[Biking] – Israel 2019
[Tag 15] Mitzpe Ramon – Ze’elim
13. Dezember 2019: 86 Kilometer, 430 Höhenmeter von Mitzpe Ramon bis nach Ze’elim.
GPX-Daten
Hier die heute gefahrene Route, anschließend in Relation zur Gesamtstrecke:
Zeit in Bewegung: 4:24h
Tempodurchschnitt: ~19,6km/h (!!!)
Maximalgeschwindigkeit: 60,2km/h (!!!)
Gesamtstrecke (Rot) in Relation zur heutigen Strecke (Blau)
In der Nacht bleibt es weiterhin böig und windig. Moshe hat sein Zelt gestern noch in der Nähe aufgeschlagen, zusammen gab es Abendessen und erstmalig auch einen Liter Tee, bisher waren die Teebeutel eher mitgeschlepptes Gewicht. Doch als es nachts knappe 6 Grad erreicht, ist es höchste Zeit für einen warmen Tee.
In der Früh hat der Wind sich leider nicht gelegt, leicht missmutig mache ich mich ans Zusammenpacken. Nach der Verabschiedung von Moshe geht es dann zurück auf die Straße.
Der Wind kommt aber glücklicherweise von der Seite und nicht mehr frontal von vorn. Immer noch nervig, aber nicht mehr so unmöglich und anstrengend wie gestern. So komme ich auch schnell voran, zudem geht es heute mehrheitlich bergab.
Ich komme am Nafkha Gefängnis vorbei, laut meiner letzten Information schneidern da die Einsitzenden gerade Masken in Coronazeiten zusammen.
Schnell habe ich Sde Boker erreicht, das Kibbutz von Staatsgründer David Ben-Gurion. Zwar gibt es ein paar kürzere Anstiege, ich werde aber mehrmals mit langen Abfahrten belohnt, wo ich mit über 50km/h gen Tal rausche.
Ich komme an der Ashalim Power Station, einer Solarkollektoren-Anlage, vorbei. Der Schein des zentralen Turms leuchtet über mehrere Kilometer. Durch den Dunst in der Luft sieht man auch das hineinprojizierte Licht.
„Die Leuchtfeuer von Minas Tirith, die Leuchtfeuer brennen! Gondor ruft um Hilfe!“ kommt mir da sofort in den Sinn 😉 (Ich halte die folgenden Stunden die Augen offen, rohanische Reiterstaffeln kommen mir aber nicht entgegen. 😀 )
Mit 260m Höhe ist dies der höchste Solarturm der Welt, die Anlage leistet 120 Megawatt. Über 570 Millionen Dollar hat die Anlage gekostet, über 50.000 Parabolspiegel richten ihren Schein auf den Solarturm.
Nach 55 Kilometern versuche ich mich dann an einem Mittagessen in einem Park, werde aber leider von einer viel zu aufdringlichen Katze verjagt. Diese ist so forsch in ihrem Versuch an mein Essen zu kommen, ich kann sie nur dadurch abhalten, dass ich sie am Nacken packe und vom Tisch schmeiße. Doch 5 Sekunden später hält sie die Schnauze wieder an meine Plastiktüte. Ich muss mit einer Hand mein Brot essen, während ich mit der anderen Hand das Fellknäuel davon abhalte, mir ins Gesicht zu springen.
Entnervt gebe ich auf, 2 Kilometer später esse ich stattdessen in Ruhe an einer Bushaltestelle. Dabei blicke ich auf Beduinen-Ansiedlungen. Diese sind zumeist sehr ärmlich, vielfach auch nicht ans Strom- und Wassernetzwerk angeschlossen. Überall stapelt sich der Müll.
Heute verwandelt sich die Landschaft und zugehörige Vegetation ganz gewaltig: Gestartet bin ich in den typischen Sandstein-Gebieten der Negev-Wüste, so wie ich sie auch die letzten Tage hatte. Doch im weiteren Verlauf kommen irgendwann wieder kleinere Sträucher zum Vorschein, selbst kleinere Sanddünen zeigen sich.
Und da, wo Kibbutzim-Ansiedlungen sind, erkenne ich wie urbar die Wüste gemacht wurde. Über Kilometer erstrecken sich dann Anbauflächen und Wälder.
Kurz vor dem Mittagessen bin ich von der viel befahrenen Route 40, die Eilat mit Beer Sheva verbindet, abgebogen auf eine kleinere Landstraße (Route 222). Und dort ist das Vorankommen wirklich traumhaft. Autos überholen mich nun nur noch alle 5-10 Minuten, nicht mehr im 30 Sekunden Takt. Zudem ist die Straße grade und zumeist abschüssig, manchmal blicke ich bis zum Horizont.
Leider ist eine wirkliche Fernsicht am Horizont heute nicht gegeben, denn durch den aufgewirbelten Sand in der Luft bleibt die Sichtweite heute beschränkt. Ich hoffe inständig das ändert sich bis morgen, da wird es nämlich die spannenderen Ausblicke geben.
Auf der Route 222 komme ich noch an großen Militärstützpunkten vorbei. Durch die Nähe zu Gaza wird hier einiges aufgefahren, an einer Stelle blicke ich über den Zaun auf einen “Parkplatz” mit hunderten Panzern, Truppentransportern und Jeeps. Ich traue mich allerdings nicht ein Foto zu machen 😉
Zum Tagesende komme ich an einer Aussichtsplattform vorbei, die wohl dazu dient Vögel im nahen Waldstück zu beobachten.
Es ist zwar erst 15 Uhr, doch habe ich schon 85km hinter mir, zudem sind es bis Tel Aviv nur noch knappe 140 Kilometer und ich habe mir vorgenommen, noch 2 Tage auf dem Rad zu verbringen. Also kann ich ein wenig Lesen und entspannen, als es dunkel ist schleppe ich mein Zeug auf die Aussichtsplattform. Da wird hoffentlich keiner mehr kommen und zumindest ist so ein traumhafter Ausblick vom Sonnenaufgang garantiert. Mein Zelt baue ich nicht auf, ich werde mich heute Nacht einfach nur auf die Isomatte legen.
Gekocht habe ich auf der Plattform, das hat erstaunlich gut funktioniert. Es ist auch nach Einbruch der Dunkelheit keine*r mehr vorbei gekommen, so hatte ich die Plattform ganz für mich alleine und konnte mich in meinem kleinen Lager ausbreiten. Im Umkreis des Turms sind jedoch allerlei Offroad-Tracks und so fahren bis in die Abendstunden noch Menschen mit Enduros, ATVs und Geländewagen vorbei, jedoch hält niemand davon am Turm an.
Ich bin gespannt was der morgige Tag bringt, ich bin keine 25km von der ägyptischen Grenze, ebenso keine 25 Kilometer vom Gaza-Streifen entfernt. Und da ich das Gebiet überhaupt nicht kenne, dürfte es morgen ein paar spannende Ausblicke geben.