Tag 53 (Tag 1): Änonjálme – Rastplatz Richtung Kisurisstugan

Padjelantaleden Wanderung

Jetzt geht es los mit dem Bericht zur Wanderung. Lange habt ihr darauf warten müssen, dafür entschuldige ich mich nochmal. Gab nach der Rückkehr nach Berlin einfach viel zu viel zu erledigen, zudem ist der Wanderbericht deutlich aufwendiger und umfangreicher geworden als der jeweilige Tagesbericht zur Radtour. (Über 1000 Fotos zu sichten und der geschriebene Reisebericht allein nimmt über 40 Word-Seiten ein.) Wo diese Wanderung stattfindet habe ich bereits an Tag 52 genauer beschrieben.

Vorab: Ich entschuldige mich im Voraus für die vielen samischen Orts-, Gewässer- und Bergbezeichnungen, die ich in den kommenden Reiseberichten einbauen werde. Grund dafür ist, dass der Bericht so auch in einem Wanderforum eingestellt wird, dort hilft die genauere Bezeichnung der jeweiligen Berge hoffentlich den Leser_innen und Nachwander_innen bei der Orientierung. Nicht-Ortskundige können sie einfach gepflegt überlesen 😉

Doch nun ab zum Bericht:

Tag 53: Änonjálme – Rastplatz Richtung Kisurisstugan

Gelaufene Distanz: 8,4km

Ich konnte erst um 1 Uhr einschlafen, dank den schnarchenden Menschen im Hostelzimmer, musste aber um 5 Uhr früh wieder aufstehen. Habe es geschafft das Zimmer zu evakuieren, ohne jemanden zu wecken. Habe alles in den Flur geschafft und habe dort gepackt und bin dann schnellst möglichst vom Hostel zur Busstation gelaufen und habe dort den gratis Transferbus zum Bahnhof genommen.

Habe an der Busstation noch eine Frau getroffen, die ihre Tour auf dem Kungsleden in Alesjaure abgebrochen hat und mit dem Hubschrauber nach Abisko zurück geflogen ist. Der Heli macht jetzt Charterflüge für 100€ zurück nach Abisko, weil so viele Leute abbrechen. Scheint wohl immer noch viel Schnee zu liegen, oder viel Wasser, wenn so viele Leute sich ausfliegen lassen.

Dann noch einen Deutschen, der Norge på Langs (Norwegen von Süd nach Nord) läuft, allerdings mit Überbrückungen und zu Fuß auf dem Weg zum Nordkapp ist… Gibt immer jemand der Härter ist als du 😉

Habe dann an der Bahnstation den Zug nach Gällivare genommen. Witzig zu sehen, wie die Landschaft, durch die ich einen ganzen Tag geradelt bin, in eineinhalb Stunden an mir vorbeizog. Außer Bäumen war nicht viel zu sehen, kein Wunder dass mir damals auf dem ewig langen Abschnitt der E45 so langweilig wurde.

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Der Abraumhügel Kirunas vom Zug aus

Frühstück gabs im Zug, nach Ankunft in Gällivare blieb dann noch Zeit für den heiligen letzten Besuch auf einem Spülklo. Von Gällivare aus ging es mit dem 93er Bus sehr, sehr langsam nach Ritsem, bedingt durch die vielen Zwischenstops. Neben der kurzen Pause in Kebnats steht der Bus besonders in Stora Sjöfallet eine ganze Weile. Dort komme ich im Bus mit einem Deutschen ins Gespräch. Dass dieser kurze Plausch dazu führen sollte, dass wir 5 Tage zusammen wandern wusste ich da noch nicht 😉

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Vakkotavare, hier endete vor 2 Jahren meine Wanderung mit Markus auf dem Kungsleden

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Fähranleger Kebnats, hier werde ich in knappen 2,5 Wochen wieder auf die Zivilisation stoßen

In Ritsem angekommen wollte ich versuchen in der Fjällstation noch meinen Rucksack zu wiegen, bin also nicht am Fähranlieger ausgestiegen, sondern noch weiter gefahren. Leider hatte die Fjällstation keine Waage da, so bin ich unverrichteter Dinge wieder zur Fähre zurückgelaufen. Mal schauen wann ich eine Gelegenheit finde, den Rucksack ordentlich zu wiegen.

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Info: Ich habe schließlich das verbrauchte Gewicht (Essen, Toilettenartikel, etc.) auf der Tour zusammen addiert, und am Ende der Wanderung den Rucksack gewogen. Ergebnis:  Das Startgewicht lag wohl bei 27,3kg + 1L Wasser

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Blick auf den Áhkká

Die halbe Stunde am Anlieger wurde mit Essen überbrückt, zudem mit dem herrlichen Blick auf den mächtigen Berg Áhkká. Den hat man bereits einige Zeit während der Busfahrt sehen können und sah sehr beeindruckend aus, wie er so in Schnee gehüllt am Ufer des Akkajaure stand. Das Wetter ist während der Busfahrt immer weiter zugezogen, jetzt seit dem Ausstieg in Ritsem tröpfelt, nieselt und regnet es immer mal wieder. Ist mal wieder typisch!

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Auf der Fähre wurden die Rucksäcke draußen vertäut und abgedeckt, so bleiben sie auch schön trocken. Die Überfahrt über den See, mit Áhkká im Blick nutze ich noch einmal zum Entspannen, komme mit meiner Sitznachbarin Gabriela ins Gespräch, die aus der Schweiz angereist ist.

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Ab zur Akkastugan

Nach dem Ausstieg um Viertel nach 3 machen Gabriela, ich und der Deutsche aus dem Bus, Martin, ein paar schnelle Startfotos, legen die Regenausrüstung an und machen uns dann zu dritt auf den Weg. Ab jetzt geht es die nächsten 9 Tage auf dem Padjelantaleden im Gegenuhrzeigersinn um den Nationalpark Sarek bis nach Kvikkjokk.

Die ersten 2 Kilometer bis zur Akkastugorna (Akka-Hütte) sind schnell zurückgelegt. Toll finde ich, wie man relativ schnell wieder am ersten Tag in den “Flow” kommt. Klar, der Rucksack ist super schwer, aber davon abgesehen läuft es einfach. Schnell fühlt man sich auf den Wegen wieder heimisch, die Erinnerungen an die Kungsleden-Wanderungen laufen vor dem inneren Auge ab und die Vorfreude der letzten Tage schreit mir nur noch ein “ENDLICH BIST DU WIEDER HIER!” ins Ohr.

An der Akkastugorna (Akka-Hütte) halten wir nicht einmal an, sondern laufen direkt weiter. Immer weiter bis zum ersten eingezeichneten Rastplatz nach der Brücke.

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Bis dahin ist der Weg eigentlich ganz gut, ein paar Bohlen sind arg nass und rutschig, ansonsten aber gut gehbar.

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Rutschig und regnerisch

Die Teile ohne Bohlen sind sehr matschig, teilweise geht man über längere Strecken an den Rand des Weges gequetscht, was auch wegen der Schrägstellung des Fußes ziemlich unangenehm ist. Die Hose ist dadurch sehr, sehr dreckig, der Matsch steht bis zum Knie. Da es aber nie besonders stark regnete, habe ich mich gegen die Regenhose entschieden, dass dünne Material der Hose trocknet auch so sehr schnell. Die Schuhe sind von außen gut nass, drinnen aber noch schön trocken. Trotzdem muss ich sagen, dass es bei Weitem nicht so schlimm ist, wie ich es nach den Berichten der letzten Tage befürchtet hatte. Einige Wege haben sich in Flussläufe verwandelt, der Matsch steht auch an manchen Stellen noch echt tief, aber das ist alles machbar.

Nachdem wir erst am Nachmittag gestartet sind, hat keiner von uns Ambitionen, es besonders weit zu schaffen, besonders bei dem Wetter und dem ungewohnten Rucksackgewicht. Am eingezeichneten Rastplatz gibt es ein paar ebene Flächen wo wir mit einigem Abstand zueinander unsere Zelte aufbauen, während der Regen langsam wieder zunimmt. Ich bin dann nochmal für alle Wasser holen gegangen, da es aber immer noch regnet und einiges an Mückengetier herumschwirrt, verabschieden wir uns erstmal in unsere Zelte. Bis dahin hatten wir auch 8 Kilometer Wegstrecke zurückgelegt, und haben beschlossen, das reicht für den ersten Tag, besonders da es schon nach 18 Uhr war, und jeder von uns genug Zeit für die Strecke der kommenden Tage eingeplant hat.

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Links noch Martins Zelt, rechts Gabrielas

Es war sehr kalt, ich hab ziemlich gefroren und es hat lange gedauert, bis ich tief im Schlafsack verkrochen endlich wieder aufgetaut bin. Habe ein paar Nüsse gefuttert und dann von 18 Uhr bis 19:30 Uhr geschlafen, dachte mir dann “ein bisschen geht noch” und prompt gingen alle Lichter aus. Aufgewacht bin ich schließlich nach 23 Uhr, habe dann beschlossen, dass ich nichtsdestotrotz mich ans Abendessen machen werde. Heute gab es Uncle Ben’s Chorizo Reis, weil der schnell geht und ziemlich schwer ist, also gerne zu Beginn der Tour weg kann.

Noch ein bisschen eingeschüchtert von der Dauer der Tour, habe jetzt den ersten Tag hinter mir und hoffe dass die nächsten 15-16 Tage weiterhin spannend bleiben, es keinen Grund für Langeweile gibt und das Wetter einigermaßen hält. Also die Gedanken, die mir immer zu Beginn einer Tour im Kopf rumschwirren 😉 Auf alle Fälle freue ich mich, dort stoppen zu können wo ich will und keine festen Tagesziele haben.

Der Rucksack ist ungewohnt schwer, geht ziemlich auf die Schultern und auf die Hüfte, dennoch halten sich die Schmerzen derzeit noch in Grenzen und ich bin mir sicher, es wird besser, wenn der Rucksack jeden Tag ein wenig leichter wird.

Ich freue mich die anderen Beiden getroffen zu haben, so haben alle ein bisschen Erfahrung und es war nett sich ein wenig auszutauschen können zu Beginn der Tour.

Tag 52: Kiruna

Letzter Blogbeitrag für länger! Erklärung folgt im Text! 

Der heutige Tag wird zum Entspannen, aber auch zur Vorbereitung auf die anstehende Wanderung genutzt.

Dazu muss ich sowohl mein Trekkingpaket, als auch meine Radtaschen genau durchgehen und überlegen, was im Hostel bleiben kann, und welche Gegenstände, die auf der Radtour dabei waren nun auch mit zum Wandern müssen. Schlafsack, Kochequipment, bestimmte Klamotten etc.

So verwandel ich das Hostel Zimmer in ein Schlachtfeld! 

Essen für 16 Tage! 

Rad bleibt im Hostel im Personalzimmer 

Was ist denn nun eigentlich der Plan?

Morgen geht es früh mit dem Zug nach Gällivare (da bin ich auf dem Weg gen Norden schon mit dem Rad durch gekommen) und dann mit Bus nach Ritsem. Dort beginnt unter anderem der Padjelantaleden (siehe Wikipedia – Artikel, den ich verlinkt habe), ein 140 Kilometer langer Wanderweg, der südlich an den Kungsleden angrenzt, den Markus und ich vor zwei Jahren begangen haben. Der Padjelantaleden führt einmal um den Sarek (erneut Wikipedia), Europas letzter Wildnis. Insgesamt habe ich vor rund 155km auf dem Padjelantaleden zurückzulegen, und von Ritsem nach Saltoluokta einmal um den Sarek zu laufen, wobei ich versuchen werde, für eine Tage auch in den Sarek vorzustoßen.

Ritsem links oben, Saltoluokta rechts oben, und deswegen geht es einmal gegen den Uhrzeigersinn um den Sarek. 

Von Saltoluokta geht es dann per Bus/Zug wieder zurück nach Kiruna, von wo aus der Rückflug stattfindet. Ich habe mir nun für die Wanderung etwa 16 Tage Zeit gegeben, mit Ruhetagen, Bergbesteigungen und ausreichend Fotopausen dürfte sich das zeitlich gut ausgehen.

Der Padjelantaleden ist recht gut ausgebaut, alle 10-20 Kilometer kommt eine kleine bewirtete Hütte, an der man kostenpflichtig übernachten kann und manchmal auch Proviant nachkaufen kann. Nach derzeitigem Stand habe ich aber mein Essen für die gesamte Zeit bereits im Rucksack und werde eher wild zelten. Auch wenn die Wege begangen sind, hat sich beim Wandern auf den Kungsleden gezeigt, dass man viel alleine sein kann, etwas dass ich mir vom weniger begangenen Padjelantaleden auch erhoffe.

Apropos Fotoausrüstung: Hier freue ich mich gigantisch, endlich meine richtige Kamera mit Wechselobjektiven wieder in Händen zu halten, und diese mit auf den Padjelantaleden nehmen zu können. Ich habe schwer mit mir gekämpft, als es darum ging, das Equipment für die Radtour einzupacken, viel zu gerne hätte ich da schon die bessere Kamera mitgenommen. Aber da sie viel Platz wegnimmt, sich nicht sonderlich über das ständige Gerüttel freut, habe ich mich dagegen entschieden. Zudem habe ich keine Position gefunden, wo ich die Kamera am Rad befestigen könnte, so dass sie geschützt wäre, aber zeitgleich schnell darauf zugegriffen werden kann. Und die beste Kamera der Welt bringt nichts, wenn ich erst einen Rollverschluss öffnen muss, und eine Plastiktüte aufknoten, bevor ich an die Kamera komme. Bis dahin ist der Elch bereits im Wald verschwunden.

So hatte ich mich für eine sehr günstige Kompaktkamera entschieden, die mit in die Lenkertasche passte. Und wurde damit zeitgleich zum größten Kritiker all der Fotos, die ich auf diesem Blog eingestellt habe. All die Probleme, die mit einer solchen Kamera einhergehen, haben mich genervt, allen voran der fehlende Dynamikumfang und Kontrast bei den Bildern. Der ständig zu dunkle Vordergrund, bei ausgewaschenem, überbelichteten Himmel macht mich wirklich fertig. Zum Ende hin habe ich immer öfters das Mobiltelefon genutzt, da dort die Kamera besser war. Ihr seht also, warum ich mich so darüber freue, endlich wieder die Spiegelreflexkamera in Händen zu halten. Sollten nun die Fotos schlecht werden, liegt die Schuld eindeutig bei der Person hinter dem Sucher, und nicht mehr an den Komponenten innerhalb der Kamera.

Der Padjelantaleden und vorallem der Sarek ist abgeschieden. Das bedeutet keine Straßen, keine Strommasten und nur wenig Personen. Das bedeutet vorallem, dass ich in einem 16 Tage langen Funkloch versinken werde. Darauf freue ich mich, auch wenn politisches Tagesgeschehen so in kompletter Ferne passiert. Es bedeutet aber auch, dass heute der letzte Blogpost sein wird, bis ich wieder zurück in Kiruna bin, in knapp zweieinhalb Wochen.

Danke an alle, die so fleißig mitgelesen und mitgefiebert haben, an die vielen Nachrichten und Aufmunterungen, die mich erreicht haben. Den Blog alle 2-4 Tage zu aktualisieren hat ziemlich viel Zeit verschlungen, aber wenn ich die Zugriffszahlen und das Feedback sehe, weiß ich, dass es sich gelohnt hat.

In diesem Sinne: Rucksack geschultert, auf ins nächste Abenteuer! 

Tag 51: Svappavaara – Kiruna (Ende der Radtour) 

Der Regen hat nicht nachgelassen, seit ich mich gestern ins Zelt verkrochen habe. Frühstück gibt es also zum wiederholten Male drinnen, während ich im kuscheligen Schlafsack liege. Auch das Packen findet drinnen statt, damit am Ende nur noch das Zelt nass verpackt werden muss. Besonders eklig ist es, in die nassen und kalten Radklamotten von gestern zu schlüpfen, da ist natürlich nichts getrocknet.

Und so schwinge mich auf und beginne meinen letzten Tag auf dem Rad. Fotos gibt es keine, denn es ist nass, kalt und ein tiefhängender Nebel sorgt dafür, dass die Sicht höchstens 200m beträgt. Einzig ein Rentier leistet mir für ein paar Sekunden Gesellschaft, ansonsten bin ich wieder auf der stark befahrenen E10, wo der Verkehr mich auf den Seitenstreifen verbannt.

In dem Wissen, dass es nach Kiruna nur 50 Kilometer sind, dort ein Hostel, ein Bett, eine Waschmaschine und, noch viel wichtiger, eine warme Dusche auf mich wartet, kämpfe ich mich voran. Wie schon das letzte Mal auf diesem Abschnitt merke ich, dass es konstant bergauf geht. Nie steil, aber genug um eine dauerhafte Belastung herzustellen und steil genug um zu verhindern, dass ich Tempo aufbauen kann.

Im Geiste gehe ich so die vergangene Radtour durch. Die Plätze an denen ich mein Zelt aufgeschlagen habe, Personen mit denen ich gefahren bin, mit denen ich geredet habe und welche mich in ihr Zuhause eingeladen haben. Die wechselnden Landschaften, die anstrengendsten Passagen und die besten Abfahrten. Die vielen Tiere und die verschiedenen Grün- und Grauschattierungen meiner Umwelt. Auch eine gute Möglichkeit, um die Zeit verstreichen zu lassen.

Nass!!! 

Mit dem heutigen Tag entwickelt sich meine Tour zu einem Triathlon: Neben Radfahren (die letzten 7 Wochen), Wandern (die nächsten 2 Wochen) kommt bei den heutigen Wetterverhältnissen eindeutig noch schwimmen dazu.. 😀

Auch wenn die letzten 3 Kilometer sich noch mal richtig ziehen, endlich stehe ich nach 50 Kilometern wieder in Kiruna.

 51 Tage sind vergangen, seit ich in Berlin in der Nordkappstraße mein Start-Foto gemacht habe. Und damit zeigt sich auch, dass meine detaillierte Planung vor Tourbeginn sich wirklich ausgezahlt hat. Dort hatte ich 45 Tage auf dem Rad + Pausentage berechnet. Gebraucht habe ich genau 45 Tage auf dem Rad + 6 Pausentage (1x Göteborg, 1x Mora, 2x Kiruna, 1x Tromsø, 1x Nordkapp)

Am Ende zeigt der Tacho 4444 Kilometer und fast 255 Stunden an. Klar, hätte im Auto nur 5 Tage gedauert, aber ich bin irre stolz, es doch so weit auf zwei unmotorisierten Rädern geschafft zu haben. Meine bisher längste Tour bis Kopenhagen hatte knapp unter 700 Kilometern und war in einer Woche erledigt. Nun habe ich mir bewiesen, dass ich den Durchhaltewillen habe, auch 7 Wochen ein solches Abenteuer zu bestreiten.

Am Nachmittag geht es endlich zu der Postfiliale, die ich telefonisch nicht erreichen konnte. Und nach dem bangen Warten steht dann auch endlich das riesige Paket vor mir, dass von Berlin aus unterwegs war. Darin ist meine Trekking-Ausrüstung und ich bin sehr erleichtert, das Paket unbeschädigt in Empfang nehmen zu können. Wäre dies nämlich irgendwo verschollen, hätte ich mich von meinen Wanderplänen verabschieden können, da in 3 Wochen bereits der Rückflug veranschlagt und gebucht ist.

So aber gibt mir die Postbotin sogar noch eine große Plastiktüte mit, damit der Karton bei dem Starkregen nicht komplett aufweicht.

Nach 2 Versuchen, mit dem wackeligen Karton tatsächlich zum Hostel zurück zu fahren, hebe ich den Karton erneut aufs Rad und entscheide mich, von jetzt an zu schieben. So laufe ich eine halbe Stunde durch tiefe Pfützen und werde wunderbar durchweicht, allerdings steht nun der Dusche nichts im Wege.

Und so verbringe ich den Abend damit, die ganze nasse Wäsche endlich in die Maschine zu schmeißen und mir ein anständiges Abendessen zu kochen, ganz ohne die notwendigen Verrenkungen, die ein kochen im Vorzelt so mit sich bringt. Auch das Zelt kommt auf den Wäscheständer und wird so vor der Wanderung mal wieder vollständig getrocknet. 

Tag 48 – 50: Vuottasjávri – Svappavaara

​Tag 48: Vuottasjavri – Palojärvi

Der Tag beginnt trocken aber windig. Nach dem Zusammenpacken im Zelt muss nun nur noch das Zeug in die Taschen, das Zelt zerlegt werden und alles ans Rad. Natürlich sucht sich der Wind nun den Moment aus, um völlig abzuflauen. Damit die armen Mücken ja auf keinen Fall auch noch gegen den Wind ankämpfen müssen.

So wird die Abreise noch mal richtig unentspannt, ein riesen Mückenschwarm umschließt mich und ich Mühe mich ab, so schnell wie möglich zu packen.

Doch erst mal auf dem Rad, fliege ich ohne den Gegenwind der letzten Tage nur so dahin. Auch wenn das Gelände sehr wellig ist, mache ich schnell Fortschritte.
Dabei fällt mir wie gestern auf, dass die Landschaft sehr sandig zu sein scheint. Wie in weiten Teilen Brandenburgs stehen Kiefern auf Sandboden, es erinnert also an die ersten Tage auf Tour. Allerdings mit weniger Dörfern… Und weniger Nazis 😉

Die entgegenkommenden Autoinsassen schauen ein wenig verwundert, singe ich doch nach Leibeskräften (und dazu ziemlich schräg) alles mit, was meine Spotify “Happy Music” – Playlist mir vorgibt. Auf ebener Fläche und nicht gegen den Wind ankämpfend bleibt genug Sauerstoff um “I’m walking on sunshine” mitzuschmettern. Kein Wunder, dass ich heute keinem Elch begegnet, der versucht sich wahrscheinlich verzweifelt die Ohren mit jungen Birkenzweigen zu verstopfen. 😉

Zur Mittagszeit rum habe ich es nach Kautokeino geschafft, 65 Kilometer stehen auf dem Tacho. Gestern dank Wind waren es in der selben Zeit 30 Kilometer weniger.

Es wird wirklich Zeit für die Dusche! 

So verbrate ich bei einem Großeinkauf die letzten norwegischen Kronen und verbringe eine entspannte Stunde auf der Parkbank beim Mittagessen, mit Blick über die “Großstadt” Kautokeino.

Das da Götterspeise drin ist, habe ich beim Kauf nicht gesehen… 

Danach raffe ich mich auf und mache mich wieder auf den Weg. Auch die nächsten Kilometer gehen ganz gut, wenn auch ich die Beine langsam merke und der Hintern ganz schön Plattgesessen ist.

Unterwegs unterhalte ich mich kurz mit einem mir entgegenkommenden Radfahrer. 

Dieser ist in Hamburg losgefahren und scheint auf einem Gewaltmarsch par excellence zu sein. Bisher macht er 160-230km täglich, und ist in 16 Tagen ohne Ruhetag durchgefahren. Er erzählt, dass die Route vor zwei Jahren gescheitert ist, weil sein Mitfahrer nach 3 Tagen keine Lust mehr auf die Strapazen hatte, er versucht es ihm jetzt anscheinend zu beweisen. Klingt für mich leicht ungesund, vorallem weil er mir sehr kaputt erscheint, aber er will auch in zwei Tagen am Kapp sein. Naja, er wird schon wissen was er tut.

Nach 108 Kilometer erreiche ich den Grenzübertritt nach Finnland! Der vorletzte Grenzübertritt und das erste Land auf Tour, welches ich erstmalig besuche.

Hier gehen die Uhren auch gleich für eine Stunde vor, was leicht verwirrend ist. Ganz in der Nähe ist der einzige Punkt der Welt mit 3 Zeitzonen: Norwegen (+1), Finnland (+2) und Russland (+3).

Zehn Kilometer hinter der Grenze fahre ich dann auf einen Campingplatz, genau eine Woche nach dem letzten Besuch auf einem Campingplatz. Nach 7 Tagen lechtzt alles nach einer Dusche! Diese ist dann aber auch so was von befriedigend. Man spürt fast, wie das Wasser sich verfärbt.

Und da ich endlich in Finnland bin, endlich wieder in Euro zahlen kann, und die Preise nicht mehr typisch “skandinavisch” sind, gönne ich mir am Campingplatz Restaurant sogar ein Schnitzel zum Abendessen.

13€ dafür, da hätte ich in Norwegen wahrscheinlich den dreifachen Preis gezahlt. Spannenderweise ist der kleine Camping-Mini-Markt hier sogar billiger als der gigantische Discount-Supermarkt, wo ich heute Mittag in Norwegen eingekauft habe.

So erholt genieße ich den Campingplatz und freue mich, morgen frisch in den nächsten Tag starten zu können. 

Tag 49: Palojärvi – Idivuorna

Da der Tag mit prasselnden Regen auf dem Dach beginnt, entschließe ich mich für die “der Schlafsack ist viel zu kuschelig, ich drehe mich jetzt noch mal um” – Variante.

Der dreht sich nicht mehr um.. 

Los geht die Fahrt dann bei leichtem Nieselregen. 

Ab auf die E8. Die Ortsnamen werden immer schwieriger. 

Nach 28 Kilometer entdecke ich nahe der Ortschaft Hetta ein Schild, welches eine gratis Husky-Farm Besichtigung für Langstreckenradfahrer anbietet. Nun glaube ich so einer zu sein, nehme also das Angebot gleich wahr.

Passte eh gerade Perfekt, ich brauche eine kurze Pause und es sollte gerade eine Führung los gehen. Diese Farm hat 186 Huskys, welche für den Einsatz als Schlittenhunde im Winter trainiert und gezüchtet werden.

So besuche ich die zahlreichen Käfige und Außenanlagen, wo die Huskys untergebracht sind, schau mir die Trainingsstädten an und kann zahlreiche Huskys mal streicheln. Am Ende sind meine Klamotten SEHR dreckig (gut dass es die Regenklamotten waren, das wird der nächste Schauer abwaschen), die Nase voll mit dem Geruch von knapp 200 Hunden und ich vom Level der Professionalität überrascht: Die Farm führt für jeden Hund Listen über tägliche Auslaufsstrecke, Futterverbrauch, Zyklus der weiblichen Huskys, Krankheiten und benötigte Medikamente usw.

Nach einer Stunde ist die ausführliche Tour zu Ende und ich schwinge mich wieder aufs Rad. Dann schaffe ich es noch, meine Regenhose irgendwo in den Graben zu schmeißen, darf also insgesamt 6 Kilometer Umweg fahren, um sie wieder einzusammeln.

Der Nachmittag ist wettermäßig unbeständig, immer wieder nieselt es leicht, hört aber relativ schnell wieder auf.

 Zeitweise fahre ich mit einem norwegischen Pärchen zusammen, die ich gestern Abend auf dem Campingplatz kennengelernt habe, und die seit 5 Jahren Fahrrad Touren durch Skandinavien zusammen unternehmen.

Kurz vor der Grenze nehme ich noch einen finnischen Supermarkt wegen den deutlich günstigeren Preisen in Anspruch. Ne Dose Cider für 2€, das ist ja schon fast Diebstahl! In Norwegen hat der “Light-Cider”, den ich gefunden habe, immer min. 6 Euro die Dose gekostet, weshalb ich auch nicht einmal dran dachte, mir einen mitzunehmen. Heute allerdings kann ich nicht widerstehen.

Nach knapp unter 24 Stunden und 116  Kilometern ist es jetzt schon wieder Zeit Finnland zu verlassen. Über den Grenzfluss geht es von Kaaresuvanto (FIN) nach Karesuando (SE). Ein absolut unspektakulärer Grenzübertritt, EU sei Dank.

Ab nach Schweden!

Grenzfluss

Nur den Entfernungs-Baum auf schwedischer Seite finde ich spannend, so viele Orte, an denen ich auf dieser Tour gewesen bin.

In Schweden selber fahre ich noch einmal knappe 20 Kilometer, während der Regen immer schlimmer wird. 

Endlich wieder auf der E45, auf der habe ich auf der Fahrt nach Norden weit über 1000km verbracht! Nun steht auch schon Kiruna angeschrieben. 

Kurz hinter der Ortschaft Idivuorna reicht es mir dann, nach 117 Kilometer gebe ich auf und beziehe in einem schönen Waldstück, auf Moosboden, meinen Zeltplatz für die Nacht.

Die obligatorischen Mücken sind natürlich da, und langsam sieht die Zelt Innenseite echt eklig aus, so viele zerdrückte Mücken haben Spuren hinterlassen.

Morgen soll es angeblich ordentlich regnen. Aber es sind nur noch 150 Kilometer bis Kiruna und ich habe noch zwei Garnituren frische Wäsche. Also werde ich morgen noch einen Hunderter Fahren, das Zelt im Regen aufbauen und habe Freitag dann entspannte 50 – Abschlusskilometer vor mir. Das wird schon hinhauen. 

Tag 50: Idivuona – Svappavaara

Der Tag beginnt mit Ausschlafen, Regen und eine nervige halbe Stunde in der Hotline-Warteschlange der schwedischen Post, die leider nicht dazu führt, dass ich tatsächlich mal mit einer lebenden Person reden darf, mich aber trotzdem gerne daran erinnert, dass ich dranbleiben soll, denn “your call is very important to us”… Am Arsch die Räuber! Die Aufklärung des Problems kommt hoffentlich im morgigen Blogpost.

Der Tag beginnt mit einer Fruchtbombe! 

Anschließend bin ich gerade am Packen, da fahren an der Straße zwei Radreisende vorbei, das norwegische Pärchen von gestern. Heute finde ich auch endlich ihre Namen raus, sie heißen Unn-Kristin und Ola. Ich sage schnell hallo und verspreche sie bald einzuholen.

Das schaffe ich nach 10 Kilometern auch, sie hatten nur 10 Minuten Vorsprung.
Die nächsten 30 Kilometer sind traumhaft: eben oder abschüssig, dabei perfekter Asphalt und ein starker Rückenwind. Die erste Stunde falle ich nie unter 23km/h. Den Rest des Tages fahren wir zusammen, die beiden sind auch in Richtung Kiruna unterwegs, um von dort die selbe Strecke nach Narvik zu nehmen und von dort noch nach Bodo weiterzufahren, wo sie leben. 

So gibt es viele Geschichten zu teilen, besonders da beide extrem viel Rad fahren, seit 5 Jahren mit ihren Urlaubstagen Skandinavien per Rad erkunden und wirklich viel abgeklappert haben. Ich bin am meisten von ihrer Fitness beeindruckt, mit Mitte 50 fahren sie jeden Tag mehr Kilometer als ich, wenn auch mit leichteren Rädern. Dabei sind sie nicht super schnell unterwegs, ich merke, dass ich mich mit dem Tempo heute ein wenig zurückhalte. Aber ausdauernd sind sie und wie sie selber sagen “verdammt sturköpfig”.

Die Ablenkung vom Fahren tut gut, denn ansonsten ist es heute sehr langweilig. Wieder nur durch den Wald und dazu kommt tiefhängender Nebel, und feinster Nieselregen, der in absolut jede Pore kriecht. Auch wenn man nicht wirklich das Gefühl kriegt, dass es regnet, am Ende des Tages ist doch alles nass. So gibt es auch nicht wirklich etwas zu fotografieren und das macht die Gespräche umso schöner. Wegstrecken, Lebensplanung, Fahrradinformationen, Anekdoten, Politik, Leben in Deutschland und Norwegen, es gibt kaum ein Thema, das unberührt bleibt.

Sehr schwedisch und äußerst ökologisch angetrieben! 

Um die Mittagszeit warten wir ewig auf eine überdachte Bank, oder anderweitige Sitzgelegenheit, aber da kommt einfach überhaupt nichts. So schlagen wir uns schließlich bei Regen in den Wald und setzen uns auf den Waldboden. Damit es nicht ganz so kalt ist, entfachen die beiden ein wunderschönes Feuer, so lässt es sich einigermaßen aushalten.

Da der Regen beim Essen immer stärker wird, beschließen wir jedoch bald weiterzufahren, auch, weil es einfach zu kalt wird.

In Vittangi entern wir den örtlichen Supermarkt und beide halten mich für völlig durchgeknallt, dass ich jetzt bei dem Wetter mir ein Eis kaufe. Das hat mir Mr. “5-Kronen-Eis-bei-Rema1000-Klaus” aber anders beigebracht und deswegen genieße ich das Eis besonders.

Von Vittangi aus sind es noch 27 Kilometer bis Svappavaara, wo die E45, auf der wir jetzt fahren, in die E10 abbiegt nach Kiruna. Diese Kilometer bringen wir noch hinter uns, und nach 108 Kilometer schlage ich mich kurz vor Svappavaara in die Büsche. Unn-Kristin und Ola wollen noch in den Ort und dort eine Campinghütte beziehen. So verabschieden wir uns schon mal vorsorglich voneinander, sie fahren morgens immer ziemlich früh los und wollen morgen schnell nach Kiruna und dann weiter an den Torneträsk (also die Strecke nach Narvik, die ich am 29. und 30. Tag gemacht habe), also sind die Chancen gering, dass wir uns nochmal sehen. Danke euch beiden für einen unterhaltsamen Tag zusammen!

Mein Zelt baue ich heute auf dickem Moos und Blaubeerbüschen auf, meine Isomatte liegt fast wie so eine teure Ergo-Memory-Schaum-Matratze im Zelt, genau an die Körperkonturen angepasst.

Allerdings kriechen dafür die Schnecken an der trockenen Zeltwand hoch. 

Den gesamten Abend über regnet es und so koche ich mir meine Nudeln im Zelt, schaue Filme und lese mein Buch weiter.

Morgen sind es jetzt 48 Kilometer nach Kiruna. Das entspricht rund einem Neunzigstel der Gesamtstrecke. Auch wenn es morgen wie aus Kübeln regnen soll, diesen letzten kurzen Abschnitt will ich vollends genießen, bevor ich in Kiruna wieder Kräfte sammel, die Vorteile der Zivilisation genieße und mich auf meine Wanderung vorbereite.

Tag 45 – 47: Nordkapp – Vuottasjávri

​Tag 45: Nordkapp – Muotkejávri

Dann endlich, um kurz vor zwei Uhr nachts, brechen wir auf nach Honningsvåg. Der starke Gegenwind des Tages hat zum Glück komplett aufgehört, so kommen wir zügig voran.

Die Landschaft ist durch die tiefstehende Sonne in ein Art Dämmer-Licht gehüllt, und bis auf ein paar Rentiere liegt eine komplette Stille über der Insel, die einen mit Ehrfurcht erfüllt.

So spät in der Nacht überholen uns nur 3 Autos, sowie ein paar Motorräder, auf der ganzen Strecke. So nutzen wir die Gelegenheit um uns gegenseitig beim Fahren zu fotografieren, kosten die volle Fahrbahnbreite aus und müssen uns mal nicht nur auf den Verkehr konzentrieren.

Ich genieße es, die Landschaft um mich rum zu sehen und fotografieren zu können, lag dies auf der Hochfahrt doch im Schlechtwetter-Schleier gefangen.

Dadurch, dass Klaus neben mir fährt, kriege ich das erste Mal auf dieser Tour Bilder von mir beim Fahren, natürlich revanchiere ich mich bei Klaus auch dafür:

Alle © Klaus

Auf der steilsten und längsten Abfahrt schaffe ich es, endlich, endlich den Geschwindigkeitsrekord aus Südschweden einzustellen. Muss zwar treten wie ein Bekloppter, aber am Ende zeigt der Tacho 68,99km/h und das GPS 67,7km/h. Auch sonst genieße ich es, den ganzen Hügel lang mit über 50 Stundenkilometer hinab zu brausen, wo ich auf dem Herweg doch eine halbe Stunde lang mich so arg schinden musste.

Abfahrt von unten gesehen. 

Zweite Abfahrt und Campingplatz. 

Campingplatz

Als wir an dem Campingplatz vorbeikommen, wo Klaus und ich vor 2 Nächten die Hütte gemietet hatten, kommt uns beide eine Idee: Keine 5 Minuten später stehen wir in der Gemeinschaftsküche und kochen einen gigantischen Topf Nudeln. Nudel-Abendessen um 4 Uhr in der Früh hatte ich schon lange nicht mehr und hätte nicht erwartet, dass auf Tour zu erleben. Aber da wir eh Zeit überbrücken müssen und die Abfahrt draußen so kalt war, dass ich wie Espenlaub zittere, kommt es uns sehr gelegen.

Fische zur Trocknung im Hafen

Die restlichen 8 Kilometer nach Honningsvåg sind dann auch schnell geschafft und so stehen wir um kurz vor 5 nach 34 Kilometern Rückfahrt am Kai und warten auf die Fähre.

Diese kommt gegen 6, ein riesiges Kreuzfahrtschiff der Hurtigruten-Linie.

Und im Gegensatz zu den bisher genutzten Autofähren ist dies wirklich Luxus pur. 9 Stockwerke, Glas-Aufzug im Foyer, dicke Teppiche und sogar einen Jacuzzi.

Ich hingegen mache es mir auf einem Loungestuhl bequem und nachdem ich mehrmals überprüft habe, dass mein Wecker an ist, schaffe ich es sogar eine Stunde relativ unentspannt zu schlafen, Schrecke ich doch dauernd auf und befürchte meinen Ausstieg  verschlafen zu haben.

Nach zwei Stunden zeichnet sich in den Panoramafenstern das Dorf Havøysund ab, wo ich an Land gehen werde.

 Deshalb ist es auch an der Zeit, sich von Klaus zu verabschieden, da dieser 20 Stunden lang auf der Fähre bleiben wird, bis Tromsø erreicht ist.
Klaus, vielen Dank für die Zeit zusammen.   Die spannenden Gespräche, das gemeinsame Erkunden des Nordkapps und deine großzügige Spenden, was meinen Blutzuckerwert angehen, dafür danke ich dir. Der “Drive-By-Softcake” am letzten Aufstieg bleibt unvergessen! Hoffe du kommst gut nach Hause! Die 3 Tage zusammen waren eine tolle Abwechslung zum alleine fahren.

Havøysund bei Traumwetter 

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Dieses Foto von mir hat Klaus geschossen, der an Bord verblieben ist. Plötzlich wieder allein unterwegs… © Klaus

So fühlt es sich in Havøysund selbst nach der kurzen Zeit zu zweit leicht seltsam an, wieder auf mich allein gestellt zu sein. Ich fahre erstmal zum Supermarkt (ihr erinnert euch, alle Vorräte alle) und muss dort 40 Minuten davor warten, bis dieser endlich um 9 aufmacht. So ausgestattet geht es nun auf die Panoramastraße 889, die mich von Havøysund zurück nach Olderfjord bringen soll.

Dies war auch der Grund für die Fährfahrt, ich muss so nicht erneut durch den Nordkapptunnel und keine 130km auf einer Strecke zurücklegen, die ich bereits zum Kapp gefahren bin.

In Havøysund zeigt sich die Sonne und zum ersten Mal seit einer Woche fahre ich im T-shirt. Kurz hinter der Ortschaft zieht ein Pass auf 250m Höhe, dieser lässt sich aber gut bewältigen, ebenso der nächste nach 10 Kilometern.

Der erste Anstieg von unten…

Und oben.

Zweiter Anstieg voraus! 

Ansonsten zeigt sich die Insel von ihrer schönsten Seite, wunderbare Gesteinsformationen konkurrieren mit den malerischen Fjorden und den mächtigen Bergen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Das Meer ist traumhaft blau. 

Auch die Tierwelt weiß zu überzeugen, so sehe ich unzählige Rentiere, wobei es mir die Jungtiere, die so tapsig sind, besonders angetan haben.

Auch ein Rentier im Meer ist mal was neues.

Ein Fuchs mit Fisch oder Vogel als Beute im Maul entdecke ich am Straßenrand. Dieser lässt daraufhin die Beute fallen und flüchtet blitzschnell die Bergflanke hinauf.

Suchbild mit Fuchs.

Mittagessen mache ich nach 50 Kilometern auf der Insel und über 80km Tagespensum auf einem schönen Sandstrand, direkt am Wegesrand. Da ich ja so früh unterwegs war, nehme ich mir nun viel Zeit, esse, lese und halte auch ein kurzes Schläfchen in der Wiese liegend, Sonne sei Dank.

Mittagspause


Nach eineinhalb Stunden geht es weiter. Bis auf die zwei Pässe ist die Insel bemerkenswert flach, verbunden mit einem leichten Rückenwind schiebe ich mich effizient die Straße lang. Die Blicke fesseln mich immer noch, auch das türkise Meer ist eine Wucht!

Die letzten 15 Kilometer sind dann die Landverbinung zum nächsten Fjord, es geht leicht bergauf und ein fieser Gegenwind zieht auf. Aber nach so einem Tag kann ich das ertragen und strampel fröhlich vor mich hin.

Blick auf die Landverbindung 

Nur der Wildcamping Spot ist heute leider nur drittklassig.

Nachdem am anvisierten See entweder Sumpf oder Ferienhäuser-Bebauung zu finden war, fuhr ich noch deutlich weiter und hab dann einen etwas kargen Platz, fernab des Wassers. Aber nachdem ich heute nur noch kochen und schlafen will, ist das verschmerzbar.

Insgesamt habe ich heute 116 Kilometer zurückgelegt, und obwohl ich zur Zeit des Blogschreibens 36 Stunden wach bin, fühle ich mich erstaunlich gut. Die zwei kurzen Päuschen auf der Fähre und beim Mittagessen waren zu kurz um wirklich einen Effekt zu haben, deswegen bin ich umso überraschter.

Die Panoramastraße 889 war wunderschön, eine absolute Empfehlung für alle Leute, die in die selbe Richtung unterwegs sind. Abends schreckt mich noch ein kleiner, kurzer Regenschauer auf, ansonsten bleibt es aber klar und sonnig. Angesagt ist das selbe Wetter für Morgen, mal sehen

Tag 46: Muotkejávri – Lassevarri

Tja, manchmal ist Sonne auch zuviel des Guten. Obwohl ich gehofft habe, heute ein wenig ausschlafen zu können, knallt die Sonne so heftig aufs Zelt, dass ich ab halb 7 den Schlafsack von mir werfe, mich der Klamotten entledige und die Tür zum Vorzelt aufmache. Leider bedeutet dass nur, dass mir jetzt ein wenig Kühler ist, aber 20 Mücken sich an mir laben.

So stehe ich schon um 7 auf, frühstücke im Zelt und mach mich dann auf den Weg. Nach 8 Kilometern erreiche ich Olderfjord.

Hier kam ich letztes Mal von Alta aus angefahren, nun nehme ich aber die andere Straße, weiter nach Lakselv.

Obwohl es recht windig ist, komme ich gut voran. Vorallem genieße ich es, den zweiten Tag in Folge in kurzer Radhose und T-Shirt unterwegs zu sein. Bis Lakselv geht es den gigantischen Porsanger-Fjord entlang.

Unterwegs treffe ich einen deutschen Rentner aus Oranienburg, der in die Gegenrichtung unterwegs ist und zum Kapp will. Wir tauschen Erfahrungen aus, und er warnt mich vor riesigen Aufstiegen hinter Lakselv und vor den Mücken.

Kaum 5 Kilometer später beginnt die Quälerei des Tages. Der Wind hat sich ein wenig verschoben und kommt nun nicht mehr von der Seite, sondern direkt von Vorn. Und da er sich auf 30km/h verstärkt hat, muss ich richtig Kämpfen. 25 Kilometer geht das so, teilweise auf ebener Straße im 3. Gang bei 7km/h strampel ich gegen die Naturgewalten an. Es macht zu dem Zeitpunkt überhaupt keinen Spaß, und Lakselv will einfach nicht näher kommen.

Als ich es dann endlich geschafft habe, merke ich, dass selbst in diesem größeren Ort am Sonntag alle Geschäfte zu haben, anders als in Schweden. So verbringe ich meine Pause eine Stunde lang in der örtlichen Tankstelle, esse mittelmäßige Pommes und hoffe das der Wind sich ein wenig abschwächt.

Als ich mich wieder aufs Rad schwinge ist dieser tatsächlich nicht mehr ganz so fies, so fahre ich weiter auf der E6, immer Richtung Süden.

Ab nach Karasjok

Ein allerletzter Blick aufs Meer, hat es mich doch jetzt zwei Wochen begleitet. Von nun an geht die Reise dauerhaft ins Inland, Meer sehe ich erst wieder vom Flieger. 

Längere Zeit geht es durch militärisches Übungsgebiet, die Kampfeinheiten scheinen aber ihr Wochenende zu genießen und ich bekomme niemanden zu Gesicht.

Am Campingplatz in Skoganvarri entscheide ich mich trotz kurzem Regenguss noch weiter zu fahren.

Hoch geht’s! 

Nun kommt auch der erste wirklich knackige Anstieg des Tages, allerdings längst nicht so schlimm wie vom Oranienburger beschrieben. (Er tut mir dann ein wenig Leid, muss er doch durch den Tunnel und die steilen Anstiege entlang zum Kapp). Allerdings merke ich, dass die zahlreichen Kilometer gegen den Wind dort ordentlich Kraft gekostet haben, die Beine fühlen sich gummiartig an, und ich muss beim Aufstieg mehr Pausen machen als sonst.

Blick zurück, vom Fluss bin ich gestartet.

Oben angekommen finde ich eine Raststätte, wo ich nach 110 Kilometer auch das Zelt aufschlagen werde. Allerdings hat der Oranienburger bei seiner zweiten Warnung nicht gelogen. Sofort werde ich unablässig von einem Schwarm Mücken attackiert. Also bewaffne ich mich mit der Chemiekeule und baue dann erst das Zelt auf. In der Zeit, die es braucht bis der Schlafsack und Co. Ins Innenzelt geräumt sind, haben bereits 30 Insekten den Weg ins Zeltinnere gefunden. Ich verbringe 5 Minuten damit, möglichst viele Umzubringen, dann endlich gönne ich mir eine Stunde Schlaf.

Beweisbild des Gewaltausbruchs 

Das Zelt zum Kochen zu verlassen kostet Überwindung, wieder nutze ich die chemische Abwehr um in Ruhe meine Pasta zubereiten zu können. Und auch wenn ich bei der Armee gegen mich überhaupt keine Lust darauf habe, muss ich abends noch mal im Fluss mich abwaschen. Schließlich war die letzte Dusche am Mittwoch, 4 Tage ohne sind zu viel!

Auch wenn ich mich wie verrückt beeile, und nur 3 Minuten im Knietiefen Wasser bin, als ich mit der Hand über meinen Rücken fahre, töte ich dabei mindestens 10 Mücken, manche sogar schon mit ordentlich Blut im Magen.

Also schnell wieder zurück ins Zelt, die eingedrungenen Insekten zerlegen und dann schwöre ich mir, heute nicht mehr das Zelt zu verlassen.

Diese Mücken Begegnung zeigt mir, wie viel Glück ich auf dem Weg hoch durch Schweden hatte, scheinbar waren sie da noch nicht in den Zahlen geschlüpft wie jetzt. Die nächsten Tage machen mir ein wenig Sorgen, aber im schlimmsten Fall werde ich mich halt öfters einsprühen müssen. Nur bei den Pausen nerven die Viecher wirklich extremst, da kann man sich auf nichts mehr konzentrieren und will einfach nur ins Innenzelt und den Reißverschluss zu machen.

Tag 47 Lassevarri – Vuottasjávri

Heute schlafe ich bis fast 8 Uhr aus, das Zelt ist auch so positioniert, dass die Sonne nicht volle Kanne gegen die Zeltwand scheint.

Nachdem die Mücken immer noch so zahlreich draußen herumschwirren, nehme ich mein Frühstück im Innenzelt zu mir, und packe alles so weit es geht, ohne den Reißverschluss öffnen zu müssen.

Die nächsten 10 Minuten sind eine verzweifelte Mischung aus Ziehen, Stopfen, Fuchteln, Schlagen und Fluchen, während ich alles so schnell wie möglich verstaue, das Zelt zerlege und alles auf das Rad packe, während die Mücken mich als Frühstück auserkoren haben.

Also, nicht verweilen, sondern schnellstmöglich wieder auf die Straße. Zuerst wartet noch ein weiterer Aufstieg auf mich, diesen bringe ich aber schnell hinter mich. Leider pfeift heute der Wind erneut in Gegenrichtung über mich hinweg.

Die 37 Kilometer bis Karasjok werden so zu einem zweieinhalb stündigen Kampf gegen die Elemente. Generell schätze ich, dass ich bei so starkem Wind doppelt so viel Energie verbrauche, als ohne. Dazu kommt die Frustration, nicht vom Fleck zu kommen.

Einzigst die letzten 4 Kilometer machen Spaß, da geht es steil abwärts nach Karasjok. Im Ort angekommen plünde ich den örtlichen Rema1000 Supermarkt und sitze lange im Eingangsbereich, ohne mich aufraffen zu können.

Schließlich aber geht es weiter, nun bin ich von der E6 abgebogen, welche weiter gen Osten nach Kirkenes, nah der russischen Grenze, verläuft. Ich hingegen fahre auf der 92 nach Kautokeino.

Jetzt bin ich wunderbar 90° abgebogen von der vorherigen Straße, allerdings dachte sich der Wind wohl “hey, warum immer nur nach Norden pusten, ich will auch mal in östliche Richtung wehen…” Und so habe ich ERNEUT Gegenwind. Über ein laues Lüftchen würde ich mich nicht beschweren, aber mit 20-25km/h artet dieser Wind wirklich in einen Kraftakt aus.

Es geht am Fluss entlang nach Westen.

Die Landschaft erinnert an meine lange Fahrt auf der E45 durch Schweden, spektakuläre Blicke auf Gipfel und das Meer sind somit Geschichte. Einzig die rollenden Hügel und die vielen Grünschattierungen wissen noch zu begeistern, ansonsten ist es aber schon recht eintönig.

Ich gebe auf bei den Namen. 

Dank Musik, Hörbuch und viel Willensstärke quäle ich mich weitere 30 Kilometer bis zu einem Rastplatz, wo ich in Ruhe meine Mittagspause abhalten will.

Vor dem Essen noch ein letzter Meilenstein, diesmal habe ich es aber verhauen mit dem anhalten. 

Kaum sitze ich da, lässt der Wind nach, genau in dem Moment wo ich seinen einzigen Vorteil nutzen könnte: Bei starkem Wind fliegen die Mücken nicht. Und so verbringe ich die nächste Stunde mit Essen, lesen und verzweifelten Um-Mich-Schlagen. Es ist wirklich zu nervig!

Scheinbar bin ich nicht der einzige, der das Mittagessen genießt. Einziger Unterschied, für mich war es nicht die letzte Mahlzeit.

Da ich mich überhaupt nicht entspannen kann, entscheide ich mich weiter zu fahren. Nach 10 Kilometern kommt ein Pass mit 150 Höhenmetern, diesen schaffe ich aber ohne größere Probleme. Brauche kaum zu erwähnen, dass der Wind nach der Pause wieder auffrischte, oder?

In der Ferne ist ein deutlicher Wetterumschwung erkennbar, ich fahre genau auf die Regenwand zu. Rechtzeitig schmeiße ich mich in die richtigen Klamotten und fahr dann stoisch in den Regen. Wenigstens fliegen so keine Mücken.

Nach 101 Kilometern sehe ich eine Halbinsel, welche sich mit Sandstrand in den See erstreckt. Auch wenn ich eigentlich noch vor hatte 10 zusätzliche Kilometer anzuhängen, diese Chance nehme ich wahr und biege auf den Feldweg ab.

Kaum bin ich bereit das Zelt aufzubauen, lässt sowohl der Wind wie auch der Regen schlagartig nach. Während zweiteres sehr wünschenswert ist, bedeutet ersteres, dass ich unverzüglich in einen Mückenschwarm eingehüllt bin, der das Camping gestern Abend zu einer wünschenswerten Erinnerung aus der Vergangenheit verwandelt.

Dick eingepackt lassen es sich die Mücken nicht nehmen, auch nur meine Hände und mein Gesicht zu attackieren. Allein beim Zeltaufbau esse ich unabsichtlich 3 oder 4 von den dummen Viechern. Zudem attackieren sie jede freie Stelle, sei das nun die Ohrmuschel, das Nasenloch, was auch immer. So was von unangenehm. Beinahe mit Kopfsprung flüchte ich ins Zelt und verbringe die nächsten 10 Minuten mit einem Massenmord an der hereingelangten Insektenschar. Dann erst kann ich mir erlauben, mich endlich zu entspannen.

Heute Abend koche ich erstmalig im Innenzelt. Zwar nicht ganz ungefährlich, aber außer für einmal Pinkeln gehen, will ich es mit allen Mitteln vermeiden, den Reißverschluss zum Außenzelt noch einmal öffnen zu müssen.

Entschuldigt bitte, wenn das gerade alles ein wenig negativ klingt, ihr seht: Im Moment macht es nicht so großen Spaß. Weder der Wind, der mir Energie klaut ohne Ende, noch die Mücken, die jeden Stillstand, jede Möglichkeit für Erholung in absoluten Horror verwandeln, helfen wirklich dabei, die Situation gerade zu genießen. So denke ich mit Freude an die Erlebnisse am Nordkapp zurück und bin froh, dass es bis Kiruna nicht mehr allzu weit ist.
Ich hoffe mal vorsichtig, dass die nächsten Tage schöner werden.

Tag 44: Ruhetag am Nordkapp

Schlafen kann ich nur bis 9 Uhr. Schon beim Aufwachen merke ich den Regenschauer auf dem Zelt, ebenso ist es extrem windig. Aber die Helligkeit bestätigt schon, heute wird die Sonne sich am Kapp zeigen.

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© Klaus

So entspinnt sich ein sehr gemütlicher Tag: Klaus und ich verbringen die Zeit im Zelt oder in der Nordkapp-Halle, ich lese viel und genieße immer wieder die Ausblicke über das Kapp.

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© Klaus




Nur unsere Essenssituation spitzt sich langsam zu, wir beide hätten nicht gedacht, dass man sich am Kapp nicht mal Brot und Aufstrich kaufen kann. So gehen unsere Vorräte zu Neige und wir haben beide dauerhaft Hunger. Klaus lädt mich auf eine Waffel mit Marmelade ein, sehr lecker, macht leider nur nicht richtig satt. So wird noch mal ordentlich Geld locker gemacht für einen Wrap, dieser sättigt wenigstens ein wenig.

Hier startet der Wanderweg E1, 7000km bis Italien! 
Ansonsten gibt es heute viele Gespräche mit anderen Rad-Ankömmlingen (Die Schweizerinnen Rahel und Martina kommen etwa heute an) und auch unbeteiligte sprechen uns häufig an, wenn wir neben den Rädern stehen.

Gemeinsam mit Klaus erkunde ich das Nordkapp nun im Sonnenschein:


Die Kunstinstallation “Children of the World”, von Kindern kreiert.


Von einer Nachbarklippe hat man einen guten Blick auf das Kapp. 
Blick auf den noch nördlicheren Knivsjkellodden. 

Ansonsten sind heute wahnsinnig viele Personen vor Ort, manchmal ist die ganze Eingangshalle gerammelt voll.


Auch der Blick auf den Parkplatz ist interessant, dies ist die erste von vier Reihen. Geschätzte 50% der Autos kommen aus Deutschland.
Die stehen hier in 4 Reihen! 
Nachmittags versuche ich mich ein wenig ins Zelt zu legen, und zu schlafen. Leider hat der Wind 90° gedreht und trifft nun die Zelte volle Breitseite. So bin ich zwischendrin damit beschäftigt, die Zeltstangen mit den Beinen abzustützen, trotzdem verbiegt sich das Zelt stark. Wir beschließen, dass es so keinen Sinn hat und bauen die Zelte gegen 16 Uhr ab. Bin ich froh, dass wir zu zweit sind, bei den Windböen muss man extrem aufpassen, sonst liegt am Ende das Zelt am Nordpol!



Über die Ebene pfeift der Wind ordentlich drüber! 
So müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr über ein Gestängebruch der Zeltstangen machen (muss das Zelt ja noch min. 3 Wochen nutzen), haben allerdings keine Rückzugsmöglichkeit zum Schlafen, womit klar ist, dass wir durchmachen müssen.

Der Ruhetag am Kapp war eine super Idee. Vorallem das Wetter hat sich heute größtenteils gewandelt, die dunklen Nebelbänke, die gestern die Szenerie bestimmten, sind verschwunden. Zudem haben wir so Zeit das Kapp wirklich zu genießen, noch einmal den Kinofilm zum Kapp zu sehen, und die Landschaft auszukosten.




Abends/Nachts kommt immer öfters die Sonne imposant hinter den Wolken hervor!

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Mitternachtssonne am Kap © Klaus

Und als sich die ganzen Reisebusse gegen halb eins in der Nacht auf den Rückweg machen, ist es am Kapp schlagartig leer. Nur noch rund 50 Personen treiben sich draußen herum und genießen die neu gewonnene Stille und Entspannung.
Ich beobachte Klaus bei einem Multikopter-Flug um das Kapp um ein Uhr, hoffentlich sind die abenteuerlichen Aufnahmen etwas geworden.

NACHTRAG:
Klaus hat mir jetzt das Video vom Nordkapp zur Verfügung gestellt:

© Klaus

Anschließend schießen wir noch ein paar Portraits vor dem Wahrzeichen, Klaus klettert sogar in die Kugel!


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Der Angeber muss natürlich noch mal rauf 😉 © Klaus

So ist es nun Viertel vor zwei, der Wind hat nachgelassen, aber es ist bitterkalt. Zeit das nächste Abenteuer zu beginnen, welches ich im kommenden Blogpost beschreiben werde.

Tag 43: Grüße von 71°10’21” N. (Nordkapp) 

Der Tag beginnt regnerisch, so kosten Klaus und ich unsere gemieteten Hütte bis zur letzten Sekunde aus.

Luxus Frühstück

Der Morgen wird eh stressiger als geplant, da Klaus versucht seine Rückreise zu organisieren. So wird aus einem “ach, ich nehme die Fahrt nach Hause langsam in Angriff, ich will sie genießen und die Landschaft am Fenster vorbeiziehen sehen” schnell die Erkenntnis, dass dies deutlich komplizierter wird. Zwischendrin steht mal Fähre, Zug, Fähre, Zug zur Debatte. Und ob es jetzt die lange Fähre für 360€ bis Bodo wird, oder doch nur bis Tromsø.

Als sich schließlich herausstellt, dass der Zug bereits völlig ausgebucht ist, und die ganze Odyssee über 50 Stunden bis zur Fähre Oslo – Kiel dauern würde, nimmt Klaus zögerlich meinen Ratschlag an, doch mal nach einem Flug zu schauen. Und siehe da, weit günstiger und weniger Zeitintensiv. So bucht er nun einen Flug von Tromsø nach Oslo, fährt aber vom Nordkapp mit der selben Fähre wie ich, um nach Tromsø zu kommen. Damit ist klar, dass wir die nächsten Tage zusammen verbringen werden, was mich sehr freut.

Die ganze Buchung und Planung hat Zeit gekostet, so machen wir uns erst nach Mittag auf die letzten Kilometer.

Das Wetter ist leider im gestrigen Zustand verblieben, wenn überhaupt ist der Regen noch stärker geworden und die Temperatur sind noch weiter gefallen. Also Regenklamotten an und los!

(Dieser Abschnitt hat nicht viele Fotos. Es hat so stark geregnet, dass ich Rücksicht auf die Kamera genommen habe, und diese in der Lenkertasche blieb. Da wir aber den selben Weg zurückfahren, und dass angeblich bei Sonne, werde ich dort die Bilder einfügen.)

Direkt hinter dem Zeltplatz geht es an den ersten Aufstieg. Rund 240 Höhenmeter bei 9% Steigung warten darauf, mit viel ächzen und schwitzen erobert zu werden.

Endlose Aufstiege 

Dann geht hügelig weiter, bevor es zum zweiten, noch viel steileren Anstieg geht, der einfach nicht aufzuhören scheint. Nach jeder Kurve erwarte ich die Erlösung, nur um mit mehr Asphalt begrüßt zu werden, der sich in den Himmel windet.

Und wenn ich schreibe das Wetter war schlecht, dann meine ich RICHTIG SCHLECHT: Temperaturen pendeln zwischen 4-5°, der Regen kommt eiskalt angepeitscht, auch bedingt durch den 20 km/h Gegenwind.

Klaus und ich sind richtig am kämpfen. Zwar sind es nur 28 Kilometer zum Kapp, aber diese müssen wir uns wirklich verdienen. Ein Schlag ins Gesicht sind die letzten zwei Kilometer, hier nahmen wir beide an, endlich auf eine flache Strecke zu stoßen, nur um noch mal mit letzter Kraft klettern zu müssen! So lege ich auf 26 Kilometern heute etwa 800 Höhenmeter zurück, an den vergangenen Tagen wären so viele Höhenmeter auf 50-60 Kilometer Wegstrecke verteilt gewesen.

Heutige Strecke von Honningsvåg bis zum Nordkapp! 

Noch vorbei am Tickethäuschen (für unmotorisierte Besucher ist der Besuch kostenlos), vorbei am Hauptgebäude und am zum Wahrzeichen des Nordkapps.
Um etwa 16 Uhr erreiche ich den nördlichsten Punkt meiner Reise:

3699km in 43 Tagen, 212 Stunden im Sattel. Lege ich den 7. Gang als Bewertungsgrundlage an, haben meine Beine unglaubliche 1.131.000 Mal gekurbelt.

Endlich da!!! 

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© Klaus

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© Klaus

Auch wenn ich mich die vergangenen Tage gar nicht so übertrieben auf das Nordkapp gefreut habe, sondern es eher als Zwischenziel ansah, jetzt überwiegt die Freude hier zu sein, und endlose Ereignisse der vergangenen Wochen fluten mein Bewusstsein. Den letzten Berg bin ich nur hoch gekommen, weil ich versucht habe, mich an jede Übernachtungsstelle seit Tag 1 zu erinnern, samt der zugehörigen Umgebung. So war der Denkapparat beschäftigt, und konnte über die Schmerzen in den Beinen Hinweg getäuscht werden.

So viele Kilometer, so viele spannende Menschen, aufregende Tierbeobachtungen, wunderschöne Landschaften, schöne Zeltplätze und wechselhafte Wetterbedingungen. Ich bin unglaublich dankbar hier zu sein.

Nun aber ein paar Informationen zum Nordkapp, warum bin ich hier eigentlich hin?

Das Nordkapp wird als “der” nördlichste Punkt Europas gehandelt. Warum das Blödsinn ist, findet sich prägnant bei Wikipedia:

Entgegen der weit verbreiteten Auffassung und den Behauptungen der Tourismusbranche ist das Nordkap nicht der nördlichste Punkt Europas:

  1. Das Nordkap befindet sich nicht auf dem Festland, sondern auf einer diesem vorgelagerten Insel. Der nördlichste Punkt des Festlandes ist die Landzunge Kinnarodden(71° 08′ 01″ nördlicher Breite) auf der Nordkinnhalbinsel.
  2. Auch auf der Insel Magerøya, auf der auch das Nordkap liegt, befindet sich auf 71° 11′ 08″ nördlicher Breite ein noch 1400 Meter weiter nördlich gelegener Punkt, nämlich die westlich benachbarte Landzunge Knivskjellodden.
  3. Auch unter den Inseln, die zu Europa zählen, gibt es diverse, die sich nördlich des Nordkaps befinden. Diejenigen des Spitzbergen-Archipels und die des Franz-Josef-Lands mit Kap Fligely sind die nördlichsten.

Das Aufhebens über das Nordkapp läuft also auf eine simple Tatsache heraus und ist der Grund, weshalb auf dem Vorplatz dutzende Reisebusse und Endlos viele Camper stehen:

Das Nordkap ist seit dem Anschluss an das Straßennetz über die heutige Europastraße 69 im Jahr 1956 der nördlichste Punkt Europas, der auf Straßen vom europäischen Festland aus erreicht werden kann.

(Beide Zitate von Wikipedia 

Der Knivskjelloden wäre einen Abstecher wert, ist allerdings mit einer 16 Kilometer Wanderung verbunden.

Aber nach Norden kommt wirklich nicht mehr viel. 

Aufgrund des schlechten Wetters belassen Klaus und ich es also bei ein paar schnellen Zielfotos am Globus, und flüchten dann in die Wärme des Nordkapp-Centers.

Hier ist wirklich eine umfangreiche Infrastruktur entstanden. Ein gigantischer Souvenirladen konkurriert mit Cafés und Restaurants um die Gunst der Kundschaft.

Im Restaurant gibt es ein teueres, leider aber ziemlich schlechtes Abendessen. Aber so haben wir wenigstens die Möglichkeit stundenlang an den Panoramafenstern zu sitzen und die wilde Landschaft zu beobachten. Das Nordkapp wird angeblich 360 Tage im Jahr von Nebel eingehüllt, und an Tagen wie heute glaube ich das sofort.

Blick auf den Knivskjellodden, noch ein paar Meter nördlicher. 

50 shades of gray

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Noch mal Knivskjellodden. © KlausDSC09255
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Schließlich gehen wir noch ein wenig auf Entdeckungstour. Nachdem ich den Souveniershop für den teuersten Postkarten-Einkauf aller Zeiten nutze, gehen wir in den Info-Teil des Gebäudes.

So ist eine Ausstellung den Seegefechten im zweiten Weltkrieg gewidmet. Die Strecke um das Nordkapp war essenziell, um alliierte Schiffkonvois in die Sowjetunion zu bringen, welche diese mit kriegswichtigem Gerät versorgten und den Umschwung brachten, der Deutschlands “Krieg im Osten” zum erliegen brachte. Aus diesem Grunde waren sowohl zahlreiche deutsche Kriegsschiffe und U-Boote, aber auch alliierte Gegenkräfte vor Ort.

Kurz vor dem Nordkapp wurde zu Weihnachten 1943 der deutsche Zerstörer Scharnhorst unter alliierter Kraftanstrengung versenkt, über 1700 Personen fanden in den eisigen Gewässern ihren Tod. Wie schon so oft auf dieser Reise bin ich schockiert über die nördliche Ausdehnung des zweiten Weltkriegs.

Weit aufbauender ist die historische Ausstellung des Nordkapp. Seit dem 16. Jahrhundert auf Karten verzeichnet,  besuchte 1664 der italienische Pfarrer Francesco Negri das Kapp und gilt als der “des erste Tourist”. Ich kann mir kaum vorstellen, auf welche Landschaft und Wildnis er hier gestoßen sein muss.

Seine Eindrücke hielt er wie folgt fest :

Hier bin ich nun am Nordkap, am äußersten Punkt Finnmarks, und ich kann ohne Weiteres sagen am äußersten Punkt der Welt, denn weiter nördlich gibt es keinen von Menschen bewohnten Ort mehr. Mein Wissensdurst ist nun gestillt, und ich will nach Dänemark zurückkehren, und so Gott will, in mein Heimatland.

Prinz Louis von Orleans, der “Bürgerkönig” besuchte 1795 das Kapp.

Und schließlich auch ein kurioser Besuch: Im  Jahr 1907 kam König Chulalongkorn von Siam samt Gefolge zum Nordkapp und verewigt sich im Nordkappstein. Aus diesem Grund gibt es einen thailändischen Schrein samt Memorabilia zu betrachten.

Besonders gut hat mir die kleine Kapelle gefallen, die in einem Mix aus Felswand und modernen LED-Panelen ein Ort voll Stille war.

Stille hätte auch der letzte Raum der Ausstellung verdient gehabt, eine Sound- und Licht-Installation, welche die 4 Jahreszeiten am Kapp visualisiert. Und obwohl wir “3 Jahre” dadrin verbrachten, störten zahlreiche Touristen-Großgruppen, die lautstark vorbeipolterten und jegliche Besinnung schnell vermissen ließen.

Generell bin ich von den Touristen hier fasziniert. Aufgrund des schlechten Wetters halten sich die Besucherzahlen heute in Grenzen, dies sollte sich aber am Folgetag gänzlich ändern. (Mehr dazu später). Auf der einen Seite finde ich es schön, dass jedem Menschen die Möglichkeit eröffnet wird, das Kapp zu sehen, indem man per Bus bis vor die Haustüre gebracht wird. Andererseits setzt etwas bei mir ein, was man vielleicht als “Sportler-Snobismus” beschreiben könnte: Der Gedanke, dass die alle in ihren beheizten Fahrkabinen saßen und sich mehrere Tausende Kilometer hier hin bewegt haben, während ich jeden Kilometer der Natur abgetrotzt habe und alle Widrigkeiten über mich habe ergehen lassen. Ein kleiner Gedanke im Kopf sagt ich hätte es mir “mehr verdient”, hier zu sein. Ist natürlich alles Quatsch.

Touristen – Ansturm

Und nun? 

  • Bin ich erstmal da 😉
  • Nein, nur ein Witz. Also den nächsten Tag bleiben Klaus und ich noch am Kapp. Das Wetter wird am Freitag besser und wir wollen die Aussicht genießen.
  • Deswegen bauen wir auf der kargen Hochebene hinter dem Kapp unsere Zelte auf.

  • In der Nacht von Freitag auf Samstag werden wir das Lager abbrechen und um Mitternacht in Richtung Honningsvåg zurückfahren. So können wir die Mitternachtssonne genießen und hoffentlich die Rückfahrt im besten Licht fotografieren.
  • Samstag früh um 6 Uhr fährt in Honningsvåg die Fähre ab, die ich für eine kurze, zweistündige Fahrt gen Westen nach Havøysund nutze.
  • So muss ich nicht nochmal den Nordkapp Tunnel und die vorherigen 80 Kilometer auf der selben Strecke zurücklegen, auf der ich hergekommen bin, sondern sehe eine neue Strecke von Havøysund nach Olderfjord.
  • Und dann kommt noch ein wenig Strecke, deswegen freue ich mich, am Nordkapp auch wirklich nur ein Zwischenziel erreicht zu haben: Von Havoysund erwarten mich noch knappe 700 Kilometer zurück nach Kiruna in Nordschweden, wo noch eine zweiwöchige Wanderung und dann der Rückflug geplant ist. So muss ich nun nicht wehmütig die letzten Kilometer bis zur Fähre antreten, in dem Wissen, die Reise ist zu Ende, sondern habe noch eine spannende Fahrt vor mir, in der ich mehr von der norwegischen Finnmark sehen werde, einen kleinen Abschnitt durch Finnland radel und schließlich wieder im geliebten Schweden ankomme.

In diesem Sinne bin ich stolz und happy hier sicher und gesund angekommen zu sein, freue mich aber noch viel mehr, dass das Abenteuer keinesfalls vorbei ist.

Abendliche Belohnung im Zelt: Rum-Cola für mich

Verschönerung für das Rad

Tag 41 – 42: Leirbotnvatn – Honningsvåg  

Tag 41: Leirbotnvatn – Ytre Nordmannset 

Der Tag beginnt früh und laut: Als ich um 4 Uhr aufwache, kracht der Regen nur so aufs Zeltdach. Also schnell umdrehen und weiterschlafen. Als sich die Situation um 7 Uhr unverändert präsentiert, entscheide ich mich, doch noch ein Stündchen Schlaf dranhängen, auch wenn das einen späten Start impliziert.

Da der Regen nicht zurückgeht frühstücke ich im Zelt und fange dann auch drinnen an, die Taschen zu packen. Indem ich das Innenzelt ausbaue, während ich im Zelt sitze, kann ich alles bis auf das Außenzelt trocken verstauen. Ich komme aufgrund des ganzen Prozedere erst um Viertel nach 10 los.

Und der Tag startet gleich amtlich, es geht nämlich den Anstieg hoch, den ich gestern am Tagesende noch gesehen habe. In voller Regenmontur quäle ich mich den Hang rauf, schnell sind alle Klamotten durchgeschwitzt.
Oben erwartet mich dann eine irre Hochebene.

Für knappe 40 Kilometer fahre ich relativ eben über diese Ebene, so weit das Auge blickt nur Gras, viel Schnee und hohe Berge außenrum.

Teilweise liegt noch tiefer Schnee. 

Allerdings auch einiges an Wind, der hier nur so über die Ebene pfeift. Auch wenn ich “relativ eben” schreibe, die zahlreichen auf und abs der Strecke kosten richtig Kraft.

Hier oben treffe ich Andreas (Seinen Reise-Blog findet man hier) der mit dem E-bike in die Gegenrichtung unterwegs ist.

Sein Vater fährt mit dem Auto vor, und radelt ihm dann entgegen, so kriegen beide ihre Portion Fahrradfahren für den Tag. Und dadurch ist sein Fahrrad phänomenal leicht bepackt, ich bin sehr neidisch. Nach einem netten Schnack und ein paar Fotos gehen wir getrennte Wege.

Die letzten Kilometer der Hochebene schlauchen mich sehr, zum Glück bringt eine Rentierherde ein wenig Abwechslung. Desweiteren ist mir ständig zu kalt oder heiß, der Regen setzt manchmal wieder ein und es ist empfindlich windig.

Hier ein Foto meiner Hochmodernen Regenhandschuhe.

Haben mich ganze 79 Cent gekostet und sind ordentlich Wasserdicht. Dafür muss man damit Leben, dass sich die Handschuhe von innen mit Wasser auffüllen und einen ekligen Weichmacherduft verbreiten. Aber Wasser- und Winddicht sind sie!

Endlich kommt die Abfahrt runter nach Skaidi. 

Dort setze ich mich ins Restaurant und versuche über eine lachhaft kleine Portion Pommes (für 4,50€) zumindest ein wenig Wärme wieder in den Körper zu kriegen.

Nach einer Stunde versuche ich noch ein paar Kilometer zu den bisher geleisteten 58 hinzuzufügen. Dafür geht es erstmal in Richtung Küste. Nach einem erneuten, kleineren Aufstieg fahre ich durch ein Tal bis nach Olderfjord. Schön den Salzgeruch wieder in der Nase zu haben, selbst wenn es nicht mal 24h her ist, dass ich das Meer nahe Alta verlassen habe.

Auf dem Rückweg werde ich die Panorama Straße von Havøysund aus nehmen. 

In Olderfjord treffe ich noch Klaus, einen deutschen Radfahrer, der in die selbe Richtung fährt. Er hat bereits 120 Kilometer auf dem Tacho, wird also den Campingplatz in Olderfjord ansteuern. Ich möchte noch weiter und so verabreden wir uns dazu, dass er mich morgen einholt und wir dann gemeinsam weiter fahren.

So fahre ich noch über 20 Kilometer die Küste lang. Der Ausblick ist super, wenn es auch richtig kalt und empfindlich windig ist.

Unterwegs begegnen mir zwei Rentiergruppen.

Gruppe 1

Gruppe 2


Gesegnet sei die Erfindung des Tunnels.

Durch diesen Tunnel geht es 2,9 Kilometer durch die Steilküste. Der Tunnel besteht aus rohem Stein, es ist eiskalt und an mehreren Stellen tropft es nicht nur, nein es schießen Wassermassen in den Tunnel. Trotzdem genieße ich die Abwechslung, mal durch einen solchen Tunnel zu fahren.

Kurz nach dem Tunnel dann ein sehnlichst erwartetes Ereignis: Ich finde endlich ein Rentiergeweih!

Habe die vergangenen Wochen Ausschau danach gehalten, würde aber immer wieder von sonnengebleichten Hölzern in die Irre geführt. Diesmal ist es aber wirklich ein Rentier, da liegt nämlich das ganze Skelett daneben. Muss morgen am Campingplatz mal schauen, ob ich das Geweih irgendwie abgekocht kriege, dann habe ich ein neues Stück Dekor für mein Rad! Nach 105 Kilometer ziehe ich auf eine Raststätte rüber, die am Meer gebaut wurde und aus ein paar Bänken, Mülleimer und einem Klo besteht. Da die letzten Kilometer so windig gewesen sind, dass ich mich teilweise in 15° Schräglage gegen den Wind lehnen musste, um nicht aus der Spur geweht zu werden, reicht es auf alle Fälle.

Ich baue das Zelt im Windschatten der Bäume auf, gönne mir aufgrund der mickrigen Pommes eine besonders große Portion Pasta und genieße den Abend im Zelt, zumindest dann, als endlich wieder Wärme in meine Extremitäten zurückkehrt.

Durch die lange Tour heute sind es morgen nur knappe 70 Kilometer nach Honningsvåg, wo ich auf alle Fälle auf den Campingplatz will. Seit Tromsø bin ich jetzt ohne Dusche, zudem haben die nassen beiden letzten Tage dazu geführt, dass ich dringend eine Waschmaschine brauche, um wieder was sauberes, trockenes zum Anziehen zu haben.

Von Honningsvag sind es dann “nur” noch rund 35 Kilometer bis zum Nordkapp, diese haben es aber Höhenmeter mäßig faustdick hinter den Ohren, weswegen ich den Schlussspurt zum Kapp auf den nächsten Tag verschieben werde. Morgen wartet auf mich erstmal der Nordkapp Tunnel als Tageshindernis, mehr dazu aber bei gegebener Zeit.

Tag 42: Ytre Nordmannset – Honningsvag

Der Tag beginnt wie gestern mit dem selben Plätschergeräusch. Heute kann ich es ruhig angehen lassen, hatte gestern mit dem deutschen Radfahrer Klaus (Hier übrigens auch dein Reiseblog) der in Olderfjord geblieben ist,  ausgemacht, dass er mich um 9 abholt und wir gemeinsam weiter fahren. So ist um kurz nach Neun alles in den Taschen verstaut und ich stelle mich nebenan in einen Sami-Verkaufsshop, in der Hoffnung, dass Klaus mein Rad auch dann erkennt, wenn ich nicht drauf sitze 😉

Und um halb 10 kommt er dann schon angefahren, so geht es gemeinsam los. Das Wetter heute ist brutal und sollte sich bis tagesende auch nicht bessern. Es sind knappe 5-7°, es schüttet ohne Ende und fahren wir am Fjord entlang in eine bestimmte Richtung, versucht der Wind uns aufs offene Meer hinaus zu drücken.

Und trotzdem, ich genieße es seit den Schweizerinnen wieder einen Mitfahrer zu haben. Im Gegensatz zu allen bisherigen Kurzzeit-Begleitungen hat Klaus etwa das selbe Tempo wie ich (wenn überhaupt könnte er wohl ein wenig schneller) und wenn man sich allerhand aus dem Reisealltag zu erzählen hat, vergeht die Fahrt wie im Flug. Die Landschaft ist ziemlich sureal-karg, auch wenn die Kamera das kaum einzufangen vermag. Sofern man überhaupt die Kamera rausholt, es dauert wirklich nur Sekunden, bis alles nass ist. Viel Landschaft hängt im tiefen Nebel, ab und an scheinen weiße Berghänge durch. Die Fjorde wären piktoresk, sofern diese gelbe Kugel im Himmel mal ihre Kraft entfalten würde.

Bei einer Bananenpause an der Klippe erspähen wir einen oder mehrere Delfine im Wasser, die unregelmäßig auftauchen. Leider immer nur zu kurz und zu weit weg für ein brauchbares Bild.

Zudem ziehen heute große Rentierherden über die Insel, ich habe sicherlich inzwischen mehr Rentiere auf dieser Insel gesehen, als entlang der gesamten E45 in Schweden.

Schließlich kommen wir am “Nordkapp Tunnel” an. Dieser verbindet die Insel Magerøya mit dem Festland (und ist deshalb auch der Grund, weshalb das Nordkapp als “nördlichste Punkt des europäischen Festlands”  vermarktet wird, dazu aber morgen mehr.
Auf 6900 Metern läuft der Tunnel bis 212m unter dem Meeresspiegel.

Für uns hieß dass, in der Tunneleinfahrt eine äußerst unentspannte, schnelle Mittagspause zu machen, da dies die erste trockene, windgeschützte Stelle des Tages war. Dann alle nur mögliche Sicherheitsausrüstung anlegen und dann geht es ab in den Tunnel.

Die Krux an der Geschichte? Erst geht es steil bergab (yeah!), dann unten ein kurzes Stück flach (ok!) und dann aber steil wieder bis zum Ausgang (oh no!). Und wenn man den Pressestimmen der entgegenkommenden Radfahrer_innen der vergangenen Wochen glauben schenken durfte, dann war die Tunnelbefahrung “schrecklich”, “unglaublich kalt”, “beängstigend”, “man kriegt kaum Sauerstoff”, “es ist unfassbar laut”, “der Verkehr rast an einen vorbei”, “es ist so steil, dass man nicht hochfahren kann, zum schieben ist es aber zu glitschig” bis hin zu “Problemlos”, “eigentlich ganz lustig”, “nicht so schlimm”.
Nun war endlich unsere Chance gekommen, sich davon einen Eindruck zu verschaffen. Die Abfahrt hat tatsächlich Spaß gemacht, mit 53km/h ging es schnurgrade in den tiefen Schlund. Einzig alle nassen Klamotten, verbunden mit dem Fahrtwind und den Temperaturen drückten die Stimmung. Meine Pfoten waren richtig eingefroren, die Füße knapp an der Grenze.

Im Flachen ging es ganz gut voran, dann sah man aber, wie sich die Deckenleuchten immer mehr nach oben zogen. Der Aufstieg war ziemlich krass. Es war mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wirklich anstrengend, die richtige Klamottenwahl zu finden. Und dann hieß es den ersten Gang quälen bis zum geht nicht mehr.
Fiel mein Tempo von 8 auf 7, und dann auf 5-6 km/h, wusste ich es ist Zeit für eine kurze Pause. Dann ging es wieder leicht gestärkt auf die nächsten paar hundert Meter. Klaus scheint eine bessere Übersetzung zu haben und vorallem mehr Kraft in den Beinen, denn er zieht mir ohne Pause davon. Egal, ich muss jetzt richtig kämpfen, komme aber schließlich oben an.

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Ziemlich fertig bei der Ausfahrt. © Klaus

Das Fazit: Der Tunnel ist auf alle Fälle machbar, man hätte sich von den Berichten im Vorfeld nicht so verrückt machen lassen sollen. Anstrengend war er aber auf alle Fälle. Mit leichten “Gummibeinen” geht es dann anschließend weiter, der eine Vorteil des Tunnels ist weg, es regnet uns nämlich wieder munter auf die Köpfe.

15 Kilometer nach dem Tunnel erreichen wir endlich Honningsvåg, die einzige größere Stadt auf der Insel.

Müde und abgekämpft (ich), sowie sehr sehr nass und kalt (wir beide) fallen wir da förmliche in den örtlichen Supermarkt. Dort heißt es nach Lust und Laune einkaufen, Klaus zeigt mir als Empfehlung die 5 NOK-Eiscreme, eine gehaltvolle Erweiterung meines Speiseplans 😉

Während Klaus zum Fährhafen radelt, um sich die zahlreichen komplizierten, und jeweils teureren Möglichkeiten erklären zu lassen, wie er jetzt vom Nordkapp mit Fähren und Bussen wieder nach Deutschland kommt, rufe ich schon mal beim Campingplatz an. Nach dem Tag im Regen hat keiner von uns Lust das Zelt aufzubauen, und zu zweit ist eine Hütte eine gar nicht so teure Alternative. Der Anruf war goldrichtig, eine 2-Personen Hütte haben sie noch, die ich reservieren kann.

Auf den 5 Kilometern zum Campingplatz treffen wir noch auf einen freundlichen norwegischen Naturburschen, der Infos zu unserer Tour erfragt und uns zusätzlich erzählt, dass er vor hat im kommenden Winter mit Tourenski und Schlitten von Südnorwegen bis zum Kapp zu laufen. 110 Tage lang. Die spinnen, die Norweger 😉 Und wieder mal zeigt sich: No matter how tough you are, someone is always tougher and crazier. Auf Spiegel Online fand ich vor ein paar Monaten jemand, der auf einem Stand-Up-Paddle-Board von Tromsø zum Nordkapp ist. Im Winter.

Nach 78 Kilometer sind wir dann endlich da. Der Campingplatz ist gigantisch, eindeutig auf Herrscharen an Touristen ausgelegt, die hier im Sommer einfallen. Wir sind einfach zu früh dran, Klaus erzählt mir, dass die Straße zum Kapp vor drei Wochen noch wegen den Schneemassen unpassierbar war.

Die Hütte kostet 300 NOK pro Person, im Vergleich dazu hätte das Zelt aufstellen 250 Kronen gekostet. Und so fallen wir begeistert in unsere Hütte ein, entledigen uns endlich, endlich den nassen Klamotten und verwandeln unser Zimmer eh man sichs versieht in eine Großwäscherei.

Den Abend verbringe ich mit Wäschewaschen (das händische Waschen fiel die letzten Tage einfach flach, bei dem Wetter kriegt man nichts getrocknet) und entspannten rumliegen und nichts tun.  Zudem zeigt mir Klaus seinen mitgebrachten Film-copter, und als Mann von Fach bin ich absolut begeistert (und er lässt mich auch mal fliegen)

So sind es morgen noch 25 Kilometer Wegstrecke und ich habe vor am Kapp ein wenig länger zu verweilen. Deswegen werden wir uns richtig Zeit lassen und erst Mittags von der Hütte aufbrechen. Das Wetter morgen soll grausig sein, doppelt so viel Regen wie heute und fieser Gegenwind, da ist also keine Motivation dabei, zu hetzen und Strecke zu machen.

Tag 38 – 40: Tromsø – Leirbotnvatn 

Tag 38: Tromsø – Langslett 

 

Start um 9.30 Uhr bei herrlichem Sonnenschein. Leider nicht sonderlich warm, aber ich will mich nicht beschweren. Über die Brücke verlasse ich Tromsø nun nach einem Ruhetag und fahre in südöstliche Richtung aus der Stadt.


Ein letztes Bild von der arctic opera. 


Unterwegs werde ich von einer Möwe angegriffen, war wohl zu nah am Nest. Die Möwe steigt mehrmals auf, und schießt dann im steilen Winkel auf mich herunter, nur um sich kreischend wieder in die Höhe zu schrauben. Ich zieh den Kopf ein, nach 200m lässt sie zum Glück ab von mir.


Nächste Ziele

Nach etwa 50 Kilometer komme ich in Breivikeidet an, wo es mit der Fähre nach Svensby auf der nächsten Insel geht. Die Fähre habe ich gerade verpasst, die Stunde Wartezeit nutze ich zum Mittagessen.

Absolut genial das Zeug, Tubenkäse mit bacon Geschmack. Verrückte Welt. 


Nach der kurzen Fährfahrt bin ich auf Lyngsfjellen, die Insel, die laut Reiseführer die “Lyngen-Alpen” beheimatet.

Und tatsächlich, die Berge sind viel schroffer, mit teilweise über 1800m auch deutlich höher und mit viel mehr Schnee bedeckt. Einfach ein wundervoller Ausblick.
Auf Lyngsfjellen komme ich nach 22 Kilometern zur nächsten Fährfahrt. Zum Glück sind beide Fahrten heute für Radfahrer kostenlos, wäre sonst teuer geworden. Zudem bringt mich die Fähre direkt nach Olderdalen, auf der anderen Seite des Fjordes. Ist besser so, die Straße um den Fjord ist erstaunliche 41 Kilometer lang.


Nun wieder auf der E6, die habe ich vor Narvik ein paar Kilometer befahren. Hier zum Glück mit weniger Verkehr, denn ich bleibe mehrere hundert Kilometer auf der Straße. 

Von Olderdalen mache ich mich an die letzten Kilometer des Tages. Mit dem Blick zurück auf die Lyngen-Alpen geht es traumhaft schön am Meer entlang.

Zwar ist es ziemlich wolkenverhangen, so lange es aber trocken bleibt werde ich mich nicht beschweren.
Unterwegs treffe ich noch einen entgegenkommenden Radfahrer, dessen Gefährt in ziemlich schlechten Zustand ist. Er hofft noch heil nach Tromsø zu kommen, um dort alles reparieren zu können.

Den Campingplatz lasse ich rechts liegen und fahre noch ein wenig weiter. Da es heute Nacht trocken bleiben soll, versuche ich durch Wildcamping die hohen Kosten der letzten Tage in Tromsø ein wenig zu kompensieren.

Dazu habe ich mir vorgenommen auf dem letzten Stück noch einen steilen Anstieg hinter mich zu bringen. Zwar bin ich abends ziemlich platt, aber der psychologische Faktor, am nächsten Tag gleich mit einem steilen Anstieg beginnen zu müssen, macht mir mehr Sorgen. So quäle ich mich Abends noch rauf, fülle an einer Raststätte meine Wasservorräte auf und schlage mich dann bald in die Büsche.


Blick hinunter in den Fjord, da darf ich morgen runter fahren.

So stehen 108 Kilometer für heute auf dem Tacho. Dafür dass ich heute früh mit der Erkältung gestartet bin und keine Ahnung hatte, wie viel ich meinem Körper abverlangen könnte, bin ich sehr zufrieden.

Tag 39: Langslett – Langfjorden

Nach einem ausgiebigen Frühstück entscheidet sich der leichte Nieselregen erst dann anzufangen, als ich versuche mein Zelt trocken einzupacken. Absolut typisch, aber mit Blick auf das restliche Wetter heute, werde ich mich nicht beschweren.
Als erste Amtshandlung habe ich heute die Strecke ins Tal vor mir, also quasi die Belohnung für die gestrige Anstrengung zum Schluss. Am ersten Dorf angekommen, stocke ich meinen Proviant auf, dann geht es am Fjord-Ufer entlang.


Wie immer, der berauschende Blick auf Meer, schneebedeckte Gipfel und rote Skandinavien-Häuser im Oksfjorden. 

Nach 40 Kilometern dann der Knackpunkt des heutigen Tages. Steil windet sich die Straße bergauf, weg vom Meer, hoch auf den Pass. Da es inzwischen deutlich wärmer geworden ist, kann ich in T-Shirt und Radhose fahren, ein Vergnügen, dass ich seit dem Übertritt nach schwedisch Lappland nicht mehr hatte. So quäle ich mich im ersten Gang aufwärts. Zwei Kilometer halte ich aus, dann brauch ich dringend eine Pause. Bei der Anstrengung ist eins der Hauptprobleme, dass mir dauernd Schweiß in die Augen tropft. Auf der E6, wo ich ständig von Campern und anderen PKW überholt werde, kein schönes Gefühl.


Blick auf idyllische Birkenwälder. 


Blick zurück: im Tal begann der Anstieg. 

Knapp vor dem Gipfel, wo ich keuchend und schwitzend ankomme, sehe ich noch eine kleine Herde Rentiere durch den Schnee stapfen. Habe seit Schweden keine mehr gesehen und freue mich wieder auf mehr Wildtiere.

Auch treffe ich zwei Schweizerinnen auf Radreise, die nach einem kurzen Gespräch schon weiter fahren.

Ich hingegen genieße den Blick vom Kvaenangsfjellet und freue mich, es auf 400m ü.N. geschafft zu haben. Hier oben liegt noch tief Schnee in manchen Senken, manchmal mehrere Meter tief.


Der Blick in den Kvaenangenfjord entschädigt für de mühsamen Aufstieg. 

Und dann darf ich auch knappe 8 Kilometer ins Tal schießen, fast durchgängig bei über 50km/h und mit einem mitleidigen Blick für die Radfahrer, die mir entgegenkommen.


Abfahrt

Unten angekommen muss ich etwa 20 Kilometer den Fjord umrunden.

Und weil es mir seit Tagen im Kopf rumgeistert, kommt jetzt endlich ein Zitat von einem meiner liebsten Autoren:

“The Earth…” whispered Arthur.
“Well, the Earth Mark Two in fact,” said Slartibartfast cheerfully. “We’re making a copy from our original blueprints.”

There was a pause.

“Are you trying to tell me,” said Arthur, slowly and with control, “that you originally… made the Earth?”

“Oh yes,” said Slartibartfast. “Did you ever go to a place… I think it was called Norway?”

“No,” said Arthur, “no, I didn’t.”

“Pity,” said Slartibartfast, “that was one of mine. Won an award you know. Lovely crinkly edges. I was most upset to hear about its destruction. … Perhaps I’m old and tired, but I always think the chances of finding out what really is going on are so absurdly remote that the only thing to do is to say ‘hang the sense of it’ and just keep yourself occupied. Look at me – I design coastlines. I got an award for Norway. I’ve been doing fjords all my life… for a fleeting moment they became fashionable and I got a major award.”

Douglas Adams – A Hitchhiker’s guide to the galaxy

In diesem Sinne: Danke Mr. Slartibartfast für all diese “crinkly edges”, very “fashionable” indeed … Fluch und Segen zugleich.

Nach 68 Kilometer genieße ich meine Mittagspause in der Sonne am Badderfjord, deswegen dehne ich diese auch auf eineinhalb Stunden aus.


Bin nun endlich in der Finnmark

Nachdem die nächsten Kilometer einen erneuten Aufstieg mit sich bringen ist es klar, warum ich so sehr verzögere und mich kaum von der weichen Wiese losreißen kann.


Nächster Aufstieg. 

Doch hilft ja nichts, ran an die Höhenmeter! Diesmal zum Glück nur etwa 250 Höhenmeter, aber nach der Strecke von vorhin brennen meine Waden doch ordentlich.

Am Scheitelpunkt findet sich eine kleine Infotafel zum Arbeitslager, welches die Deutschen hier am Pass erbauen ließen, um diesen “strategisch wichtigen” Pass gegen Schneefälle und Unpassierbarkeit zu sichern. Dazu wurden dutzende Personen aus der Region, darunter viele Juden, unter Zwang hergebracht. Wie schon in Tromsø bin ich fassungslos, wie weit das Dritte Reich auch in den unwirtlichen Norden expandierte und welche Gräueltaten auch hier verübt wurden.

Nach der Abfahrt bin ich nun am Langfjord, der seinem Namen alle Ehre macht. Obwohl ich nur eine Seite abfahren muss, begleitet mich dieser Fjord nun über 30 Kilometer.

So ist es klar, dass ich am Fjord eine Stelle suchen werde, an der ich schön Wildcampen kann. Bei dem schönen Wetter kann ich mir den Zeltplatz wirklich sparen.

Und so finde ich meinen Traumplatz nach 110 Kilometer auf einer kleinen Landzunge.

Nach dem Zeltaufbau schaffe ich es sogar noch, ins Meer zu hüpfen. Witzigerweise ist dies das erste Mal, wenn man vom Wat-Versuch in Dänemark absieht, der daran gescheitert ist, dass es nie tiefer als 30cm wurde. Bei der Menge an Sonnenschein ist das Wasser gar nicht so kalt wie erwartet, länger als 5 Minuten ist diese Wäsche aber trotzdem nicht.

Da ein Fluss direkt in Zeltnähe in den Fjord mündet, schaffe ich es sogar noch meine dreckigen Klamotten zu waschen und in der Sonne zum Trocknen aufzuhängen. Ab morgen früh erwartet mich leider Regen, so kann es nicht schaden, wieder so viele trockenen und sauberen Klamotten wie möglich zu haben.

Bis Alta sind es morgen rund 75-80 Kilometer, ohne größere Aufstiege. Dass die Straße trotzdem eine Achterbahn versuchen wird zu imitieren ist mir klar, aber es deutet zumindest nichts darauf hin, dass am Stück mehrere hundert Höhenmeter zu überwinden sein werden, und das ist schon mal etwas.

So kommt ein absolut herrlicher Tag zu einem verdienten Ende. War wunderschön mal wieder in kurzen Klamotten unterwegs zu sein und die Sonne auf der Haut spüren zu können. Davon werde ich zehren, wenn ich morgen nass durch die Gegend fahre.

Tag 40 Langfjorden – Leirbotnvatn

Heute früh erwartet mich ein leicht veränderter Blick aus dem Zelt:

Frühstücke schnell im Zelt, packe drinnen zusammen, und gerade als ich so weit bin raus zu hüpfen und das Zelt trocken einzupacken, hört man das erste prasseln auf dem Zeltdach. Trotzdem schaffe ich es, dass Zelt relativ trocken in der Tasche zu verstauen. Beim Weg zurück zur Straße, wo ich alle Taschen und mein Rad eine steile Holztreppe hoch schleppen muss, schaffe ich es prompt auszurutschen und auf dem Hosenboden zu landen… Prima!

Die ersten paar Kilometer sind verhältnismäßig flach, dafür fällt ein feiner Nieselregen. Nach etwa 20 Kilometer habe ich die Spitze des Langfjorden erreicht. Dort sind einige Zelte am Wegrand errichtet, die lokale Sami-Produkte verkaufen.

Dort treffe ich auch die zwei Schweizerinnen vom Bergpass gestern wieder, und gemeinsam gönnen wir uns Waffeln mit Marmelade im Laden.

Danach beschließen wir gemeinsam weiter zu fahren. So komme ich ein wenig mit Rahel und Martina ins Quatschen. Nach zehn Kilometern voller Geschichten verschwinden die Beiden im Supermarkt und ich fahre alleine weiter.

Seit der Spitze des Langfjorden konnte man in den Altafjorden blicken und konnte Alta relativ klar vor sich sehen.

Trotzdem sind es noch gute 45 Kilometer die Küste entlang bis zur eigentlichen Stadt. Und dabei geht es nach Lust und Laune bergauf, zudem sind einige Tunnel auf der Strecke, die Bergmassive durchkreuzen, für Radfahrer gesperrt.

Stattdessen geht es dann auf der “alten E6” einmal um den Berg rum, zumeist mit satten Steigungen.

Während ich an einer Kirche kurz pausiere, das Denkmal für die Minenarbeiter-Familien begutachte, holen mich Rahel und Martina wieder ein.

Die letzten paar Kilometer beschließen wir gemeinsam anzugehen. Die sind noch mal mit viel klettern verbunden und so sind wir alle erleichtert, endlich in Alta anzukommen.


Da dürfen wir nicht durch, stattdessen 9 Kilometer steil außen rum. 


Ich will auch Blumenkästen auf deutschen Brücken! 

Die Stadt zieht sich ganz schön entlang der Küste. Die Schweizerinnen wollen zur Touristeninformation, so verabschiede ich mich und fahre noch zum größten Supermarkt der Stadt. Hier gibt es wieder einen ausgiebigen (sprich: teuer) Einkauf, bevor ich mich an einem Tisch im Supermarkt zur lang verdienten Mittagspause breit mache. Inzwischen ist es nämlich 15 Uhr und ich habe fast 80 Kilometer hinter mich gebracht. Mittagessen wird also immer später 😉


Seit dem Schild in Dänemark, gleich nach der Abfahrt von der Fähre, ist dies das erste Schild, auf dem das Nordkapp explizit ausgeschildert ist. Jetzt endlich fühlt sich die Distanz machbar an. 

So gestärkt geht es wieder raus in die Kälte. Aber so richtig kann ich mich nicht beschweren, denn immerhin ist es entgegen der Wetterprognose deutlich trockener geblieben, als vorhergesagt. Nach elf Kilometern komme ich zur Kür des Tages, einem erneuten Aufstieg zu einem Pass, der mich ins Nachbartal bringt.


Da muss ich hoch. 

Erneut keuche ich mich die 300 Höhenmeter hoch, zwischendrin nur noch im T-shirt, obwohl etwa 10 Grad kalt und alles Nassgeschwitzt. Aber bei den Aufstiegen entwickele ich eine solche Hitze, dass es wirklich unangenehm ist, zu dick eingepackt zu sein.

Kurz vor dem höchsten Punkt überholt mich ein Rennradfahrer. Dieser ist in Südschweden gestartet und will auch zum Kapp. Da er rund 200 Kilometer am Tag schafft, ist er erst vor 13 Tagen gestartet, ich bin höchst beeindruckt. Auch wenn ich neidisch auf sein leichtes Rad bin, die Konstruktion mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken kann er gerne behalten, dass stell ich mir sehr unangenehm vor.

Oben angekommen macht sich Erleichterung breit. Auch hier sind wieder ein paar Zelte mit Verkaufsständen.

So komme ich mit einem Motorradfahrer ins Gespräch, der gerade seinen Einkauf verstaut. Seit zwei Tagen überholen mich unzählige Motorräder mit dem selben “Nordkapp Adventure 2017” Sticker am Bike. Und nicht nur, dass ich erhoffe, so einen Sticker geschenkt zu kriegen, mich interessiert auch, was der Hintergrund ist. Und so erzählt mir der Fahrer, dass dies eine organisierte Tour von Honda ist. Im Grunde werden eine Vielzahl Motorrad-Fachjournalisten zu einer solchen Tour eingeladen, Honda stellt die gesamte Infrastruktur und die Journalisten lernen die Maschine im geeigneten Terrain kennen.

Und weil sie die Journalisten aus der ganzen Welt eingeflogen haben, es fünf Versorgungsvans gibt, einen Krankenwagen samt Doktor, der Sprit gezahlt wird ebenso wie die Hotelübernachtungen und jegliche Verpflegung, wird man am Ende sicherlich in den jeweiligen Zeitschriften Sätze lesen können wie: “Die Honda Twin Africa entwickelt auch im niedrigen Drehzahlbereich eine beeindruckende Leistung” und “Auch nördlich des Polarkreises zeigt die leistungsstarke Sitzheizung, was sie leisten kann”. All-Expenses-Paid-Journalismus, bitte daran denken, beim nächsten Autokauf. Und das Wort “adventure” können sie sich bei der Logistik auch sparen.

Update 2020: Jahre später habe ich dann tatsächlich das dazugehörige Video von Honda gefunden. Und all meine Vorannahmen haben sich bestätigt: https://youtu.be/FTJwdhe4Y3c

Trotzdem ist das Gespräch mit dem Biker nett, und auch wenn er keinen Sticker für mich hat, werde ich von ihm für den Webauftritt seiner türkischen Motorradzeitschrift kurz videointerviewt. Gebe ganz sicher kein beeindruckendes Bild ab, das Aussehen und die Fähigkeit des logischen Denkens sind nach dem Aufstieg beide den Bach runter gegangen.

Der Motorradfahrer verstaut sein frisch erworbenes Rentierfell und sein getrocknetes Rentierfleisch (was auch immer damit in der Türkei geschieht..) und wir verabschieden uns.

Anschließend geht es entspannt den Hügel hinab und am See, der am Fuße des Passes liegt, baue ich neben einem ausgebrannten und verfallenen Ferienhaus mein Zelt für die Nacht auf.


Der Anstieg für morgen früh. 

Das waren heute 101 Kilometer und somit ein guter Grundstock, um bald das Nordkapp zu erreichen. Weit ist es nicht mehr. Keine Ahnung wie das Wetter morgen wird, es scheint derzeit so schnell zu wechseln, dass eine erfolgreiche Prognose schwer zu geben ist. Ich lasse mich überraschen.

Der Abend im Zelt vergeht mit Lesen, Blog schreiben und Filme schauen. Zudem gibt es eine sehr leckere Pasta mit Süß-sauer-Sauce, ein neu-entdecktes Rezept meinerseits.

Tag 37: Tromsø (Ruhetag) 

Wie bereits angekündigt, entscheide ich mich dafür, es heute ganz ruhig angehen zu lassen. Endlich mal bis 10 ausschlafen, zum Frühstück Serien schauen und nicht aus dem Knick kommen. 

Heute ist absolutes Traumwetter in Tromsø, gefühlt ist die ganze Stadt im T-Shirt unterwegs. 

Statue für Roald Amundsen
Dieser Gedenkstein macht mich unfassbar betroffen. Hier stehe ich, mehrere hundert Kilometer nördlich des Polarkreises, in einer piktoresken Stadt, bei herrlichen Wetter, obwohl hier etwa 9 Monate im Jahr Winter ist. Und selbst hier haben die Deutschen es geschafft, Juden und Jüdinnen zusammenzutreiben, in deutsche Konzentrationslager zu deportieren und zu ermorden. Es erscheint absolut surreal! 

Zu Fuß geht es auf ins Zentrum, dort erkunde ich das Nordische Kunstmuseum, welches sich auf verschiedenste Kunst spezialisiert hat, zumeist von Sami-Künstler_innen. Ein Fülle an Materialien, traditionellen Mustern und modernen Interpretationen finden sich in der Ausstellung. 

Tägliches Leben 
Und Tradition





Anschließend schnappe ich mir mein Fahrrad und begebe mich zum Botanischen Garten. Schon der Zweite auf meiner Tour und ein wirklich schöner Platz. 

Es ist der nördlichste botanische Garten der Welt und ich bin erstaunt, wie viele Pflanzen hier angepflanzt wurden, liegt doch gefühlt 9 Monate im Jahr hier Schnee. Bei den Temperaturen genieße ich es, im T-Shirt auf der Wiese zu liegen, samt Mittagessen, Buch, Serien schauen und sogar einem Mittagsschlaf. 


Die knappe Fahrt zurück birgt 6 Kilometer auf dem Tacho, also ein Tag, an dem ich den Drahtesel fast vollständig ignorieren konnte. 


 Panoramablick auf Tromsø nördliche Ausläufer mit dem Arctic Opera house in der Mitte. 

So habe ich den Tag als maximale Entspannung empfunden. Hoffentlich bleibt das Wetter die kommenden Tage ähnlich, es wäre so eine schöne Abwechslung endlich mal wieder im T-shirt zu radeln und nicht in der vollen Regenmontur.