[Tag 0] Duschanbe

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Landeanflug auf Duschanbe

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7. Juli 2019:
In Duschanbe angekommen war ich wieder hellwach und auf alle Fälle völlig geladen vor Nervosität. Ich hatte in Frankfurt noch einen Flughafenmitarbeiter gefragt, ob das Rad eingeladen worden war, der meinte dann noch “ach, bisher ist nie was da geblieben”. Trotzdem, bis ich mit dem Rad wiedervereint werde in der Gepäckannahme bleibt die Aufregung. Der Beutel mit meinen Ortliebtaschen kommt auf alle Fälle heil an, dann heißt es warten, denn mein Rad ist nirgends zu sehen.

In Frankfurt beim Check-In bin ich mit einer Frau ins Gespräch gekommen, die zum Klettern und Bergsteigen nach Tadschikistan gekommen ist und wie sich rausstellt im selben Outdoorforum aktiv ist wie ich. Bei der Gepäckannahme in Duschanbe gesellt sich noch ein junger Niederländer dazu, dessen Intentionen für den Aufenthalt durch gefühlt 100m Kletterseil im Handgepäck leicht erkennbar sind. Die beiden kriegen bald schon ihr Gepäck und verschwinden durch die Sicherheitsschleuse. Auch die restliche Menschenmasse am Band lichtet sich, bis ich mit einer einzelnen tadschikischen Familie alleine rum stehe.

Schließlich schieben sich an der Sperrgepäcktür aber doch ein Kinderwagen und mein gigantischer Karton ins Blickfeld. Erste Sichtkontrolle: Ein paar neue Löcher im Karton, aber scheint alles vorhanden zu sein. Um den Bereich zu verlassen muss noch mal alles, ja auch der Karton, durch einen Scanner. An sich ja lobenswert, ich würde allerdings begrüßen wenn jemand am Monitor säße und sich die Aufnahmen tatsächlich ansähe, so ist es eher eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für mich, der all sein Zeug aufs Band hieven muss.

Vor der Tür werde ich von einer riesigen Menschentraube empfangen, aus allen Richtungen erschallen “Taxi Taxi” und “Sir, I have the perfect Hotel for you”-Rufe. Genau das was man braucht, wenn man um kurz vor 4 Uhr in der Früh seine Ruhe will. Zudem stehen da wirklich unfassbar viele Leute im Terminal und vor der Tür, um die Uhrzeit sicherlich um die 500 Leute, es gibt auch Straßenverkäufer usw.

Ein Jugendlicher ist besonders penetrant, und als ich ihm zum dritten Mal erkläre, dass ich einfach ein ruhiges Fleckchen zum Radaufbau brauche, und sonst in Ruhe gelassen werden will gibt er den Weg vor. In Erwartung dass er mich jetzt versucht in ein Taxi zu bugsieren, muss ich mich eines Besseren belehren lassen. Er lenkt mich um die Ecke zu einer ruhigen Stelle, wo ich bei guter Beleuchtung all mein Zeug ausbreiten kann und meine provisorische Fahrradwerkstatt einrichte. Er bleibt noch ziemlich lang um mich rum und ich vermute schon er will ein Trinkgeld, schließlich ist er aber sehr zufrieden als ich ihm meinen Fahrradkarton schenke und macht sich damit auf in die Dunkelheit. Ein bisschen mehr Vertrauen in die Menschheit lieber Daniel, es wollen sicherlich nicht alle nur das Schlechteste.

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Der Fahrradaufbau klappt gut, ich werde in Ruhe gelassen und da ich ja keine 48 Stunden vorher alles zerlegt habe, ist der Wiederaufbau nun eine Leichtigkeit. Ich brauche eine gute Stunde zur Fertigstellung, bis dahin ist es vollends hell geworden in Duschanbe. Im Nebengebäude gibt es einen Stand der Tourismus-Polizei (ja, die gibt es wirklich), und ich hatte davor gelesen, dass man sich dort eine 10-tägige gratis SIM-Karte holen kann. Das klappt auch trotz der frühen Uhrzeit einwandfrei.

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Dann kann die Fahrt zum nur zwei Kilometer entfernten Hostel beginnen. Der Verkehr ist minimal um die Uhrzeit, die Temperatur einigermaßen angenehm. Wie angenehm sie da waren, das sollte ich im Verlauf des Tages und die nächsten Tage noch erfahren. Auch die Route ist kein Problem und so stehe ich schon bald vor dem Green House Hostel in Duschanbe, DER Adresse für Reisende in der Gegend. Dies wird mir spätestens dann klar, als ich im Innenhof stehe, in der einen Ecke 5 große Reise-Motorräder und auf der anderen Seite mehrere Fahrräder und Ortlieb-Taschen.

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Ich werde fröhlich, wenn auch im Flüsterton begrüßt, weil die anderen Gäste noch schlafen. Ich selber klettere auf den Tapchan im Garten, einer Plattform mit Decken und Kissen, die für mich in den nächsten Tagen auch Unterwegs zu einem Ruheort wird. Dort konnte ich mich einfach hinlegen und habe nochmal eine Stunde mehr schlecht als recht geschlafen.

Am Morgen komme ich ins Gespräch mit einem Münchner, der natürlich auch von dort bis hier die Strecke mit dem Rad zurückgelegt hat. Ein Vorgeschmack auf die Leistungen der Leute um mich rum, die in den nächsten Wochen so prägend sein wird. Wir quatschen lange und tauschen uns aus. Der Hostelbesitzer konnte mir im Anschluss viele gute Tipps für die Stadt geben und tauscht mir zudem meine 400 Dollar zu einem super Kurs in tadschikische Somoni um. Wechselkurs fast 1:10, ich fühle mich also sehr reich, als ich ein dickes Bündel Scheine im Gegenzug erhalte. Der Stapel ist mehrere Zentimeter dick.

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Reichtum!

Zudem schreibt er mir ein Empfehlungsschreiben, welches ich benötige um mir eine reguläre SIM-Karte zu kaufen, die für den Rest des Monats gültig ist. Die Touristen-Polizei-Sim-Karte ist nur 10 Tage gültig und hat nur 100MB drauf, was für mich nicht ausreicht. Es wird sich zeigen, dass dieses Empfehlungsschreiben nicht notwendig war, doch scheinbar verändern sich die Gesetze von Monat zu Monat, wenn es um SIM-Kartenkauf als Ausländer geht.

Am Vormittag bin ich noch los und hab mein ganzes Essen gekauft, da es um die Ecke einen Supermarkt namens “Europa” gibt. Der Name ist beim Sortiment auch Programm, da es hier Milka, Barilla und sogar Knoppers gab. Natürlich waren die Preise für europäische Produkte deutlich höher, russische Nudeln kosteten 5 Somoni, die deutschen 22, wobei das natürlich verständlich ist durch die Importgebühren und den zusätzlichen Transportaufwand. Nun, ein paar bekannte Lebensmittel wandern in meinen Wagen, schließlich werde ich die kommenden Wochen keine mir bekannten Marken mehr finden.

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Beim Einkauf habe ich, wie immer auf meinen bisherigen Radtouren, doch ein bisschen übertrieben (erinnert sei an meinen “letzten günstigen Einkauf vor der Grenze” damals in Rostock auf dem Weg zum Nordkapp, da hatte ich anschließend zwei Tage eine Plastiktüte hinten drauf geschnallt, weil der Einkauf sich nicht mehr in den Ortliebs verteilen ließ). Auch habe ich gemerkt, dass es einige Produkte, die bei einem deutschen Einkauf selbstverständlich wären, nicht gab. Tomatensoße in Tetra-Verpackung z. B., da schleppe ich jetzt tatsächlich Gläser von mit mir rum. Auch viele Konserven fielen leider weg, da sie ohne angebrachte Öffnungslasche für mich nicht zu gebrauchen sind.

Ich habe jetzt grob für 7 Tage eingekauft, was vermutlich völlig übertrieben ist. (Rückblick: Ja, vollkommen übertrieben, spätestens nach 3-4 Tagen hätte es wieder einen Supermarkt gegeben!) So frustriert mich der erste Einkauf immer ein bisschen, ich muss es auf alle Taschen verteilen, und diese sind so voll wie nur geht. Das ist ein bisschen unangenehm, vor allem ob des Gewichts, aber gut, es wird die nächsten Tage ja dann von selber leerer. Der große Einkauf inkl. 6 Liter Wasser hat mich 23 Euro gekostet, also auf alle Fälle preislich völlig okay.

Im Hostel das Essen abgeladen konnte ich mich anschließend nicht wirklich überwinden in die Stadt aufzubrechen, die Mittagshitze hat die Stadt im Griff. Bin dann aber doch los, um mich erstmal um meine SIM-Karte zu besorgen. Hatte im Vorhinein dazu zahlreiche Horror Storys recherchiert, da es wohl schwer ist als Person ohne Wohnsitz in Tadschikistan eine Karte zu erhalten. Das traf bei mir dann aber zum Glück nicht im Geringsten zu. Ab in den ersten Megafon-Laden und nach ein paar Minuten halte ich ganz unproblematisch die Sim-Karte in Händen. 3GB Datenvolumen (Whatsapp + Facebook zählen nicht zu diesem Volumen) für 10€/Monat. Dies ist, wie mir anschließend im Hostel berichtet wird, im Vergleich zu den anderen -stan-Staaten nicht wirklich günstig, aber ich konnte damit gut leben.

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Prachtvolle Gebäude

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Vielleicht ein kurzer Einschub zur Geschichte der Hauptstadt Tadschikistans:

Knappe 800.000 Einwohner*innen beherbergt diese heute, jedoch ist sie die jüngste Hauptstadt der –Stan Länder. Bis 1920 war die Stadt jedoch nicht viel mehr als ein Markt an der Kreuzung zweier Handelsrouten, der immer Montags stattfand. Duschanbe heißt somit übersetzt auch „Montag“. Noch 1900 wohnten nur ein paar tausend Bewohner*innen in den drei benachbarten Dörfern, sonst war da nichts. 

Nach Bürgerkrieg und Machtergreifung der Kommunisten, die ihre Herrschaft auf die –Stans ausweiteten, beschloss man 1924 Duschanbe zur Hauptstadt umzufunktionieren, damals war dies eine Ansammlung von 40 Lehmhütten!

1929 wurde Tadschikistan aus der Sowjetrepublik Usbekistans herausgelöst und wurde eine eigene, autonome Sowjetrepublik. Duschanbe wurde dann gleich in Stalinabad umbenannt, diesen Namen behielt sie bis 1961. In den 1930er Jahren setzte der Bauboom ein, Stalinabad wurde schnell in eine würdige Hauptstadt transformiert, auch wenn der Prozess Jahrzehnte benötigte.

Nach den Kenntnissen über die Greueltaten Stalins wurde die Stadt wieder in Duschanbe zurückbenannt. Seit dem hat Duschanbe (und parallel dazu das restliche Tadschikistan) Baubooms, sowie einen blutigen Bürgerkrieg zu Beginn der 1990er Jahre überdauert.

Besonders heute floriert Duschanbe, was auch daran liegen mag, dass unter dem Präsidenten die Hauptstadt auf Vordermann gebracht wird, während im Rest des Landes das Geld nur sehr spärlich ankommt.
(Reiseführer: Sonja Bill und Dagmar Schreiber: Tadschikistan. Trescher Verlag, S. 104-106)

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Blumen überall

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Tadschikistans Politik und ihr über alles herrschender Präsident: Hier müsste viel geschrieben werden, was ich aber nicht vermag, dafür gibt es genügend Bücher und politische Analysen im Internet. Auch weiß ich nicht, inwiefern Kritik am Präsidenten auch im Ausland nachverfolgt wird, ich würde mir ungern die Möglichkeit verbauen auch in Zukunft ein Visum zu erhalten. Klar muss allerdings auch sein: Tadschikistan heute ist eine Autokratie mit diktatorischen Zügen und so leicht es für mich als Ausländer in diesem Land war, so schwer ist es Stellenweise für die Zivilbevölkerung im Land.

Zum Präsidenten: Emomalij Rahmon ist seit 1994 der Präsident dieser ehemaligen Sowjetrepublik, herrscht also nun bereits seit 25 Jahren (und soll aller Voraussicht nach 2020 von seinem Sohn beerbt werden). Viel Vertrauen genießt er bis heute, da er maßgeblich den Bürgerkrieg zu Beginn der 90er Jahre zu einem friedlichen Ende brachte. Doch seitdem hat sich sein Führungsstil weitreichend verändert und ist einer Autokratie gewichen. Dies zeigt sich im radikalen Beschnitt der muslimischen Glaubensausübung, dem die Mehrheit der Bevölkerung im Lande anhängt, der völligen Zerschlagung jeglicher Opposition oder dem Nepotismus und der Korruption im Staate. Die tadschikische Bevölkerung ist arm, sehr arm. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2016 bei 800$ pro Kopf und damit auf Rang 167, zum Vergleich liegt Deutschland 2017 bei 44.550$ auf Rang 19. Dies wird sich in den kommenden Wochen deutlich zeigen.

Die Opposition ist entweder im Exil oder inhaftiert. Dabei passieren „Merkwürdigkeiten“, die für eine Autokratie so typisch sind. In den Wochen vor meiner Reise kam es zu einem Aufstand in einem tadschikischen Gefängnis. Inhaftierte IS-Kämpfer gingen mit Waffen auf inhaftierte Oppositionsmitglieder los, töteten diese, nur um anschließend selber von den Wachleuten getötet zu werden. Die Moral am Ende: Weniger IS-Kämpfer im Gefängnis, die führenden Köpfe der Opposition ausgeschaltet und zudem sind gleich noch ein paar Gefängniszellen frei geworden. Nun, ich bin mir sicher da werden bald neue Okkupanten gefunden werden. Auch ein Blick auf den Freedom-House-Index 2019, der Staaten von 0 = unfrei bis 100 = frei einteilt, findet sich Tadschikistan bei 9 wieder, Kirgistan hat den Wert 38. Zum Vergleich: Deutschland ist als 94 bewertet. Ich habe mir zu Beginn meiner Reiseplanungen oft einen Kopf gemacht, ob man Tadschikistan besuchen sollte. Moralisch ist dies sicherlich nicht der richtige Weg, allerdings frage ich mich immer, ob ich durch meinen Besuch das Regime stabilisiere, oder nicht doch auch dringend benötigtes Geld und „Kontakt nach außen“ der Bevölkerung hilft. Vielleicht überhöhe ich damit aber auch meinen eigenen Einfluss, um es mir schön zu reden. Es ist auf alle Fälle ein moralisches Dilemma.
Nun aber erstmal genug davon, ich werde über die Armut an anderer Stelle noch zu sprechen kommen.
 

Was aber auf alle Fälle funktioniert bei all dem Despotismus, ist eine florierende Hauptstadt zu kreieren, besonders die Stadtparks sind bis in den letzten Grashalm gepflegt und flankiert von beeindruckenden Bauwerken des Größenwahns.

Zurück zur Reise: Da ich nun eh mit dem Rad auf Stadttour war ging es gleich weiter zu der Sammlung von verschiedenen Stadtparks.

Das gigantische Somoni-Denkmal ist sehr beeindruckend, auch verbunden mit dem dahinterliegenden Präsidentenpalast.

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Somoni Denkmal

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Anschließend fahre ich zum Rudaki-Denkmal, dem Begründer der neupersischen/tadschikischen Literatur und somit dem “Vater der tadschikischen Poesie”(859-940). Das Gebiet um die Statue war mit Lautsprechern versehen, die teilweise seine Werke, aber auch politische Nachrichten vermittelten, was für mich ziemlich ungewöhnlich war und ein Geschmack von Massenmobilisierung mit sich brachte.

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Gepflegte Stadtparks
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Detailverliebtheit
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Rudaki-Denkmal

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Lautsprecher im Baum

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Politische Werbung

Anschließend statte ich im Park der gigantischen Landesflagge einen Besuch ab, die bereits von weithin sichtbar war. 2011 gebaut ist der Flaggstock gigantische 165 Meter hoch! Genau das, was man als wirtschaftlich und finanziell schwächelndes Land braucht. Inzwischen ist der Rekord mit der höchsten Flagge der Welt dahin, irgendwann hat Saudi-Arabien in Jeddah eine größere Phallus-Machtdemonstration gebaut, beeindruckend bleibt die Flagge in der tadschikischen Hauptstadt trotzdem. Die Flagge an sich wiegt über 700kg und so braucht es leider doch ein wenig Wind, um sie in voller Pracht zu sehen. Verrückt dieser Städtebaulicher Superlativ.

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Präsidentenpalast
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DIE Flagge
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Flaggenmast und Nationalmuseum
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Flagge + Präsidentenpalast
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Nationalmuseum, im Hintergrund bereits hohe, schneebedeckte Berge

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Duschanbe um die Mittagszeit ist unglaublich heiß. Knappe 45° C werden es ganz schnell, wenn ich in der Sonne stehe. Und auch wenn ich heute die frühe Fahrt vom Flughafen zum Hostel gelobt habe, inzwischen ist der Autoverkehr deutlich angeschwollen. Da dies alles gebrauchte Autos sind, die zumeist in Deutschland der Abwrackprämie zum Opfer gefallen sind, sind Abgas-Filter leider Mangelware. Die Luft ist schlecht und auf dem Rad kann ich die Abgase quasi direkt schmecken.

Doch das lenkt nicht zu sehr ab von der beeindruckenden Architektur: Sowjetische Zweckbauten im brutalistischen Stil, moderne neue Türme und Penthouse-Bauten, und kaum kommt man weg von der Hauptstraße hört der Asphalt auf und man rumpelt über Schotterpisten zwischen kleinen, ärmlichen, in sich zusammenfallenden Häusern. In den Bereichen läuft dann auch die Kanalisation offen und irdisch. Das erklärt also auch, warum bei jeder Toilette Schilder befestigt sind mit der Bitte, Klopapier in den Mülleimer und nicht ins Klo zu werfen, dass würde wohl endgültig alles verstopfen.

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Brutalistische Wohntürme
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Beginn der Reihe: Präsidentenphotoshop. Abbildung 1

Die Menschen in Duschanbe sind sehr offenherzig, auch wenn sie nur wenig Englisch sprechen werde ich dauernd für ein Selfie angehalten, egal ob nur ich mit Rad, oder ob die ganzen Freunde mit aufs Bild sollen. Nun, ich vermute fast es wird nicht das letzte solche Bild auf dieser Reise sein. Auch mein Fahrradfahren verdreht Hälse, ich entdecke auf meiner dreistündigen Radtour durch die Stadt nur eine Handvoll weitere Personen auf Drahteseln. Bei dem Überangebot an Taxen, Privat-Taxen und Minibussen wird wohl kein Bedarf für Fahrräder vorherrschen.

Da ich schon in der Gegend bin fahr ich gleich noch zum Busbahnhof und sondiere die Lage für eine morgige Busfahrt, die mich von Duschanbe nach Kulob bringen wird. Und auch wenn mich der Sicherheitsmann am Eingang nicht mit dem Fahrrad ins Busterminal lässt, mit Hand und Fuß kriegen wir es hin, dass er auf mein Rad aufpasst, während ich drinnen die Infos einhole. Der Bus fährt morgen leider schon um 8 Uhr in der Früh, ich will spätestens um 7.30 Uhr da sein, also wird auch morgen ein früher Start auf mich lauern.

Auf dem Rückweg komme ich noch an einem Mahnmal für den Zweiten Weltkrieg vorbei. Die Leistungen der Roten Armee werden kämpferisch in Szene gesetzt.

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Nein, keine Ägyptischen Hiroglypen…
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sondern Maschinengewehre
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Und Panzer

Meine Stadterkundung beläuft sich insgesamt auf 16 Kilometer, an sich ein kurzer Ausflug, aber bei den Temperaturen, den Abgasen und den Mengen an Verkehr schlaucht es schon ganz schön. Bin ja gespannt wie ich mich morgen beim ersten “richtigen” Radfahrtag schlage.

Morgen werde ich nach der Busfahrt erst Nachmittags mit dem Rad starten, aber es kristallisiert sich jetzt schon heraus, dass ich mich die kommenden Tage wohl früh in den Sattel schwingen sollte um die kühleren Temperaturen am Morgen voll auskosten zu können. Dies würde ich dann mit einer langen Mittagspause verbinden um die Mittagshitze zu überbrücken. Es wird hier früh dunkel, um kurz nach 20 Uhr braucht es Beleuchtung, von daher kann ich auch früh ins Bett und dann früh in den Tag starten. Nun, das ist zumindest der Plan, die Umsetzung wird sich dann schon zeigen.

Anschließend an die Tour habe ich eine Stunde im Dormroom verbracht und es sah kurzzeitig so aus, als wären alle meine Ortlieb-Taschen gleichzeitig explodiert. Ich muss viel umpacken, erstens weil ich für die Flugreise manche Sachen anders gepackt habe, als dies auf dem Rad verteilt sein soll (Mein Campingkocher-Setup ist bspw. auf 3 Taschen verteilt gewesen um eine zu gründliche Untersuchung durch die Airport-Security zu verhindern), zudem gilt es den 7-Tage-Einkauf möglichst effizient in die Taschen zu stopfen.

Ich merke wie meine Lust loszufahren langsam in mir überkocht. Auch wenn morgen gleich eine Bergetappe angesagt ist, ich hab auf alle Fälle Bock! Spannend wird es zu sehen, wie ich mit den ganzen schweren Taschen am Rad vorankomme, das ist ja doch etwas ganz anderes als meine Probefahrten in Berlin ohne Gepäck.

Am Abend habe ich im Hostel zu Abend gegessen. Ursprünglich wollte ich einer Restaurantempfehlung aus dem Reiseführer folgen, aber ich hatte so viel Essen eingekauft, da war es doch besser ein bisschen davon schon aufzubrauchen. Die Gemeinschaftsküche war ein geselliges Plätzchen, viele langzeitreisenden Radfahrer_innen da. Neben dem Münchner war noch ein britisches Pärchen am Tisch, die in Neuseeland losgeradelt sind, ein italienischer Bergsteiger, eine chinesische Backpackerin und noch mehr Leute, mit denen ich nicht in Kontakt gekommen bin. So wurden fleißig Anekdoten und Tipps getauscht.

Ich bin anschließend bereits um 21.30 Uhr ins Bett, da ich gefühlt schon ewig auf den Beinen gewesen bin. Freitag auf Samstag hatte ich zwei Stunden geschlafen, von Samstag auf Sonntag etwa 2 Stunden im Flieger und in der Früh im Hostel. Das heißt in den letzten 60 Stunden kam ich auf etwa 4 Stunden Schlaf, das Einschlafen stellte also keinerlei Problem dar.