20.8. Abisko -> Karsavagge

Um 10 vor 6 sind wir schon wieder auf, alles fertig packen und ab zum Bus. Kaum sind wir und unsere Rucksäcke in diesen eingeladen, ratzt Markus neben mir fröhlich weiter… Tja, selber Schuld, ich genieße den Blick auf die näherkommenden Berge, den riesigen Torneträsk und auch eine kleine Gruppe Rentiere zeigt Präsenz. Die Vorfreude steigt wahrlich mit jedem Kilometer.


Blick auf den Torneträsk

In Abisko schnell in die Turiststation. Die Start-Cola, für mich ne neue STF-Mitgliedschaft und der Wetterbericht für die kommenden Tage: 6 Tage Sonne angesagt, yeaaaah!
Vor der Turiststation noch beide Rucksäcke an die Waage eingehängt. Hier fängt der Schock schon an. Markus hat 23kg, genau dasselbe Gewicht wie ich letztes Jahr geschleppt habe. Aber als meiner dann hängt und bedrohliche 26kg anzeigt, wird mir doch mulmig! Drei Kilo mehr als letztes Jahr, dabei war doch die Hoffnung zu Zweit weniger schleppen zu müssen als bei einer Solowanderung. Wenigstens hatten wir diesmal ein bisschen “richtiges Essen” (Salami, Brot, Tortellini) für die ersten Tage dabei, das Gewicht würde sich also hoffentlich bald reduzieren.


Markus Rucksack


Daniels Rucksack


Da hängt das Elend!

Um 8.30 Uhr gehen wir los und lassen vor dem Start-Tor noch ein obligatorisches Foto von uns knipsen im hellsten Sonnenschein. Drei junge Schweden, die sich im Gegenzug von uns fotografieren ließen, sprachen da lapidar von einem “Instagram-Moment” – ein geflügelter Ausdruck, der in den kommenden zwei Wochen von uns zumeist auf Berggipfeln, bei Sonnenuntergängen und an Flüssen wieder aufgegriffen wurde.


Los gehts!

Wir wollten den Standardweg nach Abiskojaure vermeiden, da ich diesen inzwischen 2x gelaufen bin. Zudem hat mir letztes Jahr das Karsavagge schon so gut gefallen, da fiel die Entscheidung auf einen kleinen Umweg leicht. In einer sich ausbreitenden Hitze ging es bergauf durch den Wald. Alles blühte, schließlich hatte sich der Schnee erst vor wenigen Wochen richtig verzogen.

Mir machen die Steigungen zu schaffen, schnell ist die erste Blase an der Ferse aufgerieben. Schlechte Planung von mir, eigentlich wollte ich von Beginn an Leukoplast-Tape aufkleben, nachdem dies sich bei einer vorherigen Wanderung als effektiv herauskristallisiert hatte. In der Turiststation war ich zu faul gewesen und die Rache folgte auf dem “Fuße”. Der Beginn einer 12-tägigen Wanderung mit fiesen Blasen. Das Rucksackgewicht drückt ungewohnt auf die Schultern, dass Absetzen und vor allem das Neu-Aufsetzen gilt es um jeden Preis zu vermeiden! Alles in allem die üblichen Start-Probleme.

Im Wald fängt es an, um uns herum zu summen. Kein Problem sage ich, die Mücken sind nur im Wald, sobald wir das Kahlfjäll erreichen, wird es keine Insekten mehr geben. Deswegen habe ich ja auch mein Veto dagegen eingelegt, ein Mückenschutzmittel mitzuschleppen. Wie diese Geschichte ausgeht, wird am folgenden Tag zu lesen sein.

Nach ca. 2 Stunden im Wald passiert es von einem Meter auf den nächsten: Der Wald lichtet sich und wir sind im Kahlfjäll. Letztes Jahr fand ich den Blick schon spektakulär, daran hat sich auch dieses Jahr nichts geändert.


Endlich gibts einen Blick in die Berge

Auf guten Wegen kommen wir schnell voran, bis es doch ein wenig durchs Unterholz geht und unser Tempo schnell verkümmert. Neue Motivation entsteht, als die Stelle zum Flussüberqueren in Sicht kommt. Bereits letztes Jahr erprobt, liegt diese ca. 1km vor der Karsavagge-Hütte und verhindert so einen 2 Kilometer langen Umweg. Schuhe aus, Socken aus, Hose aus. Trekkingstöcke verlängern, Kamera in den Rucksack, Watschuhe anziehen und ab in die Fluten. Empfindlich kalt und ein höherer Wasserstand als letztes Jahr, dafür weniger reißend und nach 5 Minuten auch absolviert.

Es ist bereits 15 Uhr, das Mittagessen haben wir bisher verschoben und so suchen wir uns einen schönen Stein, ziehen wieder die richtigen Klamotten an und ergötzen uns an Salami und Brot. Schöner Nebeneffekt am Anfang: Man freut sich immer über das eingesparte Rucksackgewicht 😉

Beide packen wir dann noch den Kindle aus und so können wir uns erst gegen 17.30 Uhr aufraffen weiterzugehen. Die Pause hat richtig schön entspannt, ABGESEHEN von dem nervigen Brummen um uns herum. Hey, Mücken fliegen scheinbar auch im Kahlfjäll… Aber kein Problem lieber Markus, gleich gibt es Höhenmeter und die mögen Mücken nun mal gar nicht, alles halb so wild…


Der Brillenabdruck legt Zeugnis über die Sonneneinstrahlung des Tages ab

Da wir ja beim Fluss abgekürzt haben müssen wir nun ein Stück gradlinig den Berg hoch, statt dem Weg zu folgen der sich weit weniger steil an den Berghang schmiegt. Dies wird für mich das kräftezehrendste Ereignis der Wanderung. Das ungewohnte Rucksackgewicht, die bereits zurückgelegten 14 Kilometer Wegstrecke, die Hitze: Kurzum, ich kämpfe! Wo Markus sich schnell 50-100 Meter Vorsprung erwirtschaftet, gönne ich mir alle 100… alle 50 … alle 10 Schritte eine Pause. Der Schweiß läuft in Strömen!

Markus hingegen hat ein anderes Problem: Kaum zu erwarten, aber Mücken scheinen wahre Höhenmeter-Fans zu sein. Wir sind eingepackt in einer kleinen Wolke aus schwarzen, summenden Tierchen. Er schlägt wild um sich, versucht schneller zu rennen als die Mücken und besinnt sich schließlich auf die Regenjacke, Handschuhe und Mückennetz.

Ich hingegen reagiere auf die Mücken völlig apathisch: Mit 20-25 blutsaugenden Mücken pro Arm kann ich nicht einmal mehr die Kraft aufbringen, diese herunterzuschlagen oder abzuschütteln. Im T-Shirt klettere ich stoisch im Schneckentempo weiter den Berg hoch.


Blick zurück in Richtung Torneträsk


Blick zurück ins Karsavagge beim Aufstieg


Kurz hinter dem Schneefeld

An einem größeren Schneefeld machen wir Pause, ich könnte auch keinen Meter mehr. Gummibärchen werden verteilt und Markus spricht aufmunternde Worte. Dies hilft tatsächlich beim Weitergehen, auch wenn die letzten 200 Höhenmeter eine Qual sind. Als vor mir ein lautes “YEAH!” die Stille zerreißt falle ich doch in einen Laufschritt und stehe kaum 2 Minuten später auf dem Gipfel. Ein Panorama ins grüne Abisko-Tal, nach Unna Allakasund bis zu den verschneiten Bergen in Norwegen entschädigt für die Strapazen des Aufstiegs. Geduldig harrt Markus seiner Dinge, während ich mit der Kamera umher renne und versuche den Moment einzufangen.


Blick nach Abiskojaure


Endlich am Gipfel!


Blick nach Abisko

Wir steigen nun auf der anderen Seite des Berggrats 50m ab, wobei dies dank eines Schneefeldes doch schneller geht als erwartet. Dort finden wir eine einigermaßen große Grünfläche, die noch außerhalb des Naturparks liegt (wo Zelten verboten ist!) und ein kleineres Rinnsal Wasser beherbergt.


Blick Richtung Alesjaure


Blick auf den Giron


In Richtung Norwegen

Die Rucksäcke auf den Boden gewuchtet, schnell das Zelt aufbauen. Nunja, schnell war es nicht, trotz Training im Berliner Stadtpark. Am ersten Tag sitzt das halt nie so richtig und bis alle Heringe am neuen Tunnelzelt angebracht sind, vergeht doch ein Weilchen.


Zelten neben dem Schneefeld


Zelt steht


Blick kurz vor Sonnenuntergang

Erst gegen 9 Uhr abends sind auch die Isomatten aufgeblasen und wir liegen fix und fertig im Zelt. Auch wenn die Idee, jetzt aufzustehen und zu kochen, ohne Endenervt, treibt der Hunger uns doch vor das Zelt. Wir zelten direkt neben einem Schneefeld, es ist fast ganz dunkel und schweinekalt. Ein Wind pfeift und als das Nudelwasser fast heiß ist, schmeiße ich auch noch den Kocher um und verschütte 200ml brennendes Spiritus um die Kochstelle. Doch der Boden ist nass, es brennt nichts an und schon bald gibt es endlich wieder kochendes Wasser. Die traditionelle Blaber(Blaubeeren)-Suppe folgt den Tortellini (hurra, wieder 400g weniger morgen im Rucksack) und wird mit einem schön heißen Tee abgeschlossen. Schön bleibt jedoch relativ: Muss doch noch erwähnt werden, dass das Abendessen mit viel Armgefuchtel und -gewedel ablief. Stellt sich raus, Mücken mögen nicht nur Wald, Kahlfjäll und Höhenmeter, nein auch Schneefelder und Kälte bei 1050m über dem Meeresspiegel scheint sie zu begeistern. Es liegen zwar einige tote Mücken im Schneefeld, bleiben aber noch genug Quietschfidele um uns zu Ärgern. Markus Toleranz gegenüber Mücken und Daniels Gelaber über “das wird Alles ganz insektenfrei im Urlaub” ist zwischenzeitlich bei -15 angekommen und es bleibt die Frage ob er mich morgen den Berg runter werfen wird.

Um Mitternacht liegen wir frierend im Zelt. Ein langer Tag, ein anstrengender Tag, jedoch alles bei schönstem Sonnenschein. Markus hat sich tapfer auf die Zunge gebissen als ich beim Aufstieg immer weiter zurückfiel und der erste gemeinsame Wandertag hat trotz Strapazen einen riesen Spaß gemacht.

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