Ein Klick auf das jeweilige Bild vergrößert die Ansicht. Wir befinden uns heute auf dem blauen Tourabschnitt Nr. 13.
Wie erwartet wurde die Nacht richtig kalt. Der Teebeutel, den ich gestern vor dem Zelt deponiert habe, ist komplett durchgefroren, auch das Restwasser in der Trinkflasche hat eine Eisschicht. So richtig gut geschlafen habe ich auch nicht, das Zelt wurde leicht schräg aufgebaut und ich rutsche die Nacht über immer wieder von der Isomatte, so tritt keine wirkliche Erholung ein.
Unterbrochen wurde meine Nacht auch von einem erneuten Versuch, endlich mal Polarlichter zu sehen auf der Reise. Aus diesem Grund habe ich seit vorgestern schon den Wecker immer auf 1:30 Uhr stehen, und schaue dann kurz vors Zelt. Kostet zwar eine Menge Überwindung aus dem Schlafsack zu kriechen, im kalten Vorzelt zu kauern und dann vors Zelt zu treten, aber ich hoffe ja doch noch auf Erfolg. Heute Nacht aber stellt sich dieser noch nicht ein. Ich blicke auf einen wunderschönen Sternenhimmel, selbst die Milchstraße ist mit bloßem Auge gut sichtbar. Aber das wabernde Grün der Aurora borealis zeigt sich nicht.
Nach dem Loslaufen quatsche ich mit zwei Schweden, die gestern in Suorva am Damm gestartet sind, hier in der Nähe gezeltet haben und heute weiter in den Sarek vordringen wollen.
Mein Weg führt mich nun weiter zur Brücke über den Guhkesvákkjåhkå, dies alles bei strahlendem Sonnenschein. Die Brücke ist eine von nur vier Brücken die im Sarek aufgestellt sind und ist trotz der vielen Flussquerungen erst die zweite Brücke, die ich auf der Tour überquere. Beim Blick ins Wasser ist aber auch völlig klar weshalb hier eine steht, denn ohne wäre hier ein Umdrehen angesagt, viel zu reißend und tief ist der Fluss.
Toll ist der Blick gen Westen ins Guhkesvágge, am Ende dessen man sogar das Áhkká-Massiv in der Sonne leuchten sieht. An unserem ersten Tag haben Markus und ich dieses Gebirge umrundet und am Fuße davon gezeltet, jetzt wären es Luftlinie ca. 25 Kilometer bis dorthin.
Auf der nördlichen Flussseite folge ich erst einmal einem gut erkennbaren Pfad, vorbei an wunderschön buntem Moos und bei herrlichstem Wetter und tollsten Ausblicken auf die umliegende Landschaft.
Zudem höre ich seit gestern ein gutes Hörbuch (Andy Weir – Artemis), da läuft sich der Weg quasi von alleine. Dies ändert sich etwa zwei Kilometer vor der Rentierzüchterhütte entlang des Njirávbuollda. Dort verschwindet der Weg und es wird besonders eklig mit dem Vorankommen, denn nun geht es durch mannshohes Weidengestrüpp. Dies stellt einen massiven Kraftakt dar, dort durchzukommen. Man muss nämlich mit den Armen die Äste zur Seite drücken, einen Schritt vortreten, dabei nicht über die niedrigen Äste stolpern und dies wiederholt sich mehrere hundert Meter am Stück.
An der Hütte angekommen sieht es dann so aus, als sei nur noch ein Hügel zu überwinden und dann ginge es flach voran bis zum Sluggá. Dies stellt sich jedoch bereits an der Hügelkuppe als optische Täuschung heraus.
Dort sieht man nämlich, dass die nächsten 5 Kilometer viel hoch und runter sein werden, und es dabei zumeist über Blockfelder geht, zudem kommen wieder einige Weidengestrüppabschnitte. Als wäre dies alles nicht genug bahnt man sich den Weg durch eine Seen-Landschaft und es kommen zu allem Überdruss noch sumpfige Bereiche.
Mit dieser traurigen Erkenntnis im Kopf mache ich hier auf dem Hügel meine Mittagspause, verschwende jedoch nicht zu viel Zeit, da ich vorankommen will und weiß wie anstrengend die nächsten paar Kilometer werden. Der Reiseführer sagt, das Gelände wäre „wegen großer Felsbköcke und des Weidengestrüpps anstrengend.“ Auch wird es eine „Geduldsprobe“ genannt. Der Reiseführer lügt hier nicht, der Weg ist wirklich eine Kraftanstrengung.
Froh bin ich über den strahlenden Sonnenschein, bei Regen wäre es auf den glitschigen Steinen sicherlich weit schwieriger. Dennoch bleibt es auch im Trockenen eine kraftraubende Angelegenheit, nur selten kann ich direkt Luftlinie laufen, sondern muss mir stellenweise Umgehungen suchen, da nach einem Hügel wieder ein See vor mir liegt. Und auch dort stellt sich taktisches Planen ein. Denn wenn ich dieses See nun rechts rum umgehe, laufe ich Gefahr, dass ich beim größeren See der danach anschließt eine weit längere Umgehung laufen muss. Also vielleicht doch lieber links um den See, aber sieht das dahinten nicht nach Sumpf aus? Und kommt da nicht schon wieder Gestrüpp?
Ihr seht, es ist mühselig und zeitraubend. Schließlich habe ich es aber geschafft, ich muss nur noch den Fluss überqueren, der südlich des Sluggá fließt. Leider finde ich auch hier keine Möglichkeit trockenen Fußes auf die andere Seite zu kommen, so muss ich auch für diesen relativ dünnen Bachlauf mich umziehen. Besonders nervig wird dies, da das Gestrüpp bis ans Ufer heranreicht, ich ziehe mich also aus während ich mitten im Weidengestrüpp balanciere, selbiges passiert mir beim Umziehen auch auf der anderen Seite.
Nun steige nach dem Fluss zwar bergauf, teilweise auch wieder durch Gestrüpp, aber ich habe ein Plateau als möglichen Zeltplatz schon fest im Blick. Zudem die Gewissheit, jeden Höhenmeter den ich nun aufsteige, muss ich morgen nicht bei der Begehung des Sluggá ableisten. Trotzdem bin ich nach den heutigen 13 Kilometer durch mehrheitlich schwieriges Gelände doch sehr fertig und deswegen froh als ich an dem Plateau ankomme und mein Zelt errichten kann.
Danach überwinde ich mich auch zu einem schweinekalten Bad im nahegelegenen Fluss. Habe ich mich die letzten Tage eher in kleinen Wasserläufen gewaschen, formt der Fluss hier teilweise kleine See-Becken aus, in denen man tatsächlich schwimmen kann, zudem sind diese richtig tief.
An ein entspanntes Schwimmen ist jedoch nicht zu denken, es ist so kalt, da springt man rein, dann schnell wieder raus, einseifen, wieder rein und abwaschen, dann überwinden und mit dem Kopf untertauchen. Dabei spürt man förmlich wie das Gehirn einfriert. Schnell wieder raus, Shampoo drauf und wieder rein zum Abspülen. Insgesamt dauert dieses Prozedere nicht länger als 2 Minuten, anschließend steht man schlotternd am Ufer und versucht wieder Leben in die eingefrorenen Gliedmaßen zu bekommen. Da aber knappe 200 Meter weiter eine Vierergruppe Schwed_innen ihr Lager aufgeschlagen hat, verkneife ich mir mein Quietschen beim Eintritt ins Wasser so gut wie möglich 😉 . Anschließend hetze ich zurück ins Zelt, selbst eine halbe Stunde später im Schlafsack sind die Füße immer noch Eisblöcke ohne Gefühl.
Der Sluggá ist vom Zelt zwei Kilometer entfernt. Soweit das Wetter also morgen hält werde ich in der Früh das Zelt stehen lassen und mit leichtem Gepäck zum Sluggá aufbrechen. An sich ist es nur noch eine Tagesetappe von 16 Kilometer bis Saltoluokta, ich habe aber noch zwei Tage Zeit. Werde dann nach der Rückkehr vom Sluggá überlegen ob ich weiter laufe oder einen halben Ruhetag zum Ende noch einlege.
Da es wieder eine Wolkenlose Nacht wird, bin ich sehr gespannt ob es noch einmal so kalt wird wie die vorherige Nacht.