[Tag 4] Kalai-i-Khum – Ausblicksplattform

11. Juli 2019: Von Kalai-i-Khum bis zur Ausblicksplattform nahe Poshkarv
~67 Kilometer und 1800 Höhenmeter mit dem Fahrrad.

 

 

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Um 6 Uhr früh war ich abmarschbereit, direkt nach dem Weg aus der Stadt ging es Bergauf. Auch hörte mit der Stadtgrenze sofort wieder der Asphalt auf und es ging auf miserablem Untergrund weiter.

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In Kalai-i-Khum

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Blick auf die unbefestigte Straße nach Afghanistan

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Viele Autos überholen mich heute, jedes wirbelt mehr ekligen Staub auf, der das Atmen erschwert. Nach etwa 30 Kilometer sah ich dann plötzlich vor einem kleinen Magasin (so werden hier die Tante Emma Läden genannt, Supermärkte gibt es keine außerhalb der großen Städte) eine Fata Morgana. Da saß doch tatsächlich ein Reiseradler mit Cola in der Hand neben seinem vollgepackten Reiserad. Nach einem kurzen Einkauf stellen wir uns vor: Benjamin ist etwa in meinem Alter und aus Paris (!!!) bis hierher geradelt, er hat davor keine Radreise unternommen. Er hat irgendwann seinen Job gekündigt, ein Fahrrad gekauft und ist nun über ein halbes Jahr unterwegs. Sein Drahtesel war bis zum geht nicht mehr beladen, an allen Ecken und Enden quoll da Equipment hervor, hinten hing gar ein ganzer Plüsch-Teddy an den Taschen. Doch am Lenker ist eine gute Bluetooth-Box befestigt, so fahren wir anschließend mit ordentlicher Rock-Musik zusammen weiter.

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Eine seiner Felgen hat inzwischen ein paar Risse drin, Benjamin muss also aufpassen, dass er die gröbsten Schlaglöcher auslässt. Ein Felgenbruch hier hieße nichts Gutes, Ersatzteile sind weit entfernt. So langsam steigen die Temperaturen wieder, ich merke aber dass mich nach den Anfangstagen nichts mehr schocken kann. Wenn es jetzt 38°C erreicht, dann zucke ich mit den Schultern. Zu einem gewissen “Grad” gewöhnt sich der Körper ja auch dran, unangenehm bleibt es trotzdem.

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Afghanistan

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Der Belag ist heute miserabel. Staubig, buckelig und extrem eng, wenn doch mal ein LKW uns entgegen kommt.
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Schulbetrieb in Zelten auf afghanischer Seite

Benjamin hat einen sehr positiven Blick auf sein Handeln, eine angenehme Abwechslung zu meinen Selbstzweifeln der letzten Tage. Bei jeder Bergauffahrt fluchen wir trotzdem zusammen, nur um dann jubelnd wieder ins Tal zu donnern. Das ist die Schizophrenie des Radfahrens. Flach und Bergab ist super, bergauf immer schrecklich.

Benjamin kommentiert dies ganz lax mit “What can you do? It’s an adventure!” Daran werde ich mich versuchen zu halten.

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Ich hatte heute vor lediglich 60 Kilometer hinter mich zu bringen, um die Mittagszeitrum stehen bereits 44 Kilometer auf dem Tacho und ich hab brauch eine Pause. An einem kleinen Bächlein, dass durch eine Ortschaft fließt, finden wir Schatten, viel mehr brauche ich nicht zum Glücklich sein. Benjamin will noch ein wenig Strecke absolvieren, nach einem Kaffee am Bach fährt er weiter.

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Pausenplatz fürs Mittagessen

Nicht aber, bevor uns die ganzen Biker aus dem Hotel Roma wieder eingeholt haben. Die fahren mehrheitlich knatternd an uns vorbei, nur einer hält für ein Gespräch an. Er beschwert sich dann sofort über den Zustand der Straße und wie unglaublich anstrengend das Fahren sei.

Benjamin und ich blickten uns nach dem Abgang der Biker nur an und meinten gleichzeitig “fucking motorbikers!” Also ganz ehrlich: “Die Straße ist schlecht”, da drehen die einmal härter oder schwächer am Gashebel und fliegen nur so über die Straße. Wir hingegen quälen uns in den niedrigen Gängen über Stunden die Straße entlang und vor allem die Hänge empor. So waren wir beide der Ansicht, dass Motorradfahrer keinerlei Anrecht auf Meckerei hätten. 😉

Ich hoffe Benjamin nachher wieder einzuholen, bleibe aber noch ein paar Stunden in Dorf. Als die Sonne immer weiter mein Schattenfleckchen einschränkt, frage ich zwei Häuser weiter, ob ich mich auf ihren Tapchan legen darf. Und genau wie gestern wird mir dies nicht verwehrt, erneut kann ich also im Schatten entspannen. Lediglich der schattenspendende Aprikosenbaum ist ein wenig gefährlich, alle paar Minuten werde ich wach, weil neben mir eine Aprikose auf dem Holzgestell einschlägt. Trotzdem kann ich von 13-15.30 Uhr schlafen,

Als ich mich nach der Mittagspause auf den Weg mache war froh mich vorher nicht an Benjamin drangehängt zu haben, denn bis ins nächste Dorf schien die Sonne volle Kanne und die Strecke war echt tough, es ging nur bergauf und war sehr anstrengend. Abwechslung bietet der Blick nach Afghanistan, da winken immer wieder mal Kinder und Erwachsene rüber, auch ein paar „Hellos“ kann ich über das Getöse des Panj heraushören. Zudem ist der Blick auf die kleinen Orte auf afghanischer Seite faszinierend, die sehen so klein und schäbig aus, keine Strommasten, ein paar einzelne Solarzellen. Dafür schmiegen sich die Häuser an die Hänge und auch kleinste Ackerflächen werden bewirtschaftet. All dies sieht aus der Entfernung malerisch aus, ich bin mir aber sicher, das ist ein ganz schön toughes Leben da auf der anderen Flussseite.

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Immer wieder geht es völlig unnötig bergauf, da die Straße nach ein paar hundert Meter sich wieder zum Flussufer hinab windet. Anstrengend, besonders bei den Staubfahnen der LKWs und PKWs
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Auch eine Art Verschrottung

Benjamin hat mir vorhin erzählt, dass eine meiner Wegoptionen für die weitere Strecke, der Wakhan-Korridor, laut Erzählungen die reinste Katastrophe ist: schwieriger Belag, auf über 4000m hoch zu einem Pass. Dies verbunden mit den Erfahrungen der letzten Tage lässt mich meinen Plan anpassen. In Khorogh könnte ich für das Wakhan-Tal einen Jeep für 2 Tage mieten. Dann sehe ich auch die schönen Ausblicke, kann es ein bisschen genießen und komme aber über die asphaltierte Route des Pamir Highway anschließend sicherlich schneller und vor allem angenehmer nach Murghab. Mal sehen, Pläne ändern sich derzeit bei mir täglich.

Ich treffe auch noch zwei spanische Reiseradler, mit denen ich jedoch relativ wenig reden konnte und es erschien mir auch als ob sie wenig Lust hatten mit mir zu reden, da sie gerade Aufsattelten, als ich im Dorf ankam um mir neues Wasser zu kaufen.

Danach begegnet mir auch Benjamin wieder, leider in ungewünschter Pose, mit dem Fahrrad verkehrt herum neben der Straße.

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Not like this man!

Er hat einen Platten und die Reifenflicken halten bei der Hitze nicht. Er hat aber auch keinen Wechselschlauch mehr übrig, und das fette Gewicht auf dem Hinterrad drückt so immer wieder ein neues Loch in den Schlauch. Da seine Schläuche leider nicht die standardmäßigen Schrader-Auto-Ventile habent, kann er sich von niemandem einen Schlauch leihen, auch meine Schläuche nützen da nichts. Und trotzdem war er dem Desaster positiv gegenüber eingestellt, saß rauchend (ich weiß wirklich nicht wie er mit Raucherlunge die Berge emporklettert) und lachend am Straßenrand und versuchte zu reparieren. “What can you do? It’s a fucking adventure!” schallt es mir erneut entgegen, ich mag den Mann.

Er hat beschlossen, wenn es nicht klappt mit dem Rad flicken, dann nimmt er eine Transportmöglichkeit nach Duschanbe wahr und wartet auf Ersatzteile. Es gibt wohl eine Connection zu einem Menschen nach Moskau, der jegliches Zeug besorgen kann und dann auf den Flieger nach Duschanbe mitgibt. So müsste Benjamin zwar eine Woche pausieren, könnte dann aber auch seine gebrochene Felge austauschen. Da er mich im Laufe des Nachmittags nicht mehr überholt, nehme ich an, dass genau das passiert ist. Im Nachhinein finde ich über eine Whatsapp-Nachricht von ihm raus, dass er per Anhalter nach Duschanbe zurück ist und dort auf die Ersatzteile wartete. Nach 6 Tagen Wartezeit saß er wieder in einem Truck nach Khorogh und konnte so mit neuen Teilen auch den Wakhan ohne Sorgen in Angriff nehmen. Leider war unser gemeinsames Fahren damit auch beendet, ich war immer eine knappe Woche vor ihm auf der Strecke. Good trip Benjamin, ride on!

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Thanks for the good ride Benjamin! (Und man beachte die Neigung meines Rads, das wird morgen wieder Thema)

Ich bin noch ein bisschen weiter, dann sah es erst so aus, als könnte man hinter einer Tankstelle bleiben, die war allerdings nur ein kleines Häuschen und so habe ich das erstmal ignoriert. Dann wollte ich an der nächsten Quelle anhalten, dafür hätte ich aber Höhenmeter in ein kleines Dörfchen abseits der Hauptstraße machen müssen, da hatte ich keinen Bock drauf. Also weiter bis zur nächsten Quelle. Dort aber war nicht mal Platz um eine Isomatte auszulegen, die Quelle lag wirklich direkt ohne (Sicht-)schutz an der Straße.

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Die Schatten werden länger

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Zeit endlich ein Camp zu finden

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So wurde es zum Ende des Tages noch echt zäh, weil da einiges an Hügeln kam und ich mich acht oder neun Kilometer weiterquälte, als ich es ursprünglich vor hatte. Das klingt zwar nach nichts, aber diese Distanz auf diesen Straßen und mit einigen Steigungen bedeutet, dass ich dafür gut eine Stunde brauchte. Wenigstens hatte ich mehr als genug Wasser eingekauft vorher im Dorf, das war eine gute Entscheidung. Es kam dann zum Glück eine Aussichtsplattform mit Picknickbank, direkt am Panj. Hier werde ich auf alle Fälle bleiben und hoffe nur, dass das Militär nicht kommt und mich verjagt. Aber ich vermute, auch für die ist es zu spät, denn die Sonne geht ziemlich schnell unter. Auch die Taliban werden mich schon nicht aus Afghanistan erschießen, obwohl hier die beiden Ufer sehr nah beieinander liegen.

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Mein Platz für die Nacht

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An der Aussichtsplattform treffe ich noch einen österreichischen Reiseradler (heute läuft’s mit den Bekanntschaften!), der gerade 4km zurück fährt, weil er seine Powerbank verloren hat. Sein Mitfahrer ist bereits vor gefahren, das Camp aufbauen. Ich werde auch eingeladen mitzukommen, will aber wirklich keinen Kilometer mehr fahren. 30 Minuten später kommt der Österreicher zurück, die Suche war erfolgreich und er hat wieder eine Powerbank in Händen 🙂 Gestartet sind die beiden übrigens in Wien und erneut fühle ich mich wie ein Kurzzeitabenteurer.

Abends führe ich kleinere Reparaturen und Wartungsarbeiten am Rad durch. Jetzt hab ich mir noch baked beans gekocht, und schneide mir fast ein paar Finger ab, weil ich im Dunkeln versuche noch eine Karotte zu schälen und kleinzuschneiden.

Heute geht es auf alle Fälle deutlich besser mit dem Essen. Zum Mittagessen gab es Ramen-Nudeln und Brot. Zwischendrin ein bisschen Obst und Snickers. Also ich hoffe dass bedeutet das Gröbste ist vorbei. Es wäre auf alle Fälle echt schön.

Die Beine fühlen sich hingegen immer noch schwach an. Aber ich denke es ist Tag 4 und ich habe Belastung ohne Ende, da wundert es mich nicht dass die Beine noch nicht im Turbo-Modus sind, bin aber gespannt ob die Beine überhaupt auf dieser Tour den Turbo-Modus erreichen. Jeden Tag 10 Kilometer im zweiten Gang zurücklegen, das bleibt so oder so eine Belastung wenn man sich den Hang hochkurbelt. Ich schaue einfach mal was sich so ergibt und nehme es Tag für Tag.

Abends glitzert noch das Mondlicht zwischen den Bergrücken auf den Panj, der fast silbrig dahin fließt. Ich entschließe mich gegen den Aufbau des Zeltes, rolle neben dem Picknicktisch meine Isomatte aus und leg mich da einfach so in den Schlafsack. Drückt mir die Daumen dass heute Abend nicht mehr die Polizei oder das Militär vorbei kommt, das wäre ganz gut.

 

[Tag 3] Raststätte Zigar – Kalai-i-Khum

10. Juli 2019: Vom Truckstop bei Zigar bis zur Stadt Kalai-i-Khum
~76 Kilometer und 1880 Höhenmeter mit dem Fahrrad.

 

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Erneut bin ich heute sehr früh aufgestanden. Leider habe ich es gestern nicht ganz so früh in den Schlafsack wie erhofft, dafür war das Setting aber auch zu schräg. Auf dem Tapchan, 10 Meter freies Sichtfeld von der Straße entfernt. Und da donnerten auch nachts noch die LKWs vorbei. Genau daneben war ein kleiner Polizeicheckpoint, der jeden LKW mit einem Leuchtstab zum Anhalten gezwungen hat. Das bedeutete für mich: Quietschende LKW-Bremsen, laute Gespräch. Zudem eine ziemliche Hitze, ich lag nur im Schlafsack-Inlet auf den dort ausgelegten Polstern. Und um etwa 4 Uhr früh, bei Sonnenaufgang kam dann noch ein Truckfahrer und hat angefangen auf dem Tapchan gen Mekka zu beten, direkt neben einem weiteren Fahrer, der fleißig vor sich hin schnarchte. Nun, ich versuche so still wie möglich meine Habseligkeiten zusammen zu packen. Selbst ohne Zelt dauert dies in der Früh noch lange, immer wieder muss ich überlegen was in welche Tasche muss.

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Meine Schlafstadt heute Nacht auf dem traditionellen “Tapchan”, dem Eisengestell.
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Truckstop im Morgenlicht

Bevor ich losfahre, probiere ich noch meinen neuen Wasserfilter an der Quelle aus, ich habe keine Lust nur Wasser zu trinken, welches ich mit Chlortablettenbehandelt habe. Der Filter funktioniert, ist allerdings verdammt langsam.

Die Fahrt heute ging besser als gestern. Nach dem Start kamen zwar gleich ein paar knackige Anhöhen, aber diese konnte ich meistern. Es war einfach deutlich kühler in der Früh, den frühen Start werde ich also auch die kommenden Tage fortführen, der Effekt ist immens.

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Blick zurück
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Winzige Siedlungen in Afghanistan, vermutlich bis zum Viehabtrieb unbewohnt.
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Wo es Erdrutsche gegeben hat, oder wenn der Wasserspiegel im Panj steigt, ist der Weg auf afghanischer Seite unpassierbar. Teilweise sind dann Klettersteige weiter oben in den Berg gefräst worden.

Auch lag das tief eingeschnittene Tal noch im Schatten, was zusätzlich half. Anders als gestern, wo ich mich in der prallen Sonne den Pass hochkurbeln musste. Die Landschaft ist schön und die Blicke nach Afghanistan spektakulär. Afghanische Schulkinder winken und rufen mir zu, ich grüße freundlich zurück. Männer fahren auf alten, klapprigen Mofas ins Nachbardorf, hinten sitzt die Ehefrau mit Burka verschleiert auf dem Sozius.

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Auf gutem Straßenbelag kam ich gut voran, der Blick schweift immer wieder nach Afghanistan. Wie verrückt, dass ich hier dran vorbei fahre. Afghanistan, das ist für mich, dessen politische Bildung altersbedingt Post-9/11 und mit dem „War on Terror“ begann, ein Land des Chaos, der Bombenangriffe und der puren Misswirtschaft. Und doch blicke ich hier auf kleine, sicherlich ärmliche Dörfer, aber es scheint ein Leben fernab des Krieges zu geben.

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Viele Entwicklungsprojekte hier sind von der EU oder europäischen Staaten finanziert.
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Flach, guter Belag, wahnsinniger Ausblick.
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Blick in die Seitentäler, aus denen Zuflüsse in den Panj münden.
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Ich glaube ich habe meinen Superheldennamen für die Reise, “Punishar”!

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Ab und zu begegne ich den üblichen Grenzkontrollen, die aus 3-4 jungen tadschikischen Soldaten bestehen, die mit Gewehr auf dem Rücken die Straße entlang patrouillieren. Es gibt zwar auf der anderen Uferseite Berichte über Taliban-Kämpfer, die sich in den Bergen verstecken, die Hauptsorge gilt aber wohl dem Opium und Heroinschmuggel, der über den Grenzfluss stattfindet. Tadschikistan ist für diese Drogen ein gefragtes Transitland. Eben deshalb erscheint mir diese Patrouille sinnentleert. Die Grenze ist lang, geschmuggelt wird wohl überwiegend nachts, und die Päckchen dann schnellstmöglich in einen Jeep geladen, der davon braust. 4 Soldaten alle 20 Kilometer, dann auch noch zu Fuß in der Mittagshitze, das bringt gar nichts. Vielleicht ist dies aber auch die gewünschte Form des Aktionismus, es gibt Berichte über Militärs, die fleißig mitverdienen am Drogenschmuggel.

Um 11.30 Uhr suche ich langsam ein Plätzchen für ein Mittagessen, schließlich bin ich da durch den frühen Start schon lange unterwegs. Von den 75 Kilometern bis Kalai-i-Khum habe ich bereits 55 hinter mich gebracht.

Wie gestern schon erklärt will ich heute auch eine längere Mittagspause machen, die Mittagshitze im Schatten aussitzen. Und der Zufall treibt mich dann auch in die Arme einer wundervollen Familie in einem kleinen Dorf. Ich spreche sie an, da es außerhalb der Dörfer keine Bäume und somit keinen Schatten gibt. Sie selber haben aber einen kleinen Wald im Garten und auch einen Tapchan der im Schatten der Bäume verführerisch aussieht.

Erneut spricht der Vater und die Mutter kein Wort Englisch, meine Gesten werden aber verstanden. Ich kann mich sogar vor dem Hinsetzen am Gartenschlauch mit frischem Wasser aus den Bergen abkühlen und den gröbsten Schweiß abwischen.

Anschließend liege ich auf dem Tapchan und genieße das herrliche Gefühl im kühlen Schatten zu sein. Ich muss wohl 2 Minuten die Augen zugemacht haben, plötzlich steht auf dem Tisch vor mir ein Teller mit Obst. Ich bedanke mich beim Vater, stelle aber auch klar, dass ich das überhaupt nicht erwartet habe und ihnen sehr dankbar bin. Weitere 5 Minuten vergehen bis die Frau des Hauses mit Tablett angelaufen kommt, darauf eine Kanne Tee, eine Schüssel Kefir-Joghurt, eine Scheibe Brot und ein Teller mit Osch, dem Regionalgericht des Landes. Kartoffeln, Kohl, ein wenig Fleisch, zusammen mit einer Brühe und was sonst im Haus so vorhanden wird, manchmal auch mit Reis. Spannenderweise verzieht sich beim Anblick dieses Gourmetessens meine andauernde Übelkeit und ich genieße das mir gereichte Mittagessen. Ich freue mich trotzdem darüber, dass es nur eine kleine Portion war und hoffe ich habe der Familie keine Umstände gemacht. Sie scheinen ihr Mittagessen bereits gehabt zu haben, dies sind wohl die Überreste. Die 3 Kinder der Familie wuseln über mich herum. Und jedes Mal wenn ich sie anlächelte oder Hallo sagte dann kicherten sie los und rannten ein bisschen weg und kamen wieder, zahlreiche „Hello, hello, Hello!“-Rufe anstimmend. Irgendwann merkt der Vater mir meine Erschöpfung an, ein paar strenge Sätze werden gerufen und schon verschwinden die Kinder. Ich komme mir zwar dadurch ein wenig wie ein Eindringling vor, bin aber über die Ruhe dankbar. Auf dem Tapchan liegend, tritt nun Entspannung bei mir ein. Im Schatten sind es 38° C, das fühlt sich für mich beinahe kühl an. Ich schaffe es nach dem Mittagessen noch knappe 3 Stunden dort liegen zu bleiben, auch ein wenig Schlaf kann ich nachholen.

Der Familienvater ist Taxi-Fahrer zwischen Kalai-i-Khum und Duschanbe, er kennt meine Route der letzten Tage also wie seine Westentasche. Er ist damit beschäftigt sein Taxi zu reparieren, stellenweise kommen wohl Bekannte aus dem Ort um ihn dabei zu unterstützen. Alle verhalten sich freundlich mir gegenüber, scheinen aber gar nicht so überrascht zu sein. Wie man wohl in Deutschland reagieren würde, wenn plötzlich ein Fremder ohne überschneidende Sprachkenntnisse im Garten liegen will, und dort auch über Stunden nicht verschwindet? Hier jedenfalls werde ich nur herzlich aufgenommen, erhalte mal wieder eine überwältigende und sinnstiftende Lektion in Gastfreundschaft. Und das, wo ich gestern in einer kleinen Felsnische auf Schotter lag, und versucht habe den minimalen Schatten auszunutzen. Am Ende meines Besuchs ist es ein wahrer Kampf darum, dem Familienvater 50 Somoni (knapp unter 5€) zu übergeben. Erst nach mehrmaligem, aufdringlichem Bitten meinerseits gibt er klein bei und ich fahre anschließend glücklich und erholt weiter.

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Meine Gastgeber fürs Mittagessen. Die Mama wollte nicht mit aufs Bild. Vielen, vielen Dank für so viel Gastfreundschaft!

Erschreckend finde ich, dass auch die vorbeigekommenen 13-15-jährigen Nachbarskinder fast kein Englisch verstehen. Dies ist den Kindern ähnlich, die bei den Ortsdurchfahrten angerannt kommen. Es heißt zwar schnell „Hello, hello, where are you from?“, aber man merkt, dass sie meine Antwort darauf ebenso wenig verstehen wie die Antwort auf „what’s your name?“. Stattdessen sind diese Fragen wohl auswendig gelernte Floskeln, die von ihnen ohne jegliches Bewusstsein für die Bedeutung aufgesagt werden. Über Wochen begleitet mich nun der übliche Gesprächsfluss mit den Kindern, es ist ein andauerndes „Hello, hello, hello, whatsyourname, whereyoufrom, hello, hello, howareyou, hello, hello, goodbye, bye, hello.“ Nun, es wird aufgewogen durch lachende, fröhliche Kindergesichter, ein wenig Schräg ist es aber schon. Vorallem wenn dies 200 Mal täglich stattfindet. Nun, ich fände es deutlich unangenehmer dauernd angebettelt zu werden und zumindest dies hab ich bisher gar nicht erlebt.

War der Asphalt schon vor der Mittagspause schlecht gewesen, hörte dieser nun bei der Weiterfahrt um 15.30 Uhr komplett auf. Auf schlecht gewarteter Schotterpiste ging es nun langsam voran in Richtung Kalai-i-Khum. Die 20 Kilometer bis dorthin zogen sich, auch da ich zwischen drin noch einmal Wasser filterte und ein paar Verschnaufpausen einlegte.

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Kleine Quelle am Wegesrand

 

Kurz vor der Stadt habe ich das folgende Schild fotografiert: Es soll wohl Fahrrad-Infrastruktur vorgegaukelt werden, allerdings zeigt sich davon nichts auf den Straßen.

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Schick ist es dennoch.
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Mir wäre allerdings ein anderer Straßenbelag lieber.

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Irgendwo auf einem Hang steht noch ein Miniatur-Schlösschen, ich wüsste ja gerne wieso dies dort erbaut wurde.

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Reihe: Präsidentenphotoshop. Abbildung 2. (Man beachte seine glaubwürde Pose im Getreidefeld.)

Bereits einige Kilometer vor der Ortseinfahrt wurde ich von einem Auto angehalten und angeraunzt, ich soll doch gefälligst zu Hotel Roma gehen. Da dachte ich mir schon, na suuuuper. Dann fingen mich auch noch drei Kindern auf Fahrrädern ab, auch diese drängten mich penetrant gen Hotel Roma. In der Regel wäre dieses Verhalten für mich das klare Ausschlusskriterium, da es aber laut Booking.com tatsächlich das einzige Hotel in Kalai-i-Khum ist, und ich keine Lust auf ein Homestay habe, gebe ich klein bei und fahre den Kindern hinterher zum Hotel Roma.

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Ich nähere mich Kalai-i-Khum

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Mein Begrüßungskommittee

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Ich werde selbst beim Fotografieren nicht aus den Augen gelassen.

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Die Ziele der kommenden Tage

Am Hotel angekommen ist an sich ist hier eine gute Stimmung, aber alles ist sehr chaotisch. Mein Zimmer hat kein Strom und ist winzig, ebenso geht das Licht nicht. Klos und Dusche verströmen den Charme von sanitären Einrichtungen in einem Strafgefangenenlager. Trotzdem kann ich mich abends noch zu einer Dusche überwinden, schließlich war mein letzter Ganzkörper-Wasserkontakt im Hostel in Duschanbe… ürgs!

 

Ich gehe abends noch zum nahegelegenen Supermarkt, um ein paar kleinere Vorräte aufzustocken. Ich hätte auf keinen Fall so viel Essen aus Duschanbe mitschleppen müssen, ich ärgere mich bei dem Gedanken, dass ich 2 Kilogramm weniger den Berg hätte hochstrampeln müssen.

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Vorspeise

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Hauptgang

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Und ein fantastischer Blick auf der Terrasse
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Dieser Zufluss fließt am Bildende direkt in den Panj

Das Abendessen wurde im gemeinsamen Kreis eingenommen und wider Erwarten habe ich es komplett aufessen können, was mich ein wenig beruhigt. Eindeutig geht’s mir besser, wenn auch nicht perfekt. Der Magen rumort nach all dem unerwarteten Essen, aber lieber das als die Kraftlosigkeit der letzten Tage.

Das Hotel ist voll mit Motorrad-Reisenden aus aller Welt, ich bin die einzige Person, die per Rad unterwegs ist. Heute hatte mich ein polnisches Pärchen auf dem Motorrad überholt, gestern zwei Franzosen auf zwei Motorrädern, sonst habe ich seit meiner Abfahrt in Duschanbe keine weiteren Tourist_innen mehr gesehen, erst recht keine mit dem Fahrrad. Auch wenn ich wusste, dass die Strecke wenig Befahren ist, so wenig Kontakt mit Tourist_innen hätte ich nicht erwartet.

Abends verärgere ich die Biker noch ein wenig, denn sie haben mein Rad eingebaut im hintersten Eck der Garage. Weil ich morgen wieder vor 6 Uhr früh aufbrechen will, müssen sie mir entweder jetzt helfen es zu bergen, oder es gehen morgen alle Alarmanlagen der Motorräder los. Glücklicherweise entscheiden sie sich dafür mir Abends noch zu helfen.

Ich gehe früh ins Bett, damit ich morgen einen frühen Start hinlegen kann. Ich habe mich im Laufe des Abends gegen eine Mitnahme per Mini-Bus oder Jeep nach Khorogh entschieden. Ich fühle mich ein wenig besser heute und will es einfach langsam angehen lassen. Sollte es nicht klappen, werde ich unterwegs schon eine Mitfahrgelegenheit finden. Das Gefühl mich heillos mit dieser Tour übernommen zu haben, das schwebt immer noch über mir und beeinflusst mein Denken und Handeln. Trotzdem versuche ich positiv an die Sache ran zu gehen, es wird schon irgendwie klappen.

 

[Tag 2] Am Bergpass nach Kulob bis zur Raststätte bei Zigar

9. Juli 2019: Am Berg von Kulob ins Panj Tal bis zur Raststätte kurz vor Zigar
~75 Kilometer und 2050 Höhenmeter mit dem Fahrrad.

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Mehrmals in der Nacht wach geworden, da sind wirklich die ganze Nacht LKWs und PKWs vorbei gefahren, das fand ich schon ziemlich krass. Ich hatte meinen Wecker auf 4:30 Uhr. Was eklig war, aber sein musste, weil es dann noch kühl ist. Habe wie immer ewig zum Zusammenpacken gebraucht, das dauert am ersten Tourtag immer seine liebe Zeit.

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Alles wieder verladen
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Dort geht es jetzt wieder auf der Straße weiter Bergauf

Habe dann noch irgendwie lustlos Müsli und zumindest 500 Gramm Dosenananas runter gewürgt, die dann wenigstens die Tasche leichter machten. Und dann ging es gleich wieder auf den Pass. Ich hatte noch knappe 400, 420 Höhenmeter zu machen, die ich gestern nicht mehr geschafft habe. Doch auch heute war dies sau-anstrengend. Es war 6.30 Uhr, dass hieß es war Gott sei Dank noch nicht so heiß, reichte dennoch für 28-29°C und die Sonne kam um die Ecke und brutzelte auf mich drauf. Und dann hörte der Asphalt auf und es war einfach nur staubig und voller grobem Schotter. Ich musste mir so einen Weg bahnen und jeder LKW, der vorbeikam, wirbelte alles auf, ebenso wie jedes Auto. Diese eklig staubige Luft hilft keineswegs beim Atmen, erst recht nicht wenn man wie verrückt am schnaufen ist.

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Blick zurück: Hinter der Kurve habe ich gezeltet, nun habe ich bereits ein paar hunder Höhenmeter hinter mich gebracht. In der grünen Ferne kann man noch Kulob erkennen.
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Blick zurück
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Blick zurück

Ich hatte relativ wenig Wasser übrig, etwa noch einen Liter und wusste, dass ich über diesen Pass drüber muss. Also war cleveres Haushalten mit den Wasservorräten notwendig.

In der Früh die Beine noch einigermaßen in Ordnung waren, wenn ich mich auch nicht toll oder gar fit fühlte, trotzdem habe ich es bis zum Pass geschafft. Ich kam dann auf diese Hochebene oder flache Ebene oben am Pass.

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Willkommen in Gorno-Badachstan!

Da sind zwei Dörfer, eins auch größer. Erst war noch eine tadschikische Grenzkontrolle, da ich nun in die GBAO-Region vordringe. GBAO steht für Gorno-Badachstan, das zugleich eine „avtonomnaja oblastj,“ eine autonome Region ist. Bereits in Deutschland habe ich zusammen mit meinem E-Visum für Tadschikistan ein Permit für die GBAO Region beantragt, diese wurde nun kontrolliert, die waren da zum Glück sehr korrekt, leicht komisch war es trotzdem, da es sich bei den Soldaten um 18-jährige Jünglinge mit Maschinengewehr handelte.

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Duschanbe liegt im Westen der RRS-Provinz, nun bin ich endlich im GBAO, nahe an der südlichen Grenze. Eine andere Provinz werde ich in Tadschikistan nicht mehr betreten, da ich Gorno-Badachstan gen Norden nach Kirgistan verlasse.

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Die Werbung lügt nicht…
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Der Asphalt wird hier tatsächlich besser.
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Die nächsten größeren Städte auf meiner Reise, Kulma ist bereits der Warenübergang nach China.

Im Ort bin ich an eine Tanke gefahren, wo das Leben pulsierte. Zu Höchstzeiten standen da 50 Leute rum und tankten, kauften Wassermelonen und waren in Gespräche vertieft. Ich habe mir vier Flaschen Wasser, eine Flasche Cola und eine Flasche Fanta gekauft und gleich versucht die Cola zu trinken. Die ist leider so was von pappsüß hier. Mir ist immer noch ziemlich schlecht, also habe ich nach einem viertel Liter Cola aufgegeben und hab mich auf den weiteren Weg gemacht.

Das Beste an der Ortschaft Shurabod war, das es nun bergab ging. An sich wollte ich die Abfahrt gestern schon hinter mich bringen, weiß aber nun, dass ich sie nie und nimmer geschafft hätte. Ich bin froh dass ich den Zeltplatz gewählt habe, weil die 400 Höhenmeter zur Passhöhe hätte ich nicht mehr hingekriegt.

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Ortsausfahrt Shurabod. ABWÄRTS!
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Und zwar zackig!

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Die Abfahrt war toll, insgesamt vielleicht 20 Kilometer. Ich schoss nur so dahin. Es wurde zwar richtig, richtig, richtig heiß, weil ich von 2000m auf knappe 800m ü. N. abfuhr. Aber dafür flog ich dahin. Ich hatte ein bisschen Sorgen um die Bremsen, habe irgendwann mal die Felgenflanken angefasst und die waren wirklich kochend heiß und bei den Außentemperaturen kühlt ja auch nichts ab. Doch mit kürzeren Pausen zwischendrin hat auch das geklappt. Und plötzlich stehe ich am Straßenrand und blickt auf eine Landschaft, von der ich seit Monaten fantasiere: Es kommt Afghanistan in den Blick auf der anderen Hangseite! Sehr beeindruckend: Der Panj, der afghanisch-tadschikische Grenzfluss fließt in voller Breite durchs Tal, stellenweise rücken die Ufer aber näher zusammen, stellenweise breitet er sich mit ziemlich viel Power aus.

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Der Traum-Blick: Andere Flussseite ist bereits afghanisches Staatsgebiet
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Abfahrt bis an den Fluss.

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Hätte nie erwartet in meinem Leben auf dieses Straßenschild zu blicken
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Tatsächlich gibt es eine Verbindungsbrücke, diese ist aber die meiste Zeit gesperrt und stark militärisch bewacht.
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Hohe Berge in Afghanistan

Leider war die Passabfahrt doch schneller zu Ende als es mir lieb war und von da an ging’s einfach immer hoch-runter, hoch-runter, hoch-runter, hoch-runter. Den ganzen verdammten Tag lang. Dagegen machen konnte man auch nichts. Manchmal waren es nur 50-80 Höhenmeter, teilweise aber auch deutlich mehr. Selbst die 50-80 Meter hoch waren anstrengend. Da hat die Straße dann neun Prozent Steigung und ich fahre im zweiten Gang. Da ich vor der Reise meine Ritzel am Rad getauscht habe, um das Rad berggängiger zu machen, war ich ziemlich erleichtert. Denn mein jetziger 2. Gang entsprach auf dem alten Setup dem 0. Gang. In den Ortschaften kam ich mit einigen Männern ins Gespräch, diese konnten genauso schnell neben mir her laufen, wie ich mich Bergauf durch die Orte gekämpft habe

All das wäre ok, wenn es nicht so heiß wäre und wenn meine Beine nicht die Konsistenz von Gummi hätten. Es ist einfach kein Druck drin und ich kann nicht pushen. Ich bin zum Ende des Tages krass am krampfen, teilweise ist mein Bein schmerzhaft in einer Position verkrampft, und ich kann nicht mehr treten sondern humple vor Schmerz vom Fahrrad und versuche den Krampf weg zu massieren. Ich kriege meine Power so nicht auf den Teer und das ist unglaublich frustrierend. In so einer Situation ist dann auch ein 40 Meter Hügel unglaublich anstrengend.

Wie bereits erwähnt, es war heiß. Mein Plan war ursprünglich, dadurch dass ich um 6.30 Uhr los bin, dass ich um 12.30 Uhr den Großteil meines Pensums hinter mich gebracht hätte und mich irgendwo in den Schatten legen um dann drei, oder vielleicht auch vier Stunden Pause zu machen. Das war leider nicht der Fall. Ich konnte wie gestern kaum mehr als 5-10 Kilometer fahren, ohne dass ich eine Pause brauchte und in den Dörfern lockten die ganzen Springbrunnen und Quellen um doch mal die Kappe nass zu machen. Ich traue mich noch nicht das Wasser dort direkt zu trinken, was nervig ist und dazu führt, dass mir manchmal fast das Wasser ausging. Die Temperaturen sind wirklich ätzend. Um 9 Uhr war das Thermometer bereits bei 38° C, um 11 Uhr schon bei 48° C. Das Thermometer im Tacho ist natürlich dauernd in der Sonne und ich weiß nicht wie akkurat die Messung wirklich ist, aber die höchste Messung zeigte heute 57,5° C. Bei schnellerer Fahrt wird man das Gefühl nicht los gefönt zu werden und ich schwitze mir unglaublich einen ab. Ich habe sechs Liter Wasser getrunken und war nicht einmal pinkeln. Auch die Kappe, an der Quelle gut nass gemacht ist in unter einem Kilometer wieder trocken und der Kopf fängt an zu kochen. Auch heute fahre ich zum Sonnenschutz in langen Klamotten. Es macht auch keinen wirklichen Unterschied, ich würde trotzdem wie verrückt schwitzen, selbst wenn ich die Ärmel hochkrempele, also lass ich das lieber. Die Hitze macht mich fertig, verbunden damit, dass ich nichts essen kann und mir dauernd schlecht ist und ich keinen Hunger habe.

Ich lag länger in einer Busstation, weil da zumindest ein bisschen Schatten war, wobei sich dieses Plastikdach auch gewaltig aufheizte. Irgendein Kind kam dann an und fand es witzig sich eine halbe Stunde neben mich zu setzen und mir teilweise beim Schlafen auf dem Boden zuzuschauen, sowie mit stellenweise auf Russisch oder tadschikisch zuzuquatschen, obwohl klar war, dass ich ihn nicht verstehen kann. Irgendwann trottete er dann endlich von dannen.

Vor der Pause waren zwischen mir und dem Panj-Fluss immer Felder, doch nach der Pause ging es noch ein Stückchen weiter runter und ich kam das erste Mal mit der Wegführung direkt an den Panj ran. Und als dies das erste Mal passierte, spürte man richtig wie die Umgebungstemperatur sich senkte. Das hatten mir auch schon zwei Briten im Hostel in Duschanbe gesagt. Durch das kalte, strömungsreiche Wasser und die Wasserumwälzung, sowie das enge Tal wird es deutlich kühler und man spürt einen angenehmen Lufthauch.

Plötzlich hatte ich die perfekte Stelle, direkt neben der Straße: Zwei große, schattenspendende Bäume direkt am Fluss, die bisher Mangelware waren. Dass da drunter hunderte Kühe hingekackt hatten, die dort wohl ihr Wasserloch hatten, war mir komplett egal, ich war nun direkt am Panj dran.

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Der perfekte Pausenplatz. Mehr Schatten gibts nicht.
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Füße ins Wasser!

Auf einen Stein gesetzt, Schuhe aus und Beine in den Fluss halten. Das erste Mal seit dem Hostel mit Airconditioning fühlte ich mich wohlig temperiert. Das Wasser hat so um rund 20°C würde ich schätzen, das kühlt den Körper in der Situation schön runter. Habe dann noch meine Wasserflaschen ins Wasser gehalten, weil ich trinke seit gestern quasi aus den Wasserflaschen Tee. Bloß ohne Geschmack. Die Wasserflaschen heizen sich sehr schnell auf und sind dann bei 50°C und kühlen auch nachts nicht wirklich aus. Ich hatte gestern Abend eine Flasche draußen stehen lassen und selbst der Schluck um 23 Uhr war noch eklig warm. Hier am Fluss war nun das Wasser gut abgekühlt und trinkbar. Mir war klar, dass ich nun Essen zu mir nehmen muss und dann ein wenig Schlafen kann. Meine Mittagspause begann um 12.30 Uhr und ich hoffte sie auf 3 Stunden auszudehnen, bis die Mittagshitze vorbei ist. Das Essen (Reste vom Abendessen gestern) schmeckte überhaupt nicht. Prompt passierte das was ich gestern schon min. 14 Mal und heute 10 Mal vermutet hätte: Ich übergebe das gerade gegessene Nudelgericht im hohen Bogen an den Panj. Fühlte mich danach gleich besser. Aber damit war die Viertel Mahlzeit auch weg. Hab im Anschluss gleich noch mal versucht ein Viertel zu Essen, das ging so einigermaßen, mir war weniger schlecht danach. Das Kaloriendefizit hält sich jedoch weiterhin beständig. Neben der Hitze und der Übelkeit kommt auch noch ein „Oh mein Gott, es läuft Scheiße“-Gefühl hinzu, das verstärkt das Unwohlsein.

Und als ich gerade dabei war zu denken: Nun, wenigstens kann ich mich jetzt erholen, ich habe einen schönen Rastplatz und kann drei Stunden Schlafen und mich ausruhen von dem Schlafmangel, besonders da ich ja schon vor fünf Uhr morgens aufgestanden war. Doch dann bogen drei tadschikische Soldaten um die Ecke, wieder 18-jährige mit der AK-47 auf dem Rücken. Von ihnen spricht keiner ein Wort Englisch und sie beginnen auf mich einzureden. Ich begrüßte sie mit dem üblichen „Hello, Hello, Salam Aleikum“ und versuchte zu erklären, dass ich von Kulob nach Khorogh unterwegs bin und hoffte so, dass sie bald abziehen. Leider ohne Erfolg, die blieben neben mir. Ich sagte ihnen auch, dass ich Mittagspause mache und danach weiterfahre, das habe ich auch versucht ihnen via Google Translator auf Russisch klarzumachen. Irgendwann holten sie über Funk einen Kollegen ran, der Englisch sprechen konnte. Der sagte auch ziemlich schnell, dass ich hier keine Pause machen dürfte, weil überall Minen seien.
Vor dem Rastplatz waren keine Minen-Warnschilder und auch die zwei Kilometer danach kamen keine Schilder, von daher bezweifle ich das. Ich bezweifle es auch, weil wenn es tatsächlich Minen gegeben hätte, dann wären neben den 10.000 Kuhfladen auch mindestens ein paar Beefsteaks in Medium Rare rumgelegen, dem war aber nicht so. Also keineswegs Minen, die wollten mich einfach nicht an der Backe haben und so weiterschicken. Das war unglaublich nervig, denn so hatte ich nur eine halbe Stunde pausieren können, und das war mit Kotzen einhergegangen. Der Erholungsfaktor ging also gegen Null. Doch all meine Überzeugungsversuche prallten ab, die blieben so lange bis ich wieder Socken und Schuhe anhatte und mein Zeug zusammengepackt hatte.

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Kleine Dörfer in Afghanistan
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So nah
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Den Weg kann man nicht verlieren, ich sehe auch 2 Kilometer vorher, ob es gleich wieder hoch gehen wird.

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Dann kam auf der Weiterfahrt auch einfach kein Schatten. Teilweise habe ich mich in den Meter oder die 40 Zentimeter Schatten gesetzt/gelegt, den die Felswände bereit hielten, war mir dann auch egal wenn ich im Schotter oder in irgendwelchen Dornen saß. Hauptsache ein bisschen Schatten. Habe so auch etwa eine Stunde geschlafen, war aber wenig erholsam da direkt an der Straße und ich bin bei jedem vorbeifahrenden Auto aufgeschreckt.

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Mein Schattenplatz (gegen die Felswand gedrückt). Schön geht anders.

So war keine Erholung zu haben, und nachdem ich heute bis 17 Uhr gefahren bin, war ich ca. zehneinhalb Stunden unterwegs. Das war nicht die pure Fahrzeit, aber so lang dauerte es von Aufbruch bis Ankunft. So lang war ich nie unterwegs, damals in Schweden bin ich zumeist um 10 Uhr los und war um 18 Uhr wieder damit beschäftigt das Zelt aufzustellen, inkl. 2-stündiger Mittagspause und kürzeren Stopps. Doch die Pausen hier sind nahezu unmöglich, einfach aufgrund dessen, dass es keinen Schatten gibt. Die Sonne strahlt aus dem Zenit ins Tal.

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Eingekeilt im Tal. Gut sichtbar die Straße auch auf afghanischer Seite, diese allerdings ohne jeglichen Asphalt und zumeist in miserablen Zustand.
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Steigung voraus.
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Afghanistan
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Steiler Weg zum Nebental auf afghanischer Seite
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Stellenweise entferne ich mich vom Flussufer. Jeder Höhenmeter ist hart erkämpft.

Zum Ende hin kamen noch einige steile Passagen. Wenn man bei 9% Steigung noch mal 100 Höhenmeter sich hochkämpfen muss, wird es einfach ätzend. Ich konnte nicht mehr. Stellenweise bin ich gelaufen und hab das Rad geschoben. Das ist zwar nicht einfacher sondern eher schwieriger, aber zumindest ist es eine andere Belastung. Ich dürfte heute sicherlich drei Kilometer gewandert sein. Auch mein Wasser ging zum Ende hin zu Neige, weil da keine Orte mehr kamen. Als ich nur noch einen halben Liter hatte, habe ich ein Auto angehalten. Der hatte leider kein kaltes Wasser mehr, sondern nur noch heißes Teewasser von dem er mir aber dankenswerterweise 2 Gläser abgab. So erhitzte sich die Wasserflasche schön von 50° auf 70° C, vielen Dank auch. So musste ich fortan den Mund mit warmen Teewasser spülen, wirklich widerlich. Aber noch widerlicher ist es, dass der Mund unfassbar austrocknet, alles klebt, man bekommt einen schlechten Geschmack im Mund und kann nicht mehr richtig atmen, besonders wenn dann die ganzen LKWs den Staub der Straße aufwirbeln. Die Einheimischen trinken alle von den Quellen, die aus den Bergen kommen. Ich hingegen bin noch arg vorsichtig und nutze sie nur um mich abzukühlen und nasse Wickel herzustellen. Ich hab jetzt mal in die Tadschikistan-Radfahr-Facebookgruppe geschrieben und gefragt, wie die mit dem Wasser umgegangen sind. Ich habe jetzt von der Quelle Wasser entnommen, aber mit einer Chlortablette versehen. So kann ich das Wasser auf alle Fälle nach der Einwirkzeit trinken, es schmeckt halt ätzend.

Zum Ende hin ging es noch mal hoch und runter, es war noch eine Brücke weggeschwemmt, aber es gab eine Umfahrung drumherum. Wasser, das die Hänge hinab lief, fiel an der Straße vorbei, ich konnte es nicht erreichen um mich abzukühlen, was sehr frustrierend war.

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Weggeschwemmte Brücke

Ich hab mich dann die letzten Meter durchgekämpft, bis ich eine Art Truckstop erreicht habe, obwohl es hier kein Restaurant gibt, was ein wenig seltsam ist. Der Truckstop liegt direkt an der Straße, es gibt Quellwasser und eine Toilette, die unfassbar grauselig ist. Der Geruch da drin ist unvorstellbar.

Ich bin dann zum Hausbesitzer hin und hatte wirklich Sorge, er würde mir jetzt mit einem „Niet, Niet“ begegnen und mich weiter schicken. Ich hab mein ohne-Wörter-Wörterbuch von Langenscheid genutzt, dass sich jetzt schon bezahlt gemacht hat, auf das Zelt gezeigt und auf den Boden. Der Hausbesitzer war total entspannt, kam noch mit mir mit und zeigte mir einige Stellen wo ich das Zelt aufstellen kann. Ich war so unglaublich erleichtert, ich hätte fast heulen können. Denn in nächster Zeit kommen keine Häuser mehr, und die Straße hier ist so eng am Fluss entlang geführt, da gäbe es keine Möglichkeit irgendwo das Zelt aufzustellen. Und ich bin mir sicher, wenn ich doch irgendwo eine Freifläche gefunden hätte, kommt ein Soldat und erzählt irgendwas von Minen oder Taliban.

Ich hab dann auf dem Truckstop kein Zelt aufgebaut, weil die wieder einen Tapchan stehen habe, da werde ich nachher einfach die Isomatte drauf ausrollen und darauf pennen, das reicht mir vollends. Ich hab mich ein bisschen an der Quelle gewaschen, soweit das geht, weil die Quelle direkt an der Straße liegt und dauernd knallen Autos an mir vorbei. Von daher: Waschen nur über der Gürtellinie 😉 Wenigstens ist der Teil aufs gröbste von Staub, Schweiß und Sonnencreme befreit und entkeimt.

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Bei dem Klo verschwinde ich lieber in die Büsche… Gut dass hier keine Gerüche mit festgehalten sind.

Und jetzt ist das große, was ich noch zu tun habe eigentlich klar, ich müsste Essen kochen, aber ich habe null Hunger, null LUST und so werde ich wohl gleich einfach eine Packung Kekse entern, was allerdings der letzte Süßkram ist, den ich habe. Wenn ich heute auch kein großes Abendessen koche, werde ich morgen zu Mittag kochen müssen, das heißt ich brauche eine Stelle wo ich in Ruhe den Kocher aufbauen kann ohne vertrieben zu werden.

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Der Truckstop-Inhaber bringt mir noch Feigen vorbei.

Ich bin mit dem heutigen Tag einfach frustriert. Spaß gemacht hat mir heute vielleicht fünf Prozent. Nicht falsch verstehen, die Aussichten und Ausblicke sind fantastisch. Aber man kann sie nicht genießen wenn man dauernd am Leiden ist. Mir ist zu heiß, ich kann nichts essen, mir ist kotzübel und ich weiß nicht was sich wie rum bedingt. Meine Beine sind Gummi und das ist das Frustrierendste. Ich fühlte mich wirklich fit vor der Reise. Ich habe viel Sport gemacht und trotzdem erscheint es hier als agiere ich aus einem Kaltstart heraus. Wobei, Kalt ist hier gar nichts!

Zudem geht mir dauernd die Überlegung im Kopf herum „hey, das sollte hier der einfache Part sein, hier sollte es gehen“. Hier sind nicht super viele Höhenmeter, ich bewege mich nicht auf großer Höhe. Wenn ich hier nicht von 900 Meter auf 1000 Meter komme mit dem Fahrrad, was passiert dann erst, wenn ich in nächster Zeit von 3500 auf über 4000m muss. Hier gibt es keine starken Gegenwinde. Hier fahren noch zahlreiche Autos an mir vorbei.

All dieses Wissen besorgt mich, aber hilft halt leider nicht weiter. Ich habe morgen 74 Kilometer bis zur Ortschaft Kalai-i-Khum übrig. Ich habe heute 75 Kilometer geschafft, allerdings waren davon 20-25 bergab. Aber auch den Pass heut früh und einige steile Stellen Bergauf, hebt sich also hoffentlich gegenseitig wieder auf. Von daher hoffe ich, dass ich die morgige Strecke schaffen kann. Ich werde wieder super früh aufstehen und versuchen, mein Mittagspausen-Plan zu halten.

In Kalai-i-Khum wird es Zeit für ein Hotel oder Hostel. Ich werde mir überlegen müssen wie ich weiter vorgehe. Entweder ich bleibe in Kalai-i-Khum noch ein bisschen. Alternativ könnte ich mich nach Khorugh fahren lassen. Das liegt 240km von Kalai-i-Khum entfernt. Die Zeit die man sich dann sparen würde, könnte ich in Khorugh für zwei Tage Entspannung nutzen, dort pausieren und wieder zu Kräften kommen. Vielleicht geht es auch demnächst einfach wieder. Es wird jetzt progressiv kälter, für Khorugh sind ca. 25-30° C angesagt, in Kulob wo ich gestartet bin eher 40° C. Ich werde morgen schauen wie warm es in Kalai-i-Khum ist und es vielleicht davon abhängig machen.

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Fertig mit dem Tag und den Nerven.

Man merkt es vielleicht an meinem heutigen Eintrag: Ich bin frustriert und fühle mich als hätte ich versagt, was mich noch weiter nervt. Ein Lichtblick: ich kenne die Situation bereits. Es ist quasi eine Wiederholung des Israel-Trips von vor 5 Jahren. Auch da habe ich auf dem Trip in der Hitze gelitten, zu wenig getrunken, zu viel geschwitzt und zu wenig gegessen. Mir war dauernd schlecht und ich habe das ebenfalls gehasst. Danach einen Tag Pause gemacht und hatte dann plötzlich unglaubliche Lust auf den zweiten Trip und plötzlich ging es. Ich warte auch hier eigentlich jeden Tag darauf, dass mein Körper sagt: „So, jetzt essen!“ Ich habe genug Reserven, so ist es ja nicht, die Frage ist halt wie der Körper diese nutzen kann bei der Hitze. Und die Beine dürfen halt sich halt nicht wie Gummi anfühlen. Ich kann mit einem schmerzenden Po oder mit Schmerzen im Knie fahren, das ist alles ok, da kann ich mich durchbeißen. Wenn ich aber das Bein drücke und das Bein bewegt sich nicht oder nicht so wie ich will, und ich bin im zweiten Gang und muss mit 70 Umdrehungen pro Minute den Berg hoch für die nächsten 20 Minuten, dann brauche ich Stärke in den Beinen, die ich gerade einfach nicht habe.

Es ist also frustrierend und auch wenn ich weiß dass sich irgendwann demnächst der Schalter umlegt, bis dahin genieße ich es nicht wirklich, was mich sehr ärgert.

 

[Tag 1] Von Kulob ab in die Berge

8. Juli 2019: Busfahrt, dann ~21km Kilometer und 1020 Höhenmeter mit dem Fahrrad.

[Ein Klick auf das Bild vergrößert die Route!]

Um kurz nach 6 Uhr klingelte auch schon der Wecker und ich schlich mich mit meinem Gepäck aus dem geteilten Dormroom, um die anderen schlafen zu lassen.

Miserables Frühstück gehabt, nämlich nur ein bisschen Müsli mit Wasser, alles aufs Rad geladen, ein Startfoto vor dem Green House Hostel geknipst und dann die paar Kilometer zur Busstation gefahren. Es hat sich gelohnt früh loszufahren, so war ich kurz vor halb 8 Uhr schon vor Ort und der Bus ging um 8 Uhr.

IMG_20190708_070132Nachts scheint noch dieses Monster angekommen zu sein.

Abmarschbereit!

Als ich endlich den richtigen Bus gefunden habe, war es schon ein ganz schöner Kraftakt das Rad verladen zu kriegen. Auch wenn es moderne Reisebusse waren, viel Stauraum war im Bus nicht, und bis mein Rad da rein bugsiert war, bedurfte es zahlreicher anpackender Hände. In dem Moment gebe ich mein Transportmittel und liebsten Besitz in fremde Hände und stehe immer leicht fassungslos am Rand während am Fahrrad gezerrt und gedrückt wurde. Als ich in Kulob ankam merkte ich, dass sie unterwegs noch mal ungepackt hatten, mein Rad lag nun flach am Boden und darauf waren dutzende Taschen und Koffer gestapelt, zum Glück hat es das Rad doch klaglos ausgehalten.

Schnell springe ich ins Busterminal, um mein Ticket zu kaufen (2 Stunden Fahrt für 3,50€!), nach all der schweißtreibenden Arbeit in der Früh kaufe ich noch schnell eine kalte Flasche Wasser für die Reise und bin dann abfahrbereit.

Die Fahrt beginnt verspätet, die Eltern von einem jungen Kind sind wohl nochmal ausgestiegen und sich nicht auffindbar bei Abfahrt, was den kleinen Jungen zu schrecklichen Heulkrämpfen veranlasste. Doch schließlich waren die Eltern eingeladen und so begann eine langsame Fahrt aus Duschanbe heraus, gefühlt hielten wir an jeder Straßenecke um Leute noch einzuladen.

Neben mir saß ein Jugendlicher, der ein paar Worte Deutsch konnte, weil Familienangehörige von ihm wohl derzeit in Deutschland arbeiten. Als er merkte, dass wir nicht wirklich weiter kamen tauschte er den Sitz mit seinem Cousin, der einwandfreies Englisch sprach. So haben wir uns den Rest der Fahrt angeregt unterhalten, er hat mir viel über das Schulsystem und das Leben in Duschanbe erzählt, aber auch mich viel über Deutschland gefragt. Er wiederholte dutzende Male, wie sehr er sich freut sein Englisch üben zu können, da er vor hatte (wie fast alle) nach der Schule für die Arbeit ins Ausland zu gehen. Er selber war 16 Jahre alt, sah aber seine Zukunft außerhalb des Landes. Ein klarer Trend zeichnet sich in den Gesprächen ab, alle versuchen das Land zu verlassen und auch alle haben bereits Verwandtschaft im Ausland.
Laut Studien des Bertelsmann Transformation Index zu postsowjetischen Staaten stammt 43% des tadschikischen Bruttoinlandsprodukts aus Überweisungen aus Russland, wo die Mehrheit der Gastarbeiter_innen leben. Eine gewaltige Anzahl und überlebenswichtig für die Bevölkerung die im Heimatland verblieben ist, sowie für den Staat an sich.

Der Jugendliche neben mir hat irgendwann erwähnt, dass der Durchschnittslohn so um die 1000 Somoni im Monat (=knapp über 100$) beträgt, in Perspektive dazu habe ich also knapp ein Viertel des Monatslohns im Supermarkt gestern gelassen, kein Wunder dass keiner in dem teuren Supermarkt mit westlichen Produkten einkauft.

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Nurek-Staudamm
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Nurek-Staudamm

Der Kontakt mit dem Jugendlichen war sehr nett, er hat auch die Durchsagen vom Fahrer übersetzt, so haben wir eine schöne Pause am Nurek Staudamm gemacht, der einzigen wirklichen Sehenswürdigkeit an der Strecke. Nachdem dann auch gleich ein Reifen am Bus gewechselt werden musste fiel die Pause doch ein wenig länger aus.

[Ein Klick auf obige Bilder vergrößert sie! (Besonders das Panorama)]

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Hier zeige ich euch Fotos vom wunderschönen Nurek-Staudamm, zudem ist die Straße wunderbar asphaltiert und gar nicht so bergig. Vielleicht sollte ich also erklären, warum ich 3 Stunden mit dem Bus nach Kulob fahre und nicht meine Radtour am Hostel in Duschanbe begonnen habe. Es gibt dafür eine Vielzahl kleine Gründe und einen großen Grund:

  • Von Duschanbe sind es 200 Kilometer nach Kulob. Das wären mindestens 2 volle Tage auf dem Rad gewesen.
  • In diesen niedrigen Höhen ist es unfassbar heiß, 2 Tage Radfahren bei über 40° C im Flachland, das muss nicht sein.
  • Die Landschaft ist vom Staudamm abgesehen nicht so spektakulär, lieber will ich mehr Zeit im Pamir haben, als zum Ende hin hetzen zu müssen.
  • Hier gibt es noch Busse, die regulär fahren, ein überspringen dieser Sektion war also ziemlich einfach. Später auf der Route fahren nur noch vollbesetzte Mini-Busse, in die mein Rad nicht mehr reinpasst. Diese fahren ohne Zeitplan.

Doch nun zum wichtigsten Grund und als einleitende Worte muss ich sagen: Mama, du musst jetzt stark sein! Eine Sache habe ich bei 7 Monaten Reisevorbereitung dir wohlweißlich verschwiegen. Und obwohl ich ziemlich überrascht bin, dass du es beim googlen nicht selber gefunden hast, ich bin erleichtert dass bis jetzt Unwissenheit herrschte und du mich nicht am Flughafen Frankfurt abgefangen hast, um mich an eine Laterne zu ketten.

Am 29. Juli 2018, also fast genau ein Jahr vor meiner Reise nach Tadschikistan waren 7 Radtourist_innen aus den USA, den Niederlanden, der Schweiz und Frankreich unterwegs auf dieser Route. Sie hatten sich mehrheitlich in Duschanbe kennengelernt und beschlossen einen Teil der Route zusammen zu absolvieren. Nahe der Stadt Danghara, der Geburtsstadt des Präsidenten und knappe 100 Kilometer von Duschanbe entfernt, passierte dann folgendes:
Ein Auto fährt von Hinten an die Radgruppe heran, beschleunigt merklich und fährt gezielt in die Gruppe hinein. Nach einer Vollbremsung springen die 5 Insassen des Wagens heraus und gehen mit Macheten und Äxten, unter „Allahu Akbar“-Rufen auf die verletzten, auf dem Asphalt liegenden Radfahrer_innen los, bevor die Attentäter davon brausen.
Im Verlauf der Ermittlungen stellt sich heraus, dass diese Männer durch Zufall bei einer Tankstelle mit den Radfahrenden in Kontakt kamen, als diese auf die Frage „Where are you from?“ mit „America and other States“ antworteten, wurden sie als Anschlagsziel auserkoren.

Die 5 Angreifer waren Tadschiken, teilweise nur Tage vor dem Anschlag aus Russland zurückgekehrt. In einem veröffentlichten Video erklären sie ihre Verbindung zum Islamischen Staat und bezeichnen sich als Djihadisten im Namen Abu Bakr al-Baghadi, dem IS-Kalifen. Das Video wird posthum veröffentlicht, denn in einer anschließenden Jagd durch Polizei und Militär werden 4 der 5 Angreifer in einer abgelegenen Stadt, ein paar Stunden vom Anschlagsort entfernt, gestellt und von der Polizei getötet. Das ist, wie schon gestern im Blog dargestellt, ein typisches Vorgehen für tadschikische Verhältnisse. Ein Täter kann festgenommen werden.

Bei den getöteten Radfahrenden handelt es sich um Jay Austin und Lauren Geoghegan, beides amerikanische Staatsangehörige, René Wokke, einem Niederländer und Markus Hummel aus der Schweiz. Ein Schweizer und eine Niederländerin überleben verletzt und werden im Krankenhaus behandelt. Ein Franzose hat den Anstieg vor dem Anschlagsort langsamer absolviert und wurde so von der Gruppe getrennt, weshalb er nicht angegriffen wurde. Er erlebte noch wie das verbeulte Auto der Attentäter an ihm vorbei die Flucht ergriff.

Da dieser Angriff westliche Personen betraf, gab es dutzende Zeitungsberichte. Es war der erste IS-Angriff auf tadschikischem Boden. Mit dem Ziel Tourist_innen anzugreifen hat es auch in Tadschikistan einen empfindlichen Punkt getroffen, da der Tourismus gerade im Entstehen ist, jedoch auch prozentual stark zunimmt und vielen Menschen in der Region eine Lebensgrundlage gibt. Sicherheitsexpert_innen reagierten jedoch mit wenig Verwunderung ob des Anschlags. Prozentual zur Bevölkerung gesehen stellt Tadschikistan eine der größten Abordnungen von Kämpfer_innen beim IS im Irak und Syrien, wobei befürchtet werden muss, dass zahlreiche Personen davon wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. (Siehe hier: https://www.deutschlandfunkkultur.de/tadschikistan-der-islamische-staat-im-anmarsch.979.de.html?dram:article_id=339785 ) Auch zielen die Repressionen des tadschikischen Präsidenten auf die Bevölkerung als Ganzes, aber speziell auch auf die muslimische Mehrheitsbevölkerung ab. Personen unter 18 Jahren dürfen nicht an religiösen Zeremonien teilnehmen, Personen unter 35 ist die Haji, die Wallfahrt nach Mekka, verboten. Frauen dürfen keinen Hijab tragen, Männer keine Vollbärte. Kinder dürfen keinen arabischen Namen erhalten.

In einer sehr guten Analyse der Ereignisse (auf English) beim Zentralasien Travelblog Caravanistan heißt es bezogen auf die immer repressivere Politik im Land: „In short: Tajikistan became a pressure cooker with no way to let the steam off.“ (Zu Deutsch: Tadschikistan verwandelte sich in einen Schnellkochtopf, ohne eine Möglichkeit Dampf abzulassen). Der Beitrag findet sich hier und ist sehr lesenswert: https://caravanistan.com/letter-from-the-silk-road/danghara-attack/

Auch die New York Times hat dem Anschlag einen 40 Minütigen Videobeitrag gewidmet, in der eine Korrespondentin vor Ort nach den Hintergründen forscht und mit dem festgenommenen, überlebenden Attentäter spricht. Der Trailer dazu findet sich hier, solltet ihr die gesamte Folge sehen wollen, meldet euch bei mir. https://www.nytimes.com/2019/06/21/the-weekly/isis-bike-attack-tajikistan.html

In eben dieser Doku fällt irgendwann der Satz:

„And nine million welcoming Tajiks‘ reputations were ruined.” (Zu Deutsch: Die Reputation von 9 Millionen gastfreundlichen Tadschik_innen war [mit einem Schlag] zerstört).

Dieser Satz ist symptomatisch für meine Überlegungen, ob ich diese Reise überhaupt antrete. Schnell bin ich in den Planungen auf den Anschlag gestoßen und ich überlegte mir wochenlang ob ich bereit war dieses Risiko einzugehen. Tadschikistan ist kein einfaches Land, nebst den Anstrengungen der Reise selber war abzuwägen, ob ich ein autoritäres Regime betreten will, ob ich an der afghanischen Grenze entlangradeln will, wo es angeblich Taliban und Landminen gibt, und eben auch einen IS-Anschlag und die Gefahr von zukünftigen Anschlägen.
Doch schließlich ließ ich mich von einem Bauchgefühl leiten. Die Regierung in Duschanbe hat die Sicherheit noch mal verschärft, was mir als Tourist in diesem Falle zu Gute kommt, ein Anschlag in den sehr abgelegenen Gebieten im Pamir ist hochgradig unwahrscheinlich. Auch bin ich allein unterwegs, gebe also ein weniger lohnenswertes Ziel ab. Ähnlich wie die zwei getöteten Amerikaner_innen, die noch am Tag vor dem Anschlag auf ihrem Blog schrieben, dass sie begeistert sind von der tadschikischen Gastfreundschaft sind und fest daran glauben, dass nur eine Minderheit der Menschen auf diesem Planeten böse sind, will ich auch daran glauben. Ihnen hat es nicht geholfen, aber mir soll es als Handlungsmaxime dienen. Ich muss gestehen, die ersten Tage habe ich beim Radfahren noch ein mulmiges Gefühl, auch weil man wirklich bei jeder Begegnung gefragt wird „where are you from?“, mit der Zeit entspanne ich mich aber. Zur Hölle, ich kann auch auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin mein Leben lassen, ich überarbeite diesen Blogpost eine Woche nach dem rechtsextremen Terroranschlag von Halle (Saale), wo ich unter der Woche arbeite. Ich will meine Urlaubspläne und meine Erkundung der Welt nicht davon abhängig machen, ob ich irgendwo einer Gewalttat zum Opfer fallen könnte, da bleibt ja nur noch meine Couch als sicherer Ort übrig. Und ja, diese Textstelle dürft ihr gerne zitieren, wenn mir je was passiert. Ob mich Menschen dann als leichtsinnig bezeichnen (so wie Jay und Laurens Blogeintrag nach ihrem Tod als leichtsinnig und naiv bezeichnet wurde) ist mir freilich egal, ich habe dadurch wenigstens was gesehen und mich aus meine Komfortblase herausbewegt.

So, nun aber zurück zu meinen Überlegungen für die Busfahrt. Neben oben genannten Gründen war es mir tatsächlich mulmig bei dem Gedanken, an dieser Stelle vorbei zu radeln. Hier liegen noch zahlreiche größere Städte am Wegesrand, wenn so etwas erneut passiert, dann wohl hier. Verbunden mit den anderen Gründen zu Hitze, Zeitaufwand etc, gibt dies den Ausschlag für eine Busfahrt. Wir kommen dabei auch an einem Gedenkort für die Radfahrenden vorbei, den ich leider bei Fahrtgeschwindigkeit nicht fotografiert kriege, weshalb ich hier ein Foto aus dem Netz beifüge.

(Quelle: https://static01.nyt.com/images/2019/06/24/autossell/NYTW_COLLISON_NYT-STILL_BIKE-MEMORIAL-3/NYTW_COLLISON_NYT-STILL_BIKE-MEMORIAL-3-facebookJumbo.jpg )

Mit dutzenden Tadschik_innen komme ich im Laufe dieser Reise über den Anschlag ins Gespräch, alle Verteufeln die Tat und sprechen von der Scham und Wut, die sie über dieses sinnlose Blutvergießen verspüren.

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Stellenweise ist das Land hier ziemlich platt.
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Schleichwerbung 😉

Nach der Ankunft in Kulob habe ich mit Hilfe meines Gesprächspartners das Rad ausgeladen, umringt von dutzenden Schaulustigen auf einem vollgepackten Parkplatz und erschlagen von der vorherrschenden Hitze!

Also schnell alles ans Rad geschmissen und zu einem kleineren Stadtpark gerollt, wo ich in Ruhe (und wichtiger noch: im Schatten!) die letzten Anbauteile wieder ans Rad schrauben konnte und mich auf die Abfahrt vorbereiten. Neugierige Kinder beobachteten mich dabei, immer mal wieder vom vorbeikommenden Polizisten zurecht-geschimpft, dass sie verschwinden sollen und mir Platz lassen sollen. Als ich dabei war meine Sonnencreme aufzutragen kam der Polizist wieder an und forderte mit einer Selbstverständlichkeit von mir Sonnencreme, dass ich fast davon gefahren wäre. Er selbst war am Telefonieren, und hielt mir immer nur wieder die Hand hin, auf dass ich ihm mehr Sonnencreme gäbe. Später in dieser Reise hätte ich das wohl verweigert, zu Beginn war ich noch nicht ganz sicher wie mit staatlichen Autoritäten umzugehen sei, so hat er leider seine Sonnencreme bekommen.

Um dem Trubel möglichst schnell zu entfliehen habe ich mich aufs Rad geschmissen und habe die Tour begonnen. Bereits nach 400 Meter Fahrstrecke schaffe ich es meine Abbiegung zu verpassen und muss ein paar hundert Meter zurück fahren. Na, hoffentlich ist das kein böses Omen für den Rest meiner Reise 😀 Wobei der Pamir Highway im weiteren Verlauf auch die einzige Straße weit und breit ist, das sollte also hoffentlich klappen…

Kulob war wirklich nicht schön, viel Verkehr, knallend heiß und viele Menschen. Nachdem ich die richtige Abbiegung gefunden habe, hieß es dieselbe Straße bis Tagesende zu fahren, an sich bleibe ich auf dieser Straße knappe 500-600km bis Khorogh. Es ging sofort Bergauf, weshalb vielleicht eine Erklärung zur heutigen Route angebracht ist: Die Straße führt die nächsten Tage immer am Fluss Panj entlang, welcher in einem Bergtal läuft und den Grenzfluss zu Afghanistan auf der anderen Tal Seite darstellt. Nun liegt Kulob nicht in diesem Tal, sondern auf der anderen Seite eines Bergkamms, ich muss also erstmal über den Pass und kann dann ins Panj-Tal abfahren. Das verspricht also einen anstrengenden ersten Tag, es geht nämlich 1400 Höhenmeter von Kulob (600m) zum Pass (knappe 2000m). Und diese 1400 Höhenmeter verteilen sich auf nur rund 25 Kilometer Wegstrecke.

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Die ersten paar Meter auf dem Rad, raus aus Kulob
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Es geht heute gerade aus…
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direkt auf die Berge zu.
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2 Stunden später, rechts bis zu dem Durchgang zwischen den Bergen muss ich noch hoch…
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Blick zurück, hinter den Hügeln liegt Kulob

So strample ich gleich Bergan und kehre, bevor ich überhaupt aus Kulob raus bin, bei einer Tankstelle ein und kaufe eine Flasche kaltes Wasser. Nur wenige Kilometer später wird eine zweite Pause fällig, da mein Fahrradlenker sich durch das Geruckel im Bus gelockert hat, und ich den ordentlich fest ziehen musste. Dabei quatscht mich ein 10-12 jähriger Junge über eine halbe Stunde auf Tadschikisch zu, obwohl ihm recht bald aufgefallen sein dürfte, dass ich kein Wort verstehe. Er versuchte stattdessen dann Sachen drei Mal zu wiederholen oder deutlich lauter zu krakeelen, in der Hoffnung dass ich es dann verstehen würde. So war ich erleichtert mich nach der halben Stunde wieder aufs Rad schwingen zu können und dem Jungen zu entfliehen.

Die Leute am Wegesrand waren jedoch unglaublich freundlich, mir wurde aus Autos und Einfahrten zugewunken, sowie freundlich zugehupt. Viel “Hello, Hello”, “Where you from?”, “Where you going?”, “Ah, Pamir, amazing” und “Dawai, Dawai!” Ein wenig nervte es in der Quantität, mal sehen was ich an Tag 20 dazu sage 😉

Ich bin um etwa 13.30 Uhr in Kulob losgefahren, also zur prallsten Mittagshitze. Selbst nachts im Zelt, als ich diesen Bericht verfasse hat es noch 26° C, laut Wetterbericht war für Kulob in der Mittagshitze 40° C angesagt und mein Tacho mit eingebauten Thermometer sagte in der prallen Sonne (der ich ja die ganze Zeit ausgesetzt war) 57.8° C!! Man merkte richtig wie der Rücken brennt in der Sonne, ebenso wie die Füße vor Hitze anfangen zu kribbeln. Ich habe mich heute auf lange Klamotten beschränkt, einfach aus Sorge mich komplett zu verbrennen, auch ein eingestecktes Tuch unterm Helm hilft gut den Nacken vor der Sonne zu schützen.

Der Weg zog sich höher und höher und höher und ab Kilometer 10 kam ich einfach nicht mehr voran. Da kam vieles zusammen: die Hitze, das ungewohnte Fahrradgewicht, erster Tag auf dem Rad, Schlafmangel, schlechte Ernährung, bis auf das Abendessen gestern habe ich seit Samstagmorgen fast nichts gegessen vor Aufregung, Nervosität und noch mehr Hitze. Nun, wenn unsere Kanzlerin bei offiziellen Besuchen im Sommer zittern kann, dann kann ich das schon lange und so quäle ich mich den Berg hoch. Teilweise fühlt sich die Überhitzung wie ein Kälteschock an, auch ich zittere mir dabei einen ab. Teilweise lenkte ich unkoordiniert und fühlte mich als ob mein Gehirn mit der Aufgabe nicht mehr hinterher kommt. Ich habe jeden seltenen Schatten genutzt, den ich auf dem Weg bergauf passierte, teilweise saß ich am Wegesrand versteckt unter Bäumen oder Büchen.

Ich hab unterschiedliche Pausenkonzepte versucht, kurze und lange Pausen, habe aber gemerkt dass nach einer Minute Weiterfahren die Beine sich doch wieder ziemlich schwach anfühlten. Ab Kilometer 10 brauchte ich so fast jeden Kilometer eine Pause.

Bei Kilometer 12 hatte ich mit zwei Männern gesprochen, die neben dem Feld an einem Traktor werkelten. Sie sprachen zwar kein Wort Englisch, aber ein paar Brocken konnten wir austauschen. Nach einem weiteren Kilometer auf dem Rad überholte mich der Traktor und als sie ganz langsam neben mir her fuhren war klar, dass sie mir eine Möglichkeit zur Mitfahrt geben wollte. So habe ich versucht mich am Heu-Anhänger festzuhalten, was so einigermaßen ging und sie haben mich so zwei Kilometer den Berg hochgefahren. Leider hatte ich dabei das Gefühl das mir der Arm aus der Schulter gezogen wird und auch die Finger taten unglaublich weh, da ich keinen guten Halt finden konnte, ganz davon abgesehen dass an 3 Fingern etwa 145kg hingen. Bei all dem rostigen Metall stimmte mich meine Tetanus-Impfung zu mindestens einigermaßen beruhigt. Nach zwei Kilometern gab ich auf, da es anders aber ähnlich anstrengend war wie selber Rad fahren. Aber wenigstens ein 15km/h Schnitt und kein 6km/h Schnitt, zudem sind die beiden Männer sehr aufmerksam um jedes Schlagloch herumgekurvt.

Später habe ich die Bekanntschaft mit Leuten gemacht, die 200m vor mir mit dem Auto anhielten, den Kofferraum öffneten und mir Brot schenken wollten. So leid es mir tat, ich war habe relativ bestimmt abgelehnt, denn ich habe selbst noch so viel Essen dabei und habe überhaupt keinen Appetit, womit es Verschwendung wäre und ich müsste es alles den Berg hochschleppen.

Zum Ende kam ich noch an einem alleinstehenden Haus am Hügel vorbei, bei dem gerade große Party war und ich wurde sofort herbeigerufen und durfte es mir auf dem Tapchan (dem Metallgerüst mit Kissen im Garten) gemütlich machen. 10 Erwachsene und mindesten 20 Kinder wuselten um mich herum und wir unterhielten uns mit Hand und Fuß. Derweil haben sie versucht mich zu überschütten mit Sachen: Es gab Tee, mir wurde Kefir gereicht und Brot.

Und ich wollte einfach gar nichts, mir war so was von schlecht, ich fand es einfach nur angenehm im Schatten auf deren Polster zu sitzen und wollte eigentlich nur nach hinten umkippen und sofort schlafen. Ich habe in den vorherigen Pausen immer ein bisschen geschlafen.

Habe mich alsbald von der Familie verabschiedet und mich weiter gekämpft, wobei es zum Ende hin immer steiler wurde. Am Anfang des Tages bin ich teilweise im achten oder sechsten Gang gefahren, war ich nun im dritten Gang angekommen. Zum Ende hin ging’s auch wirklich nicht mehr, ich achtete nur noch auf den Weg direkt vor mir. Doch wo in der Entfernung ein Baum stand, den ich in Berlin auf flacher Strecke in vielleicht 30 Sekunden erreicht hätte, kurbelte ich mich hier mit dem Gepäck und schweren Rad 6 Minuten entgegen.

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Abendstimmung, in der Mitte sieht man Kulob leuchten

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Ursprünglich sah der Plan vor die 25km bis zum Pass zurückzulegen und auf der anderen Seite würde es dann bergab gehen, und dort könnte ich mir irgendwo ein schönes Plätzchen fürs Zelt suchen. Da aber die Beine trotz Elektrolytzufuhr nicht mehr wollten, heftig zitterten und ich keine Lust mehr hatte, war schnell klar, dass ich umplanen musste. Eine Idee wäre gewesen einen Laster anzuhalten, stattdessen hatte ich aber noch in Deutschland einen Tipp für eine gute Wiese unterhalb des Gipfels erhalten, diese käme bereits nach 20 Kilometer Wegstrecke. Auch wenn das bedeutet, dass ich morgen noch 5 Kilometer klettern muss, hatte ich mich recht schnell auf die Zeltplatzmöglichkeit eingeschossen. Die letzten 600 Meter bin ich dann tatsächlich gelaufen, die Beine wollten auf den Pedalen einfach nicht mehr.

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Die einzig flache Wiese weit und breit (rechts). Hier kommt heute Abend mein Zelt hin.

Um 19 Uhr kam ich dann an der Wiese an, 21 Kilometer Wegstrecke in 6 Stunden (wobei da natürlich auch Pausen mit eingerechnet sind) sorgen für keinen berauschenden Tempodurchschnitt. Nun, auch wenn ich daheim im Flachland dafür vielleicht eine Dreiviertelstunde brauchen würde, ich kann es nicht vermeiden. So sind die Gefühle abends am Zelt zweigeteilt. Einerseits fühle ich mich als hätte ich versagt, ich habe es nicht mal über den einen mickrigen Pass geschafft, dabei kommen in den nächsten Wochen noch einige Pässe die deutlich mehr Höhenmeter haben und werde mich in deutlich höheren Gebieten befinden, wie soll das klappen wenn ich es hier nicht mal fertig bringe? Bin ich fit genug? War es ein riesiger Fehler hierher zu kommen? Andererseits war es heute ein hartes Stück und ich reagiere extrem empfindlich auf die Hitze. Ich hab wenig gegessen, bin nicht ausgeschlafen, es ist der erste Tag der mir gleich alles abverlangt. Ich habe heute insgesamt 7 Liter Wasser getrunken und war das letzte Mal im Hostel heute früh pinkeln, so stark bin ich am Schwitzen. Ich bin immer noch vollkommen paranoid wenn es um dargereichtes Wasser geht, noch vertraue ich nur gekauften PET-Flaschen und nehme von Fremden maximal Tee entgegen. Auch freue ich mich über die Erlebnisse des ersten Tages und die Herzlichkeit der Menschen. Alles was ich in weiteren Blogs über die Bevölkerung gelesen hatte und mir dachte “nun, vielleicht erlebe ich davon ja auch Teile im Urlaub” haben sich bereits am ersten Tag übererfüllt. Vom Traktor-Transport, Kinder die neben mir her rennen oder mit dem Fahrrad nebenher fahren, Leute die mir Essen schenken und sich nach mir erkundigen, ich bin überwältigt. Schade finde ich es nicht ausführlich genug mit den Personen ins Gespräch kommen zu können was zu 100% an meinen fehlenden Russischkenntnissen liegt. Nun, aber andererseits würde ich dann vermutlich gar nicht mehr zum Fahren kommen. 😉

Nun Abends im Zelt sieht die Welt eigentlich wieder ganz gut aus, verschwunden sind die Strapazen des heutigen Tages, verschwunden ist das sicherlich 10-14 Mal erschienene Gefühl ich würde mich gleich übergeben müssen. (Was zum Glück nicht passierte.) Diese Etappe hat mir alles abverlangt, bei der Hitze so viele Höhenmeter leisten zu müssen bin ich nicht gewöhnt.

Nun, 1000 von den 1400 Höhenmetern sind geschafft, die 5 Kilometer bis zum Pass werden schon irgendwie klappen. und dann kommt eine 25 Kilometer Abfahrt ins nächste Tal und der versprochene Blick ins Panj-Tal soll phänomenal sein. Dann sollte es vom Profil her auch eher wellenförmig sein, es gibt also noch mehr als genug Höhenmeter, aber keine so krassen Anstiege mehr für die nächsten Tage.

Abends im Zelt fühlt sich auch der Körper wieder besser, ich habe keinen Sonnenbrand gekriegt und auch der Hintern tut nicht gar so weh. Wenn meine Beine jetzt noch die benötigte Power entwickeln würden…

Noch ein Wort zu den gesehenen Autos: wie schon berichtet sind die meisten Autos aus Deutschland, man sieht sowohl noch “Baby an Bord”-Sticker, “Ich bremse auch für Tiere”-, wie auch “Handwerksbetrieb Meier”-Aufkleber. Jedes dritte Auto hier ist ein Opel, was mich sehr verwunderte, ansonsten noch viele alte Mercedes. Witzig war ein Kühlwagen, auf dem auf der Motorhaube groß “Tajik Cool” mit stilisierten Eiswaffeln klebte, hinten auf der Ladefläche klebte aber formatfüllend das BoFrost-Logo. Dies setzt sich auch bei den T-Shirts weiter, ich habe in Duschanbe, dann aber auch in den kommenden Wochen dutzende Personen mit “Sanitär-Werkstatt Elbstätter” oder “We support our Veterans. 4th of July 2011”-Shirts gesehen. Vermute also große Teile unserer Altkleidersammlungen landen in Tadschikistan.

Auch ist die Straße wirklich eine Härteprüfung für die Autos, wann sieht man in Deutschland schon jemand einen platten Reifen wechseln müssen? Heute hingegen habe ich das bereits Dutzende Male beobachten können, auch LKWs die halb auseinander gebaut waren am Straßenrand, wo gerade 3 Personen unter der Motorhaube am Werkeln waren. Jeder ist hier Automechaniker, was auch nötig ist. Noch nie sind so viele Autos an mir vorbeigefahren die dank Fehlzündungen knallten und rauchten.

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Blick auf das heute geleistete

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Die heutige Campingstelle ist eindeutig die beste Lösung, hier oben am Berg fällt neben der Straße die Umgebung ziemlich steil ab, es ist also der einzige Ort wo ich ein Zelt aufstellen kann. Etwa 50 Meter von der Straße (wenn auch voll von der Straße einsehbar) habe ich hier ein schönes, flaches Plätzchen mit beeindruckenden Blicken ins Tal. Der Zeltaufbau dauerte ob der müden Knochen sicherlich 10 Minuten. Auf Abendessen hatte ich keinen Bock, habe mich trotzdem dazu überwunden Nudeln mit Konservenoliven zu kochen. Mehr als 5 Löffel kriege ich aber nicht rein, mal sehen ob ich nachher im Zelt mich noch dazu überreden kann ein paar Bissen zu essen. Notfalls habe ich eine Tupperdose dabei, dann wird es halt morgen zum Mittag gegessen.

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Abendstimmung

Nach dem Abendessen mache ich mich fertig fürs Bett, noch mal Zähne putzen in der Wiese und bei der Rückkehr wäre ich um ein Haar auf eine Schlange getreten die genau vor dem Zelt lag. Nach einem durch-und-durch männlichen Kreischer meinerseits, der in die Nacht entfliegt, bin ich die nächsten fünf Minuten beschäftigt die Schlange zu verjagen, die sich vor lauter Angst genau UNTER meinem Zelt versteckt hat. Dabei rast mein Gehirn auf Hochtouren, was sagte der Reiseführer noch mal über Schlangen hier in der Gegend? Giftig oder nicht giftig, ich weiß es einfach nicht mehr.

Es ist 21.30 Uhr als ich mich ins Zelt begebe und bettfertig bin. Einen Schlafsack brauche ich bei 25 Grad nicht, auch die Isomatte ist in den Momenten eher wenig hilfreich: Dadurch dass die zahlreiche reflektierende Folien drin hat, um im Winter die draufliegende Person zu wärmen fühlt es sich jetzt an, als ob ich auf einer Heizdecke liege, die über 30° C heiße Luft auf mich zurückwirft. Doch nach dem Erlebnis mit der Schlange ist pures auf-dem-Zeltboden-liegen leider keine Option.

Der Wecker für morgen steht auf 4:30 Uhr, in der Hoffnung so um 5.30 Uhr spätestens los zu kommen, wo es eher 20° C haben dürfte und der Verkehr geringer sein dürfte. Erstmal die 5 Kilometer zum Gipfel morgen, dann sehen wir weiter.

[Tag 0] Duschanbe

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Landeanflug auf Duschanbe

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7. Juli 2019:
In Duschanbe angekommen war ich wieder hellwach und auf alle Fälle völlig geladen vor Nervosität. Ich hatte in Frankfurt noch einen Flughafenmitarbeiter gefragt, ob das Rad eingeladen worden war, der meinte dann noch “ach, bisher ist nie was da geblieben”. Trotzdem, bis ich mit dem Rad wiedervereint werde in der Gepäckannahme bleibt die Aufregung. Der Beutel mit meinen Ortliebtaschen kommt auf alle Fälle heil an, dann heißt es warten, denn mein Rad ist nirgends zu sehen.

In Frankfurt beim Check-In bin ich mit einer Frau ins Gespräch gekommen, die zum Klettern und Bergsteigen nach Tadschikistan gekommen ist und wie sich rausstellt im selben Outdoorforum aktiv ist wie ich. Bei der Gepäckannahme in Duschanbe gesellt sich noch ein junger Niederländer dazu, dessen Intentionen für den Aufenthalt durch gefühlt 100m Kletterseil im Handgepäck leicht erkennbar sind. Die beiden kriegen bald schon ihr Gepäck und verschwinden durch die Sicherheitsschleuse. Auch die restliche Menschenmasse am Band lichtet sich, bis ich mit einer einzelnen tadschikischen Familie alleine rum stehe.

Schließlich schieben sich an der Sperrgepäcktür aber doch ein Kinderwagen und mein gigantischer Karton ins Blickfeld. Erste Sichtkontrolle: Ein paar neue Löcher im Karton, aber scheint alles vorhanden zu sein. Um den Bereich zu verlassen muss noch mal alles, ja auch der Karton, durch einen Scanner. An sich ja lobenswert, ich würde allerdings begrüßen wenn jemand am Monitor säße und sich die Aufnahmen tatsächlich ansähe, so ist es eher eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für mich, der all sein Zeug aufs Band hieven muss.

Vor der Tür werde ich von einer riesigen Menschentraube empfangen, aus allen Richtungen erschallen “Taxi Taxi” und “Sir, I have the perfect Hotel for you”-Rufe. Genau das was man braucht, wenn man um kurz vor 4 Uhr in der Früh seine Ruhe will. Zudem stehen da wirklich unfassbar viele Leute im Terminal und vor der Tür, um die Uhrzeit sicherlich um die 500 Leute, es gibt auch Straßenverkäufer usw.

Ein Jugendlicher ist besonders penetrant, und als ich ihm zum dritten Mal erkläre, dass ich einfach ein ruhiges Fleckchen zum Radaufbau brauche, und sonst in Ruhe gelassen werden will gibt er den Weg vor. In Erwartung dass er mich jetzt versucht in ein Taxi zu bugsieren, muss ich mich eines Besseren belehren lassen. Er lenkt mich um die Ecke zu einer ruhigen Stelle, wo ich bei guter Beleuchtung all mein Zeug ausbreiten kann und meine provisorische Fahrradwerkstatt einrichte. Er bleibt noch ziemlich lang um mich rum und ich vermute schon er will ein Trinkgeld, schließlich ist er aber sehr zufrieden als ich ihm meinen Fahrradkarton schenke und macht sich damit auf in die Dunkelheit. Ein bisschen mehr Vertrauen in die Menschheit lieber Daniel, es wollen sicherlich nicht alle nur das Schlechteste.

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Der Fahrradaufbau klappt gut, ich werde in Ruhe gelassen und da ich ja keine 48 Stunden vorher alles zerlegt habe, ist der Wiederaufbau nun eine Leichtigkeit. Ich brauche eine gute Stunde zur Fertigstellung, bis dahin ist es vollends hell geworden in Duschanbe. Im Nebengebäude gibt es einen Stand der Tourismus-Polizei (ja, die gibt es wirklich), und ich hatte davor gelesen, dass man sich dort eine 10-tägige gratis SIM-Karte holen kann. Das klappt auch trotz der frühen Uhrzeit einwandfrei.

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Dann kann die Fahrt zum nur zwei Kilometer entfernten Hostel beginnen. Der Verkehr ist minimal um die Uhrzeit, die Temperatur einigermaßen angenehm. Wie angenehm sie da waren, das sollte ich im Verlauf des Tages und die nächsten Tage noch erfahren. Auch die Route ist kein Problem und so stehe ich schon bald vor dem Green House Hostel in Duschanbe, DER Adresse für Reisende in der Gegend. Dies wird mir spätestens dann klar, als ich im Innenhof stehe, in der einen Ecke 5 große Reise-Motorräder und auf der anderen Seite mehrere Fahrräder und Ortlieb-Taschen.

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Ich werde fröhlich, wenn auch im Flüsterton begrüßt, weil die anderen Gäste noch schlafen. Ich selber klettere auf den Tapchan im Garten, einer Plattform mit Decken und Kissen, die für mich in den nächsten Tagen auch Unterwegs zu einem Ruheort wird. Dort konnte ich mich einfach hinlegen und habe nochmal eine Stunde mehr schlecht als recht geschlafen.

Am Morgen komme ich ins Gespräch mit einem Münchner, der natürlich auch von dort bis hier die Strecke mit dem Rad zurückgelegt hat. Ein Vorgeschmack auf die Leistungen der Leute um mich rum, die in den nächsten Wochen so prägend sein wird. Wir quatschen lange und tauschen uns aus. Der Hostelbesitzer konnte mir im Anschluss viele gute Tipps für die Stadt geben und tauscht mir zudem meine 400 Dollar zu einem super Kurs in tadschikische Somoni um. Wechselkurs fast 1:10, ich fühle mich also sehr reich, als ich ein dickes Bündel Scheine im Gegenzug erhalte. Der Stapel ist mehrere Zentimeter dick.

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Reichtum!

Zudem schreibt er mir ein Empfehlungsschreiben, welches ich benötige um mir eine reguläre SIM-Karte zu kaufen, die für den Rest des Monats gültig ist. Die Touristen-Polizei-Sim-Karte ist nur 10 Tage gültig und hat nur 100MB drauf, was für mich nicht ausreicht. Es wird sich zeigen, dass dieses Empfehlungsschreiben nicht notwendig war, doch scheinbar verändern sich die Gesetze von Monat zu Monat, wenn es um SIM-Kartenkauf als Ausländer geht.

Am Vormittag bin ich noch los und hab mein ganzes Essen gekauft, da es um die Ecke einen Supermarkt namens “Europa” gibt. Der Name ist beim Sortiment auch Programm, da es hier Milka, Barilla und sogar Knoppers gab. Natürlich waren die Preise für europäische Produkte deutlich höher, russische Nudeln kosteten 5 Somoni, die deutschen 22, wobei das natürlich verständlich ist durch die Importgebühren und den zusätzlichen Transportaufwand. Nun, ein paar bekannte Lebensmittel wandern in meinen Wagen, schließlich werde ich die kommenden Wochen keine mir bekannten Marken mehr finden.

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Beim Einkauf habe ich, wie immer auf meinen bisherigen Radtouren, doch ein bisschen übertrieben (erinnert sei an meinen “letzten günstigen Einkauf vor der Grenze” damals in Rostock auf dem Weg zum Nordkapp, da hatte ich anschließend zwei Tage eine Plastiktüte hinten drauf geschnallt, weil der Einkauf sich nicht mehr in den Ortliebs verteilen ließ). Auch habe ich gemerkt, dass es einige Produkte, die bei einem deutschen Einkauf selbstverständlich wären, nicht gab. Tomatensoße in Tetra-Verpackung z. B., da schleppe ich jetzt tatsächlich Gläser von mit mir rum. Auch viele Konserven fielen leider weg, da sie ohne angebrachte Öffnungslasche für mich nicht zu gebrauchen sind.

Ich habe jetzt grob für 7 Tage eingekauft, was vermutlich völlig übertrieben ist. (Rückblick: Ja, vollkommen übertrieben, spätestens nach 3-4 Tagen hätte es wieder einen Supermarkt gegeben!) So frustriert mich der erste Einkauf immer ein bisschen, ich muss es auf alle Taschen verteilen, und diese sind so voll wie nur geht. Das ist ein bisschen unangenehm, vor allem ob des Gewichts, aber gut, es wird die nächsten Tage ja dann von selber leerer. Der große Einkauf inkl. 6 Liter Wasser hat mich 23 Euro gekostet, also auf alle Fälle preislich völlig okay.

Im Hostel das Essen abgeladen konnte ich mich anschließend nicht wirklich überwinden in die Stadt aufzubrechen, die Mittagshitze hat die Stadt im Griff. Bin dann aber doch los, um mich erstmal um meine SIM-Karte zu besorgen. Hatte im Vorhinein dazu zahlreiche Horror Storys recherchiert, da es wohl schwer ist als Person ohne Wohnsitz in Tadschikistan eine Karte zu erhalten. Das traf bei mir dann aber zum Glück nicht im Geringsten zu. Ab in den ersten Megafon-Laden und nach ein paar Minuten halte ich ganz unproblematisch die Sim-Karte in Händen. 3GB Datenvolumen (Whatsapp + Facebook zählen nicht zu diesem Volumen) für 10€/Monat. Dies ist, wie mir anschließend im Hostel berichtet wird, im Vergleich zu den anderen -stan-Staaten nicht wirklich günstig, aber ich konnte damit gut leben.

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Prachtvolle Gebäude

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Vielleicht ein kurzer Einschub zur Geschichte der Hauptstadt Tadschikistans:

Knappe 800.000 Einwohner*innen beherbergt diese heute, jedoch ist sie die jüngste Hauptstadt der –Stan Länder. Bis 1920 war die Stadt jedoch nicht viel mehr als ein Markt an der Kreuzung zweier Handelsrouten, der immer Montags stattfand. Duschanbe heißt somit übersetzt auch „Montag“. Noch 1900 wohnten nur ein paar tausend Bewohner*innen in den drei benachbarten Dörfern, sonst war da nichts. 

Nach Bürgerkrieg und Machtergreifung der Kommunisten, die ihre Herrschaft auf die –Stans ausweiteten, beschloss man 1924 Duschanbe zur Hauptstadt umzufunktionieren, damals war dies eine Ansammlung von 40 Lehmhütten!

1929 wurde Tadschikistan aus der Sowjetrepublik Usbekistans herausgelöst und wurde eine eigene, autonome Sowjetrepublik. Duschanbe wurde dann gleich in Stalinabad umbenannt, diesen Namen behielt sie bis 1961. In den 1930er Jahren setzte der Bauboom ein, Stalinabad wurde schnell in eine würdige Hauptstadt transformiert, auch wenn der Prozess Jahrzehnte benötigte.

Nach den Kenntnissen über die Greueltaten Stalins wurde die Stadt wieder in Duschanbe zurückbenannt. Seit dem hat Duschanbe (und parallel dazu das restliche Tadschikistan) Baubooms, sowie einen blutigen Bürgerkrieg zu Beginn der 1990er Jahre überdauert.

Besonders heute floriert Duschanbe, was auch daran liegen mag, dass unter dem Präsidenten die Hauptstadt auf Vordermann gebracht wird, während im Rest des Landes das Geld nur sehr spärlich ankommt.
(Reiseführer: Sonja Bill und Dagmar Schreiber: Tadschikistan. Trescher Verlag, S. 104-106)

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Blumen überall

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Tadschikistans Politik und ihr über alles herrschender Präsident: Hier müsste viel geschrieben werden, was ich aber nicht vermag, dafür gibt es genügend Bücher und politische Analysen im Internet. Auch weiß ich nicht, inwiefern Kritik am Präsidenten auch im Ausland nachverfolgt wird, ich würde mir ungern die Möglichkeit verbauen auch in Zukunft ein Visum zu erhalten. Klar muss allerdings auch sein: Tadschikistan heute ist eine Autokratie mit diktatorischen Zügen und so leicht es für mich als Ausländer in diesem Land war, so schwer ist es Stellenweise für die Zivilbevölkerung im Land.

Zum Präsidenten: Emomalij Rahmon ist seit 1994 der Präsident dieser ehemaligen Sowjetrepublik, herrscht also nun bereits seit 25 Jahren (und soll aller Voraussicht nach 2020 von seinem Sohn beerbt werden). Viel Vertrauen genießt er bis heute, da er maßgeblich den Bürgerkrieg zu Beginn der 90er Jahre zu einem friedlichen Ende brachte. Doch seitdem hat sich sein Führungsstil weitreichend verändert und ist einer Autokratie gewichen. Dies zeigt sich im radikalen Beschnitt der muslimischen Glaubensausübung, dem die Mehrheit der Bevölkerung im Lande anhängt, der völligen Zerschlagung jeglicher Opposition oder dem Nepotismus und der Korruption im Staate. Die tadschikische Bevölkerung ist arm, sehr arm. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2016 bei 800$ pro Kopf und damit auf Rang 167, zum Vergleich liegt Deutschland 2017 bei 44.550$ auf Rang 19. Dies wird sich in den kommenden Wochen deutlich zeigen.

Die Opposition ist entweder im Exil oder inhaftiert. Dabei passieren „Merkwürdigkeiten“, die für eine Autokratie so typisch sind. In den Wochen vor meiner Reise kam es zu einem Aufstand in einem tadschikischen Gefängnis. Inhaftierte IS-Kämpfer gingen mit Waffen auf inhaftierte Oppositionsmitglieder los, töteten diese, nur um anschließend selber von den Wachleuten getötet zu werden. Die Moral am Ende: Weniger IS-Kämpfer im Gefängnis, die führenden Köpfe der Opposition ausgeschaltet und zudem sind gleich noch ein paar Gefängniszellen frei geworden. Nun, ich bin mir sicher da werden bald neue Okkupanten gefunden werden. Auch ein Blick auf den Freedom-House-Index 2019, der Staaten von 0 = unfrei bis 100 = frei einteilt, findet sich Tadschikistan bei 9 wieder, Kirgistan hat den Wert 38. Zum Vergleich: Deutschland ist als 94 bewertet. Ich habe mir zu Beginn meiner Reiseplanungen oft einen Kopf gemacht, ob man Tadschikistan besuchen sollte. Moralisch ist dies sicherlich nicht der richtige Weg, allerdings frage ich mich immer, ob ich durch meinen Besuch das Regime stabilisiere, oder nicht doch auch dringend benötigtes Geld und „Kontakt nach außen“ der Bevölkerung hilft. Vielleicht überhöhe ich damit aber auch meinen eigenen Einfluss, um es mir schön zu reden. Es ist auf alle Fälle ein moralisches Dilemma.
Nun aber erstmal genug davon, ich werde über die Armut an anderer Stelle noch zu sprechen kommen.
 

Was aber auf alle Fälle funktioniert bei all dem Despotismus, ist eine florierende Hauptstadt zu kreieren, besonders die Stadtparks sind bis in den letzten Grashalm gepflegt und flankiert von beeindruckenden Bauwerken des Größenwahns.

Zurück zur Reise: Da ich nun eh mit dem Rad auf Stadttour war ging es gleich weiter zu der Sammlung von verschiedenen Stadtparks.

Das gigantische Somoni-Denkmal ist sehr beeindruckend, auch verbunden mit dem dahinterliegenden Präsidentenpalast.

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Somoni Denkmal

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Anschließend fahre ich zum Rudaki-Denkmal, dem Begründer der neupersischen/tadschikischen Literatur und somit dem “Vater der tadschikischen Poesie”(859-940). Das Gebiet um die Statue war mit Lautsprechern versehen, die teilweise seine Werke, aber auch politische Nachrichten vermittelten, was für mich ziemlich ungewöhnlich war und ein Geschmack von Massenmobilisierung mit sich brachte.

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Gepflegte Stadtparks
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Detailverliebtheit
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Rudaki-Denkmal

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Lautsprecher im Baum

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Politische Werbung

Anschließend statte ich im Park der gigantischen Landesflagge einen Besuch ab, die bereits von weithin sichtbar war. 2011 gebaut ist der Flaggstock gigantische 165 Meter hoch! Genau das, was man als wirtschaftlich und finanziell schwächelndes Land braucht. Inzwischen ist der Rekord mit der höchsten Flagge der Welt dahin, irgendwann hat Saudi-Arabien in Jeddah eine größere Phallus-Machtdemonstration gebaut, beeindruckend bleibt die Flagge in der tadschikischen Hauptstadt trotzdem. Die Flagge an sich wiegt über 700kg und so braucht es leider doch ein wenig Wind, um sie in voller Pracht zu sehen. Verrückt dieser Städtebaulicher Superlativ.

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Präsidentenpalast
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DIE Flagge
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Flaggenmast und Nationalmuseum
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Flagge + Präsidentenpalast
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Nationalmuseum, im Hintergrund bereits hohe, schneebedeckte Berge

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Duschanbe um die Mittagszeit ist unglaublich heiß. Knappe 45° C werden es ganz schnell, wenn ich in der Sonne stehe. Und auch wenn ich heute die frühe Fahrt vom Flughafen zum Hostel gelobt habe, inzwischen ist der Autoverkehr deutlich angeschwollen. Da dies alles gebrauchte Autos sind, die zumeist in Deutschland der Abwrackprämie zum Opfer gefallen sind, sind Abgas-Filter leider Mangelware. Die Luft ist schlecht und auf dem Rad kann ich die Abgase quasi direkt schmecken.

Doch das lenkt nicht zu sehr ab von der beeindruckenden Architektur: Sowjetische Zweckbauten im brutalistischen Stil, moderne neue Türme und Penthouse-Bauten, und kaum kommt man weg von der Hauptstraße hört der Asphalt auf und man rumpelt über Schotterpisten zwischen kleinen, ärmlichen, in sich zusammenfallenden Häusern. In den Bereichen läuft dann auch die Kanalisation offen und irdisch. Das erklärt also auch, warum bei jeder Toilette Schilder befestigt sind mit der Bitte, Klopapier in den Mülleimer und nicht ins Klo zu werfen, dass würde wohl endgültig alles verstopfen.

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Brutalistische Wohntürme
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Beginn der Reihe: Präsidentenphotoshop. Abbildung 1

Die Menschen in Duschanbe sind sehr offenherzig, auch wenn sie nur wenig Englisch sprechen werde ich dauernd für ein Selfie angehalten, egal ob nur ich mit Rad, oder ob die ganzen Freunde mit aufs Bild sollen. Nun, ich vermute fast es wird nicht das letzte solche Bild auf dieser Reise sein. Auch mein Fahrradfahren verdreht Hälse, ich entdecke auf meiner dreistündigen Radtour durch die Stadt nur eine Handvoll weitere Personen auf Drahteseln. Bei dem Überangebot an Taxen, Privat-Taxen und Minibussen wird wohl kein Bedarf für Fahrräder vorherrschen.

Da ich schon in der Gegend bin fahr ich gleich noch zum Busbahnhof und sondiere die Lage für eine morgige Busfahrt, die mich von Duschanbe nach Kulob bringen wird. Und auch wenn mich der Sicherheitsmann am Eingang nicht mit dem Fahrrad ins Busterminal lässt, mit Hand und Fuß kriegen wir es hin, dass er auf mein Rad aufpasst, während ich drinnen die Infos einhole. Der Bus fährt morgen leider schon um 8 Uhr in der Früh, ich will spätestens um 7.30 Uhr da sein, also wird auch morgen ein früher Start auf mich lauern.

Auf dem Rückweg komme ich noch an einem Mahnmal für den Zweiten Weltkrieg vorbei. Die Leistungen der Roten Armee werden kämpferisch in Szene gesetzt.

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Nein, keine Ägyptischen Hiroglypen…
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sondern Maschinengewehre
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Und Panzer

Meine Stadterkundung beläuft sich insgesamt auf 16 Kilometer, an sich ein kurzer Ausflug, aber bei den Temperaturen, den Abgasen und den Mengen an Verkehr schlaucht es schon ganz schön. Bin ja gespannt wie ich mich morgen beim ersten “richtigen” Radfahrtag schlage.

Morgen werde ich nach der Busfahrt erst Nachmittags mit dem Rad starten, aber es kristallisiert sich jetzt schon heraus, dass ich mich die kommenden Tage wohl früh in den Sattel schwingen sollte um die kühleren Temperaturen am Morgen voll auskosten zu können. Dies würde ich dann mit einer langen Mittagspause verbinden um die Mittagshitze zu überbrücken. Es wird hier früh dunkel, um kurz nach 20 Uhr braucht es Beleuchtung, von daher kann ich auch früh ins Bett und dann früh in den Tag starten. Nun, das ist zumindest der Plan, die Umsetzung wird sich dann schon zeigen.

Anschließend an die Tour habe ich eine Stunde im Dormroom verbracht und es sah kurzzeitig so aus, als wären alle meine Ortlieb-Taschen gleichzeitig explodiert. Ich muss viel umpacken, erstens weil ich für die Flugreise manche Sachen anders gepackt habe, als dies auf dem Rad verteilt sein soll (Mein Campingkocher-Setup ist bspw. auf 3 Taschen verteilt gewesen um eine zu gründliche Untersuchung durch die Airport-Security zu verhindern), zudem gilt es den 7-Tage-Einkauf möglichst effizient in die Taschen zu stopfen.

Ich merke wie meine Lust loszufahren langsam in mir überkocht. Auch wenn morgen gleich eine Bergetappe angesagt ist, ich hab auf alle Fälle Bock! Spannend wird es zu sehen, wie ich mit den ganzen schweren Taschen am Rad vorankomme, das ist ja doch etwas ganz anderes als meine Probefahrten in Berlin ohne Gepäck.

Am Abend habe ich im Hostel zu Abend gegessen. Ursprünglich wollte ich einer Restaurantempfehlung aus dem Reiseführer folgen, aber ich hatte so viel Essen eingekauft, da war es doch besser ein bisschen davon schon aufzubrauchen. Die Gemeinschaftsküche war ein geselliges Plätzchen, viele langzeitreisenden Radfahrer_innen da. Neben dem Münchner war noch ein britisches Pärchen am Tisch, die in Neuseeland losgeradelt sind, ein italienischer Bergsteiger, eine chinesische Backpackerin und noch mehr Leute, mit denen ich nicht in Kontakt gekommen bin. So wurden fleißig Anekdoten und Tipps getauscht.

Ich bin anschließend bereits um 21.30 Uhr ins Bett, da ich gefühlt schon ewig auf den Beinen gewesen bin. Freitag auf Samstag hatte ich zwei Stunden geschlafen, von Samstag auf Sonntag etwa 2 Stunden im Flieger und in der Früh im Hostel. Das heißt in den letzten 60 Stunden kam ich auf etwa 4 Stunden Schlaf, das Einschlafen stellte also keinerlei Problem dar.

 

 

 

[Tag -2/-1] Vorbereitungen + Abfahrt

5./6. Juli 2019: Von Berlin nach Frankfurt am Main

Am Freitag hole ich den Mietvan in Neukölln ab. Das klappt wunderbar, die Rückfahrt allerdings ist geprägt von Angstschweiß und Gebibber und der Vorahnung, dass ich diesen großen Transporter bei Ankunft noch parken muss.

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Abends zerlege ich mein Fahrrad und packe es in den Fahrradkarton. Dies habe ich bis zum letzten Moment gelassen, da ja nicht klar war ob ich ein Mietwagen bekomme, oder doch mit der Deutschen Bahn zum Flughafen nach Frankfurt muss. Dafür hätte das Fahrrad unverpackt sein müssen.

Reihenfolge:
Pedale ab / Sattel ab / Vorderradgepäckträger ab / Lenker ab / Luft aus den Reifen ablassen / Vorderrad ab / Seitenständer ab und dann ab in die Kiste!

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Finale Verpackung
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Auch erreicht mich nach jedem Radreise Bericht immer die Frage, was ich da eigentlich alles mit mir rumschleppe. Aus diesem Grund habe ich das für die jetztige Reise mal fotografisch festgehalten. Das Gepäck für den Pamir stellt nahezu das Maximum da, aus folgenden Gründen:
1) Ich bin allein unterwegs, muss also selber Kocher, Zelt, Erste Hilfe Set und Werkzeug mitschleppen, kein Aufteilen auf mehrere Räder möglich.

2) Es gibt keine Fahrradgeschäfte, ich bin also abhängig von den Ersatzteilen die ich mitführe. So sind es viele Werkzeuge und Ersatzteile, die ich sonst eher nicht dabei hätte.

3) Klimatisch stelle ich mich auf alles ein: Hitze zu Beginn, aber Regen und vielleicht sogar Schnee und eisigen Wind auf dem Hochplateau. Das sorgt für viele Klamotten.

4) Große Abstände zwischen Einkaufsmöglichkeiten. Dies bedeutet ich werde auch mal für 5 Tage Proviant mitführen müssen.

5) Zudem gibt es wenige Möglichkeiten Wasser nachzufüllen. Ich werde also öfters 5 oder mehr Liter am Rad befestigen.

Hier also mal gesammelt ein paar Eindrücke von meiner Ausrüstung:

Vorderradtasche James – Rechts:
Regen-/Wind-/Wärmeausrüstung, Toiletten-Utensilien

Vorderradtasche Basti – Links:
Schlafsack, Isomatte, Inlet, Kopfkissen

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Hinterradtasche – Links:
Küche. Kocher + Topf, Besteck, Schüssel, Schneidebrett, Messer, Wasserfilter

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Hinterradtasche – Rechts:
Klamotten, Werkzeug und Ersatzteile, Elektronik, Medizin, Waschbeutel

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Gepäckrolle – hinten quer drauf:
Zelt, Ersatzschuhe, was sonst nirgends reinpasst.

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Ihr seht, absolut nur das Minimum gepackt und gaaaanz Leicht unterwegs… Schön wärs!

Nach all dem Packen geht es nochmal zu meinem liebsten vietnameischen Restaurant, ich will noch mal eine eine Art „Henkersmahlzeit“, da ich nur vermuten kann was mich die nächsten Wochen kulinarisch erwartet.

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Leckeres Essen, ein gutes Buch und milde Temperaturen, das hat Spaß gemacht.

Ich habe für die Fahrt zum Frankfurter Flughafen noch eine Mitfahrgelegenheit bei BlaBlaCar eingestellt und recht flott eine interessierte Mitfahrerin gefunden, die kein Problem damit hatte morgen früh aufzubrechen.

Der Start am Samstagmorgen fällt dann auch richtig früh aus. Um halb fünf war ich wach, davor gab es sowieso nur eineinhalb bis zwei Stunden Schlaf, wie jedes Mal hält mich die Nervosität und Aufregung wach.

Ich hole das Auto vom Parkplatz und parke noch mal vor der Haustür um mein Gepäck einzuladen. Bereits jetzt merke ich, dass das ganze Gepäck unglaublich schwer ist und auch unhandlich zu transportieren ist, besonders der Laubbeutel mit den ganzen Ortlieb Taschen drin.

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Anschließend hole ich die Mitfahrerin Sarah am Bahnhof ab und los geht die Tour nach Frankfurt, der erste Teil der Reise. Dies funktioniert wunderbar, wir kommen in keinen Stau. Mit Sarah hab ich mich gut unterhalten, sie hat afghanische Wurzeln und ist so von den vielen Personen, mit denen ich im Voraus über meine Reise gesprochen habe eine der wenigen, deren erste Frage nicht: “Wo ist denn Tadschikistan?” lautete, sondern es gut einordnen konnte. 😉

Ich hatte mich heute früh bereits beim Einladen dazu entschieden, das Auto nicht direkt bei der Autovermietung in der Innenstadt zurückzugeben, sondern zuerst zum Flughafen zu fahren um dort das Gepäck bei der Gepäckaufbewahrung aufzugeben und anschließend zur Vermietung zu fahren. So würde ich mir den Weg mit Tram und S-Bahn von der Autovermietung zum Flughafen doch vereinfachen.

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Gestresst und gehetzt (und übermüdet)

Am Flughafen angekommen verabschiede ich mich von Sarah, anschließend wurde es doch ein wenig stressig, da man nicht länger als eine halbe Stunde parken durfte, der Gepäckwage nicht gemietet werden kann, sondern erst muss für 1€ die Kreditkarte in einen Automaten geschoben werden (mal sehen wann sich dieses dumme System deutschlandweit durchsetzt) und auch bei der Gepäckaufbewahrung selber gab es Probleme: Die wollten mir nicht den Beutel mit all den 5 Ortlieb-Taschen als ein Gepäckstück durchgehen lassen, sondern nur als 4 Einzelstücke á 5€.

Da aber diese Tasche besonders schwer war und schlecht zu transportieren hatte ich einen angeblichen Geistesblitz, den ich später sehr bereuen sollte: Ich gebe die Ortlieb Taschen ab, aber nicht den Fahrradkarton (der als Sperrgepäck eh 15€ gekostet hätte). Der Fahrradkarton lässt sich nämlich eigentlich ganz gut handhaben, dann trage ich halt den durch die Stadt.

Rückblickend erscheint es mir schleierhaft, warum ich nicht einfach diese 15€ zusätzlich gezahlt habe, bei einem Urlaub dieser Größenordnung wäre das ja nicht mehr “ins Gewicht” gefallen. So musste ich mit Auto und Fahrradkarton noch mal in die Innenstadt, was auf alle Fälle stressig war. Mehrspurige Straßen, unbekanntes Gebiet, dazwischen noch eine Tankstelle finden und dann ab zur Autovermietung.

Dort dann das Rad ausgeladen, aber neben dem Auto stehen gelassen und dann schnell zur Filiale gerannt um den Schlüssel abzugeben, immer in der Hoffnung, dass in der Zwischenzeit mir keiner mein Rad klaut. Dann musste ich 200 Meter zur Tram, was mit dem 21kg Fahrradkarton gefühlt zehn Minuten gedauert hat.

In der Tram merkte ich dann dass zeitgleich der CSD in Frankfurt stattfand, alle waren aufgebrezelt und gestyled, mir hingegen war einfach nur unglaublich heiß, auch weil ich im Ostend noch mal in die S-Bahn umsteigen musste, was mehr schleppen und warten zwischen allerlei abgebrochenen Gestalten im Heroin-Rausch bedeutete.

Am Flughafen rausgekommen musste ich noch mal alles 200m zum Shuttlebus schleppen, der mich dann ans richtige Terminal fuhr, und noch mal einen Euro für den Gepäckwagen ausgeben. Ich habe mich also unglaublich über mich selber und meinen eigenen Geiz geärgert (auch nach Tagen noch!), hätte ich doch einfach die 15 Euro ausgegeben und mir dadurch eine entspanntere Anreise erkauft. Stattdessen hatte ich noch zwei Tage später Muskelkater in den Armen und schmerzende Handgelenke.

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Warten auf den Check-In

Ich postiere mich anschließend mit meinen ganzen Besitztümern vor dem Check-In Schalter, um möglichst weit vorne in der Schlange zu sein. Normalerweise hasse ich ja solches Verhalten und bin froh, wenn ich als Vorletzter dran komme. Aber da ich das Fahrrad nicht im Buchungsprozess dazu bestellen konnte und erst am Schalter anmelden muss, wollte ich schnell dran kommen, auch um nicht Gefahr zu laufen, dass vor mir eine deutsche Reisegruppe mit 10 Fahrräder auftaucht und mein Bike nicht mehr in den Flieger passt.

Das hat sich dann auch wirklich bezahlt gemacht: Ich war der 5. in der Schlange von ca. 80 Personen. Der Check-In öffnete erst nach 16 Uhr, also ziemlich spät, dafür dass der Flieger um 18 Uhr abheben sollte. Somon Air, die tadschikische Fluggesellschaft mit der ich unterwegs war, besitzt kein eigenes Bodenpersonal in Frankfurt, die werden also vom Flughafen „angemietet“ und sind wirklich nicht erfahren. Eine so langsame und ineffiziente Abfertigung habe ich noch nie erlebt, die Personen hinter den Schaltern waren zu unfähig um auf jegliche Abweichungen reagieren zu können. Eine Person hatte einen russischen Pass, aber kein tadschikisches Visum (brauchte sie auch nicht), eine andere Person wollte eine Gitarre mit ins Handgepäck nehmen.

Und dann kam ich und bringe plötzlich einen riesigen Fahrradkarton mit, da flackerten die Augen des Schalterangestellten schon nervös hin und her, bevor ich überhaupt am Schalter ankam. Auf die schnelle Antwort “also das können wir keinesfalls mitnehmen” konterte ich souverän mit den ausgedruckten Emails des Somon Air Cargo-Beauftragten, mit dem ich die letzten Wochen geschrieben hatte.

Extra pingelig waren sie am Check-In auch mit dem Gewicht der abgelieferten Taschen. Jedes Gepäckstück wurde gewogen und die übliche “der Koffer ist jetzt 1,5kg zu schwer, aber ich lass es Ihnen durchgehen”-Vorgehensweise fand keine Anwendung, stattdessen mussten dann Leute ihre Koffer auspacken und ins Handgepäck umräumen, welches auch strikt gewogen wurde, und wehe es hatte mehr als die erlaubten 7kg!

Meine Ortlieb Taschen in der Laubtasche passten nicht gut aufs Band, so lag immer eine Seite auf dem Rand auf und statt den echten 22kg wurden so nur 18kg angezeigt, was mir mehr als recht war.

Der Fahrradkarton brachte dann den Schalterangestellten vollends zur Verzweiflung. Zum Wiegen war das Kofferband zu klein. Der Angestellte hatte zwei Lösungen parat. Er könne mich zum Sperrgepäckschalter schicken zum Wiegen, oder er würde das Gewicht “schätzen”. Ich berichtete, dass ich es daheim gewogen hätte und auf 16kg kam, was würde er denn schätzen? “Können Sie mit 17kg leben?” fragt mich der Mann hinterm Schalter. Dabei muss ich erst noch erwähnen, das jedes Kilogramm Übergepäck bei Somon Air mit saftigen 10€ vergütet werden muss. Nun, klar konnte ich mit den „geschätzten“ 17kg leben, vor allem daran gemessen, dass der Karton in Echt über 21kg wog und ich so gerade dabei war 40€ zu sparen…. 😉 Nehmt das, unfähige Check-In-Angestellte!

Mit einer detaillierten Rechnung musste ich dann zu einem 50 Meter entfernten Zahlschalter, dann mit der abgestempelten Rechnung zurück zu Somon Air, und dann mit dem Fahrrad zum Sperrgepäckschalter. Wie gesagt, zum Glück war ich der 5. in der Schlange, ich alleine habe für das ganze Prozedere sicherlich 15 Minuten gebraucht. Spannenderweise fiel mir in der Check-In Schlange schon auf, dass weit weniger Tourist*innen als gedacht im Flieger sitzen werden. Mehrheitlich waren es in Deutschland lebende Tadschik*innen, die sich auf Heimaturlaub begaben, viele die auch sehr interessiert mit mir ins Gespräch kamen und mich über meine Reise ausfragten.

Im ganzen Stress rund um mein Fahrrad hat der Angestellte auch glatt noch vergessen mein Handgepäck zu wiegen, eine willkommene Verwechslung, schließlich wäre da die Waage ebenfalls nicht bei den erlaubten 7kg zum Stehen gekommen.

Bis ich fertig war am Schalter war es sicherlich halb 5 und ich mache mich gleich auf zum Gate. Sorge hatte ich noch vor der Sicherheitskontrolle, schließlich habe ich einiges an Elektrokram mit im Handgepäck. Besonders mein USB-Lader, der an den Fahrraddynamo angeschlossen wird und eine Powerbank enthält, sieht ein wenig nach selbstgebastelten Sprengsatz aus. Dasselbe Modell hat bei einer Freundin am Tegeler Flughafen schon zu wütenden Polizisten mit Maschinengewehren und einer anschließenden Abnahme des Laders geführt. Ich wollte also genug Zeit für vielleicht aufkommende Diskussionen haben. Doch der Security-Check lief Problemlos, als der alte Kontrolleur dank Lesebrille doch die Wattstundenzahl auf dem Lader gefunden hat, war er vollkommen zufrieden und hat es durchgehen lassen.

Meine Mutter hatte am Abflugtag einen runden Geburtstag und weil der bisherige Tag mit einem frühen Start und viel Stress und Rumgerenne begonnen hatte, nahm ich nun am Gate mir die Zeit für eine ausgiebige Geburtstagsgratulation. Auch habe ich ein letztes Mal die Trinkflasche auf dem Flughafenbadezimmer aufgefüllt, Trinkwasser aus der Leitung sollte schon bald zu einem Luxus werden, der mir die nächsten Wochen nicht mehr vergönnt war.

Auch wenn die Check-in-Schlange noch ewig lang gewesen war, so haben wir es doch irgendwie geschafft, pünktlich zu borden. Im Flieger gab es noch einen kurzen Schreckmoment, als ich merkte wie wenig Beinfreiheit vorhanden war. Doch dies stellte sich schnell als unbegründet da, denn der Flug war keineswegs ausgebucht und so hatte ich die Möglichkeit mir eine eigene Dreierreihe zu organisieren. So hatte ich genug Platz UND konnte am Fenster sitzen!

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Tschüss Frankfurt

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Überall Dreck und ausgeleierte Schrauben… Höchst vertrauenserweckend

Die erste Stunde an Bord habe ich noch mit Reiseführer lesen und Infos aufschreiben verbracht.

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Auf zu neuen Abenteuern

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Nach einem einigermaßen genießbaren Abendessen versuche ich nach einem unglaublich anstrengenden Tag, der bereits um halb 5 begann, doch noch ein wenig Schlaf zu finden. Doch als ich nach längerer Einschlafphase ins Traumreich entschlummert war, kam bereits 1,5 Stunden später das Bordpersonal mit Frühstück vorbei. Genossen habe ich hingegen den Blick aus dem Fenster: Unter mir war es im letzten Drittel der Reise stockfinster, kaum ein kleines Dörfchen hat geleuchtet, dafür aber der unglaubliche Sternenhimmel umso mehr, ein Anblick auf den ich mich jetzt schon im Pamir freue.

Im Flugzeug selber war immer Halli-Galli, die zahlreichen Kinder hatten sich zu neuen Gruppen organisiert und flitzten umher, wildfremde Menschen kümmerten sich um Kleinkinder, damit deren Eltern sich mal erholen konnten und es standen größere Gruppen zusammen und haben gequatscht. High-Life also, mir hat es gefallen, weit weniger förmlich als die durchorganisierten Ferienflieger nach Malle. Die Landung in Duschanbe erfolgte pünktlich um drei Uhr früh, nun bin ich gespannt was mich in der tadschikischen Hauptstadt erwartet.

 

Pamir Highway – Auf zu neuen Abenteuern

Prolog

So, Zeit wieder Leben auf diesen Blog zu bringen.
Schon seit Monaten bin ich im Planungsmodus für meinen Sommerurlaub. Fest stand ursprünglich nur eins: Nach dem Wandern letztes Jahr im Sarek sollte es dieses Jahr wieder eine längere Radreise sein, hatte ich das doch seit meiner Fahrt zum Nordkapp nicht mehr gemacht. 2018 habe ich überhaupt keine mehrtägige Radtour unternommen, nur viele Tagestouren. Und obwohl ich mich 2019 steigern konnte, einen 2-Tagestrip von Halle nach Berlin, sowie einen 4-tägigen Trip auf dem Saale-Radweg unternahm, war das doch nur die Vorbereitungseinheit für den Sommerurlaub.

Denn dieses Jahr geht es, die Überschrift hat es schon verraten, auf den Pamir Highway.
PaWHAT? PaWHERE? sind die anschließenden Fragen, die ich in letzter Zeit auf diese Ankündigung erhielt, verbunden mit dem Blick in verständnislose Gesichter.

Wann genau ich vom Pamir Highway erfuhr weiß ich gar nicht mehr. Ein paar einzelne Tourenberichte schwebten durch die Rad-, Wander- und Fotografieforen, auf denen ich mich tummele. Eingefallen ist es mir die Strecke wieder, als ich ein Reiseland für eine ca. einmonatige Radreise suchte und Lust auf einen Szenenwechsel zu europäischen Wegen hatte. Ein entfernter Bekannter war die Strecke bereits gefahren und erzählte begeistert von der Reise.

Doch jetzt zu den grundlegenden Informationen: Beim Pamir Highway handelt es sich um eine Strecke in Tadschikistan und Kirgistan, die (unter anderem) durch das Pamir-Gebirge führt. Wer auch mit dieser Info nichts anfangen kann, hier noch eine Zoom-Stufe raus: Tadschikistan liegt eingebettet in Zentralasien, und das Pamir-Gebirge grenzt im Süden an Afghanistan und im Osten an China.

Was macht nun den Reiz dieser Strecke aus, auf einem Highway kann man ja auch durch die USA fahren, oder sich in Deutschland auf der Landstraße überfahren lassen?
Nun, der Pamir Highway und das Pamir-Gebirge sind da doch ein wenig spektakulärer: Mich erwarten karge und bergige Landschaften, steile Pässe, einsame Ortschaften. Sengende Hitze und vielleicht auch Neuschnee vor dem Zelt, hoffentlich viel unterstützender Rückenwind und möglichst wenig fieser Gegenwind.

Und wer bei ‘Highway’ an sechsspurigen und frischen Asphalt denkt, wird schnell eines Besseren belehrt. War die Strecke zu Sowjet-Zeiten noch gut geteert und in Schuss gehalten, so ist es inzwischen eine Schlaglochübersäte Piste, wo teilweise der Asphalt ganz aufhört und stattdessen auf Kies, Waschbrettpiste oder gar Sand zu fahren ist. Auch Sechsspurig ist da nichts, teilweise wird es wohl eher in die Kategorie “Einspurig mit Gefahr von Klippensturz” fallen.

Doch je mehr ich mich in den letzten Monaten informiert habe, Foren gewälzt, Blogs gelesen und Youtube-Reisebericht geschaut habe, desto größer ist die Vorfreude auf diese abwechslungsreiche Strecke geworden.

Dürfte ich von den dutzenden Videos, die ich bisher dazu gesehen habe, nur ein kurzes auswählen, um meine Faszination zu erklären, so würde ich euch dieses ans Herz legen:

Die Route

Ich fliege von Frankfurt aus in die tadschikische Hauptstadt Duschanbe. Ein Tag zum Sightseeing und für Besorgungen steht an, dann geht es mit dem Bus weitere drei Stunden näher ans Pamir-Gebirge nach Kulob, in die autonome Provinz Berg-Badachstan (GBAO – Gorno-Badachstan avtonomnaja oblastj) wo die Radreise startet. Von hier geht es mit dem Rad ins Panj-Tal nach Khorugh, immer am Fluss Panj entlang. Und auf der anderen Seite des Flusses, der zugleich die Landesgrenze darstellt, warten tolle Blicke nach Afghanistan auf mich. In Khorugh fahre ich entweder auf dem Pamir Highway tiefer ins Pamir-Gebirge oder bleibe im Wakhan-Tal auf einer Strecke entlang der tadschikisch-afghanischen Grenze. Erwartete mich bis dahin vor allem viel Staub und ein Thermometer, das sich tagsüber auch gerne mal bei 43° C einpendelt, geht es dann auf die Pamir-Hochebene. Hunderte Kilometer geht es auf über 3500, stellenweise auf über 4000 Meter über dem Meeresspiegel vorwärts. Hier wird es deutlich kühler sein, aber fiese Winde und die Aussicht auf Gewitter und womöglich Schneefall werden mich auf Trab halten. Ebenso werden die zahlreichen Pässe und die damit einhergehende dünne Luft sicherlich eine Umstellung darstellen. Schließlich lasse ich Tadschikistan hinter mich und fahre vom Hochplateau hinab nach Kirgistan. In der Provinzhauptstadt Osh trete ich dann den Heimflug an.

(Quelle: www.blackdotswhitespots.com/bdws/wp-content/uploads/2015/08/route-pamir-highway-dushanbe-osch.jpg)

Um überhaupt bis zu diesem Punkt zu gelangen war ein ganzer Haufen Recherche notwendig. Auch wenn jährlich ein paar Hundert Radtouristen den Pamir Highway auf sich nehmen, verglichen mit dem Elberadweg ist dies eine verschwindend geringe Anzahl. Dementsprechend war gute Vorbereitung in meinen Augen sinnvoll, um zu wissen worauf ich mich da einlasse.

Neben der Recherche zu Landesgepflogenheiten, Route, Verpflegungs- und Unterbringungsmöglichkeiten musste zudem mein Fahrrad auf Vordermann gebracht werden für den Trip, gesundheitliche Vorbereitung geleistet werden und neue Ausrüstung ausgesucht werden.

In Tadschikistan ist es nahezu unmöglich an brauchbare Fahrrad-Ersatzteile zu kommen, im Falle einer Panne oder eines Defekts ist man also selber für die Reparatur zuständig, sonst ist die Tour schnell zu Ende. So habe ich zahllose Stunden damit verbracht das Fahrrad zu warten, Ersatzteile einzukaufen und verschiedene Reparaturen zu erlernen.

Auch standen insgesamt 3 Impftermine für 4 verschiedene Impfstoffe an. In einem reisemedizinischen Zentrum habe ich tolle Beratung und die Impfungen bekommen, allerdings auch ein stattliches Sümmchen Geld dafür dalassen dürfen. Knappe 550€, von denen meine Krankenkasse zum Glück knappe 400€ übernimmt.

Ein spaßiger Teil der Vorbereitung waren die Neuanschaffungen, ich lese mich gerne in neue Produkte ein, wäge Vor- und Nachteile ab und erprobe dann neue Ausrüstung. Neben einigem Kleinzeug war ein neuer Campingkocher notwendig. Nutzte ich bisher in Schweden einen Spirituskocher, hatte ich wenig Hoffnung diesen Brennstoff in Tadschikistan gesichert kaufen zu können, besonders außerhalb der Hauptstadt. So habe ich mir einen Multifuel-Kocher zugelegt, der kann neben Gas auch mit Benzin, Diesel oder gar Flugzeugkerosin betrieben werden, was die Chancen deutlich erhöht auch in der tadschikischen Wildnis Abends warme Nudeln zubereiten zu können.

Die Vorbereitungszeit verflog schneller als ich es mir vorstellen konnte, trotzdem überwog die Vorfreude darauf endlich dorthin zu reisen und das Land auch außerhalb von Youtube-Dokumentationen mit den eigenen Augen zu sehen und mit den eigenen Beinen zu er-radeln.

In diesem Sinne, los gehts!

 

Epilog

Vieles wurde bereits geschrieben, weshalb ich mich knapp fassen will:

Es war ein fantastischer Urlaub, der zu 99% so geklappt hat wie vorgestellt. Mehrheitlich war das Wetter wirklich gut, was für Ende August/Anfang September im Sarek überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist. Die Route war spannend, die eine Etappe, die sich wiederholt hat, hat sich komplett gelohnt, schließlich durfte ich wieder auf den Skierffe klettern.

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Für den Blick war es das auf alle Fälle wert 🙂

Viele verschiedene Landschaftstypen, damit einhergehend einige spannende Wander-Herausforderungen, aber nicht zu viele, als das man sich überfordert hätte.

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Das Rucksack-Gewicht hat erstaunlich gut geklappt, auch wenn es eindeutig zu viel war. Auch der Körper hat gut durchgehalten. Klar, Blasen an den Füßen, aber die kriege ich immer, damit kann ich leben.

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Auf die letzten Tage sind noch meine Schuhe ordentlich zerbröselt, am rechten Schuh hat sich die Sohle gelöst. Meindl hat sie aber inzwischen unkompliziert und kostenlos repariert.

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Fast keine Mücken und eine Vielzahl an Rentieren. Dafür verzeihe ich dem Sarek auch, dass doch kein Elch meinen Pfad gekreuzt hat.

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Genug Essen mitgenommen, und dem ganze Nudel-Fertigzeug am Ende nicht übertrieben  überdrüssig gewesen, auch das ist schön.

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Mit Markus zu Wandern war eine tolle Erfahrung. Wir haben uns gut verstanden, man hatte jemanden zum Quatschen und konnte die spektakuläre Landschaft zusammen genießen. Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass er so entschieden hat, wie er es richtig fand, auch wenn dies den früheren Ausstieg bedeutete. So hatten wir eine schöne Zeit zusammen, ich konnte aber auch den Sarek auf Solotour genießen in der zweiten Hälfte. Danke fürs Mitkommen Markus, gerne demnächst wieder 🙂

Auch der vierte Besuch in Schwedisch-Lappland sorgte nicht für Langeweile oder Gewöhnung. Ich finde die Landschaft dort im Norden wunderbar und entdecke zeitgleich allerlei Neues und Vertrautes. Allerdings frage ich mich schon, ob ich ein wenig Abwechslung brauche und überlege nun, wo es mich nächstes Jahr hin verschlagen könnte. Nix genaueres weiß man nicht, aber ich bin mir sicher mir fällt bis dahin was ein.

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Euch allen vielen Dank fürs Lesen, solltet ihr es bis hier hin geschafft haben. Ich hoffe ich konnte euch mit dem Reisebericht ein wenig teilhaben lassen an dem Abenteuer und meinen Gedanken unterwegs. Wie bereits in der Einleitung geschrieben habe ich versucht diesen Bericht für verschiedene Leserschaften interessant zu gestalten. Am Ende steht ein Werk mit über 35 Seiten reinen Text und zusätzlich habe ich dafür 1200 Fotos sortiert, teilweise bearbeitet, verkleinert und positioniert. Wenn ich euch damit eine Freude machen konnte, umso besser. Vorallem schreibe ich den Reisebericht aber für mich, damit ich Jahre später mich wieder in die Situation reinversetzen kann.

Kritik und Anmerkungen von euch sind gern gesehen, ansonsten bleibt es jetzt erst mal wieder ruhig bis zum nächsten Reisebericht. Der wird kommen, das kann ich euch versichern, denn mir kribbelt es bereits gewaltig in den Füßen 🙂

[Tag 16] Sonntag 9.9. Luleå – Berlin

Der Tag beginnt wieder früh, denn ich muss früh zum Flughafen. Allerdings nicht so früh dass ich diesmal das Frühstück verpassen würde. Gab es auf dem Hinweg nur ein kleines Häppchen nahe der Rezeption bin ich heute 2 Stunden später dran und fahre mit dem Lift bis hoch in den 9. Stock. Dort bei der wunderbaren Aussicht über das morgendliche, nebelige Luleå steht das Buffet. Und schon beim ersten Anblick fallen mir fast die Augen raus. Habe ich gestern in Saltoluokta schon begeistert auf die Essensauslage gestiert, hier gibt es 10 Meter Buffet.

IMG_20180909_073130IMG_20180909_074950Die nächste Stunde ist mit Pausenlosen zum-Buffet-gehen gefüllt. Es gibt eine Waffelstation, es gibt 10 Sorten Brot. Es gibt Pancakes. Und es gibt sogar einiges an warmen Speisen, als ich mit dem vierten Teller Bacon zu meinem Tisch zurückkomme kann ich die verwunderten, leicht angeekelten Blicke meiner Mitmenschen im Raum fest am Hinterkopf spüren.

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Der absolut nicht-koschere und nicht-halal Frühstückstraum von mir!

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Nach dem Frühstück schmeiße ich die letzten Sachen in den Koffer und dann geht es zur Busstation um die Ecke. Dann die 12-minütige Busfahrt zum Flughafen (Provinz-Flughäfen rocken!) und schon stehe ich am Check-In-Schalter. Diesmal habe ich auch dran gedacht meinen Rucksack mit allerlei Adressaufklebern zu versehen. Im Eingangsbereich treffe ich noch Volker und Anne, wir sitzen im selben Flieger bis Stockholm.

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Schickes Möbiliar. Hätte ich auch nur die Hälfte der gesehenen Geweihe beim Wandern mitgenommen, ich hätte mir drei dieser Kronleuchter basteln können.

Der Flug vergeht, nun…, wie im Flug. Ein paar schöne Blicke auf die umliegende Landschaft und schon sind wir in der schwedischen Hauptstadt angekommen.

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Abflug in Luleå

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Mein Traumdomizil: Keine nervigen Nachbarn, zudem ideal während der Zombie-Apokalypse.

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Ankunft in Stockholm

Wir durchforsten noch einen Souvenirladen (nichts dort, was ich mir kaufen wollen würde) und sitzen dann noch im Gastrobereich zusammen und verzehren unser mitgebrachtes Essen.

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Was es nicht alles zu kaufen gibt

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Siehe Track 18 (Deutschland okkupiert Dänemark und Norwegen), sowie Track 26. Und wie man bei Track 28 sehen kann, die Schweden haben nicht umsonst den Ruf prägnant und ein wenig kühl zu sein 😉

Witzigerweise treffen wir hier noch auf Bernhard, dem Reisekumpanen von Esther, die ich gestern im Bus traf. Beide sind mit dem Nachtzug bis Stockholm gereist und Esther hatte einen früheren Flug.
So genießen wir zu viert noch die Zeit, bevor wir uns auf dem Weg zu verschiedenen Gates begeben. Wir vier fliegen alle in verschiedene Richtungen.

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Nun, Brandenburg sieht schon anders aus als Lappland

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Der alte Rangierbahnhof Pankow

Auch der zweite Flug ist ereignislos, der Schock kommt erst, als ich in Tegel aus dem Flughafengebäude stolpere. Es ist Mitte September und ich hatte die Hitzewelle vor Abflug schon erfolgreich verdrängt. So stehe ich plötzlich in der 27° heißen Umgebung. Heute früh in Luleå hatte es noch 6° als ich zum Flieger aufbrach. Schwitzend vergeht die Fahrt in den Öffis nach Hause. Knappe 27h nach dem Einstieg in die Fähre stehe ich nun vor der Haustür.

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Verschwitzt aber endlich daheim!

[Tag 15] Samstag 8.9. Saltoluokta und Rückkehr in die Zivilisation

Ich starte früh in den Tag, denn heute gibt es Frühstück in der Saltoluokta-Hütte. Und auch wenn ich nicht so hungrig bin wie letztes Jahr, beim Gedanken an das Buffet läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

So stehe ich bereits um kurz nach 7 im Frühstücksraum und labe mich an frischem Brot, Aufstrich, Aufschnitt. Auch Joghurt und frische Früchte sind eine unglaubliche Wonne nach dem Fertigessen und dem Verzicht der letzten zwei Wochen.

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Spreche ich anfänglich noch mit einem Deutschen, der auf dem Kungsleden unterwegs ist, tritt eine Stunde später ein bekanntes Gesicht in die Stube. Volker, der Stalker von der Herfahrt (siehe Tag 1), ist gerade eingetreten. 😉 Er ist wohl schon gestern in Saltoluokta angekommen und schnell stellt sich heraus dass wir beide heute zurück nach Luleå fahren. Dies ist jedoch noch nicht alles, denn er ist auf ein Blind-Date verabredet mit Anne, einem weiteren Outdoorforum-Mitglied. Die Beiden waren die letzten Jahre kreuz-und-quer in dieser Gegend unterwegs und so gibt es jede Menge spannenden Gesprächsstoff.

Rückkehr zum Zelt

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=VBBcll5wMLg&w=560&h=315]

Rückkehr zum Zelt

Nach dem Frühstück laufe ich zum Zelt zurück und packe es in aller Ruhe zusammen. Beim letzten Mal wird man schon wehmütig. Luft aus der Isomatte ablassen, Schlafsack in den Packsack stopfen, endlos viele Heringe aus dem Boden ziehen. Was die letzten zwei Wochen zum alltäglichen Vorgehen gehörte, wird nun durch das „normale“ Leben in der Zivilisation ersetzt.

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Ein letztes Mal Zelt abbauen

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Die Fähre verlässt Saltoluokta erst gegen 12:15 Uhr, wir sitzen also vor der Fjällstation und genießen die Sonnenstrahlen. In der Früh ist eine riesige Gruppe Eltern mit Kindern und vermutlich Erzieher_innen angekommen. Die Kleinen sind bis zur Nasenspitze in Outdoorklamotten und Gummistiefeln verpackt, ein sehr niedlicher Anblick. Auch ihre Hampelmann-Aufwärmübungen sind lustig anzuschauen.

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Ein Gruppenfoto mit Anne und Volker (und dem Finger des eher weniger talentierten Fotografen 😉 )

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Die Fjällstation Saltoluokta

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Jugendherbergen-Charme

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Eine Reisegruppe hat selbstgemachte Trophäen dabei, hier seht ihr den “silbernen Liegestuhl”. Es gibt auch noch den “Goldenen Kugelgrill”.

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In der Früh zeigt sich der Lulep Gierkav noch bedeckt.

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Dies ändert sich ein Stündchen später.

Ich hänge sogar noch mal meinen Rucksack an die Waage, zeigte der nach der letztjährigen Reise hier 18,5kg an, so blinken nun über 23kg auf. Nun ja, schwereres Zelt, schwererer Kocher und doch noch ein paar extra Utensilien. Trotzdem kommt er mir nun mit noch über 20kg unfassbar leicht vor, ich werfe ihn mir nahezu mühelos über die Schulter, vergangen ist das Hochwuchten der ersten paar Tage.

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Mit Anne und Volker geht es ab zur Fähre

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Lulep Gierkav

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Und Blick nach Osten, wo es ein paar Sami-Häuser gibt.

Die Fährüberfahrt bei schönsten Sonnenschein lässt noch einmal tolle Ausblicke zu, ganz anders als bei der Herfahrt, wo Markus und ich ja nur saßen und vor uns hin froren.

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Gierkav vom Boot aus

Nach der kurzen Überfahrt kommt auch bald der Bus an, der uns zurück nach Gällivare bringen wird.

Im Bus lerne ich noch Esther aus Deutschland kennen, so ist auch hier sichergestellt, dass ein Großteil der Fahrt mit aufgeklappter Landkarte verbracht wird, wir gleichen gegenseitig ab, wo wir im Sarek langgelaufen sind und berichten uns von vergangenen Radtouren (wobei ihre da deutlich abenteuerlicher sind 😉 )

In Gällivare selbst geht es dann zum COOP. Im Supermarkt stehen und den Mund nicht mehr zubekommen, auch das ein Klassiker nach der Wandertour. So habe ich aber bald meine geliebten Zimtschnecken im Einkaufswagen und kann der Zug-Weiterfahrt gelassen entgegensehen.

Volker, Anne und ich verabschieden uns noch von Esther, die zusammen mit ihrem Wanderkumpan noch ein paar Stunden in Gällivare hat, bevor sie beide mit dem Nachtzug nach Stockholm aufbrechen. Wir hingegen springen jetzt gleich in den Zug und eh man sich versieht sind wir in Luleå zurück.

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Blick auf vorbeiflitzende Landschaft, die Langsamkeit der Wanderung ist damit auf alle Fälle passé.

Volker und Anne beziehen ein Hotel in Bahnhofsnähe. Ich habe gestern Abend mich drangemacht zu schauen, ob das Hotel (Clarion Sense) von der Hinfahrt noch bezahlbare Zimmer hat. Die erste Nacht mit Markus hat 80€ gekostet, für 2 Leute ein Schnäppchen in einem 4-Sterne Hotel. Markus berichtete gestern telefonisch, dass er bei seiner Rückfahrt ein anderes Hotel suchen musste, da sie für ein Einzelzimmer 120€ aufriefen. Ich habe jedoch Glück, bei mir soll es „nur“ 60€ kosten. Da aber auch ein Hostelzimmer kaum unter 40€ zu bekommen ist, gönne ich mir den Aufpreis. Ein Zimmer für mich allein und ein BETT! Ein echtes Bett. Mit KOPFKISSEN! Mein Jauchzen und Jubilieren, als ich im Zimmer stehe kennt keine Grenzen.

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Ankunft im Hotel, die Laune ist super. Das Kopftuch versteckt allerdings ein schlimmes Geheimnis….

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Die Haare sind nur noch eklig!!

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Und stehen von alleine!

Bevor ich wieder in die Stadt verschwinde jedoch was ganz, ganz Wichtiges: die DUUUUUUSCHE! Mein letztes Bad war am Fuße des Sluggá, das ist jetzt fast 72 Stunden her und vor allem die Haare sehen grauenerregend aus. Nach diesem Gletscherbad nun unter der heißen Dusche stehen, so stelle ich mir den Himmel vor. Ich entschließe mich, Umwelt hin- oder her, doch zu testen was der Boiler des Hotels so hergibt. Nach 45 Minuten wird die Haut langsam schrumpelig und ich merke, dass der Heißwassertank doch mehr Reserven hat als ich.

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Endlich wieder sauber!

Frisch gewaschen und in sauberen Klamotten (ich hatte vor der Abreise hier noch einen Rucksack im Hotel deponiert) geht es zum Abendessen. Dieses war ja bei der Anreise eine Katastrophe, der eklige Burger bei MAX um 23 Uhr soll diesmal nicht wiederholt werden.

Doch heute bin ich deutlich früher dran und bekomme einen wahnsinnig guten Burger in einem Restaurant mit dem illustren Namen „Bastard Burger“. Auch der Menü-Preis von 17€ ist für das Gebotene in Schweden mehr als nachvollziehbar, zudem sehr, sehr lecker.

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Ausblick auf den Hafen Luleås

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Pures Paradies nach den Tütennudeln der letzten Wochen.

Auf dem Rückweg zum Hotel geht es noch zum COOP, und ich verprasse meine letzten Kronen um mir schwedische Leckereien zu kaufen, die ich mit heim nehmen will.

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Auf dem Rückweg bestaune ich noch kurz eine Feuershow.

Erschöpft und glücklich sinke ich abends ins Bett, der Nacken jubiliert endlich auf einem Kissen zu liegen. Nur die dicke Decke überfordert den Körper, es ist etwa 20° wärmer als die vergangenen Nächte, und ich schwitze dadurch wie bekloppt.