5./6. Juli 2019: Von Berlin nach Frankfurt am Main
Am Freitag hole ich den Mietvan in Neukölln ab. Das klappt wunderbar, die Rückfahrt allerdings ist geprägt von Angstschweiß und Gebibber und der Vorahnung, dass ich diesen großen Transporter bei Ankunft noch parken muss.
Abends zerlege ich mein Fahrrad und packe es in den Fahrradkarton. Dies habe ich bis zum letzten Moment gelassen, da ja nicht klar war ob ich ein Mietwagen bekomme, oder doch mit der Deutschen Bahn zum Flughafen nach Frankfurt muss. Dafür hätte das Fahrrad unverpackt sein müssen.
Reihenfolge:
Pedale ab / Sattel ab / Vorderradgepäckträger ab / Lenker ab / Luft aus den Reifen ablassen / Vorderrad ab / Seitenständer ab und dann ab in die Kiste!
Finale Verpackung
Auch erreicht mich nach jedem Radreise Bericht immer die Frage, was ich da eigentlich alles mit mir rumschleppe. Aus diesem Grund habe ich das für die jetztige Reise mal fotografisch festgehalten. Das Gepäck für den Pamir stellt nahezu das Maximum da, aus folgenden Gründen:
1) Ich bin allein unterwegs, muss also selber Kocher, Zelt, Erste Hilfe Set und Werkzeug mitschleppen, kein Aufteilen auf mehrere Räder möglich.
2) Es gibt keine Fahrradgeschäfte, ich bin also abhängig von den Ersatzteilen die ich mitführe. So sind es viele Werkzeuge und Ersatzteile, die ich sonst eher nicht dabei hätte.
3) Klimatisch stelle ich mich auf alles ein: Hitze zu Beginn, aber Regen und vielleicht sogar Schnee und eisigen Wind auf dem Hochplateau. Das sorgt für viele Klamotten.
4) Große Abstände zwischen Einkaufsmöglichkeiten. Dies bedeutet ich werde auch mal für 5 Tage Proviant mitführen müssen.
5) Zudem gibt es wenige Möglichkeiten Wasser nachzufüllen. Ich werde also öfters 5 oder mehr Liter am Rad befestigen.
Hier also mal gesammelt ein paar Eindrücke von meiner Ausrüstung:
Vorderradtasche James – Rechts:
Regen-/Wind-/Wärmeausrüstung, Toiletten-Utensilien
Vorderradtasche Basti – Links:
Schlafsack, Isomatte, Inlet, Kopfkissen
Hinterradtasche – Links:
Küche. Kocher + Topf, Besteck, Schüssel, Schneidebrett, Messer, Wasserfilter
Hinterradtasche – Rechts:
Klamotten, Werkzeug und Ersatzteile, Elektronik, Medizin, Waschbeutel
Gepäckrolle – hinten quer drauf:
Zelt, Ersatzschuhe, was sonst nirgends reinpasst.
Ihr seht, absolut nur das Minimum gepackt und gaaaanz Leicht unterwegs… Schön wärs!
Nach all dem Packen geht es nochmal zu meinem liebsten vietnameischen Restaurant, ich will noch mal eine eine Art „Henkersmahlzeit“, da ich nur vermuten kann was mich die nächsten Wochen kulinarisch erwartet.
Leckeres Essen, ein gutes Buch und milde Temperaturen, das hat Spaß gemacht.
Ich habe für die Fahrt zum Frankfurter Flughafen noch eine Mitfahrgelegenheit bei BlaBlaCar eingestellt und recht flott eine interessierte Mitfahrerin gefunden, die kein Problem damit hatte morgen früh aufzubrechen.
Der Start am Samstagmorgen fällt dann auch richtig früh aus. Um halb fünf war ich wach, davor gab es sowieso nur eineinhalb bis zwei Stunden Schlaf, wie jedes Mal hält mich die Nervosität und Aufregung wach.
Ich hole das Auto vom Parkplatz und parke noch mal vor der Haustür um mein Gepäck einzuladen. Bereits jetzt merke ich, dass das ganze Gepäck unglaublich schwer ist und auch unhandlich zu transportieren ist, besonders der Laubbeutel mit den ganzen Ortlieb Taschen drin.
Anschließend hole ich die Mitfahrerin Sarah am Bahnhof ab und los geht die Tour nach Frankfurt, der erste Teil der Reise. Dies funktioniert wunderbar, wir kommen in keinen Stau. Mit Sarah hab ich mich gut unterhalten, sie hat afghanische Wurzeln und ist so von den vielen Personen, mit denen ich im Voraus über meine Reise gesprochen habe eine der wenigen, deren erste Frage nicht: “Wo ist denn Tadschikistan?” lautete, sondern es gut einordnen konnte. 😉
Ich hatte mich heute früh bereits beim Einladen dazu entschieden, das Auto nicht direkt bei der Autovermietung in der Innenstadt zurückzugeben, sondern zuerst zum Flughafen zu fahren um dort das Gepäck bei der Gepäckaufbewahrung aufzugeben und anschließend zur Vermietung zu fahren. So würde ich mir den Weg mit Tram und S-Bahn von der Autovermietung zum Flughafen doch vereinfachen.
Gestresst und gehetzt (und übermüdet)
Am Flughafen angekommen verabschiede ich mich von Sarah, anschließend wurde es doch ein wenig stressig, da man nicht länger als eine halbe Stunde parken durfte, der Gepäckwage nicht gemietet werden kann, sondern erst muss für 1€ die Kreditkarte in einen Automaten geschoben werden (mal sehen wann sich dieses dumme System deutschlandweit durchsetzt) und auch bei der Gepäckaufbewahrung selber gab es Probleme: Die wollten mir nicht den Beutel mit all den 5 Ortlieb-Taschen als ein Gepäckstück durchgehen lassen, sondern nur als 4 Einzelstücke á 5€.
Da aber diese Tasche besonders schwer war und schlecht zu transportieren hatte ich einen angeblichen Geistesblitz, den ich später sehr bereuen sollte: Ich gebe die Ortlieb Taschen ab, aber nicht den Fahrradkarton (der als Sperrgepäck eh 15€ gekostet hätte). Der Fahrradkarton lässt sich nämlich eigentlich ganz gut handhaben, dann trage ich halt den durch die Stadt.
Rückblickend erscheint es mir schleierhaft, warum ich nicht einfach diese 15€ zusätzlich gezahlt habe, bei einem Urlaub dieser Größenordnung wäre das ja nicht mehr “ins Gewicht” gefallen. So musste ich mit Auto und Fahrradkarton noch mal in die Innenstadt, was auf alle Fälle stressig war. Mehrspurige Straßen, unbekanntes Gebiet, dazwischen noch eine Tankstelle finden und dann ab zur Autovermietung.
Dort dann das Rad ausgeladen, aber neben dem Auto stehen gelassen und dann schnell zur Filiale gerannt um den Schlüssel abzugeben, immer in der Hoffnung, dass in der Zwischenzeit mir keiner mein Rad klaut. Dann musste ich 200 Meter zur Tram, was mit dem 21kg Fahrradkarton gefühlt zehn Minuten gedauert hat.
In der Tram merkte ich dann dass zeitgleich der CSD in Frankfurt stattfand, alle waren aufgebrezelt und gestyled, mir hingegen war einfach nur unglaublich heiß, auch weil ich im Ostend noch mal in die S-Bahn umsteigen musste, was mehr schleppen und warten zwischen allerlei abgebrochenen Gestalten im Heroin-Rausch bedeutete.
Am Flughafen rausgekommen musste ich noch mal alles 200m zum Shuttlebus schleppen, der mich dann ans richtige Terminal fuhr, und noch mal einen Euro für den Gepäckwagen ausgeben. Ich habe mich also unglaublich über mich selber und meinen eigenen Geiz geärgert (auch nach Tagen noch!), hätte ich doch einfach die 15 Euro ausgegeben und mir dadurch eine entspanntere Anreise erkauft. Stattdessen hatte ich noch zwei Tage später Muskelkater in den Armen und schmerzende Handgelenke.
Warten auf den Check-In
Ich postiere mich anschließend mit meinen ganzen Besitztümern vor dem Check-In Schalter, um möglichst weit vorne in der Schlange zu sein. Normalerweise hasse ich ja solches Verhalten und bin froh, wenn ich als Vorletzter dran komme. Aber da ich das Fahrrad nicht im Buchungsprozess dazu bestellen konnte und erst am Schalter anmelden muss, wollte ich schnell dran kommen, auch um nicht Gefahr zu laufen, dass vor mir eine deutsche Reisegruppe mit 10 Fahrräder auftaucht und mein Bike nicht mehr in den Flieger passt.
Das hat sich dann auch wirklich bezahlt gemacht: Ich war der 5. in der Schlange von ca. 80 Personen. Der Check-In öffnete erst nach 16 Uhr, also ziemlich spät, dafür dass der Flieger um 18 Uhr abheben sollte. Somon Air, die tadschikische Fluggesellschaft mit der ich unterwegs war, besitzt kein eigenes Bodenpersonal in Frankfurt, die werden also vom Flughafen „angemietet“ und sind wirklich nicht erfahren. Eine so langsame und ineffiziente Abfertigung habe ich noch nie erlebt, die Personen hinter den Schaltern waren zu unfähig um auf jegliche Abweichungen reagieren zu können. Eine Person hatte einen russischen Pass, aber kein tadschikisches Visum (brauchte sie auch nicht), eine andere Person wollte eine Gitarre mit ins Handgepäck nehmen.
Und dann kam ich und bringe plötzlich einen riesigen Fahrradkarton mit, da flackerten die Augen des Schalterangestellten schon nervös hin und her, bevor ich überhaupt am Schalter ankam. Auf die schnelle Antwort “also das können wir keinesfalls mitnehmen” konterte ich souverän mit den ausgedruckten Emails des Somon Air Cargo-Beauftragten, mit dem ich die letzten Wochen geschrieben hatte.
Extra pingelig waren sie am Check-In auch mit dem Gewicht der abgelieferten Taschen. Jedes Gepäckstück wurde gewogen und die übliche “der Koffer ist jetzt 1,5kg zu schwer, aber ich lass es Ihnen durchgehen”-Vorgehensweise fand keine Anwendung, stattdessen mussten dann Leute ihre Koffer auspacken und ins Handgepäck umräumen, welches auch strikt gewogen wurde, und wehe es hatte mehr als die erlaubten 7kg!
Meine Ortlieb Taschen in der Laubtasche passten nicht gut aufs Band, so lag immer eine Seite auf dem Rand auf und statt den echten 22kg wurden so nur 18kg angezeigt, was mir mehr als recht war.
Der Fahrradkarton brachte dann den Schalterangestellten vollends zur Verzweiflung. Zum Wiegen war das Kofferband zu klein. Der Angestellte hatte zwei Lösungen parat. Er könne mich zum Sperrgepäckschalter schicken zum Wiegen, oder er würde das Gewicht “schätzen”. Ich berichtete, dass ich es daheim gewogen hätte und auf 16kg kam, was würde er denn schätzen? “Können Sie mit 17kg leben?” fragt mich der Mann hinterm Schalter. Dabei muss ich erst noch erwähnen, das jedes Kilogramm Übergepäck bei Somon Air mit saftigen 10€ vergütet werden muss. Nun, klar konnte ich mit den „geschätzten“ 17kg leben, vor allem daran gemessen, dass der Karton in Echt über 21kg wog und ich so gerade dabei war 40€ zu sparen…. 😉 Nehmt das, unfähige Check-In-Angestellte!
Mit einer detaillierten Rechnung musste ich dann zu einem 50 Meter entfernten Zahlschalter, dann mit der abgestempelten Rechnung zurück zu Somon Air, und dann mit dem Fahrrad zum Sperrgepäckschalter. Wie gesagt, zum Glück war ich der 5. in der Schlange, ich alleine habe für das ganze Prozedere sicherlich 15 Minuten gebraucht. Spannenderweise fiel mir in der Check-In Schlange schon auf, dass weit weniger Tourist*innen als gedacht im Flieger sitzen werden. Mehrheitlich waren es in Deutschland lebende Tadschik*innen, die sich auf Heimaturlaub begaben, viele die auch sehr interessiert mit mir ins Gespräch kamen und mich über meine Reise ausfragten.
Im ganzen Stress rund um mein Fahrrad hat der Angestellte auch glatt noch vergessen mein Handgepäck zu wiegen, eine willkommene Verwechslung, schließlich wäre da die Waage ebenfalls nicht bei den erlaubten 7kg zum Stehen gekommen.
Bis ich fertig war am Schalter war es sicherlich halb 5 und ich mache mich gleich auf zum Gate. Sorge hatte ich noch vor der Sicherheitskontrolle, schließlich habe ich einiges an Elektrokram mit im Handgepäck. Besonders mein USB-Lader, der an den Fahrraddynamo angeschlossen wird und eine Powerbank enthält, sieht ein wenig nach selbstgebastelten Sprengsatz aus. Dasselbe Modell hat bei einer Freundin am Tegeler Flughafen schon zu wütenden Polizisten mit Maschinengewehren und einer anschließenden Abnahme des Laders geführt. Ich wollte also genug Zeit für vielleicht aufkommende Diskussionen haben. Doch der Security-Check lief Problemlos, als der alte Kontrolleur dank Lesebrille doch die Wattstundenzahl auf dem Lader gefunden hat, war er vollkommen zufrieden und hat es durchgehen lassen.
Meine Mutter hatte am Abflugtag einen runden Geburtstag und weil der bisherige Tag mit einem frühen Start und viel Stress und Rumgerenne begonnen hatte, nahm ich nun am Gate mir die Zeit für eine ausgiebige Geburtstagsgratulation. Auch habe ich ein letztes Mal die Trinkflasche auf dem Flughafenbadezimmer aufgefüllt, Trinkwasser aus der Leitung sollte schon bald zu einem Luxus werden, der mir die nächsten Wochen nicht mehr vergönnt war.
Auch wenn die Check-in-Schlange noch ewig lang gewesen war, so haben wir es doch irgendwie geschafft, pünktlich zu borden. Im Flieger gab es noch einen kurzen Schreckmoment, als ich merkte wie wenig Beinfreiheit vorhanden war. Doch dies stellte sich schnell als unbegründet da, denn der Flug war keineswegs ausgebucht und so hatte ich die Möglichkeit mir eine eigene Dreierreihe zu organisieren. So hatte ich genug Platz UND konnte am Fenster sitzen!
Die erste Stunde an Bord habe ich noch mit Reiseführer lesen und Infos aufschreiben verbracht.
Nach einem einigermaßen genießbaren Abendessen versuche ich nach einem unglaublich anstrengenden Tag, der bereits um halb 5 begann, doch noch ein wenig Schlaf zu finden. Doch als ich nach längerer Einschlafphase ins Traumreich entschlummert war, kam bereits 1,5 Stunden später das Bordpersonal mit Frühstück vorbei. Genossen habe ich hingegen den Blick aus dem Fenster: Unter mir war es im letzten Drittel der Reise stockfinster, kaum ein kleines Dörfchen hat geleuchtet, dafür aber der unglaubliche Sternenhimmel umso mehr, ein Anblick auf den ich mich jetzt schon im Pamir freue.
Im Flugzeug selber war immer Halli-Galli, die zahlreichen Kinder hatten sich zu neuen Gruppen organisiert und flitzten umher, wildfremde Menschen kümmerten sich um Kleinkinder, damit deren Eltern sich mal erholen konnten und es standen größere Gruppen zusammen und haben gequatscht. High-Life also, mir hat es gefallen, weit weniger förmlich als die durchorganisierten Ferienflieger nach Malle. Die Landung in Duschanbe erfolgte pünktlich um drei Uhr früh, nun bin ich gespannt was mich in der tadschikischen Hauptstadt erwartet.