und Schuhe anhatte und mein Zeug zusammengepackt hatte.

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Kleine Dörfer in Afghanistan
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So nah
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Den Weg kann man nicht verlieren, ich sehe auch 2 Kilometer vorher, ob es gleich wieder hoch gehen wird.

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Dann kam auf der Weiterfahrt auch einfach kein Schatten. Teilweise habe ich mich in den Meter oder die 40 Zentimeter Schatten gesetzt/gelegt, den die Felswände bereit hielten, war mir dann auch egal wenn ich im Schotter oder in irgendwelchen Dornen saß. Hauptsache ein bisschen Schatten. Habe so auch etwa eine Stunde geschlafen, war aber wenig erholsam da direkt an der Straße und ich bin bei jedem vorbeifahrenden Auto aufgeschreckt.

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Mein Schattenplatz (gegen die Felswand gedrückt). Schön geht anders.

So war keine Erholung zu haben, und nachdem ich heute bis 17 Uhr gefahren bin, war ich ca. zehneinhalb Stunden unterwegs. Das war nicht die pure Fahrzeit, aber so lang dauerte es von Aufbruch bis Ankunft. So lang war ich nie unterwegs, damals in Schweden bin ich zumeist um 10 Uhr los und war um 18 Uhr wieder damit beschäftigt das Zelt aufzustellen, inkl. 2-stündiger Mittagspause und kürzeren Stopps. Doch die Pausen hier sind nahezu unmöglich, einfach aufgrund dessen, dass es keinen Schatten gibt. Die Sonne strahlt aus dem Zenit ins Tal.

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Eingekeilt im Tal. Gut sichtbar die Straße auch auf afghanischer Seite, diese allerdings ohne jeglichen Asphalt und zumeist in miserablen Zustand.
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Steigung voraus.
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Afghanistan
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Steiler Weg zum Nebental auf afghanischer Seite
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Stellenweise entferne ich mich vom Flussufer. Jeder Höhenmeter ist hart erkämpft.

Zum Ende hin kamen noch einige steile Passagen. Wenn man bei 9% Steigung noch mal 100 Höhenmeter sich hochkämpfen muss, wird es einfach ätzend. Ich konnte nicht mehr. Stellenweise bin ich gelaufen und hab das Rad geschoben. Das ist zwar nicht einfacher sondern eher schwieriger, aber zumindest ist es eine andere Belastung. Ich dürfte heute sicherlich drei Kilometer gewandert sein. Auch mein Wasser ging zum Ende hin zu Neige, weil da keine Orte mehr kamen. Als ich nur noch einen halben Liter hatte, habe ich ein Auto angehalten. Der hatte leider kein kaltes Wasser mehr, sondern nur noch heißes Teewasser von dem er mir aber dankenswerterweise 2 Gläser abgab. So erhitzte sich die Wasserflasche schön von 50° auf 70° C, vielen Dank auch. So musste ich fortan den Mund mit warmen Teewasser spülen, wirklich widerlich. Aber noch widerlicher ist es, dass der Mund unfassbar austrocknet, alles klebt, man bekommt einen schlechten Geschmack im Mund und kann nicht mehr richtig atmen, besonders wenn dann die ganzen LKWs den Staub der Straße aufwirbeln. Die Einheimischen trinken alle von den Quellen, die aus den Bergen kommen. Ich hingegen bin noch arg vorsichtig und nutze sie nur um mich abzukühlen und nasse Wickel herzustellen. Ich hab jetzt mal in die Tadschikistan-Radfahr-Facebookgruppe geschrieben und gefragt, wie die mit dem Wasser umgegangen sind. Ich habe jetzt von der Quelle Wasser entnommen, aber mit einer Chlortablette versehen. So kann ich das Wasser auf alle Fälle nach der Einwirkzeit trinken, es schmeckt halt ätzend.

Zum Ende hin ging es noch mal hoch und runter, es war noch eine Brücke weggeschwemmt, aber es gab eine Umfahrung drumherum. Wasser, das die Hänge hinab lief, fiel an der Straße vorbei, ich konnte es nicht erreichen um mich abzukühlen, was sehr frustrierend war.

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Weggeschwemmte Brücke

Ich hab mich dann die letzten Meter durchgekämpft, bis ich eine Art Truckstop erreicht habe, obwohl es hier kein Restaurant gibt, was ein wenig seltsam ist. Der Truckstop liegt direkt an der Straße, es gibt Quellwasser und eine Toilette, die unfassbar grauselig ist. Der Geruch da drin ist unvorstellbar.

Ich bin dann zum Hausbesitzer hin und hatte wirklich Sorge, er würde mir jetzt mit einem „Niet, Niet“ begegnen und mich weiter schicken. Ich hab mein ohne-Wörter-Wörterbuch von Langenscheid genutzt, dass sich jetzt schon bezahlt gemacht hat, auf das Zelt gezeigt und auf den Boden. Der Hausbesitzer war total entspannt, kam noch mit mir mit und zeigte mir einige Stellen wo ich das Zelt aufstellen kann. Ich war so unglaublich erleichtert, ich hätte fast heulen können. Denn in nächster Zeit kommen keine Häuser mehr, und die Straße hier ist so eng am Fluss entlang geführt, da gäbe es keine Möglichkeit irgendwo das Zelt aufzustellen. Und ich bin mir sicher, wenn ich doch irgendwo eine Freifläche gefunden hätte, kommt ein Soldat und erzählt irgendwas von Minen oder Taliban.

Ich hab dann auf dem Truckstop kein Zelt aufgebaut, weil die wieder einen Tapchan stehen habe, da werde ich nachher einfach die Isomatte drauf ausrollen und darauf pennen, das reicht mir vollends. Ich hab mich ein bisschen an der Quelle gewaschen, soweit das geht, weil die Quelle direkt an der Straße liegt und dauernd knallen Autos an mir vorbei. Von daher: Waschen nur über der Gürtellinie 😉 Wenigstens ist der Teil aufs gröbste von Staub, Schweiß und Sonnencreme befreit und entkeimt.

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Bei dem Klo verschwinde ich lieber in die Büsche… Gut dass hier keine Gerüche mit festgehalten sind.

Und jetzt ist das große, was ich noch zu tun habe eigentlich klar, ich müsste Essen kochen, aber ich habe null Hunger, null LUST und so werde ich wohl gleich einfach eine Packung Kekse entern, was allerdings der letzte Süßkram ist, den ich habe. Wenn ich heute auch kein großes Abendessen koche, werde ich morgen zu Mittag kochen müssen, das heißt ich brauche eine Stelle wo ich in Ruhe den Kocher aufbauen kann ohne vertrieben zu werden.

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Der Truckstop-Inhaber bringt mir noch Feigen vorbei.

Ich bin mit dem heutigen Tag einfach frustriert. Spaß gemacht hat mir heute vielleicht fünf Prozent. Nicht falsch verstehen, die Aussichten und Ausblicke sind fantastisch. Aber man kann sie nicht genießen wenn man dauernd am Leiden ist. Mir ist zu heiß, ich kann nichts essen, mir ist kotzübel und ich weiß nicht was sich wie rum bedingt. Meine Beine sind Gummi und das ist das Frustrierendste. Ich fühlte mich wirklich fit vor der Reise. Ich habe viel Sport gemacht und trotzdem erscheint es hier als agiere ich aus einem Kaltstart heraus. Wobei, Kalt ist hier gar nichts!

Zudem geht mir dauernd die Überlegung im Kopf herum „hey, das sollte hier der einfache Part sein, hier sollte es gehen“. Hier sind nicht super viele Höhenmeter, ich bewege mich nicht auf großer Höhe. Wenn ich hier nicht von 900 Meter auf 1000 Meter komme mit dem Fahrrad, was passiert dann erst, wenn ich in nächster Zeit von 3500 auf über 4000m muss. Hier gibt es keine starken Gegenwinde. Hier fahren noch zahlreiche Autos an mir vorbei.

All dieses Wissen besorgt mich, aber hilft halt leider nicht weiter. Ich habe morgen 74 Kilometer bis zur Ortschaft Kalai-i-Khum übrig. Ich habe heute 75 Kilometer geschafft, allerdings waren davon 20-25 bergab. Aber auch den Pass heut früh und einige steile Stellen Bergauf, hebt sich also hoffentlich gegenseitig wieder auf. Von daher hoffe ich, dass ich die morgige Strecke schaffen kann. Ich werde wieder super früh aufstehen und versuchen, mein Mittagspausen-Plan zu halten.

In Kalai-i-Khum wird es Zeit für ein Hotel oder Hostel. Ich werde mir überlegen müssen wie ich weiter vorgehe. Entweder ich bleibe in Kalai-i-Khum noch ein bisschen. Alternativ könnte ich mich nach Khorugh fahren lassen. Das liegt 240km von Kalai-i-Khum entfernt. Die Zeit die man sich dann sparen würde, könnte ich in Khorugh für zwei Tage Entspannung nutzen, dort pausieren und wieder zu Kräften kommen. Vielleicht geht es auch demnächst einfach wieder. Es wird jetzt progressiv kälter, für Khorugh sind ca. 25-30° C angesagt, in Kulob wo ich gestartet bin eher 40° C. Ich werde morgen schauen wie warm es in Kalai-i-Khum ist und es vielleicht davon abhängig machen.

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Fertig mit dem Tag und den Nerven.

Man merkt es vielleicht an meinem heutigen Eintrag: Ich bin frustriert und fühle mich als hätte ich versagt, was mich noch weiter nervt. Ein Lichtblick: ich kenne die Situation bereits. Es ist quasi eine Wiederholung des Israel-Trips von vor 5 Jahren. Auch da habe ich auf dem Trip in der Hitze gelitten, zu wenig getrunken, zu viel geschwitzt und zu wenig gegessen. Mir war dauernd schlecht und ich habe das ebenfalls gehasst. Danach einen Tag Pause gemacht und hatte dann plötzlich unglaubliche Lust auf den zweiten Trip und plötzlich ging es. Ich warte auch hier eigentlich jeden Tag darauf, dass mein Körper sagt: „So, jetzt essen!“ Ich habe genug Reserven, so ist es ja nicht, die Frage ist halt wie der Körper diese nutzen kann bei der Hitze. Und die Beine dürfen halt sich halt nicht wie Gummi anfühlen. Ich kann mit einem schmerzenden Po oder mit Schmerzen im Knie fahren, das ist alles ok, da kann ich mich durchbeißen. Wenn ich aber das Bein drücke und das Bein bewegt sich nicht oder nicht so wie ich will, und ich bin im zweiten Gang und muss mit 70 Umdrehungen pro Minute den Berg hoch für die nächsten 20 Minuten, dann brauche ich Stärke in den Beinen, die ich gerade einfach nicht habe.

Es ist also frustrierend und auch wenn ich weiß dass sich irgendwann demnächst der Schalter umlegt, bis dahin genieße ich es nicht wirklich, was mich sehr ärgert.