Tag 4: Rostock – Praesto
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Der Morgen begann früh. Ich habe mich mit meinen endlosen Taschen aus dem Hotelzimmer geschlichen, um meine beiden Zimmernachbarinnen nicht zu wecken. Schnell auf dem Gang gepackt und dann alles ab aufs Rad.
Ohne Frühstück ging es in Eile die 12 Kilometer zum Rostocker Überseehafen. Von den Temperaturen her angenehm und die Strecke gut ausgeschildert. So war ich knappe 35min später am Check-in Schalter von Scandline und habe für vergleichsweise günstige 19€ ein Ticket erworben um von Rostock nach Gedser überzusetzen. Das passierte dann auch passenderweise auf der ‘Copenhagen’.
Spanned ist immer der Beladungsprozess, da die Räder immer als erstes an Board dürfen. Schon schön mit mehreren Radfahrer_innen durch die leeren Decks zu fahren. Es stellte sich mal wieder raus, dass ich das schwerste Rad am Start hatte, besonders auf die dänischen Rennradler mit Bikepacking – Ausrüstung (kleines Täschchen hinter der Satelstütze mit Ersatzklamotten) war ich neidisch. Deren Rad mit Gepäck wog wohl so viel wie mein Vorderrad allein.
Die Fährfahrt war entspannend wie immer, hab in der Sonne gelegen und gelesen.
In Gedser begrüßte mich nach knappen 100m dieses Schild!:
Da weiß man wenigstens was das Ziel ist. Spannend es erstmalig angeschrieben zu sehen. Mit jedem geradelt Kilometer wächst in mir die Erkenntnis, was ich mir dabei eigentlich zugemutet habe. Auch ist meine Tour etwas länger geplant als oben beschriebene Kilometeranzeige. Aber egal, jeder Kilometer bringt mich dem Ziel näher, und runtergebrochen auf die ganzen spannenden Ziele, die ich im Laufe der Reise noch ansteuern will verliert dieser Kilometerberg auch an Einschüchterungspotential.
Der Weg führt über wunderbare Radwege erst nach Nykøbing und dann weiter in Richtung Varningsborg. Heute habe ich nach gefühlten 3 Tagen Gegenwind endlich mal Rückenwind. Ich fahre im zwölften, statt im zehnten Gang und erreiche angenehm eine Reisegeschwindigkeit von 25km/h, wo die letzten Tage eher so 18 drin war. Kann gerne so weitergehen.
Wieder mal zeigt sich, wie viel weiter die Dänen in Sachen Radwegsnutzung sind. Die Radwege waren teilweise genauso breit wie die Auto-Spur, und selbst wenn keine dezidierte Spur vorhanden war, da war der Seitenstreifen 50cm breit und nicht wie in Deutschland nur 20cm. Die Autofahrer sind super rücksichtsvoll, und schleichen lieber einen ganzen Berg bei 10km/h hinter mir her, als dass sie überholen würden, ohne die Gegenfahrbahn überblicken zu können. Habe heute eine Radfahrerin gesehen, die gestürzt war. Das Auto, dass sie kurz vorher überholt hatte stieg sofort in die Bremsen und fuhr sogar im Rückwärtsgang zurück um zu sehen, ob es der Fahrerin gut geht. Ich bin beeindruckt!
Um Mittag rum setze ich per Brücke auf die nächste Insel über. Rechts davon sieht man die nächste Brücke, welche allerdings nur für den PKW-Verkehr auf der Autobahn befahrbar ist. Aber so war wenigen meine Brücke leerer. War auch viel spannender, ne Brücke die gleichzeitig von Füßgänger_innen, Fahrrädern, Autos und Zügen befahren werden kann habe ich noch nie gesehen.
Am Brückenbeginn noch ein Foto für eine Leserin dieses Blogs. Du weißt schon, dass du damit gemeint bist 😉 :
Mittagspause gab es beim örtlichen Sperrmüll, ich gebe zu, mein Rad und ich, wir fühlten uns ein wenig alleingelassen 😀
Kann es noch skandinavischer werden?
Abschließend ging es dann zu meinem liebsten Wildcamping-Platz aller Zeiten (auch wenn ich hoffe auf dieser Reise noch ein paar weitere für meine Liste zu entdecken). Der Campingplatz besteht aus zwei umgedrehten Booten am Wasserrand und eignet sich ideal für eine Übernachtung. Beschrieben hatte ich den Platz schon bei der letztjährigen Kopenhagen Tour, da hat er mir so gut gefallen, dass ich einen Umweg eingeplant habe um heute wieder hier Übernachten zu können.
Nach knappen 90km heute erreichte ich den Platz bereits um 16 Uhr und hatte so Zeit, ordentlich in der Sonne zu liegen, dass erste Buch fertig zu lesen, nach Herzenslust zu schlemmen und sogar den Privatstrand auszutesten:
Davon gibt es zwei Stück, leider war das Wasser recht voll mit kleinen rosa Quallen. Als ich schließlich doch im Wasser war (erstaunlich warm sogar), merkte ich, dass die Sandzunge mehrere hundert Meter raus ins Meer ging, es also nie tiefer als 30cm wurde. Der erste richtige Badegang im Meer ist also verschoben.
Sonst gab es lecker Nudeln mit Bolognese-Sauce und jetzt sitze ich hier um 22 Uhr in meinem Boot, es ist immer noch Hell und werde nun wohl lesen bis mir die Augen zufallen.
Tag 5: Praesto – Holte
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Heute beginnt kühl und wolkenbehangen. Ist mir ganz recht, dann kriegt mein Sonnenbrand heute mal Zeit zum ausheilen.
Nach dem Zusammenpacken geht es wieder zurück auf die Landstraße. Die stellt sich heute als erstaunlich hügelig heraus. Kaum braust man von einer Kuppel herunter, wartet in der Talsohle direkt der nächste Anstieg, den ich mit ca. 10km/h hoch schnaufe.
Die ersten 40km bis Koge kosten so unglaublich viel Kraft. Weil heute alles so wolkenverhangen ist, gibt es auch weniger Fotos.
In Køge geht es dann am Meer entlang immer in Richtung Kopenhagen. Mittagspause mache ich am Strand.
Dein Traum, Tamina?
In Kopenhagen beginnt es ziemlich entspannt. Ich fahr auf einem Radweg neben der Straße und an manchen Stellen könnte man meinen, man ist gar nicht mehr in der Stadt.
 Die Schafe haben das Auenland übernommen.
 Ich sag doch die Dänen sind verrückt nach Radfahrern. An manche Ampeln gibt es diese Gitter, da kann man den Fuß drauf abstellen ohne absteigen zu müssen.
Zum Ende hin wird es dann doch unangenehm, zu viele Abzweigungen müssen gefunden werden, dauernd ist eine Ampel rot. So verbringe ich die letzte Stunde mit vielen Blicken aufs Navi und das linke Knie, welches das Rad immer wieder aus dem Stillstand beschleunigen darf, fängt auch gehörig an zu meckern. Hoffentlich gibt sich das die Tage wieder.
Kurz hinter Kopenhagen biege ich in Holte von der Straße ab, nachdem ich heute knappe 100km zurückgelegt habe. In Holte habe ich vor zwei Tagen via Warmshowers (eine Couchsurfing-Plattform für Radreisende) eine Einladung für eine Übernachtung erhalten. Schon bald zeigen mir Lars und Annette ihr wunderschönes Haus. Lars hat im Keller eine Werkstatt, die selbst NASA und BMW beschämen würde. Hier baut er selbstentwickelte Elektro-Trikes, also Fahrräder mit 3 Rädern. Sein neuer Prototyp soll über 500km Reichweite haben, und da der Motor mehrere Tausend Watt bereitstellt kann man mit einem Druck auf dem Gashebel auch jegliche Tempolimits überschreiten. Ich darf mir das gar nicht zu genau anhören, sonst will ich morgen nicht mehr auf meinem schweren Drahtesel steigen und steile Hügel erklimmen.
Annette und Lars kochen zum Abendessen wunderbare Burger und haben auch sonst allerlei spannende Geschichten zu erzählen, weswegen wir bis spät noch quatschend im Esszimmer sitzen.
Auch die Möglichkeit unter eine heiße Dusche zu springen, sowie die dringend notwendige Wäsche meiner muffeligen Klamotten werden dankenswerterweise möglich gemacht.
Vielen Dank euch beiden für eine tolle Übernachtung, habe mich sehr gefreut euch kennenzulernen!
Morgen geht es dann mit der Fähre nach Schweden, nach zweieinhalb Tagen also gleich weiter ins nächste Land.