20. Juli 2019:
Mit dem Fahrrad 30 Kilometer und 230 Höhenmeter bis nach Murghab.
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Im Anschluss an meine Fotosession habe ich gut geschlafen, heute mit Wasserfilter im Schlafsack als Frostschutz. Auch wenn ich es heute ruhig angehen lassen wollte und mir keinen Wecker gestellt habe, so bin ich doch um 6.30 Uhr wach, mein interner Wecker scheint also fest installiert zu sein.
Zusammengepackt, Müslifrühstück runtergeschlungen, durch den vorbeiziehenden Wind ziemlich eingestaubt worden und dann wieder zurück zur Straße. Es sind nur 26 Kilometer bis Murghab und mehrheitlich geht es, wie gestern bereits dargelegt, schön bergab. Das Durchschnittstempo dürfte so heute das bisher höchste auf der Tour sein. Heute wiederholt sich meine Reisetradition, 2 Kilometer nach dem Start komme ich am idealen Zeltplatz vorbei, mit fließendem Gewässer und saftig grüner Wiese. Ich tröste mich damit, dass dort sicherlich der Sternenhimmel nicht so schön gewesen wäre. 😉
An einigen Stellen ging die Straße aber wieder knackig bergauf, dabei begegne ich zwei französischen Radfahrern, die in die Gegenrichtung unterwegs sind. Ich lasse Grüße an Benjamin ausrichten, der ja inzwischen im Wakhan-Tal unterwegs sein dürfte.
Weiter geht’s mit guter Musik im Ohr und heute läuft das Rad gefühlt von alleine, es war heute weit weniger anstrengend als die Tage davor. Kurz vor Murghab kam ich an den ersten Militär/Polizei-Checkpoint seit Khorogh, anschließend komme ich endlich nach Murghab.
Murghab ist das Verwaltungszentrum der Region, wurde erst 1892 im Auftrag der russischen Krone als ein militärischer Außenposten errichtet, auch hier spielt wieder der Kampf Russland gegen Großbritannien im Great Game eine Rolle.
Murghab war die “Höchste Stadt der Sowjetunion” wie in Alichur gestern fühlt es sich jedoch keineswegs wie eine Stadt an. Eine verdichtete Ansammlung von ärmlichen Behausungen im zusammengewürfelten Stil trifft es vielleicht besser, schließlich wohnen hier auch nur knapp 6000 Menschen. Und die leben mit einer beeindruckenden Temperaturamplitude. Im Sommer kann es gut 40°C heiß werden, im Winter warten -50°C auf die Bewohner, all das bei einer Niederschlagsmenge von nur 72 Millimeter/Jahr. Der Fluss Murghab, der an der Stadt vorbei fließt, mündet irgendwann im Panj. Kaum zu glauben, dass das Wasser hier irgendwann auf den Baumwollfeldern in Usbekistan ankommt, welch weite Reise.
In Murghab selber fahre ich erstmal diesen werten Herrn hier besuchen.
Nach einem kurzen Plausch über den dreckigen Imperialismus und Kapitalismus mache ich mich anschließend auf die Suche nach einer Unterkunft.
Das einzige Hotel der Stadt ist das Pamir Hotel, dies war mir jedoch zu heruntergekommen und teuer um dort Abzusteigen. Stattdessen fuhr ich zum Homestay Tulfabek, dort bekam ich ein kleines Zimmer mit zwei Betten angeboten, heute Nacht war sowieso nur eine weitere Person zu Gast im Homestay.
Nach der Ankunft und einer kurzen Erholungspause bin ich noch zum nahen Markt gegangen. Dieser besteht in Murghab aus dutzenden Hochseecontainern, die zu kleinen Shops umgebaut wurden. Das Warenangebot ist ziemlich dürftig und unterscheidet sich zwischen den Shops fast gar nicht, sofern man nicht plötzlich im Metzger-Container steht und von Bergen an ungekühltem Fleisch in der Auslage begrüßt wird.
Die Rückseite der Marktstände
Doch finde ich auf dem Markt zur Mittagszeit eine winzige Garküche, wo es Kartoffeln, Kohl und Yakfleisch gibt. Das Fleisch ist wirklich sehr zäh und nahezu ungenießbar, der Rest ist aber sehr lecker. Zudem gibt es frisch gebackene Teigtaschen mit Gemüsefüllung dazu. Die Bestellung funktioniert in Zeichensprache, auch mit den zwei älteren Damen am Nebentisch kann ich nicht wirklich kommunizieren. Trotzdem ein leckeres und gehaltvolles Mittagessen. Der Schock kommt beim Zahlen, da will man ganze 2,10€ von mir, inklusive der Kanne Tee. Das dürfte die bisher günstigste Speise gewesen sein.
Auf dem Markt stocke ich danach noch Lebensmittel für die weitere Reise auf, im Gegensatz zu den kleinen Dörfchen durch die ich die letzte Woche kam gibt es hier sogar eine bescheidene Auswahl an Obst und Gemüse.
Der erste Einkauf
Man erkennt seit Ankunft in Alichur, dass die Bevölkerungsmehrheit kirgisischer Abstammung ist, auch der Kleidungsstil hat sich verändert. Spannend diese Unterschiede mitzukriegen, vorallem da sie so abrupt stattfinden, in Khorogh fiel mir dies gar nicht auf, jetzt mit Erreichen der Hochebene hat ein kompletter Wandel stattgefunden.
Da passt es, das meine Gastgeber im Homestay mich bereits morgens informiert hatte, dass heute am Stadtrand ein Festival der kirgisischen Volksgruppen des Pamirs stattfindet.
Blick auf das Festivalgelände außerhalb der Stadt
Kann ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Für eine Stadt mit 6000 Einwohnern ist es verrückt plötzlich diese Menschenmassen zu sehen. In einem großen Halbkreis haben sich diese um eine Bühne und ein Stück Wiese gescharrt.
Es ist mir nicht ganz klar, was hier passiert, auch weil ich die Ansagen nicht verstehe. Aber es scheint wohl ein sportlicher und kultureller Wettkampf zwischen verschiedenen kirgisischen Gruppen aus verschiedenen “Ansiedlungen/Tälern” der Pamir Region zu sein. So schlägt das Team des Bartang-Tals das Sarez-Tal beim Sackhüpfen, beim Armdrücken steht es unentschieden und später kommen auch noch schulische Tanz- und Chorgruppen auf die Bühne.
Das mit der Synchronität üben wir aber noch mal 😉
Ich finde mich bald in der Gesellschaft eines tschechischen Pärchens wieder, die per Anhalter nach China unterwegs sind. Gemeinsam genießen wir dieses uns fremde Spektakel, ich versuche einen Überblick zu erhalten und beobachte die Freizeitgestaltung der anwesenden Personen.
Im folgenden ein paar Impressionen vom Festival:
Ein paar Ortsansässige, mit denen ich ins Gespräch komme.
Auf dem Rückweg zum Homestay verwickelt mich noch eine Gruppe Jugendliche in ein Gespräch. Reihum werden mir ihre Namen genannt, doch als nach jedem Namen großes Gekicher einsetzt, beschleicht mich doch das Gefühl hier nur ein Sortiment tadschikischer, pamiri und kirgisischer Schimpfwörter zu lernen. Ich bin doch nicht von Vorgestern, so leicht kriegt ihr mich nicht verarscht. Und zudem war ich auch mal 13… 😉
Den Nachmittag und Abend genieße ich mit Filmen und einem guten Buch. Auf dem Bett liegend kommt so wirklich ein wenig Entspannung auf. Zum Abendessen gibt es Reis und Buchweizen mit Gemüse. Ein wenig trocken und langweilig, aber auf alle Fälle sättigend. Zudem zahle ich hier im Homestay für die Übernachtung + Abendessen + Frühstück genau 8€, da freue ich mich über die Ersparnis.
Leider hatte das Homestay keine Waschmaschine, man bat mir zwar an, dass die Schwiegertochter eine Ladung Handwäsche übernehmen könnte, das wollte ich allerdings vermeiden. So bin ich tagsüber mit meiner Wäsche zum einzigen Hotel in der Stadt gefahren, die haben zwar selber nur eine semi-automatische Waschmaschine, aber besser als nichts. Jedoch wurde ich, aufgrund der Kapazitäten der Waschmaschine, auf heute Abend vertröstet. Teilweise musste ich mich mit dem Hotelchef anlegen, schließlich klappte es aber um 21 Uhr, da nahmen sie dann meine Wäsche doch noch an. Nun heißt es Daumendrücken, dass ich meine Wäsche morgen in Empfang nehmen kann, da ich fast jedes Kleidungsstück abgegeben habe. Ich besitze noch ein Hemd und meine Regenhose (Vollplastik bei den Temperaturen, lecker-lecker!), sonst ist alles Weitere in der Waschmaschine.
Nachdem ich die Wäsche zum Hotel gebracht habe bleibt nicht mehr viel zu tun außer zu entspannen und zu hoffen, dass ich morgen meine Klamotten wieder in Empfang nehmen darf.
Ich werde morgen noch in Murghab bleiben, ein wenig am Rad basteln und mich ansonsten entspannen. Ich liege für meine Tour gut in der Zeit, da kann man sich solche Tage zur Erholung mal leisten. Zudem heute ja eher nur ein halber Pausentag war.